Unschöne Titulierung Donald Trumps in Satiresendung «Giacobbo/Müller» beanstandet
Mit Ihrer e-Mail vom 17. November 2016 beanstandeten Sie die unschöne Titulierung des neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump in der Sendung „Giacobbo/Müller“ vom 13. November 2016. Ihre Eingabe erfüllt die formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
„!n der sonntäglichen Spätabendsendung "Giacobbo/Müller" am 13. November a. c. nannte Giacobbo - wenn ich mich recht erinnere - den zukünftigen Präsidenten der USA ein ‚Arschloch‘. Dies Wort, gegen wen auch immer gerichtet, ist in einer derartigen Plattform intolerabel.
Ich erinnere mich, dass vor kurzem in der „bz Basel“ daran erinnert wurde, dass ein sehr bekannter Moderator nach dem Gebrauch selbigen Wortes in einer der grossen Samstagabendsendungen fristlos entlassen wurde. Herr Giacobbo wäre demnach ebenso fristlos als Moderator von seiner Sendung zu entbinden.“
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Frau Andrea Weber, Redaktionsleiterin Comedy, schrieb:
„Gerne nehme ich zu der Beanstandung von Herrn X Stellung.
Bei der Sendung ‚Giacobbo / Müller’ handelt es sich um eine Satiresendung. Inhalt sind die aktuellen Themen der Woche, welche Viktor Giacobbo und Mike Müller verbal, mit Bildern oder Einspielfilmen sowie mit ihren Gästen satirisch behandeln. Dies ist auch in der Sendung vom 13. November 2016 geschehen. Dabei kam es zu folgendem Wortlaut:
<Die Amerikaner sind nun entsetzt, weil sie feststellen mussten, dass in einer Demokratie auch ein Arschloch gewählt werden kann, und dass man das akzeptieren muss.> - <Das Arschloch?> - <Nein, das Resultat.>
Die satirische Absicht war, aufzuzeigen, dass man in der Demokratie auch Entscheidungen akzeptieren muss, die man überhaupt nicht teilt. Die Vernunft muss die subjektiven Emotionen überstimmen. Auch im emotionalen ‚Worst Case‘, der mit der Wahl von Trump, nach seinem umstrittenen Wahlkampf, für viele gegeben ist. Um den Zwiespalt zwischen der Anerkennung der Regeln und den diesem Vernunftgebot entgegengesetzten Gefühlen zu illustrieren, ist es unserer Ansicht nach in einer Satiresendung möglich, den umstrittenen Wahlkämpfer mit einer subjektiven, unflätigen Bezeichnung zu bezeichnen.
Es liegt in der Natur der Sache, dass in der Öffentlichkeit stehende Personen, insbesondere Politiker und Regierungsmitglieder, oft und ausgiebig Ziel der Satire sind. Die Satire übertreibt, ironisiert, karikiert Personen und Situationen und führt oft ins Absurde.
Es ist nachvollziehbar, dass eine teilweise grobe Wortwahl, der sich Viktor Giacobbo und Mike Müller manchmal bedienen, als störend und geschmacklos empfunden werden kann.
Humor ist immer auch eine Geschmackssache und nicht alle Menschen haben die gleichen Wertvorstellungen. Was den einen amüsiert, geht dem anderen zu weit. Entscheidend ist, dass Satire auch als solche erkennbar ist.“
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der umstrittenen Passage in der Sendung „Giacobbo/Müller“. Es war zu erwarten, dass das Duo Viktor Giacobbo und Mike Müller in seiner satirischen Sendung wenige Tage nach der amerikanischen Präsidentenwahl auf seine Weise auf das Resultat eingehen würde. Es tat es mit drei Zugängen: Der erste Zugang endete für das Publikum überraschend, das erwartete, dass die beiden – wie sie sagten - konsterniert, entsetzt, zornig seien und geweint hätten wegen der Wahl des amerikanischen Präsidenten, waren es aber nach ihren Angaben, weil kein Deutschschweizer neuer SRG-Generaldirektor werde. Dies führte wegen der Überraschung zu einem großen Lacherfolg. Im dritten Zugang machten sie sich über die SRF-Korrespondenten und -Moderatoren lustig, die so viel vom Regen in den USA sprachen und auch etwas übermüdet und entsprechend unkonzentriert waren. Der zweite Zugang gipfelte in der Aussage, dass die USA gespalten und entsetzt seien, dass in einer Demokratie auch ein Arschloch Präsident werden könne.
„Arschloch“ ist zweifellos ein beleidigender Anwurf, wird aber umgangssprachlich so oft verwendet, dass er meist ohne Folgen bleibt und auch die Gerichte nicht in jedem Fall den Verursacher verurteilen. Und wir müssen bei der Sendung „Giacobbo/Müller“ in Rechnung stellen, dass der Begriff in einer Satire-Sendung benutzt wurde. Ich hatte mich in meiner Tätigkeit als Ombudsmann schon mehrfach zur Satire zu äussern. Deshalb nehme ich hier Ausführungen wieder auf, die ich im Schlussbericht zu den Fällen Nr. 4252, 4253 und 4258, in dem es um die satirische Diskriminierung von Transmenschen ging, gemacht habe[1]: <Satire ist die scharfe, sarkastische, bissige, witzige Übertreibung und Überspitzung der Wirklichkeit, die Sachverhalte und menschliches Handeln zur Kenntlichkeit entstellt. Der Journalist und Schriftsteller Kurt Tucholsky schrieb 1919, Satire dürfe alles. Auch der Komiker Oliver Polak sagt heute: „Man kann Witze über alles machen.“[2] Dieser Meinung bin ich nicht. Der Spielraum der Satire ist zwar weit, aber es sind ihr auch Grenzen gesetzt. So ist es beispielsweise allzu billig, wenn sich Humoristen und Witzbolde über menschliche Eigenschaften wie Kleinwüchsigkeit oder Dickleibigkeit oder über die Hautfarbe lustig machen. Die Satire kann nicht scharf genug sein, wenn deplatziertes menschliches Handeln zur Debatte steht, sie kann nicht bissig genug sein, wenn Fehlleistungen oder Größenwahn-Entwicklungen von Politikern oder Wirtschaftsbossen aufs Korn genommen werden, aber sie sollte über angeborene menschliche Merkmale nicht spotten. Die Satire stützt sich auf die Kunstfreiheit und auf die Meinungsäusserungsfreiheit, und wenn sie über Medien vermittelt wird, auch auf die Medienfreiheit. Aber diese Freiheiten stehen nicht absolut. Sie müssen abgewogen werden gegenüber anderen Grundrechten wie: Recht auf Menschenwürde, Religionsfreiheit, Diskriminierungsverbot.>
Wenn man den neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump satirisch zur Kenntlichkeit entstellt, dann muss man berücksichtigen, was er bisher getan hat und wie er Wahlkampf geführt hat. Er ist rassistisch, sexistisch, narzisstisch, beleidigte Latinos, Muslime, Frauen. Er sagte: „Frauen muss man wie Shit behandeln“.[3] Im Wahlkampf nannte er Hillary Clinton eine „nasty woman“, eine widerliche Frau, und drohte, sie nach seinem Wahlsieg hinter Schloss und Riegel zu bringen. Er ist selbst- und herrschsüchtig. Er hat Prozesse wegen Betrugs am Hals. Er hat nie die Steuern bezahlt, die seinem Vermögen entsprachen. Er ist ein notorischer Lügner. Ein Richter würde wohl sogar außerhalb der Satire akzeptieren, dass man ihn ein „Arschloch“ nennt. Und wenn es die Satire tut, dann hat sie ihn effektiv zur Kenntlichkeit entstellt. Genau das ist die Aufgabe von Satirikern wie Viktor Giacobbo und Mike Müller. Ich kann nicht erkennen, was daran intolerabel sein soll.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
[1] https://www.srgd.ch/de/aktuelles/news/2016/04/19/sketch-giacobbomuller-uber-transmenschen-beanstandet/
[2] „Der Spiegel“ Nr. 16, 16.4.2016, S. 18.
[3] Walter Niederberger (2016): Trump Land. Donald Trump und die USA – Porträt einer gespaltenen Nation. Zürich: Orell Füssli, S. 24-56.
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