«Rundschau-Spezial: Das US-Imperium wankt» beanstandet

4422
Mit Ihrer e-Mail vom 10. November 2016 beanstandeten Sie die „Spezial-Rundschau“ (Fernsehen SRF) zu den amerikanischen Wahlen. Ihre Eingabe erfüllt die formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Somit kann ich auf sie eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

„Nachdem SRF schon im Vorfeld der Wahlen völlig einseitig berichtet hat, wurde gestern in der Rundschau auf jede ausgewogene Berichterstattung erneut verzichtet.

Die externen Teilnehmer waren ausschliesslich Clinton-Anhänger. Eine gegenteilige Meinung zur SRG-Einheitsmeinung wird nicht zugelassen. Diese Sendung hat gegen die Konzession verstossen.“

B. Wie bei Beanstandungen üblich, erhielt die zuständige Redaktion Gelegenheit, zu Ihrer Kritik Stellung zu nehmen. Für die „Rundschau“ tat dies Redaktionsleiter Mario Poletti, der Folgendes schrieb:

„ Gerne nehmen wir Stellung zur Beanstandung Nr. 4422.

Herr X beanstandet die Auswahl der Gäste der Rundschau Spezial und schreibt, dass die ‚externen Teilnehmer ausschliesslich Clinton-Anhänger‘ gewesen sein sollen.

Das trifft in keiner Weise zu. Im Gegenteil: Der einzige Teilnehmer, der als Partei-Anhänger eingeladen war, war ein Vertreter der Republicans Overseas Switzerland (ROS). Herr James Foley bekennt sich nicht nur zu den Werten der US-Republikanischen Partei, sondern sprach als Repräsentant der ROS auch für diese. Denn die ROS ist Mitglied des US-amerikanischen Republican National Commitee (RNC); näher kann ein in der Schweiz wohnhafter US-Bürger der Republikanischen Partei kaum stehen. Selbstverständlich wurde Herrn Foleys Parteimitgliedschaft in der Sendung transparent gemacht. Zudem trug Herr Foley klar sichtbar das Emblem seiner Partei an seinem Jackett. Keiner der anderen Gäste vertrat aber die Demokratische Partei der USA.

Wir weisen auch Herrn Brubpachers allgemeinen Vorwurf, die Rundschau Spezial hätte auf eine ‚ausgewogene Berichterstattung erneut verzichtet‘, in der deutlichst nur möglichen Form zurück.

Frau Clintons gescheiterte Aspiration – und somit das Abwägen der einen gegen die andere Kandidatur – ist in der Sendung kaum thematisiert worden, und spielte bloss in der Genderfrage zu Beginn der Sendung eine Rolle. Dieses Gespräch mit Schwerpunkt Genderfrage dauerte inklusive dem aus Berlin zugeschalteten US-Wahlstrategieexperten Julius van de Laar rund neun Minuten und war für die knapp 90 Minuten lange Sendung in keiner Weise prägend. Zudem hat Moderator Sandro Brotz auch dieses Gespräch inklusive jenem mit dem zugeschalteten Wahlstrategieexperten kontrovers gestaltet.

Weiter hat die Sendung in einem kurzen Rückblick auf Herrn Trumps Wahlkampf selbstverständlich dessen auffallend offensive Sprache und Wortwahl sowie das berühmte Pussy-Tape thematisiert. Ist das ‚unausgewogen‘? Nein. Beides gehört zu den herausragenden Aspekten der letzten Wochen vor der Wahl und musste in einem Rückblick auf den Wahlkampf – und wir haben ausschliesslich auf jenen des Siegers zurück geblickt – zwingend aufgenommen werden. Es war journalistisch nur folgerichtig, die Pussy-Tape-Affaire respektive das damit verbundene Frauenbild des siegreichen Kandidaten mit der im Studio anwesenden Gender-Expertin zu thematisieren.

Frau Iris Bohnet war als Studiogast diese Genderexpertin. Tatsächlich hegt Frau Bohnet Sympathie für die Kandidatur Clinton, jedoch erhielt Frau Bohnet am wenigsten von allen Studiogästen (fünf insgesamt) die Gelegenheit, sich zur US-Politik im Allgemeinen zu äussern, war sie doch als Gender-Expertin geladen und wurde auch mit diesem Fokus befragt.

Als Gender-Expertin eingeladen war sie, weil der US-Wahlkampf 2016 eine historische, gender-spezifische Dimension hatte: Zum allerersten Mal trat eine Frau im Rennen um die US-Präsidentschaft in der Endausmarchung als Kandidatin einer der beiden grossen Parteien an. Die Redaktion hat deshalb und aufgrund eines journalistischen Rasters bereits im Juni festlegt, dass, egal ob ein Mann oder eine Frau gewinnen werde, in der Nachwahlberichterstattung der Genderaspekt seinen Platz erhalten soll.

In diesem Zusammenhang ist auch unser erster Sendebeitrag präsentiert worden: In diesem begleiteten wir eine Clinton-Unterstützerin – aufgrund der eben beschriebenen Ausgangslage bot sich nur eine Supporterin der weiblichen Kandidatur als Exponentin an -, mit welcher wir den historischen Aspekt dieser Wahl in einer Reportage einfingen. Diese stark auf die Emotionen der Exponentin setzende Reportage bietet den idealen Einstieg in unsere 90minütige Analysesendung, handelte sie doch die enttäuschten Hoffnungen der weiblichen Clinton-Supporter ab und bot so einen Input aus dem ‚realen Leben‘ für das nachfolgende Gespräch mit der Gender-Expertin Bohnet. Ein Sendedesign, zuerst Reportage, dann Analyse, das absolut üblich ist.

Sollte der Beanstander in diesem Beitrag, der die Welt der Clinton-Supporter zeigte, eine Einseitigkeit erblicken, so sei der Beanstander auf die nachfolgende und doppelt so langen Reportage aus der US-Stadt Hickory verwiesen, welche in der Welt der Trump-Wähler spielt und aufzeigt, welche ökonomische Realität einer breiten US-Wählerschaft zum trump’schen Wahlsieg beitrug. Auch dieser Beitrag – das Thema Wirtschaft – ist mit unseren Studiogästen diskutiert worden.

Hätten weitere Studiogäste als ‚Clinton-Anhänger‘ verstanden werden können, wie das der Beanstander zu erkennen glaubt? Nein.

Gehen wir die weiteren Studiogäste der Reihe nach durch: Herr Martin Naville, der Präsident der Swiss-American Chamber Of Commerce, ist weder ein Anhänger von Frau Clinton noch von Herrn Trump, was in seinen Voten auch zum Ausdruck kam. So hat Herr Naville im Gespräch auf seine frühe Analyse verwiesen, dass Frau Clinton chancenlos sei. Vielmehr ist Herr Naville einer der ausgewiesensten Kenner der politischen Mechanismen in Washington DC, der im deutsch-schweizer Sprachraum zur Verfügung steht. Im Übrigen – das war in der Sendung aber kein Thema und sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt – steht Herr Naville nach Selbstdeklaration der Republikanischen Partei nahe.

Der aus Berlin zugeschaltete US-Campaigning-Experte Julius van de Laar war in vergangenen Wahlkämpfen für das Team von Barack Obama tätig (in jenem von 2008 übrigens gegen Hillary Clinton), tritt aber seit Jahren als neutraler Kampagnen-Experte in verschiedenen europäischen Medien auf und überzeugt dank seiner persönlichen Erfahrung mit Analysen zu den Mechanismen der US-Wahlen. Seinen früheren Bezug zum Team Obama hat Moderator Sandro Brotz gleich zu Beginn klar transparent gemacht, und van de Laars letzte Äusserung, die als Trump-unfreundlich bezeichnet werden muss, hat der Moderator selbstredend umgehend als dessen ‚persönliche Anmerkungen‘ deklariert und sich so auch davon distanziert.

Im längeren Gespräch mit den Studiogästen aus Deutschland, Herrn Peter Rudolf und Herrn Michael Lüders, spielte die erfolglose Kandidatur von Frau Clinton überhaupt keine Rolle; dort wurde einzig die mögliche Aussenpolitik des neu gewählten US-Präsidenten besprochen. Die Moderatorin Susanne Wille hat dieses Gespräch kontrovers geführt und verschiedene Handlungsoptionen des künftigen Präsidenten mit den zwei Experten für internationale Politik durchgespielt. Tenor des rund zehn Minuten langen Gesprächs war: Wir müssen abwarten, welches Trumps aussenpolitischen Prioritäten sind (Lüders). Herr Lüders ist übrigens ein scharfer Kritiker der bisherigen US-Aussenpolitik – gerade auch jener unter Frau Clinton -, was Moderatorin Wille im Sinne der Transparenz für den Zuschauer gleich zwei Mal ansprach! Und zwar obwohl, wie erwähnt, die Kandidatur Clinton in diesem Gesprächsteil keine Rolle spielte.

Fazit: In der 90-minütigen Rundschau-Sondersendung wurden verschiedenste Aspekte der US-Wahl kritisch und umfassend beleuchtet – ohne Partei zu nehmen für eine Partei. Das Publikum konnte sich somit jederzeit eine eigene Meinung bilden.

Darum bitten wir Sie, sehr geehrter Herr Blum, die Beanstandung abzuweisen.“

C. Damit komme ich zu meinem eigenen Kommentar zur Sendung. Ich habe für Ihre Beanstandung leider überhaupt kein Verständnis. Ich weiß nicht, welche Sendung Sie sich angesehen haben, sicher nicht die „Spezial-Rundschau“ von 90 Minuten Dauer zu den amerikanischen Präsidentenwahlen. Denn Ihre Wahrnehmung, dass die externen Teilnehmer durchweg Clinton-Anhänger gewesen seien, dass es eine SRG-Einheitsmeinung gegeben habe, gegen die keine Gegenmeinung zugelassen worden sei und dass diese Sendung deswegen gegen die Konzession verstossen habe, kann ich mit dem besten Willen nicht nachvollziehen. Diese Sendung war nämlich Journalismus im besten Sinne des Wortes. Was ist Journalismus im besten Sinne des Wortes? Wenn Medienleute ein Thema unvoreingenommen, aktuell, fundiert, interessant, vielseitig und verständlich aufbereiten und wenn sie genau die Fragen stellen (und beantworten lassen), die auch das Publikum gestellt hätte. Solche Fragen waren: Warum sind die USA gespalten? Was treibt jene um, die fast geschlossen Trump gewählt haben? Was heißt es für die Frauen, dass Amerika jetzt doch nicht die erste Präsidentin erhält? Welche Vorhaben wird Präsident Trump umsetzen und wie? Was ist von ihm aussenpolitisch zu erwarten? Diese „Rundschau“ gewann Farbe durch die Reportagen (über den Wahltag und die Wahlnacht der Clinton-Anhängerin Georgie Bernadete und über die Befindlichkeit in Hickory, der früheren „Welthauptstadt der Möbel“, wo jetzt 70 Prozent Trump wählten). Sie gewann Tiefe durch die Gespräche mit der Harvard-Professorin Iris Boneth und mit dem Wahlkampf-Spezialisten Julius van de Laar, mit dem republikanischen Schweiz-Repräsentanten James Foley und dem Schweiz-amerikanischen Handelskammer-Präsidenten Martin Naville, mit dem Moskau-Korrespondenten Christof Franzen sowie mit den außenpolitischen Experten Michael Lüders und Peter Rudolf. Die Sendung gewann an Unterhaltsamkeit durch die Beispiele aus der US-Filmgeschichte, die immer auch ein Licht auf die amerikanische Identität warfen, kompetent kommentiert durch die Spezialisten Elisabeth Bronfen und Michael Hochgeschwender. Und die Sendung lebte vom perfekten Zusammenspiel und vom professionellen Befragungsstil der beiden Moderatoren Sandro Brotz und Susanne Wille. Nichts von Einseitigkeit, nichts von Einheitsmeinung! Ich kann Ihnen daher in keiner Weise beipflichten.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

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