«Rundschau»-Beitrag über «Abzocker in Weiss» beanstandet
Mit Ihrer Zuschrift vom 17. November 2016 beanstandeten Sie die Sendung „Rundschau“ auf Fernsehen SRF vom 2. November 2016, und zwar den Beitrag „Abzocker in Weiss“ [1]. Ihre Eingabe erfüllt die formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Somit kann ich auf sie eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
„Bis anhin betrachtete ich die ‚Rundschau‘ im Schweizer Fernsehen als eine seriöse Sendung.
In der Tat hatte ich damals zu einem Interview eingewilligt, um zum Thema ‚Tarmed‘ und der falschen Beurteilung des Bundesgerichts Stellung zu nehmen.
Dabei hatte man mich in den Medien als ‚Abzocker‘ vorgeführt. Es war das Ziel der Krankenkassen (CSS und SWICA), mich öffentlich zu diskreditieren.
Tatsächlich aber wurden praktisch alle meine Aussagen bewusst geschnitten. Da ich keine Praxis, sondern eine Klinik mit integriertem Ambulatorium führe, kann man unsere Klinik nicht mit einer 1-Mann-Praxis vergleichen.
Die Rückzahlung betrifft Abrechnungen aus dem Jahr 2006 und basierte auf der falsch zugeteilten Abrechnungsnummer, (Praxisnummer anstelle Ambulatorium-/Kliniknummer), dies war ein gravierender Fehler der Behörden.
Ich bin zutiefst in meiner Ehre verletzt und schockiert, dass solche Fälle und solche ‚Vernichtungen‘ in der Schweiz Platz haben.“
B. Wie bei Beanstandungen üblich, erhielt die zuständige Redaktion Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Herr Mario Poletti, Redaktionsleiter der Sendung „Rundschau“, schrieb:
„Gerne nehmen wir Stellung zur Beanstandung Nr. 4430.
Wir weisen die Anschuldigung des interviewten Arztes, die Rundschau habe ihn ‚vernichten‘ wollen, entschieden zurück.
Die Rundschau hat mit Dr. X vom ersten Kontakt an völlig transparent kommuniziert. Dr. X wusste genau, was das Thema der Recherche und des späteren Beitrages sein wird: überhöhte Arztrechnungen. In ihrer ersten Interviewanfrage hat die Rundschau dem Arzt mitgeteilt, dass die Redaktion zu diesem Thema recherchiert und dabei auch seinen Fall mit dem betreffenden Bundesgerichtsurteil thematisieren wird.[2]
Der Kläger hat sofort zum Interview eingewilligt und die Fragen zum Voraus verlangt. Die Redaktion schickte dem Interviewten in der Folge rund eine Woche vor dem Interview-Termin sämtliche Kernfragen – X konnte sich lückenlos auf sein TV-Interview vorbereiten.[3]
Des Weiteren ist Dr. Xs Darstellung, die Aussagen seien ‚bewusst geschnitten‘ worden, nicht nachvollziehbar. Der Beanstander meint wohl, wir hätten seine Aussagen sinnentstellt zusammengefügt. Dem ist nicht so: der Protagonist konnte seine besten Argumente vorbringen - zu sämtlichen Kritikpunkten.
Zum Urteil des Bundesgerichtes kann X im Beitrag ausführlich zweimal Stellung nehmen. O-Ton: ‚Ich fühle mich unschuldig. Ich wurde falsch behandelt. Das Bundesgericht hat einfach nicht genau recherchiert.‘
Unmittelbar darauf verstärkt die Rundschau das Argument des Arztes und sagt in indirekter Rede im Beitragstext: ‚Man habe seine Klinik zu Unrecht mit billigeren Augenpraxen verglichen.‘
Zum Hauptvorwurf kann der Betroffene ebenfalls ausführlich Stellung beziehen: Der Rundschau-Reporter stellt auch offen diese Kernfrage: ‚Krankenkassen sagen, Sie rechnen seit Jahren zu viel ab?‘ X dementiert und kann ausführlich begründen weshalb. Interviewantwort: ‚Stimmt nicht. Wir haben modernste Diagnostik und waren immer Pioniere, die alles anbieten. Man kann uns einfach nicht vergleichen mit einer normalen Praxis, die nur gewisse Geräte hat für Untersuche. Dies ist alles teuer.‘
Im Weiteren erhält der Arzt Gelegenheit, sowohl zu den persönlichen Konsequenzen des Bundesgerichtsurteils (‚fast ein Jahreslohn für mich‘) als auch generell zum Kostenproblem im Gesundheitswesen (‚Der Schweizer ist verwöhnt, dass die Krankenkassen alles übernehmen‘) Stellung zu nehmen.
Die Recherchen der Rundschau im Vorfeld des Beitrages brachten folgendes zu Tage: Dr. X musste bereits 1996 rund 210'000 Franken an die Krankenkassen wegen ‚Überarztung‘ zurückbezahlen. Dies haben wir im Beitrag nicht erwähnt, weil es nicht im Zusammenhang steht mit dem aktuellen Bundesgerichtsurteil.
Das Bundesgerichtsurteil aus dem Jahr 2015 bezog sich zwar auf überhöhte Arztrechnungen aus dem Jahr 2006. Weil Dr. X den Fall aber durch alle Instanzen zog – und überall verlor – kam das Bundesgericht erst im letzten Jahr zu einem abschliessenden Urteil. Das Urteil gegen Dr. X war eines der aktuellsten Urteile überhaupt zum Thema überhöhte Arztrechnungen. Dies bestätigt auch der Krankenkassenverband Santésuisse. Das Urteil wurde im vergangenen Jahr 2015 gefällt – und im Beitrag auch korrekt so benannt.
Zudem bestätigten Krankenkassen und der Krankenkassenverband Santésuisse Recherchen der Rundschau, dass zur Zeit Rechnungen Xs Augenklinik Teufen aufgrund des Verdachtes von zu hohen Rechnungen nicht bezahlt werden. Dies wurde im Beitrag ebenfalls korrekt erwähnt. Es handelt sich dabei um Rechnungen in der Höhe von mehreren hunderttausend Franken, wie die Krankenkassen ebenfalls bestätigen. Es ist also keineswegs so, dass die Rundschau einfach nur einen verjährten Fall eines vom Bundesgericht verurteilten Arztes präsentiert hat.
Es gehört zur Aufgabe der Medien - insbesondere der Rundschau als investigatives Hintergrundmagazin - potentiell fragwürdige Vorgänge zu durchleuchten. Dies gilt auch für die Arbeit und Abrechnungen der Ärzte, weil sie mit Kostenfolgen für die Allgemeinheit verbunden sind.
Fazit: Der im Beitrag kritisierte Protagonist wurde kritisch, aber transparent befragt und er konnte sich mehrmals im Beitrag ausführlich zu allen Vorwürfen äussern. Das Publikum konnte sich jederzeit eine eigene Meinung bilden.
Darum bitten wir Sie, sehr geehrter Herr Blum, die Beanstandung abzuweisen.“
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Einschätzung der Sendung. Ich habe mir den Beitrag sehr genau angesehen und Ihre Aussagen darin mit der Kritik in Ihrer Beanstandung verglichen. Ihr Hauptvorwurf ist, die „Rundschau“ habe Ihre Aussagen geschnitten. Sie bringen aber in der Beanstandung genau jene Argumente vor, die Sie auch in der Sendung vorbrachten. Folglich gibt es keine anderen Argumente und folglich kann die „Rundschau“ auch nichts Wesentliches weggeschnitten haben.
Ihr Hauptargument sowohl in der Sendung als auch in der Beanstandung ist, das Bundesgericht habe nicht richtig recherchiert, man könne Ihre Klinik nicht mit einer Ein-Mann-Praxis vergleichen, und die Rückzahlungsforderung basiere einzig und allein auf einer von den Behörden falsch zugeteilten Abrechnungsnummer. Ich habe mir das Bundesgerichtsurteil angesehen.[4] Es erging am 15. Januar 2015 in der II. Sozialrechtlichen Abteilung, in der die Bundesrichterinnen und Bundesrichter Lucrezia Glanzmann (Vorsitz, Luzern), Ulrich Meyer (Zürich), Brigitte Pfiffner (Zürich), Francesco Parrino (Tessin) und Margit Moser-Szeless (Genf) mitwirkten. Entgegen Ihren Behauptungen hat das Bundesgericht die Sache sehr sorgfältig geprüft und alle für den Entscheid wesentlichen Fragen gründlich erwogen. Es kam zum Schluss, dass das appenzell-ausserrhodische Schiedsgericht nicht rechtswidrig entschieden habe, und hat folglich dessen Entscheid bestätigt. Das Schiedsgericht hatte im Übrigen die Klage der Krankenkassen nur teilweise gutgeheißen, als es Ihnen die Nachzahlung von 520‘423.60 Franken aufbrummte. Die Forderung war also noch höher.
Es gibt eigentlich nur zwei Erklärungen für Ihren Misserfolg vor den gerichtlichen Instanzen: Entweder hatten Sie keine guten Anwälte, oder Ihnen fehlten überzeugende Argumente für Ihre Position. Die Sendung „Rundschau“ hat Ihnen immerhin ermöglicht, Ihren Standpunkt auch nach dem Scheitern vor Bundesgericht nochmals vorzubringen. Sie hatten also im Grunde eine luxuriöse Position. Ich kann daher Ihre Klage der „Rundschau“ gegenüber in keiner Weise nachvollziehen. Der Beitrag handelte im Übrigen nicht nur von Ihnen, sondern beleuchtete weitere Fälle, in denen die Krankenkassen Anlass haben, ärztlichen Missbrauch zu bekämpfen. Und der Beitrag wurde abgerundet durch Interviews mit dem Chef der Missbrauchsbekämpfung der Swica und mit der Direktorin der Santésuisse. Somit kann ich festhalten: Die „Rundschau“ bearbeitete das Thema der zu hohen bzw. betrügerischen Arztrechnungen insgesamt fair und ausgewogen.
Ärzte geniessen in unserer Gesellschaft hohes Vertrauen. Man ist ihnen mit Recht dankbar dafür, dass sie die Kunst beherrschen, gesundheitliche Störungen zu beseitigen, ja Leben zu retten. Aber Ärzte haben auch Macht. Sie können ihre Macht verantwortungsvoll ausüben oder aber sie missbrauchen. Wer auf Kosten der Patienten und der Krankenkassen ungebührlich profitiert, missbraucht seine Macht.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
[1] http://www.srf.ch/sendungen/rundschau/abzocker-in-weiss-provokateur-pfister-weltpolizistin-hillary
[2] Siehe Beilage 1.
[3] Siehe Beilage 2.
[4] http://www.bger.ch/index/juridiction/jurisdiction-inherit-template/jurisdiction-recht/jurisdiction-recht-urteile2000.htm 9C_535/2014
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