Aufbau der Sendung «Tagesschau» beanstandet

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Sie beanstandeten mit Ihrer E-Mail vom 6. Dezember 2016 die „Tagesschau“ von Fernsehen SRF um 19:30 Uhr des gleichen Tages[1]. Ihre Eingabe erfüllt die formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Somit kann ich auf sie eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

„Die Nachrichten waren wie immer mit sehr negativen Meldungen durchtränkt. Besonders hat mich (und sicher auch viele andere) die Nachricht über das Leiden von ugandischen Kindersoldaten, welche besonders sexuelle Folter ertragen mussten, schockiert.

Gegen Ende der Nachrichten höre ich Moderatorin Katja Stauber mit einem schrägen Lachen uns mitteilen, dass jetzt die Chefin in einem Bordell ermitteln muss.

Ich finde, dass solches ‚Durcheinander‘ der Informationen sehr irritierend wirkt und schliesslich auch menschliche Würde verletzt.“

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung, um dazu Stellung zu nehmen. Herr Franz Lustenberger, stellvertretender Redaktionsleiter der „Tagesschau“, schrieb:

Mit Mail beanstandet Frau X die Tagesschau-Hauptausgabe vom Dienstag 6. Dezember. Es geht um die Moderation, insbesondere um den Hinweis auf den nachfolgenden Krimi „Die Chefin“ ganz am Schluss der Sendung.

Sendehinweis

Die Tagesschau macht jeweils am Schluss der Sendung in der Verabschiedung einen Worthinweis auf die folgenden Sendungen. Dies ist Standard bei praktisch allen TV-Stationen der Welt; man informiert das Publikum kurz über das nachfolgende Programm. Dabei wird nicht nur der Titel der Sendung genannt, sondern in einem Halbsatz eine kurze inhaltliche Angabe zum Programm gemacht. Im Krimi am 6. Dezember geht es um einen Polizisten, der in einem Bordell erschossen wird; dort muss ermittelt werden.

Der Sendehinweis – vom Quiz am Montag, über den Krimi am Dienstag bis hin zur Volkskunde am Freitag kommt immer nach dem Auftritt von 10v10, respektive Rundschau am Mittwoch, ganz am Schluss der Tagesschau. Das Publikum weiss aus Erfahrung, jetzt kommen Hinweise, die mit dem Inhalt der Sendung vorher inhaltlich nichts zu tun haben.

Übergänge innerhalb der Sendung

Die Redaktionsleitung und die verantwortlichen Ausgabeleiter der einzelnen Sendungen sind sich sehr wohl bewusst, dass die Abfolge der Beiträge sehr sorgfältig abgewogen werden muss. Die Dramaturgie einer Sendung mit vielen Themen aus den verschiedensten Gebieten ist jeden Tag Gegenstand von Diskussionen innerhalb der Redaktion.

Zum einen bestimmen Aktualität und Relevanz den Aufbau einer Sendung. Zum anderen sind es auch Überlegungen, wie sie Frau X anklingen lässt. Die Tagesschau fasst Themengebiete zusammen, wie dies die Sendung vom 6. Dezember exemplarisch belegt: Pisa-Studie, Session in Bern, Deutschland mit Wiederwahl Merkel als CDU-Vorsitzende und AKW-Entscheid, weitere Berichte und Meldungen aus dem Ausland (darin der Bericht zu den Kindersoldaten in Uganda), Sport, Samichlaus als versöhnlicher Abschluss, Hinweis 10v10 und Verabschiedung.

Die Tagesschau will mit dem Aufbau der Sendungen nicht von einem Extrem ins andere fallen; also kommt – um ein Beispiel zu machen - direkt nach Aleppo nie ein Beitrag über einen Komiker. Trotzdem sind in einer aktuellen Sendung, welche die ganze thematische Breite des Geschehens abdeckt, gewisse ‚harte‘ Übergänge unvermeidbar. Die Moderatorinnen und Moderatoren machen dies jeweils transparent, etwas mit dem Wort ‚Themenwechsel‘ oder indem sie eine kurze Pause einbauen, und so dem Publikum die Möglichkeit geben, kurz aufzuschnaufen.

Die Tagesschau bemüht sich sehr darum, Irritationen beim Publikum zu vermeiden. In diesem Sinne nimmt sich die Tagesschau die Bemerkungen von Frau X zu Herzen. Ich bin persönlich aber der festen Überzeugung, dass gerade die Tagesschau in diesem Punkt sehr auf die Zuschauerinnen und Zuschauer Rücksicht nimmt.

Ich bitte Sie, die Beanstandung in diesem Sinne zu beantworten.“

C. Damit komme ich zu meinem eigenen Kommentar zu der Sendung. Wenn Sie eine Zeitung aufschlagen, dann stoßen Sie auf eine klare Abfolge: In einem Blatt wie der „Südostschweiz Graubünden“ folgt nach der Titelseite, die das Wichtigste des Vortages zusammenfasst, zuerst das Regionale, dann kommen Schweiz, Ausland, Wirtschaft, Sport, Kultur. Bei einer Zeitung wie der „Neuen Zürcher Zeitung“ beginnt der Reigen nach der Titelseite mit dem Internationalen, darauf schliessen sich „Meinung & Debatte“, die Schweiz und Zürich an, danach folgen Wirtschaft und Finanzen, das Feuilleton und der Sport. Genauso hält es die „Tagesschau“: Sie ist klar gegliedert und beachtet eine gewisse Dramaturgie. Am 6. Dezember 2016 war zuerst von der Schweizer Politik die Rede (Pisa-Studie, verlängertes Gentech-Moratorium, Strafnorm für Nacktaufnahmen von Kindern), dann von der Politik im Ausland (CDU-Parteitag in Deutschland, Verfassungsgerichtsentscheid zur Energiewende in Deutschland, Nato-Konferenz in Brüssel, EU und Großbritanniens Austritt, Premierministerwechsel in Frankreich, Uganda-Prozess in Den Haag), darauf vom Sport (Verurteilung von Tschagajew, Spiel FC Basel gegen Arsenal), schließlich vom St. Nikolaus, der in Trun eine Schulklasse besuchte. Welche Themen es in die Sendung schaffen, hat mit Aktualität, Relevanz und Betroffenheit zu tun – alle gewählten Themen waren für das (Deutsch-)Schweizer Publikum nicht ganz unwichtig. Es gehört zum Ritual, dass dann die Moderatorin von „10 vor 10“ (an diesem Tag Daniela Lager) bekannt gibt, welches die Schwerpunkte ihrer Sendung sind, und dass die Moderatorin der „Tagesschau“ (an diesem Tag Katja Stauber) sagt, was gleich nach der „Tagesschau“ folgt. Eigentlich ist doch alles schön geordnet, und ich kann nicht nachvollziehen, wie Sie zum Schluss kamen, es habe ein Durcheinander an Informationen geherrscht. Und es ist mir auch schleierhaft, wodurch Sie die menschliche Würde verletzt sahen. Wessen Würde? Ihre Würde? Oder die Würde von in der „Tagesschau“ gezeigten Menschen? Ich sah keinerlei Anhaltspunkte dafür.

Sie beklagen auch, dass die Nachrichten negativ seien. Das ist manchmal nicht zu vermeiden. Die Medien melden ja grundsätzlich die Abweichung vom Normalen, zumal das Normale schon bekannt und meist auch eher langweilig ist. Die Medien melden also das Flugzeugunglück und nicht, wie viele Flüge an dem Tag normal verlaufen sind. Die Nachrichten vom 6. Dezember waren im Übrigen nicht durchweg negativ, sondern eher ambivalent, wie drei Beispiele zeigen:

  • Schlechte Leseleistung der Schweizer Kinder in der Pisa-Studie: Die einen finden das besorgniserregend, die andern bezweifeln das Ergebnis und kritisieren die Befragungsmethode.
  • Verlängerung des Gentech-Moratoriums: Die einen freuen sich darüber, die andern ärgert es.
  • Entschädigungspflicht des Staates für stillgelegte deutsche Atomkraftwerke: Die einen freut es, die andern ärgert es.

Ich kann aus all den Gründen Ihre Beanstandung beim besten Willen nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

[1] http://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/tagesschau-vom-06-12-2016-1930?id=cd9976f8-89bf-4047-8b5c-b1b9d92a8afe

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