Radio SRF 3, «Die andere Presseschau» von Peter Schneider beanstandet
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Mit Ihrem Brief vom 21. Februar 2017 beanstanden Sie die auf Schweizer Radio SRF 3 außer sonntags täglich ausgestrahlte „Andere Presseschau“ von Peter Schneider . Sie baten mich, ein paar der letzten Ausgaben zu überprüfen. Somit handelt es sich bei Ihrer Eingabe um eine Zeitraumbeanstandung, die sich auf Sendungen bis maximal ein Vierteljahr zurück beziehen kann. Ich entschloss mich, die letzten zehn Sendungen unter die Lupe zu nehmen. Ihre Eingabe erfüllt die formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Folglich kann ich auf sie eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
„Ich ärgere mich schon seit geraumer Zeit über die blöden Sprüche von Peter Schneider in seiner Presseschau auf SRF3. Ist eigentlich niemand von der Chefetage des SRF zuständig, für diesem Schwachsinn Einhalt zu gebieten. Oder gibt es etwa Leute, welche diese Diskriminierungen von Minderheiten jegliche Art lustig finden. Und offenbar ist keine Ausgabe möglich, wo nicht über Sex, Prostituierte, Selbstmörder und dergleichen gesprochen wird. Da muss sogar das Attentat in Berlin zur Weihnachtszeit dafür herhalten, allenfalls einen Brüller zu landen. Entschuldigen Sie, ich bin ja weder prüde noch ein Kind von Traurigkeit, sondern eher der Spassvogel. Aber was da an dieser primitiven Presseschau abgeht, ist irgendwie unpassend für einen Sender.
Ich bitte Sie, sich die Zeit zu nehmen und ein paar der letzten Ausgaben der Presseschau mal mit der notwendigen Sensibilität anzuhören und zu versuchen, hier etwas lustiges heraus zu hören. Also mir gelingt das nicht.
Zu allem Überfluss kommt jetzt noch der Unsinn mit dem Pseudo-de Weck. Auch hier: Nur primitive Sprüche.
Sorgen Sie doch irgendwie zu einem erträglichen Niveau, oder bin ich selber zu wenig verblödet für diesen Mist? Ein sonst geduldiger SRF-Hörer.“
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Herr Pascal Scherrer, publizistischer Leiter von Schweizer Radio SRF 3, schrieb das Folgende:
„Die Satirerubrik von Peter Schneider ist seit 30 Jahren täglicher Bestandteil des Programms von Radio SRF 3. Der Psychoanalytiker Peter Schneider geniesst mit seinen Kommentaren zum Zeitgeschehen in einer breiten Deutschschweizer Öffentlichkeit einen guten Ruf – mitunter auch deshalb, weil seine Satire Biss hat.
Zum Konzept und zur Form der Satirerubrik:
In seiner Satirerubrik zitiert und kommentiert Peter Schneider Auffälliges aus dem Medienalltag (Berichte in Zeitungen, Webplattformen, Leserbrief-Rubriken). Die Themenwahl ist offen und folgt keinem Konzept.
Unsere Stellungnahme zu den Fragen von Herrn X:
- Zum nicht näher präzisierten Geschmacks-Urteil „blöde Sprüche“ können wir uns konkret nicht äussern.
- Zum Punkt der Zuständigkeiten halte ich fest, dass jede Satire-Rubrik vor Ausstrahlung angehört und auch abgenommen wird durch zwei verschiedene Instanzen.
Rubriken, die unseren qualitativen Ansprüchen nicht genügen, sortieren wir aus. Dies ist zwar selten der Fall, kommt aber alle paar Wochen vor. - Ob und wie viele Leute unser Satire-Produkt ‚lustig‘ finden, können wir indirekt an den täglich Zehntausenden HörerInnen ablesen, die die Rubrik freiwillig konsumieren. Gerne halte ich an dieser Stelle weiter fest, dass wir in den letzten Jahrzehnten rund 10 000 Ausgaben de Satire-Rubrik gespielt und diese weniger als zehn Beanstandungen bei der Ombudsstelle ausgelöst haben.
- Ob wirklich – wie Herr X behauptet – keine Ausgabe möglich ist, ‚ohne dass über Sex, Prostitution, Selbstmörder‘ gesprochen wird, haben wir erst neulich untersucht; wie wir dies periodisch immer tun.
In der von uns ausgewählten Woche vom 13. bis 17. Februar 2017 präsentierten sich die Themen wie folgt:
13. Februar
- Zum Kosovo-Adler auf CH-Militär Uniformen
- Polizeimeldung: Polizei sucht Täter per Internet
- Zur Verurteilung des Zuger FDP-Stadtrat
14. Februar
- Valentinstag: Pfeffer – statt Blumen
- Mann aus Rostock gab seinen Hund jahrelang als Schaf aus, um die Hundesteuer zu sparen
- Mann mit Schwein in Zürcher Tram.
15. Februar
- Tatort/Spiegel Online –Fakten-Check
- Donald Trump-Tweet zur Globalisierung
- Trump-Beraterin erfindet Massaker
- Neuartiger Granatwerfer ist umstritten
- Priester veranstaltet Orgie
- Sport: Fussballverein BVB will sich reformieren
- Französische Politik vs. Holocaust
16. Februar
- Auch nicht urteilsfähigen Menschen sollen Stimmrecht haben
- US-Waffenrecht soll wieder liberalisiert werden
- Marie Le Pen leiht sich den Wahlslogan von Donald Trump
17. Februar
- Donald Trumps Folteraussagen vs. Folterer, der aus Gambia in die Schweiz flüchtete
- CH-Forscherin: Job weg wegen D. Trumps Einwanderungserlasse
- RTL-Dschungelkönig verrät: Ich habe bald eine eigene Stripshow
Die Stichprobe zeigt klar auf, dass der subjektive Höreindruck von Herrn X nicht mit der realen Themenwahl übereinstimmt. Von rund 20 Themen in der genannten Woche sind gerade mal deren zwei dem von Herrn X definierten Themenspektrum (‚Sex, Prostitution, Selbstmörder‘) zurechenbar. Die überwiegende Mehrheit der Themen entstammt dem Spektrum Politik und Gesellschaft im In- und Ausland.
Da alle Folgen der Rubrik auch online abhörbar sind, lässt sich gut feststellen, dass die von uns gewählte Stichproben-Woche kein positiver Ausreisser ist, sondern eher der Regelfall hinsichtlich Themenauswahl.
Zusammenfassend halte ich fest, dass sich trefflich über den Inhalt der Rubrik von Peter Schneider diskutieren lässt. Bezüglich der überprüfbaren aufgeworfenen Fragen von Herrn X komme ich zu folgendem Schluss: Wir verfolgen keine einseitige Themenwahl, wir nehmen unsere Sorgfaltspflicht wahr, gerade weil wir wissen, dass auch Satire nicht ‚alles darf‘.
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Rubrik. Die Ombudsstelle hat zu prüfen, ob eine Sendung oder eine Sendefolge gegen die Bestimmungen des Radio- und Fernsehgesetzes verstösst. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn das Publikum manipuliert wird, das heißt, wenn ihm wichtige Fakten vorenthalten oder falsche Fakten serviert werden. Es ist auch dann der Fall, wenn in einer Sendung jemand massiv beschuldigt wird, sich aber dazu nicht äußern kann. Oder es ist der Fall, wenn eine Person oder eine Gruppe diskriminiert und in den Augen des Publikums lächerlich gemacht wird. Das Ziel ist, dass sich das Publikum über Tatsachen und Ansichten frei eine eigene Meinung bilden kann. Es geht also hauptsächlich um Regeln der Transparenz und der Fairness. Es geht nie um Fragen des Geschmacks.
Was Sie kritisch vortragen, sind vor allem Fragen des Geschmacks. Sie mögen die Art von Peter Schneider nicht, mit in Medien gemeldeten Phänomenen des Alltags umzugehen. Der Alltag liefert aber in der Tat manch Skuriles und Absurdes. Peter Schneider spießt es mit viel Sprachbewusstsein, Scharfsinn und Sarkasmus auf. Mit knappen Kommentaren entstellt er viele gedankenlose oder merkwürdige Meldungen zur Kenntlichkeit. Er unternimmt damit etwas Vergleichbares wie das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, das seit Jahrzehnten auf seiner letzten redaktionellen Seite den „Hohlspiegel“ veröffentlicht: In Printmedien oder in der Werbung gefundene Textstellen, die unfreiwilligen Humor enthalten und unweigerlich einen Lacher hervorrufen.
Mir persönlich gefällt es, dass es bei Schweizer Radio SRF 3 mit der „Anderen Presseschau“ eine solche Rubrik gibt und dass sie jemand versieht, der in einfachen Nachrichten die Sprachfehler, die Denkfehler oder Dummheit entdeckt und dies offenlegt. Dabei muss diese „Andere Presseschau“ nicht zwingend lustig sein. Es reicht, wenn sie nachdenklich macht. Aber oft ist sie richtig witzig, beispielsweise wenn Peter Schneider beschreibt, wie sich wohl ein Muslim, der gegen den Schwimmunterricht seiner Töchter kämpft, das Paradies vorstellt: „ein grosses Hallenbad voller nichtschwimmender Meerjungfrauen“ (am 9. Februar 2017).
Ich habe mir die letzten zehn „anderen Presseschauen“ vor dem 21. Februar 2017 – also jene vom 9. bis zum 20. Februar 2017 – angehört und konnte darin nichts finden, was beim Ombudsmann die Alarmglocken hätte schrillen lassen müssen und was gegen das Radio- und Fernsehgesetz verstösst. Ich kann mich daher voll und ganz den Ausführungen von Herrn Pascal Scherrer anschliessen und muss Ihrer Beanstandung eine Absage erteilen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
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