Sendung «Schawinski» vom 27. Februar 2017 mit Nationalrat Andreas Glarner beanstandet II

5022

Mit Ihrer E-Mail vom 28. Februar 2017, die via Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) zur Ombudsstelle gelangte, beanstandeten Sie die Sendung „Schawinski“ mit Nationalrat Andreas Glarner, vom Schweizer Fernsehen SRF am 27. Februar 2017 ausgestrahlt.[1] Ihre Eingabe erfüllt die formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher auf sie eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

„Wie lange müssen wir Zuseher den Moderator Roger Schawinski noch ertragen. Da werden die Gesprächspartner auf's übelste angegriffen. Nach seinen Fragen gibt Er meisten seine Version der Antworten. Lässt den Gesprächspartner nicht ausreden. Das könnte man als eine Art von Rassismus zumindest Situationen aufheizen gegen die rechte politische Seite Sprich SVP etc. auslegen. Wenn es politisch links geht kann Er sehr schleimig diskutieren. Meine Frau und Ich, beide über 80zig sind sehr Interessiert am politischen Leben und haben eine andere Vorstellung wie man mit einander umgeht. Wir vermissen meistens Achtung und den Respekt vom Moderator. Es gibt andere Moderatoren wie Aeschbacher da könnte Herr Schawinski sicher noch etwas lernen wie man mit einem Gesprächspartner umgeht auch wenn dieser ‚das Heu nicht auf der gleichen Bühne hortet‘.

Danke; dass ich meinem Unmut etwas Luft verschaffen darf.“

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Frau Léa Burger, Redaktorin der Sendung „Schawinski“, schrieb:

„In der Email vom 28. Februar äussert Herr X seinen Unmut gegenüber dem Moderator Roger Schawinski und kritisiert dessen Art und Weise, durch ein Gespräch zu führen.

Gerne nehme ich zu einzelnen Punkten Stellung.

1. Umgang mit dem Gesprächspartner

Die Sendung ‚Schawinski‘ sieht vom Konzept her engagierte und kontroverse Gespräche mit wichtigen Exponenten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vor. Zentrale Handlungsträger aus diesen Bereichen sollen in der Sendung so vorgestellt werden, dass man sowohl ihre Handlungsmotive und Überzeugungen als auch die Persönlichkeit hinter den Fakten kennen lernen kann. Dafür wählt der Moderator einen temporeichen und intensiven Schlagabtausch auf Augenhöhe, der Wortunterbrechungen und angriffslustige Momente beinhaltet. Diese Art von Talk ermöglicht dem Publikum, wichtige Akteure auf neue Weise kennenzulernen.

Der Moderationsstil in der News-Sendung ‚Schawinski‘ hebt sich entsprechend von anderen Talksendungen wie etwa ‚Aeschbacher‘ ab. Bei diesem Late-Night-Talk aus dem Bereich Unterhaltung stehen die Menschen und ihre Geschichten im Vordergrund, die Gäste sind nicht unbedingt prominent und erzählen Bewegendes, Heiteres und Menschliches. Ein Vergleich der Moderatoren Roger Schawinski und Kurt Aeschbacher ist deshalb nicht zielführend, weil die Sendungen sowohl konzeptuell als auch entsprechend redaktionell anders angelegt und aufbereitet sind. Gemeinsam ist aber beiden, dass alle verfügbaren Fakten in Betracht gezogen werden und nur dargestellt wird, was nach bestem Wissen und Gewissen für wahr gehalten wird. Mit dieser Haltung wird auch Respekt und Achtung vor dem Gesprächspartner ausgedrückt.

2. Politische Haltung des Moderators

Herr X fügt in seinem Schreiben an, dass die Moderation und das Verhalten von Herrn Schawinski als ‚eine Art Rassismus zumindest Situationen aufheizen gegen die rechte politische Seite Sprich SVP etc.‘ ausgelegt werden könnten.

Laut humanrights.ch gibt es im rechtlichen Sinn keine einheitliche, formelle Definition von Rassismus. Die Organisation schreibt aber: <Nahe an der Rechtspraxis ist das Verständnis von ‚rassistischer Diskriminierung‘ als dem Inbegriff von Ungleichbehandlungen, Äusserungen oder Gewalttaten, die bewirken oder beabsichtigen, dass Menschen wegen ihrer äusseren Erscheinung (‚Rasse‘) oder ihrer Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Nationalität oder Religion herabgesetzt werden.> Folgt man dieser Annäherung an den Begriff Rassismus, möchte ich den Vorwurf von Herrn X entschieden zurückweisen. Auch wenn das Gespräch zwischen dem Moderator Schawinski und Nationalrat Glarner kontrovers war, so stelle ich keine Diskriminierung aufgrund von Zuweisung zum christlichen Glauben oder der Schweizer Nationalität fest.

Dass Herr Schawinski im Gespräch die politische Haltung von Herrn Glarner im Allgemeinen kritisch hinterfragt, ist etwas anderes. Dies geschah nicht in Absicht, gegen die Rechten anzuheizen – wie Herr X vermutet –, sondern aus dem Bemühen heraus, für Ausgewogenheit der Sendung zu sorgen. Für diese ist der Moderator verantwortlich, wenn die Gegenposition des Gastes nicht durch einen weiteren Gast gegeben ist. So soll das Publikum in der eigenen Meinungsbildung unterstützt werden, in dem der Moderator Gegendarstellungen aufführt. Entsprechend hinterfragt Roger Schawinski auch bei Politikern aus dem sogenannt linken politischen Lager deren Einstellung, wie etwa das Gespräch mit Nationalrat Cédric Wermuth vom 28.11.2016 exemplarisch aufzeigt.

Aus Sicht der Redaktion kann aus oben genannten Gründen die Beanstandung von Herrn X zurückgewiesen werden.“

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Bei der Sendung handelt es sich um ein Interview. Man kann drei Grundformen des journalistischen Interviews unterscheiden:

  1. Das sachzentrierte Interview. Im Gespräch geht es um die Sache, beispielsweise um den Stand der Untersuchung in einem Kriminalfall, zu dem ein Polizeikommandant Auskunft gibt. Dessen Person spielt in der Befragung keine Rolle; es könnte auch ein anderer Polizist Auskunft geben.
  2. Das personenzentrierte Interview. Das Gespräch dreht sich ausschließlich um die Person; es will die Biographie eines Menschen beleuchten und sein Wesen ergründen. Eine Schauspielerin erläutert beispielsweise, wie sie zum Film gekommen ist und welche Rollen sie liebt und welche nicht.
  3. Das verschränkte Interview. Das Gespräch bezieht sich sowohl auf die Person als auch auf die Sache. Diese Form wählte Roger Schawinski im Gespräch mit Nationalrat Andreas Glarner: Es ging um dessen Politikstil, um sein bisheriges Leben, aber auch um seine Positionen in der Asyl- und Einbürgerungspolitik.

Nun gibt es auch beim verschränkten Interview verschiedene Methoden, es zu führen. Grob unterscheiden lassen sich das explorative Interview und das konfrontative Interview:

  1. Im explorativen Interview lockt der Moderator den Befragten auf freundliche Art aus seiner Reserve und bringt ihn zum Reden. Diese Methode verfolgten etwa Günter Gaus mit seinen Fernsehgesprächen „Zur Person“ auf SWR in den sechziger und frühen siebziger Jahren, Sandra Maischberger in den Sendungen „Maischberger“ auf n-tv und „Menschen bei Maischberger“ bei der ARD, Marlis Prinzing mit dem „Roten Sofa“ oder Kurt Aeschbacher. Sandra Maischberger sagte 2003, sie pflege bei ihren Interviews „das freundliche Überholen auf der eigenen Spur“.
  2. Im konfrontativen Interview treibt der Moderator den Befragten in die Enge und zwingt ihn, sich mit seinen besten Argumenten zu verteidigen. Diesen Interviewstil praktizieren verschiedene amerikanische Moderatoren. In Deutschland war Michel Friedman für den Stil berühmt, aber auch viele „Spiegel“-Gespräche waren nach der Art gestrickt, und in der Schweiz war es stets ein wenig der Stil der „Rundschau“ von Hannes Britschgi bis Sandro Brotz, und auch Markus Gilli von „Tele Züri“ geht in diese Richtung.

Roger Schawinski entschied sich im Gespräch mit Nationalrat Andreas Glarner für das konfrontative Interview. Das ist sein gutes Recht. Und es liegt bei dem Gegenüber auch auf der Hand, denn Nationalrat Glarner bietet Angriffsflächen, weil er einen provokativen Politikstil pflegt und sich dabei immer auch in Widersprüche verwickelt.

Darum war es richtig, dass Roger Schawinski auf Fakten beharrte, die Nationalrat Glarner entweder verwedelte oder abstritt.

Aber in einem Punkt kann ich Ihrer Beanstandung folgen: Nationalrat Glarner wurde hin und wieder zu früh unterbrochen und konnte so seinen Gedankengang gar nicht ausführen.

Daraus folgt, dass ich Ihre Beanstandung teilweise unterstütze, aber nochmals betone, dass ein konfrontatives Interview legitim ist, gerade bei einem Politiker, der selber gerne provoziert.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

[1] http://www.srf.ch/sendungen/schawinski/roger-schawinski-im-gespraech-mit-andreas-glarner

Tags

Alle Schlussberichte der Ombudsstelle jetzt ansehen

Kommentar

Leider konnte dein Kommentar nicht verarbeitet werden. Bitte versuche es später nochmals.

Ihr Kommentar wurde erfolgreich gespeichert und wird nach der Freigabe durch SRG Deutschschweiz hier veröffentlicht

Weitere Neuigkeiten