Fernsehen SRF, Sendung «Heimatland – Vier zum Volk» beanstandet
4745
Mit Ihrer E-Mail vom 7. April 2017 beanstandeten Sie die Sendung «Heimatland - Vier zum Volk» (Fernsehen SRF) vom 6. April 2017 mit Nationalrat Ulrich Giezendanner. Ihre Eingabe erfüllt die formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Somit kann ich auf sie eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
„In der Sendung wurde dem Politiker gestattet, WERBUNG für seinen Kampf gegen Bussen vorzunehmen. Dazu fluchte der Herr Giezendanner mehrmals und nannte ‚Drögeler‘ Lumpenpack.
Er selber machte sich Strafbar, denn eine POLIZEI Weste zu tragen (mit Namenschild!) ist Amtsanmassung. Herr Giezendanner machte dazu noch Kontrollen an LKW und Autos (von Lumpengesindel, Drögeler), eine Zivilperson ist wohl kaum dazu berechtigt. Herr Giezendanner wurde verurteilt zu einer 500.- Franken Busse.[1]
In der Sendung wurde der Politiker rundweg (zu) positiv dargestellt, seine vom damaligen VBS Chef unter ungeklärten Umständen gezeigte Wohnort mit LKW Unterständen war das Rothrister Militärgelände am Geisshubel.
Bitte massreglen Sie die Sendungsverantwortlichen.“
Im Nachwort fügten Sie dann noch an: „SVP-Nationalrat Ueli Giezendanner ist 2006 eine Busse von 500 Franken aufgebrummt worden, weil er die Arbeits- und Ruhezeitverordnung in seinem Unternehmen nicht genügend rigoros durchgesetzt hat. Sprich: Seine Chauffeure sind zu lange am Stück unterwegs gewesen. Straflos ging Giezendanner aus, nachdem er eine gefälschte Rolex aus Dubai in die Schweiz geschmuggelt hatte.[2] Giezendanner ist nach wie vor SVP-Nationalrat.“
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Herr Tom Schmidlin, Bereichsleiter Volkskultur, schrieb:
„Die neue Sendereihe ‚SRF HEIMATLAND‘ zeigt die Schweiz in ihrer gesamten Vielfalt. Den Auftakt macht die vierteilige Serie ‚Vier zum Volk‘. Vier Nationalräte arbeiten in einem Umfeld, das ihrer politischen Gesinnung teilweise widerspricht. In der ersten Folge wagt sich der Transportunternehmer Ulrich Giezendanner (SVP/AG) an die Verkehrsfront - und taucht ein in die Welt der Kantonspolizei Uri.
Mehr Freiheiten, weniger Gesetze und schon gar keine Geschwindigkeitskontrollen. Radarfallen findet SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner Abzockerei. Für die neue Serie ‚SRF HEIMATLAND - Vier zum Volk‘ tauscht der Verkehrspolitiker das Rednerpult gegen eine schusssichere Weste: Er geht mit der Kantonspolizei Uri auf Streife und kontrolliert, ob die Gesetze eingehalten werden.
Stellungnahme zu den einzelnen Punkten der Beanstandung:
<In der Sendung wurde dem Politiker gestattet, WERBUNG für seinen Kampf gegen Bussen vorzunehmen.>
Herr Giezendanner hat sich zu einem Experiment bereit erklärt. In diesem arbeitet er an einem Ort, das seiner politischen Gesinnung widerspricht. Dass er seine politische Meinung kundtut ist Teil des Konzepts und wichtig für die Erfahrung, die er in den drei Tagen sammelt. Sowohl die Polizei (Kdt. Kapo Uri zu Beginn der Sendung) als auch Menschen in den Strassenumfragen äussern eine gegenteilige Meinung. Insofern wird der Meinung von Herrn Giezendanner Gegensteuer gegeben.
<Dazu fluchte der Herr Giezendanner mehrmals und nannte "Drögeler" Lumpenpack.>
Diese Aussagen von Herrn Giezendanner sind authentisch, entsprechen seiner Meinung und wurden nicht zensiert.
<Er selber machte sich Strafbar, denn eine POLIZEI Weste zu tragen (mit Namenschild!) ist Amtsanmassung.
Herr Giezendanner machte dazu noch Kontrollen an LKW und Autos (von Lumpengesindel, Drögeler), eine Zivilperson ist wohl kaum dazu berechtigt.>
Im Vorfeld wurde in Gesprächen mit der Kapo Uri und deren Rechtsdienst genau geregelt, was Herr Giezendanner bei den Dreharbeiten alles machen darf. Daran haben wir uns akribisch gehalten. Wir wurden von der Polizei vertraglich verpflichtet, das Recht einzuhalten. Die Kantonspolizei Uri und deren Jurist hat die Sendung zum Schluss gesehen und sämtliche Handlungen und Bilder als rechtens eingestuft. Die Weste war keine offizielle Polizeiuniform, sondern von der Kapo Uri explizit für Herrn Giezendanner und die Dreharbeiten bereitgestellt damit er sich von der echten Polizei unterscheidet. Die Personen, welche Herr Giezendanner untersucht und kontrolliert hat, wurden unter Aufsicht der anwesenden Beamten dem Rechtsdienst und Medienverantwortlichen der Kapo Uri informiert und gaben ihr Einverständnis. Trotzdem haben wir zusätzlich heikle Bilder (etwa Nummernschilder oder beispielsweise den Kopf eines mutmasslichen Einbrechers) gepixelt.
<Herr Giezendanner wurde verurteilt zu einer 500.- Franken Busse>
Diese genannte Busse steht in keinem direkten Zusammenhang mit der Sendung.
<In der Sendung wurde der Politiker rundweg (zu) positiv dargestellt, seine vom damaligen VBS Chef unter ungeklärten Umständen gezeigte Wohnort mit LKW Unterständen war das Rothrister Militärgelände am Geisshubel.>
Sowohl der Politiker als auch die Polizisten und sämtliche weiteren Protagonisten wurden nach besten journalistischen Wissen und Gewissen so authentisch wie möglich dargestellt. Es ist korrekt, dass Herr Giezendanner in einem ehemaligen Zeughaus in Rothrist wohnt. In der Sendung wurde das nicht explizit erwähnt, weil es für die Thematik als nicht relevant erachtet wurde.>
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Man muss sich Rechenschaft darüber ablegen, um was für eine Sendung es sich handelt. Es geht nicht darum, dass Journalistinnen und Journalisten dem Parlamentarier Giezendanner in einer harten Befragung auf den Zahn fühlen. Es geht auch nicht darum, dass ein vollständiges Porträt von Nationalrat Giezendanner gezeichnet wird. In dieser Sendung ist der Journalismus eher im Hintergrund. Das Konzept sieht vor, dass in der ersten Serie der Sendung „Heimatland“ vier Politikerinnen und Politiker aus vier verschiedenen Parteien in ein ihnen eher widerwärtiges Umfeld gestellt werden, dorthin, wo ihre politische Gesinnung herausgefordert wird. Nationalrat Ulrich Giezendanner ist gegen Geschwindigkeitskontrollen. Mit der Urner Polizei ist er unterwegs, um unter anderen Geschwindigkeitskontrollen vorzunehmen, aber auch andere polizeiliche – und damit regulierende – Aufgaben zu erfüllen. Diese Tätigkeiten sind abgesprochen und vom Polizeikommando bewilligt. Der Politiker maßt sich also keine Zuständigkeit an, die er nicht hat.
Dabei kommt Ulrich Giezendanner so zur Darstellung, wie er leibt und lebt. Er hat sich zum Unternehmer mit 110 Mitarbeitenden hochgearbeitet, ist aber im Gehabe ein „Büezer“ geblieben. Er redet sehr direkt und geradeheraus. Er ist ein Autofan und ein Mann, der für die Freiheit der Strassenbenützer kämpft. So erklärt sich auch, dass er seine erste politische Heimat in der Autopartei, später Freiheitspartei, fand, bevor er sich 1996 der Schweizerischen Volkspartei (SVP) anschloss. Er ist ein Kumpel. Er verstand sich beispielsweise auf der persönlichen Ebene ausgezeichnet mit dem sozialdemokratischen Verkehrspolitiker Andrea Hämmerle, Nationalrat des Kantons Graubünden, obwohl die beiden diametral entgegengesetzte politische Auffassungen vertraten.
Dass er schon gebüsst wurde, ist für diese Sendung nicht relevant. Die Sendeverantwortlichen haben jedenfalls aus meiner Sicht nichts falsch gemacht, als sie Nationalrat Ulrich Giezendanner für diesen Rollentausch auswählten. Ich kann daher Ihre Beanstandung nicht unterstützen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
[1] http://www.politik-forum.ch/threads/svp-schweizerische-vorbestraften-partei.6497/
[2] http://www.watson.ch/Schweiz/Best%20of%20watson/678923997-21-aktive-oder-ehemalige-SVPler--die-sich-nicht-ans-Gesetz-hielten
Kommentar