Fernsehen SRF «Rundschau» – Twitterumfrage zum Thema «Buben-Beschneidung» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 7. April 2017 haben Sie beanstandet, dass die «Rundschau»-Moderator Sandro Brotz die Frage der Beschneidung von Jungen per Twitter anlässlich des Beitrags «Buben-Beschnei­dung: Widerstand gegen das göttliche Gebot»[1] diskutieren liess. Ihre Eingabe erfüllt die formalen Vor­aussetzungen an eine Beanstandung. Somit kann ich auf sie eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
Ich protestiere dagegen, dass die Rundschau-Redaktion per Twitter diese Frage diskutieren liess. Höchstens 3% der sogenannten Christen haben ein Verhältnis zur jüdischen Religion, welches der Bibel (AT und NT) entspricht. Die übrigen 97% kennen die Geschichte des jüdischen Volkes nicht, bzw. wollen sie in ihrem Judenhass nicht kennen lernen, dies meine Erfahrungen laufend auch wieder seit Oktober 2016 in der Stadt Zürich (Begleitung eines katholischen getauften Schwagers im Waid-Spital und dann im Pflegezentrum Entlisberg, Tod am 21.03.2017), und auch in der Region Aarau, wo ich als relativ Pensionierter immer mehr im interreligiösen Dialog bin. Die Muslime leiden in verschiedener Hinsicht unter der gotteslästerlichen Islamphobie der SVP und der EDU. Die Musliminnen und Muslime arbeiten zwar ganz normal und pflichtbewusst, zahlen Steuern und Prämien, und führen ein vorbildliches Familenleben, immer häufiger mit 3 Genrationen. Vor allem aus Mäulern von katholischen Frömmlerinnen und Frömmlerinnen aus svp-verseuchten Freikirchen kommt mir Hass entgegen, als hätten diese „Damen“ statt eines Gewissens ein Jauchefass mit „Säugülle“ in ihrem Inneren.

Die Diskussion muss zwar geführt werden, und das Gespräch mit Herr M. Bollag war äusserst wertvoll. Aber wer Umfragen via Twitter, Facebook, usw. macht, handelt verantwortungslos, dies offenbar aus der Freiheit zur Zerstörung (bewusste Missachtung göttlicher Weisungen) heraus. Schon die Sendung über die Teufelsaustreibungen war verantwortungslos. Der Teufel sitzt in den katholischen Priestern, welche Kinder und Frauen geschändet haben, und sich hinter das Beichtgeheimnis verstecken können. Ähnliches gilt selbstverständlich auch für orthodoxe Rabbiner.

Bei der Hochzeit unserer Tochter in Israel im Juni 2007 durfte ich als Nichtjude alle Pflichten und Recht eines Brautvaters wahrnehmen Einzig das Gebet des Vaters übernahm der Studien-Pflegevater unserer Tochter. Bei der Beschneidung unseres Enkels im Februar 2014 war ich als Grossvater bei allen Festlichkeiten über mehrere Tage hinweg mittendrin, aber damals emotional total überfordert. Nun, mein Enkel liebt seinen Schweizer-Grossvater mit seinen komischen Sprache trotzdem mehr denn je.

Würde ich schweigen, müsste ich mein Gewissen vergewaltigen. Doch dazu bin ich definitiv nicht mehr bereit.

Ich bitte Sie, ein Verfahren gegen die Rundschau-Reaktion zu eröffnen.

B. Ihre Beanstandung wurde der zuständigen Redaktion zur Stellungnahme vorgelegt. Herr Mario Poletti, Redaktionsleiter «Rundschau» schrieb:

Gerne nehmen wir Stellung zur Beanstandung von Herrn X, soweit die Ausführungen unsere Sendung betreffen. Herr X kritisiert insbesondere, dass Rundschau-Moderator Sandro Brotz die Frage der Beschneidung per Twitter diskutieren liess. 97 Prozent, so führt er aus, würden die Geschichte des jüdischen Volkes nicht kennen, bzw. wollten sie in ihrem Judenhass nicht kennen lernen. Die Diskussion müsse zwar geführt werden. Aber wer Umfragen via Twitter mache, handle verantwortungslos.

Dazu halten wir folgendes fest: Soziale Medien wie Twitter und Facebook gehören im Redaktionsalltag unterdessen längst zu Standardmitteln, um sie für Recherchen, den Austausch mit dem Publikum oder als Seismograf für Themen einzusetzen. In diesem Sinne ist auch die Umfrage von Moderator Sandro Brotz zu verstehen, der mit über 30'000 Followern zu einem der meist beachteten Schweizer Medienschaffenden auf Twitter zählt.

Die Beschränkung auf 140 Zeichen bei Twitter führt dazu, dass die User in einer eigenen, mitunter verkürzten Sprache, kommunizieren - was auch die Besonderheit und Beliebtheit dieses Mediums ausmacht. Dennoch ist die beanstandete Fragestellung von Sandro Brotz äusserst sachlich formuliert («Immer mehr Schweizer Kinderärzte und Juristen sind dagegen, dass jüdische und muslimische Buben beschnitten werden - morgen #srfrundschau»). Der Moderator fragt, ob seine Follower dies für «Richtig! Körperverletzung» oder «Falsch! Religionsfreiheit» erachten - oder ob ihnen das egal sei.

Neben einem intensiven Studium der jeweiligen Thematik im Theken-Gespräch und mehreren Vorgesprächen mit dem Studiogast fühlt Sandro Brotz via Twitter und Facebook auch regelmässig bei seinen Followern den Puls. Selbstverständlich nicht im Sinne einer repräsentativen Umfrage, sondern um einen Eindruck zu bekommen, welche Rückmeldungen und damit auch Inputs von den Zuschauerinnen und Zuschauern kommen. Das ist ein anerkanntes und legitimes Vorgehen. Sandro Brotz hat denn auch in der Sendung selbst das Umfrageergebnis nur kurz im Gespräch mit Studiogast Michel Bollag erwähnt - mit dem Hinweis, dass es eben nicht repräsentativ sei.

In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass sich Studiogast Michel Bollag mehrfach mündlich und schriftlich für die «faire Berichterstattung» bedankt hat. Die Rückmeldungen innerhalb der jüdischen Gemeinde seien «durchwegs positiv» gewesen.

Es ist nicht nachzuvollziehen, warum sich der Beanstander daran stört, dass der Moderator einer Publikumssendung die Zuschauerinnen und Zuschauer in ein Thema einbindet.

Im Übrigen hat auch der Beschneider Esra Weill, der in unserem Beitrag die Hauptrolle hatte, uns unmittelbar nach der Sendung ein positives Feedback übermittelt: «Vielen Dank, die Reportage war sehr gut.»

Fazit: Wir sind überzeugt, das hochemotionale Thema der Knabenbeschneidung mit dem angebrachten Respekt in einer gelungenen Reportage umgesetzt zu haben. Der Filmbeitrag ist mit kontroversen Stimmen komponiert, das ergänzende Gespräch mit Studiogast Michel Bollag leistet eine zusätzliche vertiefende Differenzierung. Die Twitter-Umfrage ist im Gespräch transparent eingebettet. Das Publikum konnte sich also aufgrund der ausgewogenen Darstellung eine eigene Meinung bilden, so wie es das Sachgerechtigkeitsgebot erfordert.

Aus diesen Gründen bitten wir Sie, die Beanstandung abzuweisen.

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung zur Twitterumfrage.

Twitter (englisch für «Gezwitscher»), ein Mikro-Bloggingdienst, mit dem angemeldete Nutzerinnen und Nutzer telegrammartige Kurznachrichten verbreiten können, wird auch bei den Medienschaffenden gerne benutzt, um beispielsweise auf (eigene) Sendungen, Beiträge und Themen aufmerksam zu machen, aber auch, um sich einen schnellen Überblick über die Meinung derjenigen Twitterer zu machen, die dem Schreibenden folgen. Es ist also ein einfach zu bedienendes Echtzeit-Medium, das den Medienschaffenden ohne grossen Aufwand und ohne Kosten innert kürzester Zeit Informationen liefern kann.

Im von Ihnen beanstandeten Fall hat der «Rundschau»-Moderator Sandro Brotz folgenden Tweet abgesetzt:

«Immer mehr Schweizer Kinderärzte und Juristen sind dagegen, dass jüdische und muslimische Buben beschnitten werden (morgen #srfrundschau)».

Die Antwortmöglichkeiten bestanden aus den folgenden Kategorien:

  • Richtig! Körperverletzung
  • Falsch! Religionsfreiheit
  • Mir #SchnippSchnappEgal

Das Endergebnis der kleinen Umfrage ist hier ersichtlich:

Wie Sandro Brotz im «Rundschau» Gespräch an der Theke [Timecode 05:39][2] mit Michel Bollag, Fachleiter Judentum ZIID[3], erklärt, hatten gegen 200 Twitterer abgestimmt. 45% sagten, es handle sich bei der Buben-Beschneidung um Körperverletzung. Weder der Aufruf zur Umfrage an und für sich, noch die eben erwähnte Aussage sind als kritisch einzustufen. Das Resultat wurde ins Gespräch eingebettet und transparent gemacht. Auch der Redaktionsleiter der «Rundschau», Mario Poletti, hält fest, dass das Umfrageergebnis nur kurz im Gespräch mit Studiogast Michel Bollag erwähnt und mit dem Hinweis versehen wurde, dass es nicht repräsentativ sei. Herr Broz hat mit seiner kleinen Twitter-Umfrage im Gespräch aufzeigen können, dass beinahe die Hälfte der Antwortenden die Buben-Beschneidung als Körperverletzung erachtet. Genau dieser Punkt stand letztlich im Fokus des Beitrags, den der Moderator mit den Sätzen «Gottes Gebot oder Körperverletzung? Auf diese Frage lässt sich die Debatte um die Beschneidung von Knaben zuspitzen.» einleitete.

Auch ich kann nicht nachvollziehen, warum Sie sich daran stören, dass Sandro Brotz in einer Publikumssendung das Publikum mittels Twitter in das Thema einbindet.

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass ich Ihre Beanstandung nicht unterstützen kann.

Zum Schluss noch ein kleiner Hinweis an Herrn Sandro Brotz. Die dritte Auswahlmöglichkeit bei Ihrer Umfrage lautet Mir #SchnippSchnappEgal. Im Zusammenhang mit der Thematik, nämlich der Buben-Beschneidung finde ich das Antwortformat doch recht despektierlich. Schnipp-schnapp steht lautmalend für das Geräusch, das beim Schneiden mit einer Schere entsteht. Da es in diesem Kontext nun aber um das Entfernen der Vorhaut geht, wäre etwas Zurückhaltung punkto Wortspielerei wohl angebracht gewesen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Manfred Pfiffner, stv. Ombudsmann

[1] https://www.srf.ch/news/schweiz/protest-gegen-beschneidung

[2] https://tp.srgssr.ch/p/portal?urn=urn:srf:ais:video:b8ee0976-db84-4393-ba23-d2926372c901&autoplay=true& legacy=true&width=640&height=360&playerType=

[3] Zürcher Institut für interreligiösen Dialog

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