SRF-«DOK»-Film «Schütze sich, wer kann – Mit Waffen gegen die Angst» beanstandet (II)
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Mit Ihrer E-Mail vom 24. März 2017 beanstandeten Sie die DOK-Sendung „Schütze sich, wer kann – Mit Waffen gegen die Angst", die am 23. März 2017 durch Fernsehen SRF ausgestrahlt wurde. Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.
Sie erhalten den Schlussbericht nicht innerhalb der vorgesehenen 40-Tage-Frist, sondern später. Dafür möchte ich mich entschuldigen. Der Grund liegt darin, dass mich die Massen-Beanstandung gegen die Sendung „Arena" mit Dr. Daniele Ganser einen ganzen Monat lang beansprucht hat, so dass eine ganze Anzahl andere Beanstandungen warten mussten. Ich bin zusammen mit meinem Stellvertreter Manfred Pfiffner jetzt daran, den Rückstand aufzuholen. Ich bitte um Ihr Verständnis. Für Sie ändert sich formell nichts: Die Frist von 30 Tagen für eine allfällige Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) beginnt mit dem Tag zu laufen, an dem Sie den Schlussbericht in Händen halten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
„Gemäss Art.4 & 5 RTVG deponiere ich hier eine Programmbeschwerde gegen die Dok-Sendung ‚Schütze sich wer kann‘ vom 23.03.2017 aufgrund der Verletzung gegen das Sachgerechtigkeitsgebot:
- Mit der einseitigen Aussage ohne Gegendarstellung von Vicky Ford, wonach in Deutschland vollautomatischen Waffen aus der Schweiz legal ohne Waffenschein ge-& verkauft werden, wurde nicht überprüft und stimmt nicht. Jedenfalls wurde keine Gegendarstellung erbracht und die Aussagen von Vicky Ford stehen alleine im Raum.
- In der Sendung wurde nur, von den Gewehrtypen her, auf die Ordonnanzgewehre und das Ordonnanzschiessen eingegangen. Damit wurde ein beträchtlicher Anteil von den kaufbaren, legalen Gewehren ausgelassen, diese werden in der neuen Gesetzgebung empfindlich eingeschränkt. Diese Einschränkungen sind die einschneidensten Verbote im Vergleich zum heutigen Stand. Dieser Sachverhalt wurde überhaupt nicht erwähnt.
- Mit der Wahl des Waffenbesitzers, der IV-Bezüger, fremdenfeindlich und bereit ist vorsätzlich gegen das Gesetz zu verstossen (Waffentragen ohne Bewilligung), wird dem Zuschauer ein Klischee eingebrannt, sodass diese Person allgemein das waffenbesitzende Volk repräsentiert. Es wurde kein Wort erwähnt, dass der Schiesssportverband (SSV) einer der grössten Sportverbände, bezogen auf die Mitgliederbestände, ist.
- Es wurde nicht erwähnt, dass die Schiesssportvereine des Ordonnanzschiessen (und die Gemeinden) einen gesetzlichen Auftrag haben: Die Durchführung des obligatorischen Bundesprogramm für alle Angehörigen der Armee. Dieser Auftrag basiert auf dem Verfassungsartikel 58.
- Zusätzlich wurde nicht erwähnt, dass der grösste Teil der legalen, kaufbaren Waffen in der Schweiz nicht durch eine Schiesssportdisziplin eines Verbandes gedeckt wird. In der Schweiz hat es kaum Disziplinen neben den Ordonnanzschiessen im Vergleich zu Deutschland.
- Die Absenkung des Jungschützenalters wurde nur oberflächlich, einseitig Beschrieben. Es wurde nicht erwähnt, dass schon vor der Absenkung des Jungschützenalters Junioren (Kategorie JJ) mit dem Stgw 90 die genau gleiche Ausbildung bekamen und die ‚Absenkung des Alters für den Jungschützenkurs‘ hauptsächlich eine Kategorieanpassung ist.
- Es wurde das Thema der deformierbaren Munition ‚Hollow Point‘ aufgegriffen. Wobei schon alleine der Besitz in der Schweiz seit Schengen 1999 verboten ist. Hier werden Ängste geschürt, die den legalen Waffenbesitzer unberechtigt Schaden. Zusätzlich wurde nicht erwähnt, dass diese Munition, obwohl durch Schengen verboten, in Deutschland noch heute legal von jedem Sportschütze gekauft werden kann. (Hinweis: Produkt Speer Gold Dot).
In der Sendung wurden hauptsächlich die allgemeinen Klischees der Waffenbesitzer bedient, kaum aber die genauen Auswirkungen und die Zusammenhänge der kommenden Gesetzesverschärfungen.
Damit sehe ich eine Verletzung gegen das Sachgerechtigkeitsgebot. Diese Sendung diffamiert eine grosse Menge rechtschaffender Bürger, die legal ihre Freizeit und Leidenschaft nachgehen."
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Frau Belinda Sallin, Redaktionsleiterin DOK Eigenproduktionen, schrieb:
„Gerne nehmen wir zur Beanstandung von Herrn X vom 24. März 2017 zum Dokumentarfilm ‚Schütze sich, wer kann. Mit Waffen gegen die Angst‘ in der Sendung ‚DOK‘ Stellung.
Bitte erlauben Sie uns eingangs eine kurze Erörterung über die zentralen Fragen, die dem Film zugrunde liegen und denen der Dokfilmautor Hanspeter Bäni nachgegangen ist.
Ausgangslage des Films ist die in verschiedenen Kantonen starke Zunahme von Gesuchen für Waffenerwerbsscheine. Spitzenreiter sind die beiden Kantone Genf (+49.2%) sowie Uri (+49.36%). Auch in anderen Kantonen beantragten 2016 viel mehr Menschen eine Waffe als noch 2015: Aargau (+40.34%), Thurgau (+38.97%), Glarus (+39.5%), Nidwalden (+38.5%) und Zug (+36.75%).
Gleichzeitig ist bekannt, dass die Kriminalitätsrate in der Schweiz seit Jahren kontinuierlich sinkt. Laut Angaben des Bundesamtes für Statistik wurden zwischen 2012 (Anzahl Delikte: 750‘371) und 2015 (Anzahl Delikte: 487‘611) schweizweit 35 Prozent weniger Straftaten begangen.
Weshalb also die erhöhte Nachfrage nach Waffen? Dieser Frage geht der Dokfilmautor Hanspeter Bäni nach. Sind viele Menschen verunsichert? Glauben sie, dass sie sich mit einer Waffe (besser) schützen können? Oder suchen die Menschen vor allem Geselligkeit in einem der zahlreichen Schützenvereine? Wo sind Waffen pure Faszination, wo ein Sportgerät und wo werden sie zur Gefahr? Auf der Suche nach möglichen Antworten setzte sich der Autor mit vielen verschieden Protagonisten auseinander. Die einen besitzen eine oder mehrere Waffen oder möchten eine erwerben, andere lehnen den Privatbesitz oder das Aufbewahren von Waffen in Privathaushalten strikte ab.
Die Fragestellung ist also eine psychologische, keine technische. Der Film beschäftigt sich nicht mit verschiedenen Waffenmodellen oder –typen und er geht nur am Rande auf eine künftige Gesetzesverschärfung in der EU ein, welche, was die Schweiz anbelangt, in der Umsetzung noch völlig unklar ist.
Der Reihe nach gehen wir nun auf die Vorwürfe des Beanstanders X ein. Der Einfachheit halber übernehmen wir die einzelnen Kritikpunkte des Beanstanders im Wortlaut und nehmen jeweils gleich in der Folge dazu Stellung.
- Herr X kritisiert: <Mit der einseitigen Aussage ohne Gegendarstellung von Vicky Ford, wonach in Deutschland vollautomatischen Waffen aus der Schweiz legal ohne Waffenschein ge-& verkauft werden, wurde nicht überprüft und stimmt nicht. Jedenfalls wurde keine Gegendarstellung erbracht und die Aussagen von Vicky Ford stehen alleine im Raum.>
Gerne führen wir die Aussage von Vicky Ford hier nochmals auf: <Es gab ein Problem mit dem europäischen Gesetz – da gehört die Schweiz dazu – mit den vollautomatischen Waffen, die auf Halbautomatik umgerüstet werden konnten. Sie konnten in der EU ohne Waffenschein gekauft und verkauft werden. Wir haben diese Gesetzeslücke geschlossen, weil diese Waffen in die Hände von Terroristen gelangten.> (TC 22.46)
Vicky Ford ist seit 2009 Mitglied des Europäischen Parlaments und unter anderem Präsidentin des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz. Sie hat während anderthalb Jahren federführend an der Ausarbeitung der neuen EU-Richtlinien mitgearbeitet. Aufgrund ihrer Funktion hat sie eine hohe Glaubwürdigkeit und es ist unseres Erachtens zulässig, wenn sie mit ihrer Aussage versucht, einen komplexen Sachverhalt für das Durchschnittspublikum, also für Nicht-Experten, verständlich darzustellen und ihn soweit wie möglich vereinfacht.
Sie sagt in ihrer Aussage nicht, dass alle betreffenden Waffen ohne Waffenschein gekauft und verkauft worden sind, sie sagt bloss, dass diese Möglichkeit gegeben war.
Auch wenn die Aussage von Vicky Ford stark vereinfachend ist, hat sie Gültigkeit, auch wenn man den Sachverhalt differenziert betrachtet. So werden beispielsweise an die Angehörigen der Schweizer Armee vollautomatische Waffen abgegeben, die auf Halbautomatik umgerüstet werden können. Bei den Sturmgewehrtypen 57 oder 90 könnte durch eine einfache Manipulation an der Waffe die Serienfeuersperre aufgehoben werden, statt Einzelschussabgabe ist dann ein Serienfeuer möglich. Es ist also richtig, wenn sich Vicky Ford mit ihrer Aussage auch auf die Schweiz bezieht, da in der Schweiz vollautomatische Waffen im Umlauf sind, die auf Halbautomatik umgerüstet werden können und umgekehrt. Laut den neuen EU-Richtlinien sollen auch halbautomatische zivile Feuerwaffen, die wie vollautomatische Kriegswaffen aussehen und mehr als zehn Patronen fassen, verboten werden. Davon betroffen sind jene halbautomatischen Sturmgewehre, die heute (auch in der Schweiz) mit einem Waffenerwerbsschein gekauft und im ausserdienstlichen Schiesswesen breit eingesetzt werden. Ausnahmebewilligungen für Jäger, Sammler und Sportschützen sind vorgesehen. Sportschützen müssten nachweisen, dass sie regelmässig trainieren und an Wettkämpfen teilnehmen.
Im Filmkommentar ist festgehalten, dass <für die Schweiz eine Ausnahmeregelung vorgesehen ist. Sie beinhaltet, dass hierzulande Soldaten ihr Sturmgewehr nach geleisteter Dienstpflicht weiterhin nach Hause nehmen dürfen.> (TC 23.15). Auch die Ausnahmebewilligung für Sportschützen wurde im Film erwähnt (s.u. Punkt 2.)
Vicky Ford behauptet im Film keineswegs, dass in Deutschland vollautomatische Waffen aus der Schweiz legal ohne Waffenschein gekauft und verkauft werden. Sie spricht ganz allgemein von den Gesetzeslücken im europäischen Gesetz. Im Visier der neuen Regelung steht vor allem der Online-Handel, weil dort die Kontrollen des Verkaufs durch einen (gültigen) Waffenerwerbsschein nicht in jedem Fall gewährleistet sind. So hat der Attentäter im Thalys-Zug zwischen Amsterdam und Paris Teile seiner Waffe im Internet gekauft. Bei den Anschlägen in Paris sollen reaktivierte Gewehre eingesetzt worden sein. Aufgrund solcher Vorfälle will die EU strengere Regeln. In den 28 EU-Mitgliedstaaten sind die Vorschriften für den Waffenerwerb sehr unterschiedlich. Tschechien beispielsweise gilt diesbezüglich als sehr liberal. Waffen dürfen dort in der Hosentasche auf der Strasse getragen werden. In Estland ist der Antrag für eine Schusswaffenerlaubnis einfach und online zu erledigen. Mit den neuen Richtlinien soll der Online-Handel besser kontrolliert werden können und die vielen unterschiedlichen Gesetzgebungen vereinheitlicht werden.
Die Details der geplanten Verschärfung aufzuzählen, hätte den Rahmen des Films gesprengt und gehört nicht zum Schwerpunkt des Films. Zudem fängt in der Schweiz der Gesetzgebungsprozess ja erst an, so heisst es im Filmkommentar: <Mitte März stimmte das EU-Parlament der neuen Richtlinie zu. Sie soll 2020 in Kraft treten. Zwei Jahre später muss die Schweiz gemäss Schengen-Vertrag nachziehen. Sie erhält von Brüssel bei der konkreten Umsetzung viel Freiraum.> (TC 23.58)
Dazu Vicky Ford: <Es gibt Verschärfungen im europäischen Waffengesetz, aber es liegt in der Hand der Schweiz, die Richtlinien für den Waffengebrauch festzulegen. Das ist meine Botschaft: Wir haben der Schweiz die Möglichkeit gegeben, ihren Bürgern die Erlaubnis zu erteilen, wenn sie einen Bedarf nachweisen können. Die Schweizer Regierung bestimmt, nicht das europäische Gesetz.> (TC 23.38)
- Der nächste Kritikpunkt von Herrn X besagt, dass in der Sendung nur von den Gewehrtypen her, auf die Ordonnanzgewehre und das Ordonnanzschiessen eingegangen worden sei. Damit sei ein beträchtlicher Anteil von den kaufbaren, legalen Gewehren ausgelassen, diese würden in der neuen Gesetzgebung empfindlich eingeschränkt. Diese Einschränkungen seien die einschneidensten Verbote im Vergleich zum heutigen Stand. Dieser Sachverhalt sei überhaupt nicht erwähnt worden.
Wir möchten noch einmal betonen, dass es den Rahmen des Films gesprengt hätte, auf alle Details einzugehen. Insbesondere auch deshalb, weil die Verschärfung des Waffengesetzes ja gar nicht die grundlegende Fragestellung des Films war. Zudem moniert Herr X einen Sachverhalt, der in der Schweiz noch gar nicht umgesetzt ist. Der Gesetzgebungs-prozess steht ganz am Anfang und es ist noch völlig unklar, in welchem Rahmen die neuen EU-Richtlinien in der Schweiz umgesetzt werden. Trotzdem möchten wir festhalten, dass die wichtigsten Punkte im Film erwähnt wurden:
1. Die Heimabgabe der persönlichen Armeewaffe ist nach wie vor möglich.
2. Wer halbautomatische Zentralfeuerwaffen besitzt, muss neu Mitglied eines Schützenvereins sein, aktiv trainieren, sowie an Schiesswettbewerben teilnehmen.
3. Grundsätzlich sind Magazine über 10 Schuss in Zukunft verboten. Dies betrifft alle kaufbaren halbautomatischen Zentralfeuer-Langwaffen mit integrierten Magazinen oder in Kombination mit herausnehmbaren Magazinen.
4. Die Schweiz hat einen grossen Spielraum und viel Freiheit bei der konkreten Umsetzung der neuen Richtlinien.
- Der Beanstander kritisiert die Auswahl der Protagonisten. Herr X schreibt: <Mit der Wahl des Waffenbesitzers, der IV-Bezüger, fremdenfeindlich und bereit ist vorsätzlich gegen das Gesetz zu verstossen (Waffentragen ohne Bewilligung), wird dem Zuschauer ein Klischee eingebrannt, sodass diese Person allgemein das waffenbesitzende Volk repräsentiert. Es wurde kein Wort erwähnt, dass der Schiesssportverband (SSV) einer der grössten Sportverbände, bezogen auf die Mitgliederbestände, ist.>
Es ging im Film nicht darum, Klischees zu bedienen, sondern unter anderem die Befindlichkeit von Bürgerinnen und Bürgern darzustellen, die sich zunehmend auf die Seite gedrängt sehen und sich nicht mehr sicher fühlen. Sie würden sich notfalls mit der Waffe verteidigen. Diese Verunsicherung und der damit verbundene Wunsch, sich eine Waffe zu kaufen, ist ein zentraler Punkt des Filmes.
Der in der Beanstandung von Herrn X erwähnte Waffenbesitzer Dadi Dahinden ist nicht nur Mitglied einer Schützengesellschaft, er ist vielmehr auch deren Obmann (TC 32.43). Bei den Protagonisten des Films handelt es sich also keinesfalls um Aussenseiter der ‚Waffenszene‘. Ausnahmslos alle männlichen Protagonisten des Films sind Mitglieder in einem Schützenverein. Auch jener Mann, den wir in Bild und Ton anonymisiert haben.
Es stimmt zudem nicht, dass die Bedeutung des Schiessportverbandes nicht entsprechend erörtert wurde. Im Filmkommentar heisst es: <Schiessvereine haben in der Schweiz eine lange Tradition. Diese Schützengesellschaft aus Baden wurde vor 550 Jahren gegründet.> (TC 19.02) <In der Schweiz gibt es über 3000 Schiessvereine.> (TC 19.24). <Fast jedes Wochenende treffen sich deren Mitglieder, um zu trainieren oder an einem Schiesswettbewerb teilzunehmen.> (TC 19.28). Am Beispiel der Badener Schützen wurden zudem die traditionellen, die sozialen und die gesellschaftlichen Aspekte der Schiessvereine in der Schweiz thematisiert.
Der Film zeigt viele Facetten der ‚Waffenszene Schweiz‘: Wir zeigen Sportschützen, porträtieren Waffensammler und besuchen verunsicherte Menschen, die sich durch den Kauf einer Waffe schützen möchten. Es kommen aber auch Waffengegner zu Wort und ein ‚Waffennarr‘ zeigt sich vor laufender Kamera in Aktion.
Es ist uns klar, dass sich Schützinnen und Schützen an Protagonisten wie Dadi Dahinden und dem anonymisierten Mann stören könnten. Sie entsprechen nicht dem Bild des hochkorrekten Mitglieds des Schützenvereins. Aber diese Protagonisten sind keine Klischees, sie gehören zur Realität und – wie bereits erwähnt - sie sind sie beide Mitglieder in einem Schützenverein. Sie als Klischees abzutun, wäre viel zu einfach und zu bequem. Hier stellen sich nämlich die grundlegenden Fragen: Wann ist die Waffe ein Sportgerät, wann ist sie ein Instrument, um sich sicherer zu fühlen und wann wird sie zur Bedrohung für andere?
- Herr X moniert: <Es wurde nicht erwähnt, dass die Schiesssportvereine des Ordonnanzschiessen (und die Gemeinden) einen gesetzlichen Auftrag haben: Die Durchführung des obligatorischen Bundesprogramm für alle Angehörigen der Armee. Dieser Auftrag basiert auf den Verfassungsartikel 58.>
Es ist nicht möglich, jeden Teilaspekt eines Themas in einen 50-minütigen Film zu verpacken. Der Aspekt des «Obligatorischen» stand in diesem Film nicht zur Diskussion.
- <Zusätzlich wurde nicht erwähnt, dass der grösste Teil der legalen, kaufbaren Waffen in der Schweiz nicht durch eine Schiesssportdisziplin eines Verbandes gedeckt wird. In der Schweiz hat es kaum Disziplinen neben den Ordonnanzschiessen im Vergleich zu Deutschland.>
Die Voraussetzungen, die nötig sind, um eine Waffe in der Schweiz zu erwerben, erklärt im Film Daniel Wyss, Präsident des Schweizerischen Büchsenmacherverbandes (TC 18.19). Zurzeit kann jede Person eine Waffe kaufen, die die notwendigen Voraussetzungen erfüllt. Noch muss dafür niemand Mitglied eines Schiessvereins sein. Wäre es so, hätten wir dies im Film erwähnt. Der Film weist darauf hin, dass sich dies mit den neuen EU-Richtlinien ändern könnte: <Sportschützen und anerkannte Sammler sollen eine Ausnahmebewilligung beantragen dürfen. Sie müssen nachweisen, dass sie Mitglied eines Schützenvereins sind und regelmässig an Schiesswettbewerben teilnehmen.> (TC 22.30).
- <Die Absenkung des Jungschützenalters wurde nur oberflächlich, einseitig Beschrieben. Es wurde nicht erwähnt, dass schon vor der Absenkung des Jungschützenalters Junioren (Kategorie JJ) mit dem Stgw 90 die genau gleiche Ausbildung bekamen und die «Absenkung des Alters für den Jungschützenkurs» hauptsächlich eine Kategorieanpassung ist.>
Im Film wurde erwähnt, dass Jungschützenkurse in der Schweiz boomen (TC 37.09). Ein Grund dafür ist die Herabsetzung des Mindestalters von 17 auf 15 Jahre. Für Zuschauerinnen und Zuschauer, die sich im Schiesssport nicht auskennen, wären Ausführungen über Kategorieanpassungen kaum sinnvoll gewesen. Es hätte weder zu einem besseren Verständnis noch zur Erörterung der grundlegenden Fragen des Films beigetragen.
- <Es wurde das Thema der deformierbaren Munition ‚Hollow Point‘ aufgegriffen. Wobei schon alleine der Besitz in der Schweiz seit Schengen 1999 verboten ist. Hier werden Ängste geschürt, die den legalen Waffenbesitzer unberechtigt Schaden. Zusätzlich wurde nicht erwähnt, dass diese Munition, obwohl durch Schengen verboten, in Deutschland noch heute legal von jedem Sportschütze gekauft werden kann. (Hinweis: Produkt Speer Gold Dot).>
Die monierte Filmsequenz (TC 11.27) zeigt einen Waffensammler und -kenner, der nebst den Waffen auch Munition und entsprechende Fachliteratur sammelt. Die gezeigte Munition ‚Hollow Point‘ ist ein Sammlerstück, deren Wirkung der Sammler im Film erklärt (TC 11.38). In keiner Weise suggeriert die Sequenz, dass der Sammler diese Munition einsetzen würde. Für die Zuschauerinnen und Zuschauer ist es zu jeder Zeit völlig klar, dass es sich dabei um ein Sammlerstück handelt. Der Waffensammler wurde im Film als äusserst seriöse Person dargestellt. Er bewahrt seine Waffen hinter Schloss und Riegel auf und betreibt als Schützenmeister gewissenhaft seinen Sport. Er entspricht in jeder Hinsicht dem Bild des korrekten Schützen und Sportlers, der sich sämtlicher Regeln bewusst ist.
Somit weisen wir den Vorwurf zurück, dass dieser Film ‚hauptsächlich allgemeine Klischees‘ bedienen würde. Auch die Kritik, dass der Film nicht auf die ‚Auswirkungen und die Zusammenhänge der kommenden Gesetzesverschärfung‘ eingegangen sei, weisen wir zurück. Die Diskussion über die Gesetzesverschärfung hat in der Schweiz eben erst begonnen und ist nicht das zentrale Thema des Films. Gegen den Vorwurf, der Film ‚diffamiert eine grosse Menge rechtschaffener Bürger (...)‘ verwehren wir uns in aller Form.
Dem Publikum war es aufgrund der vermittelten Informationen, Fakten und Meinungen jederzeit möglich, sich ein zuverlässiges Bild über das Thema des Dokumentarfilms zu machen und sich eine eigene Meinung zu bilden. Es liegt somit keine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots vor. Wir beantragen die Beanstandung in allen Punkten abzuweisen."
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Mein Vater war ein Schütze. Er war Mitglied der renommierten Schützengesellschaft Liestal, die seit 1824 besteht und eine Vorläuferin bereits seit 1537 hatte, also auf eine bald 500jährige Tradition zurückblickt. Mein Vater war dort längere Zeit Schützenmeister. Das Treppenhaus zuhause war vollbehangen mit Kranzabzeichen, die er an den jährlichen Feldschießen, an Bezirkswettschießen, an Jubiläumsschießen, an Kantonalschützenfesten usw. „herausgeschossen" hatte. Er schoss auf 300 Meter und auf 50 Meter, im hohen Alter nur noch auf 50 Meter. Lange Zeit schoss er zusätzlich auch mit der ebenfalls schon seit 1828 bestehenden Schützengesellschaft von Zofingen, wo er herstammte. Mir ist also das Schießwesen sehr vertraut. Solange ich in Liestal wohnte, gehörte ich ebenfalls der traditionsreichen Schützengesellschaft an. Ein Sportschütze bin ich allerdings nicht geworden.
Die Schweiz hat eine lange Tradition mit Waffen, zumal sich die Eidgenossen ihre Unabhängigkeit in kriegerischen Konflikten erkämpften – zuerst mit Stich-, Hieb- und Schlagwaffen, dann mit Schusswaffen. Das Milizsystem meinte immer das Politische und Militärische zugleich. In den Landorten Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwalden, Glarus, Zug und Appenzell galten männliche Jugendliche ab 14 oder 16 Jahren als „mannbar, wehrbar und ehrbar": Sie mussten Militärdienst leisten und durften an der Landsgemeinde teilnehmen. Im ersten Entwurf für die Bundesverfassung von 1848 stand: „Jeder Schweizer ist Soldat". Aus der allgemeinen Wehrpflicht leitete sich der Brauch ab, dass die Schweizer Männer ihr Gewehr zu Hause aufbewahren und dass sie jährlich eine obligatorische Schiessübung absolvieren müssen. Die Träger dieses teils obligatorischen, teils freiwilligen Schiesswesens sind die Schützenvereine. Ihnen hat Gottfried Keller im „Fähnlein der sieben Aufrechten" ein Denkmal gesetzt.
Der Film von Hanspeter Bäni vermittelt auf der einen Seite genau diese Tradition und zeigt, wie kontrolliert und pflichtbewusst die Schützenvereine, ihre Schützenmeister, ihre Mitglieder und ihre Jungschützen mit den Waffen umgehen. Auf der anderen Seite zeigt der Film, dass die Europäische Union wegen der Gefahren, die vom Waffenbesitz ausgehen, strengere Vorschriften erlassen hat, die 2020 in Kraft treten sollen und die die Schweiz im Rahmen des Schengen-Abkommens bis 2022 nachvollziehen muss. Für die Schützenvereine sind Ausnahmen vorgesehen. Allerdings steigt die Nachfrage nach Schusswaffen auch in der Schweiz. In den Schweizer Haushalten gibt es 2 Millionen Schusswaffen, von denen 1,5 Millionen keine Armeewaffen sind. Und während die Kriminalitätsrate abnimmt, werden Morde und Suizide immer wieder auch mit Schusswaffen begangen. Die Schweiz hat die viertgrößte Waffendichte der Welt. Es ist ein Phänomen, dass sich viele Menschen nicht mehr sicher, ja bedroht fühlen und sich mit Schusswaffen schützen wollen, obwohl die Statistik zeigt, dass die Kriminalität zurückgeht. Das muss ein öffentliches Thema sein.
Schusswaffen findet man, grob gesehen, bei folgenden Gruppen:
1. Bei den bewaffneten Berufsleuten (wie: Polizisten, Sicherheitsdienste, Soldaten);
2. Bei den Jägern;
3. Bei den Sportschützen;
4. Bei den Selbstverteidigern;
5. Bei den Waffensammlern;
6. Bei den Waffenherstellern;
7. Bei den Waffenhändlern;
8. Bei den Illegalen (wie: Berufskillern, Mitgliedern der organisierten Kriminalität, Angehörigen von Terrororganisationen)
Ich hoffe, Sie sind mit mir einig, dass Schusswaffen bei den Kategorien 1-3 gut aufgehoben sind, aber dass es angezeigt ist, den Gruppen 7 und 8 das Handwerk zu legen und auch den Schusswaffenbesitz der Gruppen 4 und 5 einzudämmen und die Gruppe 6 stärker zu kontrollieren. Der Film bot Einblick in ein paar dieser Gruppen, wenn auch nicht in alle. Und auf diese Weise illustrierte er die Problematik der Schusswaffen sehr subtil und sehr differenziert. Er war keineswegs einseitig. Und er zeigte an keiner Stelle die Absicht, das Publikum hinters Licht zu führen und zu manipulieren.
Dabei ist folgendes wichtig: Ein Film im Sendegefäss „DOK" richtet sich an ein breites Publikum mit guter Allgemeinbildung, aber nicht an ein Publikum von Fachleuten. Sie selber sind ein Fachmann. Sie kennen sich im Schiesswesen und mit Schusswaffen aus. Als Fachmann können Sie unschwer Punkte finden, die man auch noch hätte behandeln müssen. Der Film aber muss ein Durchschnittspublikum erreichen.
Vor allem dürfen Sie nicht einen Teil des Films ausblenden. Sie erwähnen bloss Hansheini Dahinden als Repräsentanten der Sportschützen und werfen dem Filmemacher vor, er präge ein negatives Klischee. Sie vergessen aber, dass auch Germain Spielmann, Peter Meier, Rolf Düggelin, Mihailo Kinhela, Lisa Ponti und Jakob Büchler die Schützenvereine repräsentieren und dass sie das Legale und Geordnete vertreten. Die Schützenvereine werden also durchaus realistisch abgebildet – mit den Gesitteten und mit den Ungesitteten. Der Film arbeitet eben nicht mit Klischees, sondern mit Differenzierungen.
Aus diesem Grunde schließe ich mich voll den Ausführungen der Redaktion an. Der Film war von A-Z sachgerecht. Dort, wo Sie Mängel zu entdecken glaubten, handelte es sich entweder um Nebensächlichkeiten, die nicht in den Film gehörten, oder um Ungenauigkeiten in Nebenpunkten, die nicht dazu angetan waren, die Meinungsbildung des Publikums zu stören. Ich muss daher Ihrer Beanstandung eine Absage erteilen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
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