Kritik an verschiedenen Sendungen von Radio und Fernsehen SRF beanstandet

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Sie haben mir einen ganzen Strauss von Klagen und an Frust vorgelegt, und ich bemühe mich, darauf einzugehen. Wobei mir nicht ganz klar ist, ob Sie nun Zuschauerin von Sendungen von Fernsehen SRF sind oder nicht: Auf der einen Seite erklären Sie, Sie konsumierten Fernsehen SRF nicht mehr, auf der anderen Seite kritisieren Sie einzelne Sendungen.

Die Ombudsstelle ist dazu da, dass man das Herz ausschütten kann. Hier kann man klagen, reklamieren. Allerdings kann ich als Ombudsmann nichts entscheiden. Ich kann bloss zuhören, unterstützen, vermitteln, Empfehlungen abgeben. Mehr nicht. Ich versuche in der Folge, Ihre Kritikpunkte zu beantworten.

1. Service public. Sie kritisieren die Interpretation von Service public durch Radio und Fernsehen SRF. Sie nennen ihn „Service Verblödung“ und: „Service public heißt wohl nichts anderes als seichte, nichtssagende, dumme und oberflächliche Unterhaltung. Das kanns aber nicht sein.“

Was ist Service public? Erstens muss ein Service public-Medium eine flächendeckende Versorgung garantieren, in der Schweiz also auch für jene Regionen, für die es sich wirtschaftlich nicht lohnen würde, weil sie aus eigener Kraft kein umfassendes Radio- und Fernsehen finanzieren könnten, konkret: auch für die rätoromanische und die italienische Schweiz (Tessin, Bündner italienischsprachige Täler). Zweitens sind Service Public-Medien unabhängig vom Staat, realisieren Qualitätsjournalismus, sind zivilgesellschaftlich getragen und kontrolliert und bieten auch das, was sich im Markt nicht rechnet (wie beispielsweise Kultursendungen, Wissenschaftssendungen, Auslandskorrespondenten), wofür sie vom Staat festgesetzte Gebühren erhalten. Nach meinem Eindruck wird die SRG dieser Aufgabe weitgehend gerecht, und für die Schweiz gibt es kaum eine Alternative, die nicht mit riesigen Nachteilen verbunden ist.

2. Fernsehprogramm an und für sich. Es gibt wohl niemand, dem alle Sendungen gefallen, und es gibt keinen Einheitsgeschmack. Damit die ganze Bevölkerung hinter das Programm geschart werden kann, muss das Programm entsprechend vielfältig sein. Einzige Bedingung: Auch eine Unterhaltungssendung muss bei SRF Niveau haben. Auch mir gefällt nicht jede Sendung, und auch ich brauche nicht sämtliche Sportübertragungen; dafür habe ich gar keine Zeit. Das Fernsehprogramm ist einem Supermarkt vergleichbar: Wenn Sie die Migros oder Coop betreten, haben Sie nie vor, alles zu kaufen, und es muss Ihnen auch nicht alles gefallen, was dort zum Kauf angeboten wird. Aber Sie müssen von der Qualität des Unternehmens überzeugt sein, sonst würden Sie Migros oder Coop gar nicht betreten. Genau so können Sie es mit der SRG halten: Sendungen, die Sie nicht mögen, müssen Sie ja auch nicht gucken.

3. Gebühren. Nun argumentieren Sie natürlich, dass Sie auch dann, wenn Sie kaum Radio und Fernsehen der SRG konsumieren, die vollen Gebühren bezahlen müssen. Das stimmt, aber die Gebühren haben eine vierfache Funktion: a) Sie garantieren hochstehenden Journalismus, beispielsweise durch die Tatsache, dass die SRG überall in der Welt über eigene Korrespondenten verfügt. b) Die Gebühren finanzieren fast zu 100 Prozent die Radiosender der SRG. c) Die Gebühren sind auch ein Solidaritätsbeitrag zugunsten der Sprachminderheiten in der Schweiz. d) Mit den Gebühren unterstützt man auch die Konkurrenz, denn sie gewährleisten die Existenz zahlreicher privater Fernsehsender (wie „TeleBasel“, „Tele M 1“, „TeleBärn“, „Teleostschweiz“, „Telesüdostschweiz“ usw.). Wenn man all das in Betracht zieht, sind die Gebühren nicht hoch.

4. „Einstein“. Ich weiß nicht, ob je behauptet worden ist, dass man dank der Sendung „Einstein“ die Relativitätstheorie verstehen kann. Im offiziellen Sendungsporträt steht:

<«Einstein» – das Wissensmagazin von Schweizer Radio und Fernsehen berichtet wöchentlich über aktuelle und relevante Themen aus allen Wissensbereichen.

«Einstein» erzählt Geschichten, die informieren, bilden und unterhalten. Jeden Donnerstag kann das Fernsehpublikum eine Reise in faszinierende Wissenswelten hautnah miterleben und etwas Neues erfahren.

Dem Themenspektrum von «Einstein» sind kaum Grenzen gesetzt. Phänomene und Geheimnisse des Alltags kommen ebenso zum Zug wie komplexe wissenschaftliche Themen. Experten helfen mit, Zusammenhänge herzustellen und den Bogen vom Alltag zur Wissenschaft zu schlagen.>

Das ist der Anspruch – nicht mehr, nicht weniger.

5. Schützen. Die DOK über die Schützen hat mehrfach Beanstandungen hervorgerufen. Aus meiner Sicht ist folgendes dazu zu sagen: Mein Vater war ein Schütze. Er war Mitglied der renommierten Schützengesellschaft Liestal, die seit 1824 besteht und eine Vorläuferin bereits seit 1537 hatte, also auf eine bald 500jährige Tradition zurückblickt. Mein Vater war dort längere Zeit Schützenmeister. Das Treppenhaus zuhause war vollbehangen mit Kranzabzeichen, die er an den jährlichen Feldschießen, an Bezirkswettschießen, an Jubiläumsschießen, an Kantonalschützenfesten usw. „herausgeschossen“ hatte. Er schoss auf 300 Meter und auf 50 Meter, im hohen Alter nur noch auf 50 Meter. Lange Zeit schoss er zusätzlich auch mit der ebenfalls schon seit 1828 bestehenden Schützengesellschaft von Zofingen, wo er herstammte. Mir ist also das Schießwesen sehr vertraut. Solange ich in Liestal wohnte, gehörte ich ebenfalls der traditionsreichen Schützengesellschaft an. Ein Sportschütze bin ich allerdings nicht geworden.

Die Schweiz hat eine lange Tradition mit Waffen, zumal sich die Eidgenossen ihre Unabhängigkeit in kriegerischen Konflikten erkämpften – zuerst mit Stich-, Hieb- und Schlagwaffen, dann mit Schusswaffen. Das Milizsystem meinte immer das Politische und Militärische zugleich. In den Landorten Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwalden, Glarus, Zug[1] und Appenzell galten männliche Jugendliche ab 14 oder 16 Jahren als „mannbar, wehrbar und ehrbar“: Sie mussten Militärdienst leisten und durften an der Landsgemeinde teilnehmen. Im ersten Entwurf für die Bundesverfassung von 1848 stand: „Jeder Schweizer ist Soldat“. Aus der allgemeinen Wehrpflicht leitete sich der Brauch ab, dass die Schweizer Männer ihr Gewehr zu Hause aufbewahren und dass sie jährlich eine obligatorische Schiessübung absolvieren müssen. Die Träger dieses teils obligatorischen, teils freiwilligen Schiesswesens sind die Schützenvereine. Ihnen hat Gottfried Keller im „Fähnlein der sieben Aufrechten“ ein Denkmal gesetzt.

Der Film von Hanspeter Bäni vermittelt auf der einen Seite genau diese Tradition und zeigt, wie kontrolliert und pflichtbewusst die Schützenvereine, ihre Schützenmeister, ihre Mitglieder und ihre Jungschützen mit den Waffen umgehen. Auf der anderen Seite zeigt der Film, dass die Europäische Union wegen der Gefahren, die vom Waffenbesitz ausgehen, strengere Vorschriften erlassen hat, die 2020 in Kraft treten sollen und die die Schweiz im Rahmen des Schengen-Abkommens bis 2022 nachvollziehen muss. Für die Schützenvereine sind Ausnahmen vorgesehen. Allerdings steigt die Nachfrage nach Schusswaffen auch in der Schweiz. In den Schweizer Haushalten gibt es 2 Millionen Schusswaffen, von denen 1,5 Millionen keine Armeewaffen sind. Und während die Kriminalitätsrate abnimmt, werden Morde und Suizide immer wieder auch mit Schusswaffen begangen. Die Schweiz hat die viertgrößte Waffendichte der Welt. Es ist ein Phänomen, dass sich viele Menschen nicht mehr sicher, ja bedroht fühlen und sich mit Schusswaffen schützen wollen, obwohl die Statistik zeigt, dass die Kriminalität zurückgeht. Das muss ein öffentliches Thema sein.

Schusswaffen findet man, grob gesehen, bei folgenden Gruppen:

  1. Bei den bewaffneten Berufsleuten (wie: Polizisten, Sicherheitsdienste, Soldaten);
  2. Bei den Jägern;
  3. Bei den Sportschützen;
  4. Bei den Selbstverteidigern;
  5. Bei den Waffensammlern;
  6. Bei den Waffenherstellern;
  7. Bei den Waffenhändlern;
  8. Bei den Illegalen (wie: Berufskillern, Mitgliedern der organisierten Kriminalität, Angehörigen von Terrororganisationen)

Ich hoffe, Sie sind mit mir einig, dass Schusswaffen bei den Kategorien 1-3 gut aufgehoben sind, aber dass es angezeigt ist, den Gruppen 7 und 8 das Handwerk zu legen und auch den Schusswaffenbesitz der Gruppen 4 und 5 einzudämmen und die Gruppe 6 stärker zu kontrollieren. Der Film bot Einblick in ein paar dieser Gruppen, wenn auch nicht in alle. Und auf diese Weise illustrierte er die Problematik der Schusswaffen sehr subtil und sehr differenziert. Er war keineswegs einseitig. Und er zeigte an keiner Stelle die Absicht, das Publikum hinters Licht zu führen und zu manipulieren.

Warum manipuliert der Film meines Erachtens nicht? Weil er die verschiedenen Facetten des Schiesswesens und des Schusswaffengebrauchs aufzeigt. Dass sich jemand mit der Privatwaffe umbringt, ist ein durchaus wichtiger Aspekt und gehört thematisiert. Widerpart von Chantal Galladé ist der Büchsenmacher Germain Spielmann, der sehr eloquent auftritt und nicht im Nachteil gegenüber der Politikerin ist. Und es treten auch Germain Spielmann, Peter Meier, Rolf Düggelin, Mihailo Kinhela, Lisa Ponti und Jakob Büchler als Repräsentanten der Schützenvereine auf, die somit realistisch abgebildet sind.

6. SRF 4 News. Bei einem reinen Nachrichtensender sind gewisse Wiederholungen unvermeidlich, weil er ja rollend berichtet. Wichtige Neuigkeiten müssen wiederholt werden für Leute, die nicht schon die ganze Zeit auf dem Sender waren, unwichtige können fallen gelassen werden.

7. Kriminalfilme. Sie stören sich an Krimis, die langweilig sind, und an solchen, die zu gewalttätig sind. Ich kann Ihnen in Bezug auf die Brutalität nur zustimmen: Wir brauchen das nicht alles zu sehen. Aber die Toleranz auch der Aufsichtsgremien geht heute sehr weit: Solange die Gewalt nicht an sich verherrlicht wird und solange die Filme nicht zu einer Zeit ausgestrahlt werden, zu der auch kleine Kinder zugucken können, werden sie durchgewinkt. Und SRF arbeitet hier in vielen Bereichen mit Sendern in Deutschland und Österreich zusammen (zum Beispiel beim „Tatort“) und übernimmt daher Vorgaben aus dem größeren Nachbarland.

8. Fazit. Ich kann Ihnen wahrscheinlich Ihren Frust nicht nehmen. Aber vielleicht konnte ich das Eine oder Andere besser erklären. Auf jeden Fall hoffe ich, dass Sie eine kritische Mediennutzerin bleiben, die auch hin und wieder auf etwas stößt, was ihr zusagt.

9. Rechtslage. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

[1] Zug galt im Spätmittelalter als Landort, weil die Landgemeinden letztlich mehr Gewicht hatten als die Stadt.

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