SRF News online sowie Radio SRF «Heute Morgen» zum Thema «Schulsysteme» beanstandet
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Mit Ihrer E-Mail vom 31. Mai 2017 haben Sie inhaltliche Fehler im SRF Online-Beitrag und in der SRF Radiosendung «Heute Morgen» vom 31. Mai 2017 zum schweizerischen Schulsystem[1] beanstandet. Ihre Eingabe erfüllt die formalen Voraussetzungen an eine Beanstandung. Somit kann ich auf sie eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
Ich habe mit Interesse den heutigen Artikel auf der Webseite von SRF zum Thema Schulsysteme [2] gelesen:
Leider ist die folgende, zentrale Aussage des Artikels nicht korrekt:
- "Das Wichtigste in Kürze: Schüler, die nach Leistungsstufen getrennt werden, schneiden in Tests insgesamt schlechter ab als Schüler, die in eine durchmischte Klasse gehen."
Die Daten in der Studie (im Artikel verlinkt [3]) zeigen in Tabelle 1 das Gegenteil: Im Schnitt erreichen die Schüler in Kantonen mit getrennten Systemen ein besseres Ergebnis in Mathematik (AG, ZH, NE, SO, SG, SH, FR(f), VD; Durchschnitt = 533 Punkte) als solche in Kantonen mit integriertem System (TI, JU, BE(f); Durchschnitt = 518 Punkte). Kantone mit gemischten System liegen dazwischen (BE(d), GE, VS(d), VS(f); Durchschnitt = 526 Punkte)
Die Studie zeigt also, dass getrennte Schulsysteme zu insgesamt besseren Leistungen der Schüler führen - also das Gegenteil der Hauptaussage des Artikels.
Ein weiterer krasser Fehler ist im Radiobeitrag zu diesem Thema zu finden. Bei 1:09 Minuten wird vermeldet: "Schaffhausen etwa, mit einem integrierten System, schneidet besonders gut ab."
Schaffhausen hat aber gemäss der Studie ein getrenntes System (Grafik 2)
Darf ich bitten, dass SRF diese entscheidenden Punkte korrigiert? Ich würde von unseren staatlichen Medien doch eine korrekte Wiedergabe von Studienergebnissen erwarten, und nicht einen Beitrag, welcher ohne inhaltliche Grundlage genau das Gegenteil kolportiert.
B. Ihre Beanstandung wurde der zuständigen Redaktion zur Stellungnahme vorgelegt. Frau Elisabeth Pestalozzi, Stv. Chefredaktorin Radio SRF schrieb:
Besten Dank, dass Sie uns die Möglichkeit geben, den Ombudsfall Nr. 5101 SRF News online/Heute Morgen: Beitrag zum Schulsystem auf direktem Weg zu lösen.
Tatsächlich war der Beitrag fehlerhaft.
Wie der Beanstander richtigerweise bemerkt, führt die Studie der Universität Genf „Schulische Ungleichheit in der Schweiz“ den Kanton Schaffhausen unter den Schulen mit „getrennten“ Schulsystemen auf, im Beitrag wird er aber dann als Kanton mit einem „integrierten“ Schulsystem bezeichnet. Für diesen Fehler entschuldigen wir uns.
Zur zentralen Aussage des Beitrags, die ebenfalls beanstandet wird, folgende Überlegungen:
Auf unserer Online-Seite www.srf.ch wurde unter dem Titel „Das Wichtigste in Kürze“ die Studie folgendermassen zusammengefasst: „Schüler, die nach Leistungsstufen getrennt werden, schneiden in Tests insgesamt schlechter ab als Schüler, die in eine durchmischte Klasse gehen.“ Im Radiobeitrag findet sich ein ähnlicher Satz: „Ergebnis: je stärker die Schüler nach Leistungsstufen getrennt werden, desto schlechter schneiden sie insgesamt ab und desto stärker werden Kinder aus einfachen Verhältnissen benachteiligt“.
Diese Zuspitzungen sind unpräzise und in der Verknappung falsch. Wie der Beanstander aufzeigt, gibt es durchaus Kantone mit getrennten Systemen, die hohe schulische Leistungen erbringen, ohne eine übermässige soziale Ungerechtigkeit. Das ist zum Beispiel im Kanton Schaffhausen der Fall. Gleichzeitig zeigt das Beispiel des Kantons Wallis aber auch, dass gemischte Schulsysteme zu einer überdurchschnittlichen Wirksamkeit UND einer überdurchschnittlichen Chancengerechtigkeit führen können.
Das Fazit des Beanstanders, die Studie zeige genau das Gegenteil des im Beitrag Berichteten, fällt also auch zu knapp aus.
Der Studie der Genfer Forschungsgruppe zur Bildungspolitik selber zieht nämlich äusserst differenzierte Schlüsse. In der Zusammenfassung auf Seite 3 steht: „Dabei zeigt sich, dass getrennte Schulsysteme tendenziell Ungleichheiten im Erwerb von Kenntnissen zwischen den Schülern verstärken.“ Und in den Schlussfolgerungen auf Seite 11 ist zu lesen: „Daraus ergibt sich, dass in Kantonen, welche sich für eine getrennte Organisation des Unterrichts auf Sekundarstufe I entscheiden, die in der Schule erworbenen Fähigkeiten am stärksten von der sozialen Herkunft der Schüler abhängen. Der Entscheid für eine durchlässigere Organisation – gemäss einem „integrierten“ oder „gemischten“ Modell – ermöglicht es umgekehrt besser, das Prinzip der Chancengerechtigkeit beim Kompetenzerwerb am Ende der obligatorischen Schulzeit zu verwirklichen.“ [4]
Aufgrund der gemachten Fehler und Ungenauigkeiten hat Radio SRF deshalb folgende Konsequenzen gezogen:
- Beitrag und Online-Text (www.srf.ch) wurden vom Netz genommen.
- In der sogenannten Korrekturbox von SRF [5] wurde folgender Text veröffentlicht:
„In den Sendungen «Heute Morgen» und «Rendez-vous» vom 31. Mai 2017 informierte Radio SRF über eine Studie der Universität Genf «Schulische Ungleichheit in der Schweiz». In dem Beitrag wurde gesagt, Schaffhausen schneide mit einem integrierten Schulsystem besonders gut ab. Die Bezeichnung «integriert» war nicht korrekt. Die Studie listet Schaffhausen bei den getrennten Systemen auf und vermerkt lediglich, dass das dortige System auch integrierende Elemente aufweist. Unpräzise war auch die Aussage, je strikter die Leistungsklassen, desto schlechter die Bildung und desto stärker die Ungleichheit. Richtig ist, dass getrennte Schulsysteme «Ungleichheiten im Erwerb von Kenntnissen zwischen den Schülern verstärken»."
- Die Sendungsseite von „Heute Morgen“ ist mit dem entsprechenden Link zur Korrekturseite versehen worden. [6]
- In der Samstagsausgabe der Sendung „Heute Morgen“ vom 10.6.2017 werden wir eine entsprechende Korrektur anbringen.
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung.
Sie haben den Beitrag SRF-Online-Beitrag über das Schulsystem vom 31. Mai 2017 genau gelesen und zudem im Beitrag von «Heute Morgen» inhaltliche Fehler gegenüber der Originalstudie entdeckt. Wie die stellvertretende Chefredaktorin Radio, Frau Elisabeth Pestalozzi ausführlich darlegt, haben die Verantwortlichen Ihre Beanstandung aufgenommen und die Fehler in der notwendigen Zeit korrigiert.
Sie können die Richtigstellung auf der SRF-Korrekturseite (vgl. Fussnote 6) nachlesen. In der Sendung «Heute Morgen» vom 10. Juni 2017 wurde zudem eine Berichtigung ausgestrahlt. Diese können Sie online [7] nachhören (Minute 11:58 bis Minute 12:47).
Ihre Beanstandung kann ich formal unterstützen, da sie zum Zeitpunkt eingereicht wurde, bei dem die Fehler noch nicht korrigiert worden waren.
Der Redaktion darf ich ein Lob dafür aussprechen, dass sie die Fehler korrigiert und eine Berichtigung ausgestrahlt hat. Gleichzeitig weise ich sie aber noch darauf hin, dass sich im Beitrag [8] des Regionaljournals Aargau/Solothurn vom 31. Mai 2017 «Unsere Schule ist leistungsorientiert» im Audio-File «Studie: Integrierte Schulsysteme schneiden besser ab» (Minute 1:09) der Satz "Schaffhausen etwa, mit einem integrierten System, schneidet besonders gut ab" immer noch finden lässt.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
[1] https://www.srf.ch/news/schweiz/schulkinder-trennen-schadet (nicht mehr online abrufbar)
[2] https://www.srf.ch/news/schweiz/schulkinder-trennen-schadet
[3] http://www.socialchangeswitzerland.ch/?p=1096
[4] http://www.socialchangeswitzerland.ch/?p=1096
[5] https://www.srf.ch/tv/allgemein/korrekturen
[6] http://www.srf.ch/sendungen/heutemorgen/foerderklassen-benachteiligen-kinder-aus-schlechten-verhaeltnissen
[7] https://www.srf.ch/play/radio/popupaudioplayer?id=fb1219c5-c918-4934-80ed-314394c4c96a
[8] http://www.srf.ch/news/regional/aargau-solothurn/alex-huerzeler-unsere-schule-ist-leistungsorientiert
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