Bericht auf SRF News online über Demonstrationen in Russland beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 16. Juni 2017 beanstandeten Sie den Artikel „Seine Anhänger mögen Nawalny für den kompromisslosen Stil“ auf SRF News online vom 12. Juni 2017[1]. Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

„In einem Interview-Beitrag von SRF News, Ressort International, vom 12. Juni 2017, schildert SRF-Russlandkorrespondent David Nauer seine Sichtweise auf die Ereignisse in Moskau während einer Protestaktion, die von Kreml-Kritiker Alexej Nawalny organisiert wurde. Der Online-Beitrag wurde später durch einen Kasten mit Zusatzinformationen ergänzt.

Einmal mehr, um nicht zu sagen, in gewohnter Weise, stellt Korrespondent Nauer die Ereignisse einseitig zugunsten der Opposition, vertreten durch Alexej Nawalny, dar. Wichtige Informationen, die zur freien Meinungsbildung unerlässlich sind, werden dem Publikum dabei vorenthalten. Es werden Tatsachen entstellt. Der Beitrag als Ganzes ist lückenhaft, irreführend und dient dazu, die Meinung des Publikums in eine gewünschte Richtung zu lenken. Durch die Einseitigkeit und fehlende Gegendarstellung, bzw. dem Auslassen offizieller Standpunkte der russischen Behörden, wird das Prinzip der Fairness missachtet.

Gleich im ersten Satz des Interviews sagt Nauer, <es war eigentlich keine Demonstration geplant gewesen, sondern eher ein Massenspaziergang im Zentrum Moskaus, wo gleichzeitig ein Volksfest stattfand.>

1. Geplant und von der Moskauer Stadtverwaltung bewilligt war die von Nawalny in Moskau beantragte Kundgebung gegen Korruption in der Nähe des Moskauer Zentrums, nämlich am Sacharow-Platz, via Sacharow-Boulevard. Dazu wurde eigens eine Bühne installiert. Ein ‚Massenspaziergang im Zentrum‘, wie Nauer es nennt, stand - zumindest seitens der Behörden - nicht zur Debatte.

2. Bei dem von Nauer genannten ‚Volksfest‘ handelt es sich nicht etwa um eine Quartierveranstaltung irgendeiner Folkloregruppe. Der 12. Juni ist ein gesetzlicher Nationalfeiertag, an dem das moderne Russland den Bruch mit dem Sowjet-Kommunismus feiert. Die dazu lange vorbereiteten Festaktivitäten auf dem Twerskaja-Prospekt, zu denen die Behörden gemäss offiziellen Angaben zirka 250’000 Besucher erwarteten, wurden mutwillig gestört, indem Nawalny seine Anhänger, viele davon noch minderjährig, dazu anstachelte.

Im weiteren Verlauf des Interviews erklärt David Nauer: <Allein in Moskau sollen rund 600 Personen festgenommen worden sein, in St. Petersburg angeblich noch mehr.> Dass aber in anderen Städten wie Chabarowsk oder Nowosibirsk, immerhin der drittgrössten Stadt Russlands, Parallel-Kundgebungen friedlich verliefen, weil die Demonstranten sich an die Vorlagen im Rahmen der Bewilligungen gehalten haben, wird nicht erwähnt. Somit entsteht der Eindruck, die Polizei sei überall in Russland, generell und grundlos brutal, gegen Demonstranten vorgegangen.

Das Vorgehen der Behörden mittels der russischen Sicherheitskräfte bezeichnet Nauer freimütig als ‚Repressionsmaschine‘. Mich interessiert, ob Nauer die Berner Stadtbehörden und die, Zitat SRF vom 15. Januar 2017: ‚immense Polizeipräsenz‘, auch als Repressionsmaschine bezeichnen würde, weil diese die unerlaubte Tibet-Demonstration anlässlich eines Staatsbesuchs aus China auflöste?

Im Zusammenhang mit der letzten Frage des von Damian Rast geführten Interviews spricht Nauer offen seine Bewunderung für Nawalny aus. Der würde Mut beweisen, sei unerschrocken und kompromisslos. Nawalny, der die illegale einer legalen Demo vorgezogen hat. Der somit das ‚Chaos‘ provozierte und das von Nauer kritisierte Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen minderjährige Schüler und Studenten ganz bewusst in Kauf genommen hat, während er sich selber vorzeitig und medienwirksam verhaften liess.

Für mein Empfinden ist dieses Verhalten nicht mutig und unerschrocken, sondern verantwortungslos und egoistisch. Lieber denkt man nicht daran, was alles daraus hätte werden können, wenn die Konfrontationen zwischen den Festbesuchern, den jugendlichen Demonstranten und den Sicherheitskräften eskaliert wären!

Meines Erachtens müsste man von einem offiziellen SRF-Korrespondenten mehr Verantwortungsbewusstsein erwarten dürfen. Vor allem aber, dass er sich an geltenden Gesetzen orientiert. Wie in der Schweiz, ist es nämlich auch in Russland nicht gestattet, Menschen in einer Weise aufzuwiegeln, die die verfassungsmässige Ordnung und die innere Sicherheit gefährdet. Genau das aber tut Nawalny, und Nauer unterstützt das offenkundig. Nauer verführt die Leserschaft dazu, kriminelle Handlungen gutzuheissen. Das ist ein absolutes No Go.

Gewohnheitsmässig blendet Nauer aus, dass Nawalny ein erklärter Rechtsnationalist ist, der zum Teil krasse und rassistische Standpunkte vertritt, weswegen er 2007 auch aus der Partei Jabloko ausgeschlossen wurde. Hierbei kann man einwenden, dass Nauer danach nicht gefragt wurde.

Mein Vorwurf richtet sich diesbezüglich vielmehr an die zuständige Redaktion: Anders als bei hiesigen Rechtspopulisten, wie etwa Marine Le Pen, Geert Wilders und Frauke Petry, stört man sich bei SRF nicht an der Gesinnung russischer Oppositioneller. Hauptsache, sie sind gegen Putin. Dabei ist es offenbar auch bedeutungslos oder klar nebensächlich, dass diese - sei es nun ein Nawalny oder Chodorkowski - auch verurteilte Betrüger sind.

Ungeniert und ohne zu hinterfragen verhilft SRF dem Korrespondenten Nauer dazu, sein persönliches Bild von Russland als Schurkenstaat zu verbreiten. Der Fairness halber sei festgehalten, dass dieser Vorwurf nicht allein auf SRF zutrifft.

Die Eingabe des Begriffs <Alexej Nawalny und David Nauer> in die Google-Suchmaschine offenbart das Ausmass von Nauers Netzwerk und seinen hasserfüllten, unreflektierten und überaus einseitigen, verzerrten und oftmals wahrheitsfremden Darstellungen der amtierenden Regierung der Russischen Föderation, derweil die Opposition kritiklos in den Heldenstatus erhoben wird.

Mir ist bewusst, dass David Nauer im beanstandeten Beitrag seine freie Meinung äussert. Gemäss meiner Ausführungen mache ich jedoch eine Unterschlagung wichtiger Elemente von Informationen aus und beklage die Einseitigkeit, mit der die Hintergründe zu den Protesten vom 12. Juni in Moskau darlegt werden. Auch der von der Redaktion in das Interview eingefügte Kasten mit dem Titel <Gericht verurteilt Nawalny zu 30 Tagen Arrest> trägt nicht zur umfassenden Information und freien Meinungsbildung des Publikums bei.

Eingedenk des Prinzips der Fairness, an welchem sich Medienschaffende laut Regeln und Gesetz zu orientieren haben, fehlen im beanstandeten Beitrag jegliche Gegendarstellungen. Diese finden Sie hier.[2] Sie werden feststellen, dass Professor Alexander Rahr gerade der Einschätzung David Nauers widerspricht, Nawalnys Anhänger und Unterstützer würden ihn für seinen kompromisslosen Stil mögen: <Von den anderen russischen Oppositionellen erhält er (Nawalny) diesmal keine Unterstützung. Im Gegenteil, sie verurteilen ihn heftig.>

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Herr Fredy Gsteiger, stellvertretender Chefredaktor von Schweizer Radio SRF, antwortete:

„Gerne benütze ich die Gelegenheit, Stellung zu nehmen zur Beanstandung von Frau X. Frau X kritisiert, unser Russland-Korrespondent David Nauer habe auf SRF News einseitig berichtet und wichtige Elemente in seiner Berichterstattung unterschlagen, etwa indem er die offiziellen Standpunkte ausgelassen habe.

Richtig ist, dass es sich in dem Gespräch, das auf einem Gespräch auf Radio SRF basiert, nicht um eine umfassende Darstellung handelte, die den gesamten Konflikt zwischen der russischen Regierung und der Opposition umfassend abgebildet hat. Der Fokus lag in diesem Fall klar auf der Opposition; ihre Kundgebung war der Aufhänger für das Gespräch mit dem Korrespondenten. Das halten wir für legitim. Zumal wir diesen Fokus schon länger nicht mehr gewählt hatten. Was natürlich auch damit zusammenhängt, dass die Möglichkeiten für die russische Opposition begrenzt sind, öffentlich auf der Strasse und auch in den wichtigen Medien aufzutreten. Legitim scheint uns auch, dass David Nauer von einem brutalen Vorgehen der Sicherheitskräfte berichtete, zumal er ein solches in diesem Fall sogar selber beobachten konnte. Und naheliegend ist auch die Fokussierung auf die beiden wichtigsten russischen Städte Moskau und St. Petersburg, zumal nach uns zugänglichen Informationen die Demonstrationen dort erheblich grösser waren als in anderen russischen Städten.

In unserer Russland-Berichterstattung insgesamt findet die Sichtweise des Kremls hingegen sehr wohl ihren Niederschlag. Sogar sehr breit. Wir berichten über Pressekonferenzen der russischen Regierung, über Kommuniqués. Äusserungen und Positionsbezüge des Präsidenten selber und von Regierungsmitgliedern kommen in unseren Programmen vor. Wir geben ausserdem ganz bewusst immer wieder Stimmen das Wort, welche die offizielle Sichtweise vertreten. Jüngst etwa Oksana Boyko von ‚Russia Today‘, Denis Pushilin oder Fyodor Lukyanow – um nur diese drei zu nennen.

Frau X beanstandet, in dem Gespräch sei nicht erwähnt worden, dass Alexej Nawalny Wurzeln im rechtsnationalen Spektrum habe. Das ist richtig. Allerdings hat David Nauer vor weniger als einem Monat, als Nawalny bei Radio SRF bereits einmal ein Thema war, genau darauf hingewiesen. Und er recherchiert zurzeit an einem Porträt über Nawalny, selbstverständlich unter Einschluss seiner rechten Vergangenheit. Seine Recherchen belegen, dass Nawalny früher tatsächlich sehr nationalistische, ja auch rassistische Töne geäussert hat. Das wird in dem geplanten Porträt natürlich thematisiert werden. In seinem aktuellen politischen Engagement hat Nawalny davon freilich Abstand genommen. Bei der Demonstration, über die Nauer in dem Gespräch berichtete, ging es um Korruption und Demokratie. Es schwang kein rechtsextremes Gedankengut mit. Aus unserer Sicht ist es nicht erforderlich, in jedem einzelnen Beitrag zu Nawalny auf dessen rechten Hintergrund zu verweisen, solange er für einen konkreten Auftritt, für sein aktuelles politisches Engagement nicht erheblich ist. In einem Porträt hingegen muss dieses Element vorkommen.

Schliesslich fordert Frau X, unsere Berichterstattung müsse sich an den geltenden Gesetzen Russlands orientieren. Hier widersprechen wir entschieden. Es ist nicht nur unser Recht, sondern bisweilen gar unsere Pflicht, geltende Gesetze zu hinterfragen, nötigenfalls zu kritisieren – sogar in demokratischen, erst recht aber in autoritären Ländern. Unsere Richtschnur sind nicht nationale Gesetze, sondern die Uno-Charta, der Uno-Menschenrechtskatalog und die Europäische Menschenrechtskonvention. Zu all diesen Grundsätzen hat sich ja, zumindest im Prinzip, auch Russland bekannt. Wenn Frau X also schreibt, Nawalny oder Chodorkowski seien verurteilte Betrüger, so wäre einzuwenden, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das zumindest im Fall Chodorkowski anders sieht und Urteile gegen Russland gefällt hat.

Frau X schafft ausserdem einen Bezug zwischen Nawalny und Rechtspopulisten oder Rechtsextremen in europäischen Ländern. Interessant hier ist, dass direkte Kontakte und eine Zusammenarbeit des russischen Oppositionellen mit Le Pen, Wilders, Petry&Co nicht nachzuweisen sind. Dass sie aber sehr wohl zwischen dem Kreml und rechtspopulistischen Bewegungen in Westeuropa bestehen.

Wir bitten Sie deshalb, die Beanstandung als unbegründet abzulehnen.“

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Was haben wir in der Sache vor uns? Und was in der Form?

In der Sache geht es um Demonstrationen gegen Korruption in den obersten russischen Führungsrängen in zahlreichen Städten Russlands, zu denen Alexej Nawalny zum „Tag Russlands“, dem 12. Juni 2017, aufgerufen hatte. Die Demonstrationen waren bewilligt. Jene in Moskau wurde allerdings von Nawalny kurzfristig vom vereinbarten Ort als „Massenspaziergang“ in die Twerskaja Uliza verlegt, wo gleichzeitig ein von Hundertausenden besuchtes Volksspektakel zur russischen Geschichte stattfand. Nach anfänglichem Zögern griff die Polizei dezidiert ein und nahm etwa 600 Personen fest, unter ihnen Nawalny, der in einem schnellen Verfahren zu 30 Tagen Arrest verurteilt wurde.

In der Form handelte es sich um ein Gespräch mit dem Moskauer Korrespondenten von SRF, David Nauer. Dieser gab sein Wissen, seine Beobachtungen und seine Meinung wieder. Ein Interview ist immer eine Mischung aus sachlicher Wissensvermittlung, Lageeinschätzung und Kommentar. Erwartet wird, dass der Interviewte die relevanten Fakten vollständig erzählt, sie aber frei bewertet. Praktisch das gleiche Gespräch lief übrigens am gleichen Tag auch über Radio SRF in der Sendung „Echo der Zeit“.

Sie kritisieren nun vor allem vier Punkte, nämlich

  • dass David Nauer dem Publikum im Zusammenhang mit dem „Massenspaziergang“ Fakten vorenthalte;
  • dass er den Polizeieinsatz zu Unrecht und einseitig als „Repressionsmaschine“ darstelle;
  • dass er sich nicht an den geltenden Gesetzen orientiere und so kriminelle Handlungen gutheiße;
  • und dass er die rechtsnationalen Positionen von Nawalny nicht erwähne.

Zum 1. Punkt („Massenspazierung“): Die Moskauer Demonstration war auf dem Sacharow-Platz und dem Prospekt Akademika Sacharow vorgesehen, im Osten der Stadt außerhalb des inneren Boulevard-Rings, in der Nähe der Metro-Station „Sretenskiy Boulevard“. Sie war amtlich bewilligt. Nawalny hätte dort mit seinen Anhängerinnen und Anhängern eine längere Kundgebung durchführen können. Heute ist ja bei Kundgebungen vor allem wichtig, dass es Bilder und Videos gibt, die ins Netz gestellt und über Social Media verbreitet werden können. Nawalny entschied sich jedoch, die Demonstration – unbewilligt – ins Stadtzentrum auf die Twerskaja Uliza zu verlegen. Die Twerskaja entspricht etwa den Champs Élisées in Paris oder Unter den Linden in Berlin. An diesem Tag, der ein Feiertag war, fand das Fest „Wremena i Epokhi“ statt, ein Historienspiel mit laut offiziellen Angaben 250‘000 Zuschauern. Offensichtlich war die Strasse zu dieser Zeit für den Autoverkehr gesperrt. Dorthin verlegte also Nawalny seine Anti-Korruptions-Demonstration in der Form eines „Massenspaziergangs“. Das war ziemlich bescheuert, denn wer eine Demonstration, die immer auch zu Exzessen führen kann, genau dorthin beordert, wo sich schon Massen befinden, handelt verantwortungslos gegenüber den ahnungslosen Historien-Festbesuchern, aber auch gegenüber den eigenen Leuten. Dieses verantwortungslose Handeln Nawalnys hätte David Nauer unbedingt berichten (und qualifizieren) müssen. Hier unterschlug er Fakten und führte so das Publikum in die Irre.

Zum 2. Punkt („Repressionsmaschine“): Es trifft sicher zu, dass wir Menschen die Polizei je nach den Umständen als Freund oder als Feind betrachten: Beim G-20-Gipfel in Hamburg hatte der Polizeieinsatz in der Bevölkerung praktisch einhellige Unterstützung, weil die randalierenden Demonstranten nicht die Staatschefs und Minister, sondern die Hamburger Einwohner geschädigt hatten und weil es kaum jemand gerecht fand, dass die Protestierenden ganze Lebensmittelläden kurz und klein schlugen. Wer aber als Umweltschützer gegen den Bau eines Atomkraftwerks oder einer Wiederaufbereitungsanlage demonstriert, findet den Tränengaseinsatz der Polizei repressiv. Man kann den Einsatz der russischen Polizei am 12. Juni 2017 in Moskau so oder so sehen: Einerseits musste sie die Teilnehmenden am Volksfest „Wremena i Epokhi“ schützen, anderseits schlug sie wohl ziemlich brutal zu. Sie selber waren nicht vor Ort, ich auch nicht, aber David Nauer hat den Einsatz mit eigenen Augen gesehen, und ich billige ihm zu, dass er nur berichtet hat, was er miterlebt hat. Insofern kann hier Ihrer Kritik nicht beipflichten.

Zum 3. Punkt („kriminelle Handlungen“): Zur Kritik- und Kontrollfunktion der Medien gehört es, dass sie die Rechtsordnung hinterfragen – selbstverständlich zuerst und vor allem im eigenen Land, aber auch in allen anderen Ländern. Richtschnur für die Medien in pluralistischen Gesellschaften sind nicht die nationalen Gesetze, sondern die internationalen Menschenrechtserklärungen. Dies sehe ich genau gleich wie Herr Gsteiger. Dass die Schweiz bis 1971 die politische und bis 1981 die wirtschaftliche und gesellschaftliche Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht anerkannte, war formales Recht, aber gegen die Menschenrechte. Die Medien hatten daher allen Grund, das Frauenstimmrecht und die Geschlechtergleichheit in Familie, Beruf und Alltag zu fordern. Dass amerikanische Bundesstaaten die Todesstrafe anwenden, ist formales Recht, aber gegen die Menschenrechte. So gibt es auch in Russland, in Ungarn, in Polen, in der Türkei usw. Gesetze, die gelten, aber nicht konform sind mit den Menschenrechten, und hier können die Medien ansetzen. Das Demonstrationsrecht beispielsweise gilt über die formale Bewilligung hinaus. Im konkreten Fall war es eine Dummheit, es in der Twerskaja auszuüben, aber eine nicht bewilligte Demonstration am nächsten Tag irgendwo in Moskau wäre zwar wiederum gesetzeswidrig, aber nicht grundrechtswidrig gewesen. Aus diesen Gründen heraus kann ich hier Ihrer Kritik nicht folgen.

Zum 4. Punkt („rechtsnationale Positionen“): Hier folge ich nochmals ganz der Argumentation von Herrn Fredy Gsteiger: Einerseits ist es nicht jedes Mal nötig, frühere Positionen eines Politikers zu erwähnen. Beim sozialistischen französischen Premierminister Lionel Jospin hat man nicht jedes Mal darauf hingewiesen, dass er früher mal Trotzkist war. Beim deutschen Linken-Politiker Oskar Lafontaine wird nicht dauernd gesagt, dass er mal Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands war. Bei Nationalrat Ulrich Giezendanner wird nicht immer wieder mitgeteilt, dass er mal der Autopartei (Freiheitspartei) angehörte. Und vielleicht haben sich ja alle davon etwas bewahrt. Anderseits bereitet David Nauer ein Porträt von Alexej Nawalny vor. Da ist dann Raum für sämtliche Differenzierungen und kritischen Punkte. Auch hier kann ich Ihre Kritik nicht unterstützen.

Per saldo kann ich Ihre Beanstandung teilweise unterstützen, nämlich in einem von vier Punkten.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

[1] http://www.srf.ch/news/international/seine-anhaenger-moegen-nawalny-fuer-den-kompromisslosen-stil

[2] https://deutsch.rt.com/meinung/52318-westl-medien-kummern-sich-nicht/ ; http://www.russland.news/nawalnyj-verspielt-sein-politisches-credo/

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