Zwischen Privatsphäre und öffentlichem Interesse
Korrigendum: Im SRG.D Newsletter vom 15. August 2017 wurde irrtümlicherweise auf diese Seite verlinkt.
Die Beanstandungen der Sendungen zum Thema des Konfliktes zwischen Israel und Palästina befinden sich hier:
SRF-Berichterstattung für faktentreu befunden
Ombudsmann Roger Blum bearbeite die Beanstandung der Sendung «Reporter» vom 2. April 2017 mit dem Titel «Die syrische Kindsbraut», in der die Problematik arrangierter Ehen thematisiert wird.
Gemäss der Beanstandung waren die Befragungen und Dreharbeiten mit der Syrerin Suad für diese demütigend und traumatisierend. Die junge Frau sei in einen Loyalitätskonflikt gebracht worden, weil ihr Ehemann nichts von den Filmaufnahmen wissen dürfe. Man hätte sich auf die verwitweten Frauen beschränken sollen, die ebenfalls im Film vorgekommen sind. Ausserdem befürchtet der Beanstander, die junge Frau könnte durch den Film in Gefahr geraten, beispielsweise weil ihr Ehemann von den Aufnahmen erfahren könnte.
Die Redaktion betonte den speziellen Charakter der Sendung. Im Autorenfilm bringen sich selbige stärker persönlich ein, als in anderen journalistischen Gefässen üblich – auch Bewertungen und Kommentare sind bis zu einem gewissen Grad Teil des Sendungskonzepts.
Gründliche Recherchen und ausdrückliches Einverständnis
Weiter wird die fachliche Kompetenz sowie die Erfahrung des SRF-Nahostkorrespondenten Pascal Weber betont, der sich für diese Ausgabe von Reporter verantwortlich zeigt. Bevor er mit den Dreharbeiten begonnen hatte, führte er gründliche Recherchen durch und besuchte Suad und ihre Tanten mehrmals ohne Kamera. Der Kontakt zu ihnen war ihm übrigens von einer NGO vermittelt worden, die sich im Quartier um syrische Flüchtlinge kümmert. Suad und ihre Tanten stimmten den Dreharbeiten ohne jeglichen Druck zu. Pascal Weber sprach auch allein mit Suad, um ihr die Gelegenheit zu geben, aus dem Projekt auszusteigen, aber sie sicherte ihm wiederholt ihr Einverständnis zu. Der Autor hatte zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, seine Arbeit hätte einen verstörenden Einfluss auf Suad, würde sie zusätzlich traumatisieren oder in einen Konflikt bringen.
Blum selbst betont zunächst, dass der Ehemann Suads letztlich auch zu Filmaufnahmen eingewilligt hat, zumal er dem Kamerateam erlaubt, Bilder von ihm selber und seinem neugeborenen Sohn Mohammed zu machen. Nader macht einen sympathischen und keinen gewalttätigen Eindruck, aber da kann man sich täuschen. Ein gewisses Risiko besteht, dass er sich an seiner Frau rächt, wenn er je erfährt, dass sie von vorne gefilmt worden ist und dass der Film ausgestrahlt worden ist. Blum betont jedoch, dass journalistische Aufklärung immer mit Risiken verbunden ist. Dies gilt sowohl für die Porträtierten, als auch für die Journalisten. Insgesamt findet Blum jedoch weder ethische, noch rechtliche Gründe, die dafür sprechen würden, die Bilder nicht zu zeigen.
«Journalistische Aufklärung ist immer mit Risiken verbunden»
Nur mit dem Einverständnis der Porträtierten drang man in deren Privatsphäre ein. Dass der Ehemann zunächst dagegen war, wäre nur dann relevant, wenn es kein öffentliches Interesse am Thema «Kindsbräute und arrangierte Ehen» gäbe. Weiter konstatiert Blum, dass die Protagonisten nirgends herabgewürdigt oder blossgestellt, sondern respektvoll behandelt worden sind. Aus rechtlicher Sicht stellt sich die Frage, ob Grundrechte verletzt worden sind. Darauf lassen sich jedoch gemäss des Ombudsmannes keine Hinweise finden.
Einzig die Nennung des Nachnamens der jungen Frau hält Blum für unnötig; der Vorname hätte genügt. Abgesehen davon kann Blum der Beanstandung – trotz grossem Verständnis für die Kritik bei einem derart heiklen Thema – nicht beipflichten.
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