«Arena/Reporter» mit dem Titel «Kast und die KESB» beanstandet
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Mit Ihrem Brief vom 19. Juni 2017 beanstandeten Sie die Sendung „Arena/Reporter“ („Kast und die KESB“) von Fernsehen SRF vom 11. Juni 2017[1]. Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
„1. Das Familiengericht Laufenburg als für die Gemeinde Sisseln zuständige Kindes- und Er wachsenenschutzbehörde (KESB; nachfolgend Familiengericht) prüfte und verfügte bei der Familie Kast kindesschutzrechtliche Massnahmen. Das Familiengericht ist strikte an das Amtsgeheimnis gebunden. Es kann und darf zu wichtigen Aspekten im Einzelfall keine Aus künfte an Medienschaffende erteilen. Auch persönlichkeits- und datenschutzrechtliche Best immungen verbieten derartige Auskünfte.
Zu allgemeinen oder verfahrenstechnischen Fragen der Medienschaffenden kann das Fami liengericht aber durchaus Stellung beziehen. Die Beantwortung solcher zulässiger Fragen erfolgt entweder über die Medienstelle der Gerichte Kanton Aargau oder durch das Familiengericht selber. SRF hat aber weder die Medienstelle noch das Familiengericht im Vorfeld der Sendung kontaktiert und Fragen allgemeiner oder verfahrenstechnischer Art gestellt, die hätten beantwortet werden können.
2. Bei Fällen von nationalem Interesse (wie z.B. bei der Familie Kast) besteht ein grosses öffentliches Interesse, dass sachgerecht und ausgewogen berichtet wird. Der Filmbeitrag war indessen nicht einmal ansatzweise sachgerecht und ausgewogen.
Wären zulässige Fragen gestellt worden, hätte SRF u.a. erfahren, dass
2.1. für beide Eltern im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege früh je einzeln Rechtsanwälte bestellt worden sind, weil die Eltern unterschiedliche Interessen verfolgten (Ver meidung von lnteressenskollisionen),
2.2. somit von Anfang an Chancen- und Waffengleichheit für beide Eltern bestand,
2.3. das Standardargument, die Betroffenen könnten sich, z.B. aus finanziellen Gründen, gegen Entscheide des Familiengerichts nicht zur Wehr setzen, in Sachen Kast nicht erhoben werden kann,
2.4. beide Rechtsanwälte gegen den Obhutsentzug und die Fremdplatzierung kein Rechtsmittel ergriffen haben,
2.5. die Behauptung von Herrn Kast, er habe bei der KESB Hilfe gesucht und keine erhalten, falsch ist,
2.6. das Familiengericht vielmehr aufgrund einer Gefährdungsmeldung tätig geworden ist.
Wären diese Tatsachen auf geeignete Art in den Film eingebaut worden, läge aus unserer Sicht ein sachgerechter und ausgewogener publizistischer Beitrag vor. Das war - wie bereits erwähnt - leider nicht der Fall.
3. Erlauben Sie mir weiter einige kritische Bemerkungen zum Filmbeitrag. Sie zeigen meines Erachtens publizistische Mängel auf:
3.1. Die Kinderplatzierung, die als Aufhänger für die anschliessende Diskussion hätte dienen sollen, war im Film praktisch kein Thema. Oder anders ausgedrückt: Die zwei betroffenen Kinder, um die es eigentlich hätte gehen sollen, wurden einfach übergangen. Stattdessen dominierten Landschafts- und Meeresaufnahmen, Sequenzen spielender Kinder im philippinischen Dorf sowie ausschweifende Betrachtungen über die wirtschaftlichen Perspektiven der Familie Kast. Dies liess den Film insgesamt ‚flach‘ erscheinen. Der Film eignete sich daher nicht als lnputbeitrag für die nachfolgende Diskussion im Studio.
3.2. Im Film wurde mit einem eingeblendeten Ausschnitt eine Verfügung des Familiengerichts dargestellt, dass die Rückplatzierung der beiden Kinder von Anfang an ein Thema war. Dieser Hinweis war richtig und wichtig. Allerdings drängte sich im Nachgang dazu förmlich die Frage auf, warum es gerade nicht zu einer Rückplatzierung gekommen ist. Diese Frage wurde Frau und / oder Herrn Kast aber weder gestellt, noch wurde nach Ansätzen für eine mediale Antwort darauf gesucht. (Die Eltern kooperierten nämlich nicht.)
3.3. Ich habe allgemeine Ausführungen, wie ein Kindesschutzverfahren in der Regel abläuft, schmerzlich vermisst. Solches Wissen, das für eine sachliche Diskussion unentbehrlich ist, lässt sich den Zuschauerinnen und Zuschauern kaum an einem ‚prominenten Einzelfall‘ publizistisch vermitteln. Die Versuche der Moderation, später in der Diskussion Basiswissen oder Fakten nachzuliefern, sind kläglich gescheitert.
Abschliessend frage ich mich seit längerem, wem diese schon lange andauernde, einseitige Berichterstattung eigentlich dient. Wer hat einen Nutzen davon? Sicher nicht die betroffenen Personen. Mitarbeitende des Familiengerichts nehmen in ihrem Arbeitsalltag und auch privat wahr, dass die Menschen Angst haben, zur (bösen) KESB zu gehen. Dies ist eine verhee rende Folge dieser Berichterstattung; die Behörde ist zum Schutz schwacher Menschen da. Diesbezüglich müssten die Medien eine ethische Verantwortung haben, sich zumindest in Zurückhaltung üben. Auch SRF.“
Und Sie stellten folgende Anträge:
„1. Es sei festzustellen, dass die Sendung ‚Arena / Reporter: Kast und die KESB‘ (ausgestrahlt auf SRF 1 am Sonntag, 11. Juni 2017, ab 21.40 Uhr im publizistischen Teil (Filmbeitrag) nicht sachgerecht und ausgewogen konzipiert worden ist. Es sei eine Verletzung der Konzession festzustellen.
2. Es sei SRF im Sinne eines Beitrags zur Versachlichung der öffentlichen Diskussion zu emp fehlen, eine Dokumentationssendung über die Arbeitsweise der Kindes- und Erwachsenen schutzbehörden zu realisieren.“
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die Abteilung Kultur äußerte sich Frau Nathalie Rufer, Redaktionsleiterin „Reporter“:
„Gerne nehmen wir Stellung zur kritischen Reaktion von Herrn X auf die Sendung ‚Arena/ Reporter ‘ vom 11. Juni 2017:
Allgemein
Am 11. Juni 2017 fand zum ersten Mal die Sendung ‚Arena/Reporter‘ statt. Es handelte sich um eine Diskussion rund um eine Reportage mit Gästen und Publikum im Studio und von zuhause aus. Bei der Beantwortung der eingegangenen Beanstandung wird in der Folge sowohl auf den ‚Reporter‘-Film als auch auf die gesamte Sendung ‚Arena/Reporter‘ verwiesen.
1. Die Sendung ‚Reporter‘ kontaktierte im Vorfeld der Sendung bewusst weder die Medienstelle der Gerichte Kanton Aargau, noch das in diesem Fall zuständige Familiengericht Laufenburg. Denn, wie der Beanstander richtig festhält: Die Behörden sind an das Amtsgeheimnis gebunden. Sie können und dürfen zu wichtigen Aspekten im Einzelfall keine Auskünfte an Medienschaffende erteilen. Auch persönlichkeits- und datenschutzrechtliche Bestimmungen verbieten derartige Auskünfte. Dies ist der Sendung ‚Reporter‘ bestens bekannt. Insofern ist es sinnlos, mit entsprechenden Fragen an die Behörden zu gelangen.
Wie der Beschwerdeführer weiter richtig feststellt (unter 3., Punkt 2), blendete die Sendung ‚Reporter‘ Ausschnitte aus einer Verfügung des Familiengerichts Laufenburg ein. Damit wurde die Seite der Behörden in für das Verständnis des ‚Falles Kast‘ zentralen Fragen explizit berücksichtigt – im Wissen darum, dass die Behörden selber diese zentralen Auskünfte aus oben genannten Gründen nicht selber hätten erteilen dürfen. So wurde beispielsweise der Grund für die Kinderplatzierung integral zitiert:
<Ursächlich für die Unterbringung waren, nebst der gesundheitlichen Situation von Margie Kast, welche die Betreuung von Alina und Queen Sebell nicht mehr verlässlich wahrnehmen konnte, auch die vorherrschenden Zustände im Familienheim (zertrümmerte und herumliegende Haushaltgegenstände sowie Spielsachen, angespannte Paarproblematik, häusliche Gewalt), die sich für junge Kinder gefährlich und unzumutbar zeigten.>
Auch wurde transparent gemacht, dass die Behörden eine Rückplatzierung der Kinder anstrebten. Die daran geknüpften Bedingungen wurden auszugsweise zitiert:
Vor einer Rückkehr der Kinder sollte laut KESB unter anderem sichergestellt sein, dass: <Margie Kast über längere Zeit psychisch und körperlich stabil ist.> Dass <Christian Kast regelmässig Beratungsgespräche bei der Anlaufstelle gegen häusliche Gewalt in Anspruch genommen hat.> Und dass: <Die Paarsituation geklärt und beständig ist.>
Gleichzeitig ist klar, dass die Sendung ‚Reporter‘ nicht alle (juristischen) Aspekte des ‚Falles Kast‘ berücksichtigen konnte. Alleine die oben genannte Verfügung des Bezirksgerichts Laufenburg, aus der zitiert wurde, umfasst 7 eng beschriebene A4-Seiten. Wobei es sich dabei nur um einen kleinen Teil der in diesem Fall relevanten Unterlagen handelt. Es liegt also in der Natur der Sache, dass die Sendung ‚Reporter‘ selektiv vorgehen und sich auf für das Verständnis des Falles zentrale Punkte beschränken musste.
Gleichzeitig ist zu erwähnen, dass geplant war, Christian Kast live im Studio zu befragen. Er hätte dort zu weiteren Aspekten seines Falles Stellung nehmen können. Da die Redaktion ‚Reporter‘ bestens dokumentiert war, war sichergestellt, dass entsprechende Fragen vor dem Hintergrund eines umfassenden Gesamtbildes gestellt und etwaige Antworten aufgrund der vorhandenen Dossierkenntnis kritisch hinterfragt hätten werden können. Christian Kast verzichtete allerdings auf eine Teilnahme an der Sendung ‚Arena/Reporter‘.
Weiter ist darauf hinzuweisen, dass der Autor des ‚Reporter‘-Filmes, Simon Christen, der das Dossier bestens kennt, in der anschliessenden Diskussionssendung anwesend war und weitere Hintergründe zum ‚Fall Kast‘ ermöglichte.
Schliesslich ist zu sagen, dass Patrick Fassbind, Leiter KESB Basel-Stadt, an der anschliessenden Diskussion teilnahm und dem Publikum ebenfalls diverse Hintergrundinformationen zum ‚Fall Kast‘ zugänglich machte.
Allgemeine oder verfahrenstechnische Fragen, die dem Autor unklar gewesen wären und einer Beantwortung durch die Behörden bedurft hätten, stellten sich in diesem Falle indes nicht. Auch darum erübrigte sich eine Anfrage an die Medienstelle der Gerichte Kanton Aargau oder an das in diesem Fall zuständige Familiengericht Laufenburg.
2. Zu Punkt 1 und 2: Dies war der Sendung ‚Reporter‘ bekannt. Es handelt sich indes nicht um Informationen, die zentral sind, um den ‚Fall Kast‘ zu verstehen. Gleichzeitig ist darauf hinzuweisen, dass Patrick Fassbind diese Information im Laufe der nachfolgenden Diskussionssendung öffentlich machte. Dem Zuschauer waren diese Informationen also am Ende der Sendung bekannt.
Zu Punkt 3: Der Beschwerdeführer bemängelt, dass ein ‚Standardargument‘ nicht entkräftet wurde, das in diesem konkreten Fall mit keinem Wort erwähnt wurde, also gar nicht als Vorwurf im Raum stand. Auch Christian Kast selber wirft dies den Behörden nicht vor. Wieso dieses ‚Standardargument‘ also quasi präventiv hätte widerlegt werden sollen, ist beim besten Willen nicht einzusehen.
Weitere ‚Standardargumente‘ der KESB-Gegner sind beispielsweise, dass die Behörde nicht bürgernah sei, dass nahe Verwandte zu wenig involviert würden bei Kinderplatzierungen oder dass die von der KESB verfügten Massnahmen viel zu teuer seien. Auch diese ‚Standardargumente‘ wurden nicht entkräftet. Aus dem gleichen Grund: Es handelte sich nicht um Vorwürfe, die in diesem konkreten Fall im Raum standen.
Gleichzeitig ist darauf hinzuweisen, dass Patrick Fassbind und Viola Amherd, Nationalrätin CVP/VS, die ebenfalls an der anschliessenden Diskussion teilnahm, die Information, dass sich auch finanziell Schwache mithilfe der unentgeltlichen Rechtspflege gegen KESB-Entscheide wehren könnten, dass dieses oft gehörte ‚Standardargument‘ also nicht greife, im Laufe der Diskussionssendung explizit öffentlich machten. Dem Zuschauer war dies also am Ende der Sendung bekannt.
Zu Punkt 4: Dies war der Sendung ‚Reporter‘ bekannt. Es handelt sich indes um keine Information, die zentral ist, um den ‚Fall Kast‘ zu verstehen. Gleichzeitig ist darauf hinzuweisen, dass Patrick Fassbind diese Information im Laufe der Diskussionssendung öffentlich machte. Dem Zuschauer war dies also am Ende der Sendung bekannt.
Zu Punkt 5 und 6: Christian Kast hat nie behauptet, dass er bei der KESB Hilfe gesucht habe. Auch im Film wird dies nicht behauptet. Vielmehr suchte er Hilfe bei der Familienberatung.
Auch wird im Film klar gesagt: Nachbarn fiel auf, dass die ‚Kast-Kinder‘ unbeaufsichtigt im Dorf unterwegs waren, auch in der Nähe des Rheins wurden sie unbegleitet gesehen. Aufgrund von Meldungen der Nachbarn wurde die KESB aktiv.
Wörtlich heisst es im Kommentartext:
<Laut Kast war eines der Hauptprobleme, dass seine Frau starke Unterleibsschmerzen hatte, die lange nicht als Entzündung erkannt wurden. Sie sei oft gereizt und mit den Kindern überfordert gewesen. Darum habe er die Familienberatung um Hilfe gebeten. Keine Zeit, habe man ihm dort mitgeteilt. Erst als die Nachbarn Alarm schlugen, kam die KESB vorbei - und fand die Überreste eines vorabendlichen Streits vor.>
3. Zu Punkt 1: Diese ‚kritische Bemerkung‘ des Beanstanders muss klar zurückgewiesen werden. Der ‚Reporter‘-Film und die anschliessende ‚Arena‘-Diskussion, mit anderen Worten: die Sendung ‚Arena/Reporter‘ ermöglichte einen differenzierten Einblick in den ‚Fall Kast‘, der von KESB-Kritikern lange Zeit als ‚Paradefall‘ zitiert wurde, der das Versagen der Behörde exemplarisch zeige. Die Sendung ‚Arena/Reporter‘ hinterfragte den ‚Fall Kast‘ kritisch, differenziert und fair.
Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass die Zustände auf den Philippinen, die Christian Kast idealisiert, weil es sich um eine ‚KESB-freie Zone‘ handle, kritisch hinterfragt und eingeordnet werden.
Entsprechende Textstellen sind etwa:
<Die Kinder seien hier frei, sagt Kast, und wüchsen arm, aber glücklich auf. So, wie es auch bei uns einmal gewesen sei – damals, vor der KESB. So viel Gotthelf, das gibt es heute offenbar nur noch in Südostasien. Die meisten Einheimischen wollen indes nur eines: möglichst schnell weg aus diesem Paradies.>
Oder:
<Natürlich, auch hier, im vermeintlichen Paradies, gebe es Probleme, erzählt mir Margie Kast später. Kinder würden vernachlässigt, misshandelt und missbraucht – aber darüber rede man nicht, das sei hier Privatsache. Und darum gehe es auch niemanden etwas an, wie sie ihre Kinder erziehe.>
Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass es zu den zentralen Aufgaben von Eltern gehört, ihren Kindern die Voraussetzungen zu schaffen, dass sie eine Perspektive für ihr Erwachsenenleben entwickeln können – vor allem auch eine berufliche. Insofern sind auch die <ausschweifenden Betrachtungen über die wirtschaftlichen Perspektiven der Familie Kast>, also die mittel- und langfristigen Konsequenzen, die sich aus dem Handeln von Christian und Margie Kast für ihre Kinder ergeben, zentral für ein differenziertes Gesamtbild des ‚Falles Kast‘.
Zu Punkt 2: Der ‚Reporter‘-Film macht die Gründe für die Kinderplatzierung integral transparent:
<Ursächlich für die Unterbringung waren nebst der gesundheitlichen Situation von Margie Kast, welche die Betreuung von Alina und Queen Sebell nicht mehr verlässlich wahrnehmen konnte, auch die vorherrschenden Zustände im Familienheim (zertrümmerte und herumliegende Haushaltgegenstände sowie Spielsachen, angespannte Paarproblematik, häusliche Gewalt), die sich für junge Kinder gefährlich und unzumutbar zeigten.>
Auch wurde transparent gemacht, dass die Behörden eine Rückplatzierung der Kinder anstrebten. Die daran geknüpften Bedingungen wurden auszugsweise zitiert:
<Vor einer Rückkehr der Kinder sollte laut KESB unter anderem sichergestellt sein, dass: ‚Margie Kast über längere Zeit psychisch und körperlich stabil ist.‘ Dass ‚Christian Kast regelmässig Beratungsgespräche bei der Anlaufstelle gegen häusliche Gewalt in Anspruch genommen hat.‘ Und dass: ‚Die Paarsituation geklärt und beständig ist.‘>
Da die Kinder nicht zurück konnten zu den Eltern, waren oben genannte Bedingungen in den Augen der Behörden offenbar nicht erfüllt. Auch wird klar, dass die Eltern die Erfüllung ebendieser Bedingungen nicht abwarteten, sondern das Recht in die eigenen Hände nahmen. Anlässlich eines Besuchstermins brachte Christian Kast die Mädchen nicht, wie abgemacht, in einen Kletterpark, sondern zum Flughafen, von wo sie mit ihrer Mutter in Richtung Philippinen abflogen. Dabei handelt es sich um eine der krassesten denkbaren Formen der Nicht-Kooperation von Eltern mit der KESB. Insofern ist es absurd, wenn der Beschwerdeführer bemängelt, dass die Nicht-Kooperation der Eltern nicht thematisiert worden sei.
Zu Punkt 3: Auch diese Behauptung des Beanstanders ist klar zurückzuweisen. Der ‚Reporter‘-Film und die anschliessende ‚Arena‘-Diskussion ermöglichten einen differenzierten Einblick in den ‚Fall Kast‘, der von KESB-Kritikern lange Zeit als ‚Paradefall‘ zitiert wurde, der das Versagen der Behörde exemplarisch zeige. Die Sendung ‚Arena/Reporter‘ hinterfragte den ‚Fall Kast‘ kritisch, differenziert und fair. Gleichzeitig ermöglichte die Diskussionssendung, mit der Hilfe von vier profilierten Diskutanten, einen interessanten Einblick in das Thema KESB an sich.
Abschliessende Bemerkung
Der Beanstander regt an, SRF solle ‚im Sinne einer Versachlichung der öffentlichen Diskussion‘ einmal eine Dokumentationssendung über die Arbeitsweise der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden realisieren. Der Beschwerdeführer ist darauf hinzuweisen, dass SRF dies immer wieder tut und weiter tun wird. Insbesondere die dokumentarischen Formate ‚DOK‘ und ‚Reporter‘ widmeten sich dem Thema mehrmals (u.a. ‚Zwei Seiten der Wahrheit - Die KESB in der Kritik‘, Dokfilm vom 3. März 2016 [2]; ‚Im Heim‘, ‚Reporter‘ vom 10.Januar 2016 [3]). Die Absicht der Redaktionen, die Arbeitsweise der KESB zu dokumentieren, scheiterte meist am Widerstand der jeweiligen Behörden. Es liegt allerdings in der Natur der Sache, dass dies eine grosse Herausforderung ist. Denn die Behörden sind strikte an das Amtsgeheimnis gebunden. Sie dürfen und können zu wichtigen Aspekten im Einzelfall keine Auskünfte an Medienschaffende erteilen. Auch persönlichkeits- und datenschutzrechtliche Bestimmungen verbieten derartige Auskünfte. Und rein theoretische Abhandlungen ohne konkreten Bezugspunkt eignen sich kaum für längere Dokumentationssendungen.
Gleichzeitig ist darauf hinzuweisen, dass ein Teil der SRF-Berichterstattung rund um die ‚Arena/Reporter‘-Sendung online stattfand. Dort wurde u.a. ein längeres Interview mit Guido Marbet, Präsident des Obergerichts und der Justizleitung des Kantons Aargau und gleichzeitig Präsident der KOKES, publiziert. Die Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz, KOKES, ist ein Verbindungsorgan zwischen den kantonalen Aufsichtsbehörden im zivilrechtlichen Kindes- und Erwachsenenschutz.[4]
Wir sind der Meinung, dass die Anträge der vorliegenden Beanstandung in allen Punkten abzuweisen sei.“
Herr Jonas Projer, Redaktionsleiter der Sendung „Arena“, schrieb außerdem ergänzend:
„Wir schliessen uns den Ausführungen der Kolleginnen und Kollegen von ‚Reporter‘ in ihrer Stellungnahme zur Beanstandung 5510, welche vor allem den ‚Reporter‘ betrifft, in allen Punkten an. Soweit die anschliessende ‚Arena‘ respektive die Gesamtsendung ‚Arena/Reporter‘ betroffen sind, ergänzen wir gerne wie folgt:
Der Beanstander ist der Ansicht, dass die Gesamtsendung nicht ausgewogen konzipiert gewesen sei. Ausserdem kritisiert er, dass ‚allgemeine Ausführungen, wie ein Kindesschutzverfahren in der Regel abläuft‘, gefehlt hätten. Weiter ist er der Ansicht, ‚die Versuche der Moderation, später in der Diskussion Basiswissen oder Fakten nachzuliefern‘, seien ‚kläglich gescheitert‘. Abschliessend fragt sich der Beanstander, ‚wem diese schon lange andauernde, einseitige Berichterstattung eigentlich dient.‘
Wir halten dazu gerne fest, dass mit Patrick Fassbind (Leiter KESB Basel-Stadt) und Viola Amherd (Nationalrätin CVP, frühere Exekutivpolitikerin Brig/Glis und somit im Bereich Vormundschaft erfahren) zwei kompetente, rhetorisch starke und sich ideal ergänzende Fachleute in der ‚Arena‘ standen, welche die KESB verteidigten. Die Sendung war deshalb unserer Ansicht nach sehr wohl ausgewogen. Auch Basiswissen und Fakten wurden nicht zuletzt von den Gästen eingebracht.
Erlauben Sie uns ausserdem folgende Anmerkung:
Wir gehen mit dem Beanstander insofern einig, dass ein Teil der öffentlichen Berichterstattung zur KESB in den letzten Jahren tatsächlich unausgewogen und einseitig erfolgte. Problematisch erschien in vielen Fällen, dass jeweils nur eine Sicht (die Sicht der von einer KESB-Massnahme betroffenen Personen) medial wiedergegeben wurde. In vielen Fällen konnten sich die betroffenen Behörden, welche durch das Amtsgeheimnis gebunden waren, nicht ‚wehren‘.
Übrigens: Vollständig konnte sich auch die Sendung ‚Arena/Reporter‘ vom 11. Juni 2017 dieser Problematik nicht entziehen und zwar bei den (spontanen) Live-Anrufen in die Sendung, bei welchen verschiedene Einzelfälle von Betroffenen (und damit einseitig) wiedergegeben wurden. Hier hätte sich die Redaktion tatsächlich auch andere Anrufe erhofft (z.B. von KESB-Mitarbeitern oder Verteidigern der Behörde), welche wir leider kaum erhielten. Wir sind jedoch der Ansicht, dass diese Einseitigkeit einzelner Live-Anrufe in der Sendung angemessen aufgefangen und thematisiert wurde, sowohl vom Moderatorenpaar wie auch von Herrn Fassbind und Frau Nationalrätin Amherd. Diese wurden von der Redaktion unter anderem genau zu diesem Zweck eingeladen.
Wir sind aus all diesen Gründen der Meinung, dass der ‚Reporter‘ oder die darauf folgende ‚Arena‘ vom 11. Juni 2017 keineswegs „einseitig“ oder „unausgewogen“ waren.“
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Ihre Beanstandung richtet sich gegen die Sendung „Arena/Reporter“ vom 11. Juni 2017. Wenn man Ihre Begründung indes genau liest, dann beziehen Sie sich ausschließlich auf die Teilsendung „Reporter“, nicht auf die Diskussion in der „Arena“. Die Sendung war aber ein Gesamtpaket: Die Moderatoren Jonas Projer und Christa Rigozzi eröffneten, stellten die Diskussionspartner vor und erläuterten den Ablauf. Erst dann wurde der Film „Kast und die KESB“ des Sendegefäßes „Reporter“ gezeigt, und dieser Film war schließlich Ausgangpunkt und Thema der anschließenden Diskussion in der „Arena“ mit Studiogästen unter Einbezug des externen dispersen Publikums, das sich via Twitter und Telefonanrufe äußerte. Wenn ich Ihre Argumente würdige, dann muss ich dieses Gesamtpaket in den Blick nehmen.
Denn das Bundesgericht hat in einem Entscheid aus dem Jahr 2009 die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) belehrt, dass sie nicht bloß eine einzelne Episode einer Sendung beurteilen dürfe, auch wenn sich die Beschwerde nur gegen diese richte, sondern dass sie die gesamte Sendung analysieren müsse, zumal das Publikum Zeuge der ganzen Sendung war.[5] Damals ging es um eine Sendung von „Temps présent“ der Télévision de la Suisse romande. Die UBI hatte die Beschwerde einstimmig gutgeheißen; das Bundesgericht drehte den Entscheid um.[6]
Wenn ich nun die Gesamtsendung in den Blick nehme, so kommen Ihre Anliegen durchaus zur Geltung, vor allem dadurch, dass Nationalrätin Viola Amherd und der baselstädtische KESB-Leiter Patrick Fassbind – den die Zeitung „TagesWoche“ als „die eigentliche Überraschung“ der Sendung bezeichnete[7] - die Position der KESB und der Familiengerichte sehr kenntnisreich und eloquent verfochten. Beide sind Juristen, kennen sich also im Kinds- und Familienrecht aus. Viola Amherd hat genauso wie Nationalrat Pirmin Schwander im Parlament an der entsprechenden Gesetzgebung mitgewirkt und hatte Einblick in die Praxis als Präsidentin der Stadtgemeinde Brig-Glis. Patrick Fassbind sammelte Erfahrungen als Verantwortlicher für die KESB in den Kantonen Glarus, Bern und Basel-Stadt. Die Beiden lieferten genau jene Informationen und Argumente, die auch von Ihrer Seite hätten kommen können.
Natürlich war es ein Mangel, dass die zuständigen Behörden über das Filmprojekt von Simon Christen nicht informiert waren und er sie nicht kontaktiert hat, auch wenn gar nicht vorgesehen war, dass sie in dem Film vorkamen. Solche Orientierungskontakte jeweils aufzunehmen, wäre eine Empfehlung an die Journalistinnen und Journalisten. Aber dem Publikum ging durch diesen unterbliebenen Kontakt nichts verloren. Es erhielt ein rundes Bild sowohl über den konkreten Fall Kast als auch über die – weiterhin umstrittene – Praxis der KESB. Im Fokus der Ombudsstelle ist das Publikum, nicht der einzelne Interviewte oder Nicht-Interviewte. Das Radio- und Fernsehgesetz ist nur dann verletzt, wenn das Publikum offensichtlich manipuliert wurde. Das war hier nicht der Fall.
Auch wenn nicht sämtliche Aspekte des Falles Kast ausgeleuchtet wurden, auch wenn beispielsweise unbeantwortet blieb, warum eine Betreuung durch Freunde innerhalb der religiösen Gemeinschaft der Frau nicht erwogen wurde, so erhielt doch das Publikum ein Gesamtbild dieses Falls, und es gewann zusätzliche Erläuterungen aus der „Arena“-Diskussion. Nimmt man also den „Reporter“-Film und die „Arena“-Diskussion zusammen, so war die Sendung durchaus sachgerecht und sogar ausgewogen (was sie nicht einmal sein müsste, denn das Vielfaltsgebot gilt nicht für jede einzelne Sendung, sondern für das gesamte Programm im Längsschnitt). Ich kann mich daher den Argumenten von Frau Rufer und Herrn Projer anschließen.
Sie stellen Anträge. Wenn Sie das Radio- und Fernsehgesetz konsultieren, dann sehen Sie, dass die Ombudsstelle nichts entscheidet. Sie vermittelt, rät, kommentiert und empfiehlt bloß. Ich kann daher über keine Anträge entscheiden und nichts beschliessen, schon gar nicht, dass eine Konzessionsverletzung vorliege. Im Verfahren vor der Ombudsstelle und vor der UBI geht es nicht um die SRG-Konzession, sondern um die Bestimmungen des Radio- und Fernsehgesetzes, namentlich in den Artikeln 4, 5, 5a und 6.[8] Und eine Empfehlung, eine Sendung über die KESB an und für sich auszustrahlen, werde ich an die Adresse der Redaktionen von Radio und Fernsehen SRF nicht abgeben, da sie das Thema KESB immer wieder in den verschiedensten Varianten aufgreift. Insgesamt komme ich daher zum Schluss, dass ich Ihre Beanstandung nicht unterstützen kann.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
[1] https://www.srf.ch/sendungen/arenareporter/arena-reporter/uebersicht
[2] http://www.srf.ch/sendungen/dok/zwei-seiten-der-wahrheit-die-kesb-in-der-kritik
[3] http://www.srf.ch/sendungen/reporter/im-heim
[4] http://www.srf.ch/sendungen/dok/bei-der-kommunikation-besteht-handlungsbedarf
[5] Tribunal fédéral, Arrêt du 1er mai 2009, 2C_882/2008 http://www.bger.ch/index/juridiction/jurisdiction-inherit-template/jurisdiction-recht/jurisdiction-recht-urteile2000.htm
[6] Vgl. auch Blum, Roger (2015): Unseriöser Journalismus? Beschwerden gegen Radio und Fernsehen in der Schweiz. Konstanz: UVK, S. 111-112.
[7] https://tageswoche.ch/gesellschaft/patrick-fassbind-dass-einem-der-tod-gewuenscht-wird-gehoert-dazu/
[8] https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20001794/index.html
Kommentar