Radio SRF 3, Vorabendprogramm, Ausstrahlung des Songs «P.I.M.P.» von «50 Cent» beanstandet
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Mit Ihrer E-Mail vom 5. September 2017 beanstandeten Sie, dass Radio SRF 3 am 4. September 2017 am Nachmittag den Titel „P.I.M.P.“ von 50 Cent abgespielt habe, dessen Text jugendgefährdend sei.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
„Hiermit möchte ich mich über das Program von Raido SRF3 am gestrigen Montag beschweren. Es wurde der Titel PIMP von 50 Cent gespielt und das zu einer Zeit in der Kinder wach sind und Radio hören. Musikalisch habe ich nichts gegen den Titel einzuwenden, finde ihn sogar sehr gelungen, aber sprachlich liegt er voll daneben. Nur weil viele Jugendliche und Erwachsene nicht genug Englisch können, um zu verstehen worüber hier gesungen wird, bedeutet das nicht, dass niemand es versteht. Meine Kinder verstehen Englisch und ich möchte Ihnen nicht diese Art von Text zumuten. Übersetzen Sie den Text doch einmal auf Deutsch und fragen Sie sich, ob man den Titel dann immer noch um 17.33 abspielen würde.“
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Herr Michael Schuler, Leiter der SRF Fachredaktion Musik (Pop & Rock), schrieb:
Mit Mail vom 05. September 2017 beanstandet Herr X, dass SRF 3 den Song P.I.M.P. von 50 Cent gespielt hat. Der Radiosender SRF 3 ist als Sender konzipiert für Erwachsene, SRF 3 ist keinesfalls ein für Kinder durchgehend taugliches Programm! Allein schon Nachrichten und Beiträge sind explizit für ein Zielpublikum von 25-45 gemacht. Das heisst, von den Nachrichten über die Themenauswahl aller Berichterstattung bis hin zur Ansprache durch die Moderation und die Unterhaltung oder Comedy richtet sich SRF 3 an mediengewandte Erwachsene.
Dies gilt bei SRF 3 natürlich auch für das Musikprogramm, das immer wieder einzelne Titel enthält, die sogenannt explizite Songtexte haben. Ob das nun Klassiker der Doors, Rolling Stones oder inzwischen klassische Rap-Texte sind, Radio SRF 3 spielt auch diese Musik für ein Publikum, das z.B. den Unterschied zwischen Klartextberichterstattung und den vielfältigen Formen der Pop- und Rockkulturtexte kennen und entschlüsseln kann.
Nun unsere Stellungnahme zur Beanstandung von Herr X:
Radio SRF 3 hat diesen Titel seit seinem Erscheinen 2003, also seit 14 Jahren immer wieder im Repertoire. Er ist bei unserem Publikum bekannt und beliebt. Der Text von 50 Cent ist eben klassische Rap-Rollenprosa. D.h. der Sänger 50 Cent spielt den grossmauligen, extrem unsympathischen Zuhälter, der in seiner absolut drastischen, verachtenden Art eine Figur kunstvoll rappt.[2]
Fazit
Wir können und wollen als glaubwürdiger Sender für Erwachsene auf anerkannt-kunstvolle, auch sehr explizite Titel nicht verzichten. Diese sind auch integraler Bestandteil unseres kulturellen Angebots. Wir wissen natürlich aus der Geschichte der Musikkultur, dass Musiktitel wegen der Songtexte abgelehnt, missverstanden, zensiert und boykottiert werden und auch, dass es Musiktitel gibt, die aus oben beschriebenen Gründen für jüngeres Publikum wirklich nicht geeignet sind.
Wir bitten Sie deshalb um Verständnis, wenn wir Ihr Anliegen zwar gut nachvollziehen können aber deswegen nicht unser Grundkonzept verändern, dass wir also neben der überwiegenden Mehrheit völlig unproblematischer Songtitel auch solche Titel weiterhin spielen werden.“
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Ausstrahlung dieses Titels. Es ist nicht einfach, die Sache gerecht zu bewerten. Auf der einen Seite möchte ich im Widerspruch zu Herrn Schuler darauf hinweisen, dass Radio SRF 3 bei Jugendlichen durchaus gefragt ist. Eine Demoscope-Studie von 2012 wies SRF 3 als den bei den Jugendlichen beliebtesten Sender aus.[3] Man hat also gerade am späteren Nachmittag immer auch jugendliche Zuhörerinnen und Zuhörer, und da müssen die Jugendschutzregeln beachtet werden. Nach Artikel 5 des Radio- und Fernsehgesetzes dürfen Kinder und Jugendliche „nicht mit Sendungen konfrontiert werden, welche ihre körperliche, geistig-seelische, sittliche oder soziale Entwicklung gefährden“.[4] Die Kinder- und Jugendmedienschutz-Richtlinien von SRF besagen, dass während des Tages einschliesslich des Vorabendprogramms nur Sendungen zulässig sind, die für Kinder unter 12 Jahren unbedenklich sind.[5]
Auf der andern Seite ist ein einzelner Song, der nicht visualisiert ist, kaum dazu angetan, Kinder derart zu schockieren, dass ihre geistig-seelische, sittliche oder soziale Entwicklung negativ beeinflusst wird. Die überwiegende Mehrheit der Kinder kann in diesem Alter kein Englisch, versteht also den Text nicht. Überdies beschäftigen sich Kinder in der Regel neben dem Radiohören mit etwas Anderem und hören nur mit einem Ohr hin. Und der Text des Songs, der das Denken eines Zuhälters schildert, ist keineswegs pornografisch. Das Gefährdungspotenzial ist daher minimal.
Der fragliche Titel wurde um 17:33 Uhr gesendet. Formal würden folglich die strengen Regeln des Jugendschutzes gelten. Faktisch aber schadet der Song wohl niemandem, da er Englisch gesungen und gesprochen ist und da er zwar vulgär, aber letztlich in der Aussage und Wirkung eher harmlos ist. Da es sich um einen Grenz- und Zweifelsfall handelt, neige ich der Redaktion zu, denn diese kann sich nicht weiter wehren, während Sie als Beanstander auf jeden Fall Beschwerde bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) einreichen können. Ihre Beanstandung stütze ich folglich nicht.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
[1] https://www.youtube.com/watch?v=UDApZhXTpH8
[2] Vgl. Beilage Songtext
[3] http://www.persoenlich.com/medien/jugendliche-lesen-20-minuten-und-hoeren-drs-3-232448
[4] https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20001794/index.html
[5] https://www.srf.ch/allgemeines/kinder-und-jugendmedienschutzrichtlinie
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