Radio SRF 4 News, Sendung «Medientalk» («‘No Billag‘: Eine journalistische Kontroverse») beanstandet
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Mit Ihrer E-Mail vom 23. September 2017 beanstandeten Sie den „Medientalk“ auf Radio SRF 4 News vom gleichen Tag zum Thema „‘No Billag‘: Eine journalistische Kontroverse“.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
„Ich habe mir gerade zum Frühstück die Sendung Medientalk vom 23.09.2017 über die Internetseite von SRF angehört. Offizielle Ausstrahlung auf Radio SRF4 ist um 10:33 Uhr. Ich beziehe mich deshalb auf die Version, welche bereits vorher unter https://www.srf.ch/sendungen/medientalk/sendungen aufgeschaltet war. Allenfalls wurde die Version für später ja bereits korrigiert.
Hauptthema der Sendung war die Diskussion um die No-Billag Initiative. Dies ist ein Thema, welches mich sehr interessiert und ich habe die Sendung deshalb gespannt mitverfolgt. Weil das Volksbegehren die SRG direkt betrifft, war ich zudem gespannt, wie professionell die Moderation damit umgeht. Zu Gast waren zwei Journalisten, es wurden sehr viele Punkte angesprochen, alles in allem eine gute Diskussion. Die beiden Protagonisten vertraten ihre eigene Meinung im Bezug auf verschiedene Aussagen von Nationalräten. Dabei handelte es sich klar um private Meinungen, da sehe ich kein Problem.
Problematisch wurde es zum Ende der rund 20 Minuten dauernden Diskussion. Da wo der vermeintlich neutrale und sachgerechte Moderator nochmals die zentralen Punkte der Initiative zusammenfasste. Damit alle, die noch nicht ganz verstanden haben um was es geht, nochmals aufgeklärt werden.
Salvador Atasoy (Ich habe hoffentlich den richtigen Namen herausgesucht) sagt ab ungefähr 24:23: <Die Diskussion über die No-Billag Initiative. Die Initiative, welche die Radio- und Fernsehgebühren abschaffen will. Geht dann kommenden Montag im Nationalrat weiter. Sollte der No-Billag Artikel an der Urne dereinst angenommen werden, wäre eine direkte Medienförderung durch den Bund fortan unmöglich. Sprich, öffentlich-rechtliche Medien, egal ob Radio, Fernsehen, Internet oder Print wären fortan, und so lange dieser Artikel gilt unmöglich>.
Nun habe ich den Initiativtext der No-Billag Initiative nochmals konsultiert:
<Art. 93 Radio und Fernsehen
1 Die Gesetzgebung über Radio und Fernsehen sowie über andere Formen der öffentlichen fernmeldetechnischen Verbreitung von Darbietungen und Informationen ist Sache des Bundes.
2 Die Unabhängigkeit von Radio und Fernsehen sowie die Autonomie in der Programmgestaltung sind gewährleistet.
3 Der Bund versteigert regelmässig Konzessionen für Radio und Fernsehen.
4 Er subventioniert keine Radio- und Fernsehstationen. Er kann Zahlungen zur Ausstrahlung von dringlichen amtlichen Mitteilungen tätigen.
5 Der Bund oder durch ihn beauftragte Dritte dürfen keine Empfangsgebühren erheben.
6 Der Bund betreibt in Friedenszeiten keine eigenen Radio- und Fernsehstationen.>
Das steht zwar in Absatz 1, dass der Bund für die Gesetze bezüglich Radio, TV und anderer Formen der öffentlichen fernmeldetechnischen Verbreitung von Darbietungen und Informationen zuständig ist. Jedoch handelt es sich dabei meiner Meinung nach um einen allgemeinen Grundsatz. Der Bund macht Gesetze darüber, wie diese aussehen müssen, steht hier nicht.
Betrachtet man dann der Rest der Initiative, besteht sie nebst oben genanntem neutralen Grundsatz aus zwei Kernkomponenten.
1. Es dürfen durch den Bund/ Dritte keine Empfangsgebühren erhoben werden. (Absatz 5)
2. Speziell ausformulierte Regelungen für Radio und TV: Die Unabhängigkeit und Autonomie in der Programmgestaltung (Absatz 2); Konzessionen für Radio und TV sollen regelmässig Versteigert werden (Absatz 3); Radio und TV werden nicht subventioniert, Zahlungen für dringende amtliche Mitteilungen sind erlaubt (Absatz 4); keine bundeseigenen Radio- und Fernsehstationen in Friedenszeiten (Absatz 6)
Natürlich lässt sich heute nicht abschätzen, wie die Gesetze nach einer allfälligen Annahme der Initiative ausgestaltet würden. Man muss sich deshalb schlicht und einfach an den Initiativtext halten.
Nachdem ich die Initiative nochmals konsultiert habe, komme ich zum Schluss, dass der Abschnitt: <Sollte der No-Billag Artikel an der Urne dereinst angenommen werden, wäre eine direkte Medienförderung durch den Bund fortan unmöglich. Sprich, öffentlich-rechtliche Medien, egal ob Radio, Fernsehen, Internet oder Print währen fortan, und so lange dieser Artikel gilt unmöglich>, gleich mehrere Falschinformationen enthält.
1) Im Text der Initiative steht nirgendwo, dass Angebote im Internet nicht mehr gefördert werden dürfen!
2) Im Text der Initiative steht nirgendwo, dass Angebote im Print nicht mehr gefördert werden dürfen!
3) Wird zwar richtig gesagt, dass der Bund nicht mehr zahlen soll (zumindest bei TV und Radio). Dass es deshalb jegliche öffentlich-rechtlichen Medien nicht mehr geben darf, ist meines Erachtens aber falsch. Wie schon gesagt, wären solche Modelle bei Print oder Internet denkbar. Daneben könnten aber auch andere Körperschaften wie z.B. die Kantone in die Bresche springen. Gerade bei Randregionen, mit fehlendem Angebot, wäre dies für mich eine denkbare Alternative. Und im Initiativtext steht nichts davon, dass so eine Medienförderung verboten sein soll. Also gilt meiner Meinung nach das Subsidiaritätsprinzip wie in allen anderen Rechtsfragen auch.
Besten Dank für Ihre Klärung.“
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Herr Michael Bolliger, stellvertretender Chefredaktor von Radio SRF, schrieb:
„Ich danke Ihnen für die Möglichkeit zur Beanstandung 5178 ‚Falschinformationen zu No-Billag‘ im Medientalk von Ende September Stellung nehmen zu können. Ich tue das gleichzeitig als Mitglied der Radio-Chefredaktion und als Leiter von SRF 4 News, welches das monatliche Gesprächsformat ‚Medientalk‘ produziert.
Herr X beanstandet am Medientalk vom 23.9. nicht die Debatte zum Thema, sondern die Abmoderation. In der Abmoderation zum Gespräch hiess es wörtlich:
<Sollte der No-Billag-Artikel dereinst an der Urne genommen werden, wäre eine direkte Medienförderung durch den Bund fortan unmöglich. Sprich: öffentlich-rechtliche Medien, egal ob Radio, Fernsehen, Internet oder Print wären fortan und solange der Verfassungsartikel gilt, unmöglich.>
Herr X sieht in dieser Formulierung, wie er schreibt, ‚gleich mehrere Falschinformationen‘.
Weder verlange der Initiativtext, dass Internetangebote nicht mehr gefördert werden dürften, noch solche im Printbereich. Ebenso sei drittens im Initiativtext nicht die Rede davon, dass eine Medienförderung generell verboten wäre.
Herr X hat nach meiner Ansicht Recht.
Ich komme aus verschiedenen Überlegungen zu diesem Schluss. Die Abmoderation ist einerseits Ergebnis einer Einschätzung des Autors, die als solche aber nicht transparent gemacht wurde. Ohne diese Klarstellung konnte das ‚Medientalk‘-Publikum nicht erkennen, dass hier nicht eine faktische Feststellung, sondern eben eine Einschätzung formuliert ist.
Gleichzeitig war der Text in der Verkürzung zumindest missverständlich. Es war nicht nachvollziehbar, warum der Begriff ‚Förderung‘ verwendet wird, im Initiativtext ist er, wie Herr X richtig feststellt, nicht enthalten. Ebenso war für ein allgemein interessiertes Publikum nicht zu erkennen, warum hier z.B. von ‚Printangeboten‘ die Rede ist.
Folgerungen
Nachdem wir diese Punkte festgestellt hatten, haben wir am 3.10.2017 folgenden Text auf der Korrekturseite unter srf.ch publiziert:
<Die erste Ausgabe des ‚SRF 4 News Medientalk‘ vom 23. September 2017 enthielt eine Interpretation zur Frage, wie sich die Annahme der Volksinitiative ‚Ja zur Abschaffung von Fernseh- und Radiogebühren‘ auf die Medienförderung des Bundes auswirken könnte. Diese Interpretation war in der Verkürzung ungenau. Richtig ist, dass mit der Annahme der Initiative ein gebührenfinanziertes Radio-, Fernseh- und Onlineangebot nicht mehr möglich wäre.>
In dieser Formulierung ist darum die Rede von der ‚ersten Ausgabe des Medientalks‘, weil wir gleichzeitig mit der Korrektur auch das Audiofile auf der Programmseite korrigierten und die beanstandete Abmoderation herausgenommen haben, also eine neue, geschnittene Version online stellten.
Zu dritten habe ich das Thema in der Redaktionsleitung und mit dem Autor eingehend besprochen und analysiert. Wir werden in Zukunft die Berichterstattung zu diesem Thema im Programm von SRF 4 News noch sorgfältiger als bisher redaktionell begleiten.
Fazit:
Mir ist bewusst, dass – gerade auch in Medien-Fachkreisen - im Rahmen der aktuellen ‚No Billag‘-Debatte auch konkrete Konsequenzen nach einer möglichen Annahme der Initiative diskutiert werden. Selbstverständlich bewegt sich unser Autor während seinen Recherchen zum monatlichen Medientalk in diesen Fachkreisen und kennt entsprechend die verschiedenen Einschätzungen der Fachleute. Trotzdem komme ich in diesem Einzelfall zum Schluss, dass wir einen einzelnen Text nicht sachgerecht formuliert haben. In diesem Sinne würde ich eine allfällig zustimmende Beurteilung zur Beanstandung verstehen. Die entsprechenden Folgerungen und Massnahmen haben ich oben beschrieben.“
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Zwei grundsätzliche Bemerkungen vorweg:
- Es ist erfreulich, dass Radio SRF die Sendung „Medientalk“ geschaffen hat. Noch vor wenigen Jahren drohte der Medienjournalismus in der Schweiz nämlich fast auszusterben: Die Medienseiten oder Medienrubriken im „Tages-Anzeiger“, in der „Aargauer Zeitung“/“Nordwestschweiz“, im „St. Galler Tagblatt“ und im „Bund“ wurden abgeschafft, auch „Le Temps“ trat kürzer. Da muss man vom Glück reden, dass es weiterhin die wöchentliche Medienseite der „Neuen Zürcher Zeitung“, die wöchentliche Medienkolumne von Kurt Zimmermann in der „Weltwoche“, die täglichen Online-Dienste „Kleinreport“ und „persoenlich“, die monatliche Zeitschrift „Persönlich“, das Online-Portal „Medienwoche“, die Branchenzeitschriften „Schweizer Journalist“ und „Edito“ sowie eben neuerdings den „Medien-Club“ auf Fernsehen SRF und den „Medientalk“ auf Radio SRF gibt. Denn die Auseinandersetzung mit dem Thema Medien ist unverzichtbar. Die Medien haben Macht, gleichzeitig sind sie unentbehrliche Bestandesträger der Demokratie. Wie sie funktionieren, welche Qualität sie aufweisen, welche Interessen sie verfolgen, welchen Journalismus sie pflegen – das kann der Bevölkerung nicht gleichgültig sein. Es bleibt daher ein Armutszeugnis, dass mächtige Medienhäuser in der Schweiz wie Tamedia, Ringier, Somedia, die AZ-Medien, Hersant sowie die NZZ-Regionalmedien den Medienjournalismus und die Medienkritik sträflich vernachlässigen.
- Es ist naheliegend, die Debatte des Nationalrates über die „No-Billag-Initiative“ durch zwei Medienjournalisten kommentieren zu lassen, im konkreten Fall durch Rainer Stadler, Medienredaktor der NZZ, und durch Philipp Cueni, langjähriger Chefredaktor der Medienzeitschrift „Edito“. Dass beide die „No-Billag-Initiative“ per saldo ablehnen, war nicht zwingend vorauszusehen, steht doch die NZZ der SRG kritisch gegenüber. Aber aus Sicht von Rainer Stadler handelt es sich eben um eine Initiative, die übertreibt, und auch der (letztlich vom Parlament verworfene) Gegenvorschlag sei – so Stadler – „nicht durchdacht“. Die Radio-Redaktion lud zwar zwei Medienjournalisten mit unterschiedlichen Positionen ein, aber im Urteil über die „No-Billag-Initiative“ waren sie sich einig.
Und nun konkret zur Sendung bzw. zu der von Ihnen kritisierten Abmoderation: Sie haben natürlich Recht. Einige der Annahmen, die diesem Kurztext zugrunde lagen, waren falsch. Die Initiative verbietet dem Bund nur, Radio und Fernsehen nicht mehr zu subventionieren. Sie verbietet ihm nicht, Print- oder Online-Medien finanziell zu fördern. Sie verbietet auch den Kantonen und den Gemeinden nichts. Dies ist das Formale. Allerdings würde es dem Geist der Initiative widersprechen, wenn die Kantone in die Bresche sprängen und Radio und Fernsehen finanzierten, indem sie beispielsweise die Steuern erhöhen. Dies wäre eine staatliche Rundfunk-Finanzierung durch die Hintertür. Die Initiative will, dass Medien – und zwar alle Medien – allein nach den Marktgesetzen funktionieren. Sie macht daher Schluss mit dem Meisten, was bisher zur eidgenössischen Medienordnung gehört hat.[2]
Sie schafft übrigens auch die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) und damit die Rundfunk-Ombudsstellen ab. Würde die Initiative angenommen, dann wäre eine Beanstandung wie diese nicht mehr möglich. Das ist besonders absurd, denn auch gegenüber privaten Rundfunkmedien bräuchte es Instanzen, die das Publikum vor Manipulation schützen. Nicht ohne Grund gibt es heute schon Ombudsstellen auch für die privaten Rundfunkmedien, je eine für die deutsche und rätoromanische, für die französische und für die italienische Schweiz. Und es ist absurd, weil es gerade die SVP war, die seinerzeit am vehementesten eine Beschwerdeinstanz gefordert hat, jene Partei, die jetzt die Initiative – und damit auch die Abschaffung der UBI – am stärksten unterstützt.
Nicht ganz klar ist, ob die Initiative auch jene Förderungen verbieten will, die heute ebenfalls aus dem Gebührentopf finanziert werden, nämlich die Aus- und Weiterbildung der Radio- und Fernsehschaffenden, die Medienforschung, die Archivierung audiovisueller Dokumente und die Stiftung Mediapulse, die die Verbreitungsdaten erhebt. Sollten diese Aktivitäten nicht verboten werden, würde ohne Gebühren dennoch das Geld dafür fehlen.
Auch wenn also die neue Medienordnung nach Annahme der Initiative faktisch so aussehen könnte, wie sie der Moderator in der Abmoderation skizziert hat, so lag er formal dennoch falsch: Was er sagte, steht so nicht in der Initiative. Zudem ist es nicht exakt, in der Schweiz von öffentlich-rechtlichen Medien zu sprechen. Die SRG ist nach wie vor ein privatrechtlicher Verein, der im Radio- und Fernsehgesetz und in der Konzession einen Leistungsauftrag des Bundes erhält. Sie hat nicht den gleichen Status wie die ARD oder das ZDF (eine Schöpfung der deutschen Länder) und erst recht nicht jenen von „France 2“ oder der RAI. Und die übrigen Radio- und Fernsehanbieter in der Schweiz, obwohl ebenfalls im Radio- und Fernsehgesetz reguliert und teilweise ebenfalls mit einer Konzession versehen, sind erst recht nicht öffentlich-rechtlich verfasst. Man sollte besser von gebührenfinanzierten Medien sprechen. Alles in allem: Ich unterstütze Ihre Beanstandung.
Gleichzeitig verdient Radio SRF Lob für die Korrektur sowohl auf der Korrekturseite als auch auf der Tonspur und für die interne kritische Nachbesprechung. Zu gutem Journalismus gehört auch, Fehler einzusehen, zu korrigieren und daraus zu lernen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
[1] https://www.srf.ch/sendungen/medientalk/sendungen
[2] Vgl. die Botschaft des Bundesrates https://www.admin.ch/opc/de/federal-gazette/2016/8245.pdf
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