SRF News, Nachrichten zum Fußballspiel Portugal-Schweiz, zu den Basler Jusos und zu einem Mordfall beanstandet
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Mit Ihrer E-Mail vom 10. Oktober 2017 beanstandeten Sie drei verschiedene Online-Publikationen auf den Seiten von SRF News vom gleichen Tag, nämlich den Live-Ticker zum Fussballspiel Portugal-Schweiz[1], die Meldung zum Rücktritt der Basler Juso-Präsidentin[2] und das Interview zu einem ungeklärten Mordfall in Dänemark[3]. Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
„In dieser Woche unternimmt die SRG viel, um das Publikum aktiv an der Sendegestaltung
zu beteiligen. Das ist begrüssenswert. In einem gewissen Kontrast dazu steht SRF online, denn
es wäre ebenso wichtig, auch das lesende Publikum ernst zu nehmen.
Was ich hier anführe und frage, habe ich der Redaktion anhand von etlichen anderen Beispielen schon wiederholt geschrieben. Wieder klammheimliche Korrekturen ohne jeden Vermerk.
Wenn der Bildtitel schon vorgibt, dass die Redaktion vor Ort ist und nahe am Geschehen,
dann kann der Fluss wohl nicht Tajo heissen. Das ist einfach unseriöse Berichterstattung. Es wäre besser, nichts zu schreiben als mit unbedarften Detailnennungen Kompetenz vorzugaukeln.
Sehr bedenklich, dass sich seit langem immer dasselbe abspielt und sich nichts ändert.
Oder sind Lacheffekte beabsichtigt? Auch makabre? Weiteres Müsterchen von heute:
<Madsen sagt, Wall sei auf dem U-Boot eine schwere Luke auf den Kopf gefallen und dabei umgekommen, worauf er sie in Panik über Bord geworfen habe.>
Oder die zurücktretende Präsidentin der JUSO Basel. Sie heisst in Text und Bildlegende Mirjam Kohler, dafür im Titel Ballmer. Die Jusofrau wird von SRF online zum Abschied grün eingefärbt und in die Pfadibewegung integriert. Passend zur Berichterstattung? Ebenfalls von heute. Ebenfalls Korrektur ohne Vermerk, im Laufe des Abends, aber immer noch mit der Zeitangabe 14:35.
Etwas viel aufs Mal und ein Zeichen, dass es eher schlimmer wird als besser.
Ich wiederhole meine schon mehrmals gestellten Fragen:
Wie ist es möglich, solche Texte in einem professionellen Umfeld abzufassen?
(ZB einen Text, in welchem in Bildlegende und auf 10 Online-Zeilen 4x der Name Kohler genannt wird, mit Ballmer zu betiteln). Wie ist es möglich, sie ohne Kontrolle online zu stellen? Entspricht eine solche Berichterstattung Ihren eigenen Qualitätsansprüchen? Betrachten Sie Korrekturen ohne Vermerk und unter Beibehaltung der ursprünglichen Zeitangabe als journalistisch korrekt? Sind Sie sicher, dass die Glaubwürdigkeit der Berichterstattung nicht leidet?
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Frau Sandra Manca, Bereichsleiterin SRF News, schrieb:
„Besten Dank, geben Sie uns Gelegenheit, auf die Beanstandung von Herrn X einzugehen.
Herr X beanstandet drei Artikel und fragt, ob Korrekturen solcher Fehler ohne Vermerk und unter Beibehaltung der ursprünglichen Zeitangabe journalistisch korrekt seien.
Für die Beantwortung der Fragen haben wir Stellungnahmen eingeholt von Roland Schneider, Fachleiter Online Sport, sowie Dieter Kohler, Redaktionsleiter Regionaljournal Basel.
Kritik an der Berichterstattung SRF Sport (Roland Schneider)
Aufgrund der Angaben von Herrn X muss ich interpretieren, was er genau anspricht. Ich gehe davon aus, dass er sich auf den Livecenter-Teaser auf den Übersichten von srf.ch/sport und der Sport-App bezieht.
Der Livecenter-Teaser enthält lediglich Titel, Bild und Kurz-Lead. Ist diese Interpretation richtig, handelt es sich nicht um einen Ticker-Eintrag.
- Den Livecenter-Teaser editieren wir im Online-CMS von SRF. Dieser Teaser ist dann verlinkt mit dem Live-Ticker, der in einem separaten Tool von SWISS TXT – dem Event-Editor – bearbeitet wird. Dies sind die Tool-Rahmenbedingungen.
- Am Spieltag von Portugal-Schweiz im Oktober haben wir den Livecenter-Teaser und den dahinter verlinkten Live-Ticker schon sehr früh aufgeschaltet, um auf das Spiel hinzuführen. Im Livecenter-Teaser ist an diesem Tag der Titel, das Bild und z.T. auch der Kurz-Lead regelmässig während Stunden aktualisiert worden.
- Noch ein Wort zu der Präsenz vor Ort: Der editierende Multimedia-Redaktor war effektiv nicht vor Ort. SRF Sport war aber mit mehreren Mitarbeitenden (TV und Radio) in Lissabon. Diese Mitarbeitenden haben uns laufend Inhalte geschickt (Videos und Fotos). Diese haben wir anschliessend im Livecenter-Teaser und im Ticker publiziert.
Bei den angesprochenen Inhalten im Livecenter-Teaser handelt es sich um schnell wechselnde Text-Passagen , die wir jeweils nach dem Vier-Augen-Prinzip kontrollieren, die aber auch schnell wieder ‚verschwinden‘. Bei klassischen Online-Artikeln wäre der Sachverhalt anders: dort könnten wir die Inhalte auch im Nachgang während Wochen noch einmal anschauen.
Festzuhalten ist lediglich, dass der besagte Fluss in Spanien Tajo genannt wird, in Portugal jedoch Tejo. Es handelt sich also nicht um einen Fehler, der den Sinn der Aussage verfälscht.
Natürlich ist die Sport-Redaktion immer bemüht, Schreibfehler oder inhaltliche Fehler bestmöglich zu verhindern. Es gilt das Vier- bis Sechs-Augen-Prinzip beim Gegenlesen. Insbesondere bei Liveticker ist es aber möglich, dass in gewissen Situationen nicht jeder Eintrag vor Publikation kontrolliert werden kann. Aber auch der Liveticker wird zeitnah gegengelesen und kontrolliert.
Kritik an der Berichterstattung Regionaljournal Basel (Dieter Kohler)
Hier handelt es sich – trotz Vier-Augen-Prinzip - in der Tat um einen Fehler. In der Vergangenheit hatte die Redaktion regelmässig über die Politikerin Mirjam Ballmer publiziert, weshalb es dann zu diesem bedauerlichen Flüchtigkeitsfehler kam und Mirjam Kohler im Text flugs zu Mirjam Ballmer wurde. Der Fehler wurde nach Publikation intern festgestellt und innert einer Stunde korrigiert.
Kritik an der Berichterstattung SRF News (Sandra Manca)
Aus dem Schreiben von Herrn X geht uns nicht hervor, wo oder wie wir hier ‚makabre Lachfeffekte‘ beabsichtigt hätten.
Herr X kritisiert, dass bei Korrekturen die ursprünglichen Zeitangaben im Artikel nicht angepasst wurden. Grundsätzlich gilt die Regel, dass die inhaltliche Weiterschreibung eines Artikels durch eine Aktualisierung der Zeitangabe kenntlich gemacht wird. Bei der Korrektur von Flüchtigkeitsfehlern ist dies jedoch nicht der Fall. Wir halten diese Handhabung für journalistisch korrekt.
Grundsätzlich gilt für alle Redaktionen das Vier-Augen-Prinzip. Trotzdem lassen sich leider Flüchtigkeitsfehler nicht vermeiden, so ärgerlich sie auch sind. Wir sind jedoch stetig daran unsere Abläufe zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.
Wir bitten Sie die vorliegende Beanstandung in diesem Sinne zu beantworten.“
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Publikationen. Sie haben Recht: Journalismus muss genau sein, wenn er glaubwürdig bleiben will. Auch aus meiner Sicht beinhaltet journalistische Qualität sachliche, sprachliche und ethische Korrektheit. Aber kein Berufsstand ist frei von Fehlern: Sie passieren Ärzten, Lehrern, Anwälten, Richtern, Tramführern, Schreinern, Kabarettisten und eben auch Journalisten. Entscheidend ist, dass Fehler erkannt und rasch korrigiert werden. Dabei finde ich die zeitlichen und technischen Umstände der Korrektur weniger wichtig, Hauptsache, der Fehler wird behoben. Es ist verdienstvoll, wenn Sie auf Fehler aufmerksam machen und damit zu einer Fehlerkultur beitragen. Aber Sie sind sicher mit mir einig, dass die von Ihnen entdeckten Fehler nicht weltbewegend, sondern eher von minderer Bedeutung sind und dass sie nicht dazu führen, dass sich das Publikum belogen, in die Irre geführt, ja manipuliert fühlt. Trotzdem haben Sie ein Anrecht darauf, dass Ihre Beanstandung ernstgenommen und geprüft wird. Ich gehe Schritt für Schritt vor:
Die Live-Ticker-Berichterstattung vor dem Portugal-Schweiz-Spiel
In der Vorbereitung auf das Länderspiel in Lissabon wurde das Publikum an die portugiesische Hauptstadt herangeführt, und da war mal auch vom großen Fluss die Rede, der in der Nähe der Stadt ins Meer fließt. Diesen Fluss, der aus Spanien kommt und etwa 60 Kilometer östlich von Madrid entspringt, nannten die Römer Tagus. In Spanien heißt er Tajo (ausgesprochen: Tacho), in Portugal Tejo (ausgesprochen: Tescho). Ihn auch in Portugal Tajo zu nennen, ist sicherlich ein Fehler, aber ein entschuldbarer, da die Kenntnis der wechselnden Namen von Flüssen, die durch mehrere Länder fließen, als Spezialwissen betrachtet werden muss. Wer weiß schon, dass die Donau nur in Deutschland und Österreich so heißt, in der Slowakei aber Dunaj, in Ungarn Duna, in Kroatien, Serbien und Bulgarien Dunav, in Rumänien Dunărea und in der Ukraine wieder Dunaj. Der Euphrat heißt in der Türkei Firat und in Syrien und Irak al-Furāt. Da der iberische Fluss zu zwei Dritteln seiner Länge durch Spanien und nur zu einem Drittel durch Portugal fließt, ist es zumindest verzeihlich, wenn irrtümlich sein spanischer Name verwendet wurde.
Der Rücktritt der Basler Juso-Präsidentin
In einer Online-Meldung berichtete das Regionaljournal Basel Baselland vom Rücktritt der baselstädtischen Juso-Präsidentin Mirjam Kohler. Die 24jährige hatte drei Jahre an der Spitze der Jungsozialisten gestanden und sich in Wahl- und Abstimmungskämpfen stark engagiert. Während im Text die Jungpolitikerin mehrfach mit ihrem richtigen Namen Mirjam Kohler genannt wurde, hieß sie im Titel irrtümlich Mirjam Ballmer, was nach einer Stunde bemerkt und korrigiert wurde. Das war ein Fehler, aber einer, der durchaus verständlich ist, war doch Mirjam Ballmer über ein Jahrzehnt lang eine geradezu charismatische Politikerin der Basler Grünen.[4] Die jetzt 35jährige gehörte 2007-2016 dem Großen Rat - dem Kantonsparlament - an; sie war überdies Co-Präsidentin der Grünen. 2016 schied sie aus der baselstädtischen Politik aus, weil sie nach Freiburg (Fribourg) zog, wo sie noch im gleichen Jahr auf der Liste der Grünen für den dortigen Großen Rat kandidierte, allerdings erfolglos. Jetzt kandidiert sie für die konstituierende Versammlung von Großfreiburg, die am 26. November 2017 gewählt wird. Da die zurücktretende Juso-Präsidentin im Text mit dem richtigen Namen genannt wurde, konnte jedermann erkennen, dass es sich beim Titel um einen Irrtum handeln musste. Das war ein Fehler, der die Meinungsbildung des Publikums nicht in die Irre führte, weil das lokale Publikum wusste, dass Mirjam Ballmer nie Juso-Präsidentin war und weil für das übrige Publikum die Namen nicht von entscheidender Bedeutung waren. Überdies wurde der Fehler nach einer Stunde behoben.
Der Mord an Kim Wall
Diese grausige, tragische Geschichte über den Mordfall in Dänemark, bei dem die schwedische Journalistin Kim Wall tot und zerstückelt aus dem Meer geborgen wurde, nachdem sie auf dem U-Boot des Dänen Peter Madsen war, um ihn zu interviewen, ist sicher nicht zum Lachen. Aber die Redaktion hat offensichtlich nicht gemerkt, was Sie mit „makabren Lacheffekten“ meinten: Im Text ist von einer „herabfallenden Luke“ die Rede, die laut Peter Madsen die Journalistin angeblich tödlich verletzt hat.
Laut Duden ist eine Luke eine „verschließbare, als Ein- und Ausstieg u.a. dienende Öffnung besonders bei Schiffen“[5], also ein Loch. Ein Loch kann nicht herabfallen und niemanden töten. Herabfallen kann allenfalls ein Luken-Deckel oder eine Luken-Klappe. Hier war der Text sträflich ungenau, wie überhaupt das ganze Interview – sowohl im Beitrag auf Radio SRF 4 als auch auf SRF News – im Stil eines Schüler-Radios oder einer Schüler-Zeitung geführt wurde. Ich fand es ziemlich ärgerlich.
Wurde indes durch die Fehler das Radio- und Fernsehgesetz verletzt? Ist das Publikum durch die jeweiligen Redaktionen bewusst manipuliert worden? Mit Sicherheit nicht. Und dies heißt, dass ich Ihre Beanstandungen zwar als hilfreiche Hinweise entgegennehmen, aber nicht unterstützen kann. Denn ein Verstoß gegen die Vorgaben des Gesetzes liegt mitnichten vor.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
[1] https://www.srf.ch/sport/resultcenter/football?eventId=281570
[2] https://www.srf.ch/news/regional/basel-baselland/ruecktritt-mirjam-kohler-gibt-praesidium-der-basler-juso-ab
[3] https://www.srf.ch/news/panorama/ungeklaerter-mordfall-bekannte-haben-madsen-nie-als-aggressiv-beschrieben
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