«10vor10» vom 16. Oktober 2017 über Rechtsparteien beanstandet
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Mit Ihrer E-Mail vom 21. Oktober 2017 beanstandeten Sie die Sendung „10 vor 10“ (Fernsehen SRF) vom 16. Oktober 2017 und dort den Beitrag „Ist 2017 das Jahr der Rechtsparteien?“[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
„Aus meiner Sicht sollte das Schweizer Fernsehen neutral und objektiv berichten und darf keine politische Stellung beziehen. Dass der abgedroschene Kampfbegriff ‚Rechtspopulismus‘ immer inflationärer gebraucht wird, sind sich die Zuschauer von SRF ja mittlerweile gewöhnt. Anscheinend war die Zusage von Tristan Brenn für einen sorgfältigeren Umgang mit diesen Begrifflichkeiten doch nicht zutreffend.
Doch die neuste verbale Eskalation ist entschieden abzulehnen. Politisch extreme Parteien werden in Europa in der Regel vom Verfassungsschutz überwacht. Die Parteien FPÖ, AfD und PVV bewegen sich klar im demokratischen Rahmen, werden in keinem Fall vom jeweiligen Verfassungsschutz überwacht und dort explizit auch nicht als extremistische Parteien geführt. Dass diese Parteien in obiger Sendung 10vor10 insgesamt 4x als ‚rechtsextreme Parteien‘ bezeichnet werden, verstösst somit klar gegen das Sachgerechtigkeitsgebot der SRG. Diese Information ist somit eindeutig falsch und (wohl willentlich) irreführend für den Zuschauer.
Auch wenn sich in vielen Parteien, insbesondere bei Neugründungen (ich erinnere an die Grünen der 80er), jeweils auch einige fragwürdige Gestalten tummeln, geht es nicht an, solche Parteien in globo als ‚rechtsextrem‘ zu bezeichnen, nur weil sie nicht der politischen Weltanschauung der Redaktion entsprechen. Bei Einzelpersonen kann sie das gerne machen (ist journalistisch zwar auch unprofessionell), aber eine GANZE Partei repetitiv zu verunglimpfen, ist üble, politische Indoktrination und Machtmissbrauch. Durch solche offensichtlichen Manipulationsversuche verspielt das SRF seine Glaubwürdigkeit bei grossen Teilen der Bevölkerung.
Während früher die Diffamierung ‚rechtspopulistisch‘ gereicht hat, scheint sich die Redaktion von 10vor10 mittlerweile dermassen radikalisiert zu haben, dass nun härtere Beleidigungen ran gezogen werden müssen. Die Dosis musste ganz offensichtlich gesteigert werden. Ich frage mich, wie in Zukunft wohl ‚echte Rechtsradikale oder Naziparteien‘ bezeichnet werden sollen? Vielleicht helfen dereinst nur noch die Begriffe ‚Ultra‘, ‚Hyper‘ oder ‚Mega‘ als Präfix weiter?
Ich bitte Sie diese sinnlose Eskalation und eindeutige Fehlinformationen entschieden zu rügen und zu stoppen.“
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Herr Christian Dütschler, Redaktionsleiter der Sendung „10 vor 10“, schrieb:
„Herr X beanstandet den Beitrag ‚Ist 2017 das Jahr der Rechts-Parteien?, welchen 10vor10 in der Sendung vom 16. Oktober 2017 ausgestrahlt hat.
Anlässlich des Wahlerfolgs von Sebastian Kurz in Österreich entschieden wir uns für einen Sendungsschwerpunkt über die europaweite politische Stärkung der rechten Parteien, beginnend mit dem beanstandeten Beitrag ‚Ist 2017 das Jahr der Rechts-Parteien?‘. Darauf folgte ein Studiogespräch mit Sebastian Ramspeck, unserem Korrespondenten aus Brüssel, der die Bilanz des Wahljahres aus Sicht der EU beurteilte. Das dritte und letzte Element zum Fokus-Thema war schliesslich der Beitrag ‚Jung, smart, konservativ – die neuen Leader‘.
Wie der Beanstander richtig bemerkte, haben wir im beanstandeten Beitrag den Begriff ‚rechtsextrem‘ an vier verschiedenen Stellen im Zusammenhang mit verschiedenen Parteien – der FPÖ, der AfD und der PVV – genannt. Am Ende der Sendung haben wir uns für die Verwendung des Begriffs ‚rechtsextrem‘ im genannten Zusammenhang entschuldigt. Wörtlich sagte die Moderatorin:
Der Beanstander sieht nun einen klaren Verstoss gegen das Sachgerechtigkeitsgebot darin, dass FPÖ, AfD und PVV im Beitrag ‚insgesamt 4x als ‘rechtsextreme Parteien’ bezeichnet‘ worden seien. Auf die Entschuldigung am Ende der Sendung geht er in seiner Beanstandung nicht ein. Gerne nehmen wir zu seiner Kritik Stellung.
1. Verwendung des Begriffs im Beitrag
Wir haben den Begriff ‚rechtsextrem‘ viermal im Beitrag verwendet.
An einer ersten Stelle wurde die österreichische FPÖ als ‚rechtsextrem‘ bezeichnet. Wörtlich hiess es:
<Offensichtlich hat sich für ihn [Kurz] der Themenklau bei den Rechten – die illegale Migration – ausbezahlt. Doch viele wählten lieber das rechtsextreme Original: Im Schlepptau von Kurz kann auch die FPÖ ausgelassen feiern.>
Etwas später im Beitrag hiess es:
<Die Angst geht um in Europa. Die einen fürchten sich vor Migranten, die anderen vor dem Aufstieg der Rechtsextremen.>
An einer dritten Stelle haben wir Geert Wilders von der Partei für die Freiheit (PVV) als ‚rechtsextrem‘ bezeichnet. Wörtlich:
<Wilders erlitt in den Niederlanden im März eine Schlappe: Mit nur 13 Prozent blieb der Rechtsextreme weit hinter seinen Erwartungen zurück.>
Die vierte Verwendung des Begriffs bezog sich auf die Alternative für Deutschland (AfD):
<Im September zieht die rechtsextreme AfD in Deutschland mit 12,6 Prozent Wähleranteil in den Bundestag ein.>
2. Umstrittene Bezeichnung
Während dem sich die Klassifizierung der genannten Parteien als ‚rechtspopulistisch‘ weitgehend etabliert hat, bleibt deren Qualifizierung als ‚rechtsextrem‘ weiterhin umstritten. Während sich die Exponenten der Parteien selbst, aber auch verschiedene Wissenschaftler klar gegen die Bezeichnung ‚rechtsextrem‘ aussprechen, gibt es von wissenschaftlicher Seite auch gegenteilige Einschätzungen: Verschiedene etablierte Wissenschaftler bezeichnen die FPÖ, die AfD und die PVV explizit als ‚rechtsextrem‘ oder sehen zumindest entsprechende Tendenzen. Das Verhältnis dieser Parteien zum Rechtsextremismus wird auch in verschiedenen Leitmedien kritisch verfolgt. Im Folgenden einige ausgewählte Beispiele:
FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs):
- Anton Pelinka, ehemals Professor und Leiter des Departements für Politikwissenschaften an der Universität Innsbruck und Leiter des Instituts für Konfliktforschung in Wien in: ‚Der Preis der Salonfähigkeit‘ [2]:
<Die FPÖ ist rechtsextrem, weil sie sich nie wirklich überzeugend mit ihren Wurzeln auseinandergesetzt hat – mit dem rassistischen Antisemitismus, der in Österreich vor allem von den ‚Alldeutschen‘ Georg Schönerers entwickelt und vertreten wurde und von dem eine in sich schlüssige, nicht unterbrochene Linie – jedoch nicht zwangsläufig – zum Holocaust führte; mit dem expansionistischen Deutschnationalismus, der sich in der (eben auch österreichischen) NSDAP vor allem in Form des ‚Weltanschauungskrieges‘ äußerte, den das Deutsche Reich implizit schon gegen Polen ab 1939 und explizit gegen die UdSSR ab 1941 führte; mit dem nach 1945 immer wieder aufflackernden Revisionismus – dem Versuch einer NS-Apologetik, der sich in Österreich zwar nicht auf die FPÖ beschränkte, der aber besonders prominent und systematisch von und innerhalb dieser Partei repräsentiert wurde: Alle diese Merkmale sind Elemente, die eine Einstufung der FPÖ als jedenfalls auch rechtsextrem zulassen.>
- Der österreichische Politikwissenschaftler Prof. Dr. Philipp Mittnik vom Zentrum für politische Bildung an der Pädagogischen Hochschule Wien forscht unter anderem zu Rechtsextremismus. In seiner 2010 erschienen Arbeit ‚Die FPÖ – eine rechtsextreme Partei?‘ [3] kam er zum Schluss, dass die FPÖ mehr als rechtspopulistisch sei. Wörtlich: <Die Radikalität dieser Partei geht allerdings noch weiter und übertrifft diese Formen des Populismus hin zu fundiertem Rechtsextremismus.> Und an anderer Stelle: <Anhand der hier (...) zusammengefassten Ergebnisse dieser Arbeit muss man zum Schluss kommen, dass es sich bei der FPÖ eindeutig um eine rechtsextreme Partei handelt.>
- Der Tages-Anzeiger vom 9. Oktober 2017 thematisiert im Artikel ‚In miserabler Gesellschaft‘[4] ausführlich die rechtsextremen Wurzeln des aktuellen FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache: <Wie tief er als junger Mann wirklich im Milieu steckte, zeigen nun Schilderungen von Augenzeugen, Erkenntnisse deutscher Sicherheitsbehörden und Archivmaterial: Strache war über Jahre Mitglied der Neonazi-Szene und begann parallel dazu seine FPÖ-Karriere.>
AfD (Alternative für Deutschland):
- Aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung online vom 15.9.2016: <Der Berliner Politikwissenschaftler Richard Stöss spricht von der AfD als einer ‚nationalkonservativen Partei mit Brücken zum Rechtsextremismus hin‘.>[5]
- Aus dem SPIEGEL vom 3. Juni 2017: <Die ‚Patriotische Plattform‘ in der AfD beschäftigt den Verfassungsschutz. Nach einem Treffen der Amtschefs aus fünf Bundesländern hieß es, man sei besorgt. Zwar gebe es noch keine Handhabe, die gesamte AfD zu beobachten. Man registriere jedoch zunehmend rechtsextreme Äußerungen einzelner Mitglieder. Besonders Vertreter der ‚Patriotischen Plattform‘, eines Zusammenschlusses von Mitgliedern der AfD und der Parteijugend Junge Alternative, fielen durch ‚rechtsextreme Positionen‘ auf.> (ausführlicher auf SPIEGEL online [6]).
- Aus der Neuen Zürcher Zeitung vom 25. September 2017 (zu finden auch auf NZZ online [7]):
<Zu diesem Zweck steht die AfD in der Pflicht, ihren Kurs zu klären und sich als rechtsbürgerliche Partei im Bundestag zu positionieren. Wird sie das im Wahlkampf gezielt gepflegte Schmuddel-Image als rechtsextreme, mit rassistischem Gedankengut spielende Protestpartei nicht rasch los, wird sie die Chance vergeben, direkten Einfluss auf die deutsche Politik zu nehmen. Eine rechtsextreme, dauerhaft nicht koalitionsfähige AfD-Fraktion im Bundestag würde Deutschland einen schlechten Dienst erweisen; genau darauf deutet allerdings der gegenwärtige Zustand der Partei.>
PVV (Partei für die Freiheit) und Geert Wilders als einziges Mitglied der Partei:
- Eine Studie der Anne-Frank-Stiftung und der Universität Leiden stufte die PVV 2008 als ‚extrem rechts‘ ein. Die Universität Münster fasste die Studie zusammen : [8]
<Die Verantwortlichen der Studie, Jaap van Donselaar und Peter R. Rodrigues, stufen Geert Wilders’ Partei PVV als ‚extrem rechts‘ ein. In der Partei sehen sie starke Kennzeichen rechtsextremer Führung. Dazu zählt die starke Orientierung auf ‚das Eigene‘, wobei ein - um das zu Belgien gehörende, niederländischsprachige Flandern - erweitertes Staatsgebiet angestrebt wird. Weiterhin konnte eine aggressive Abkehr vom ‚Fremden/Anderen‘, von politischen Gegnern, der etablierten Politik im Allgemeinen und ein Hang zur Autorität ausgemacht werden. ‚Diese Punkte kann man – obwohl die PVV sich verbal vom Rechtsextremismus distanziert – eindeutig bei ihr antreffen‘, so van Donselaar und Rodrigues.> - In einer Studie im Auftrag des Innenministeriums qualifizieren niederländische Extremismusforscher des IVA (2009) die Politik von Geert Wilders und der PVV „neo-rechtsradikal“ [9].
Selbstverständlich gehört es zu den Aufgaben der Medien, eine allfällige Nähe zu rechtsextremem Gedankengut zu thematisieren und auch grundsätzlich einzuordnen, wo eine Partei im Spektrum zwischen links- und rechtsextrem steht. Dafür bedürfte es aber im vorliegenden Fall, wo die Klassifizierung umstritten ist, konkrete Beispiele, die eine entsprechende Klassifizierung für die Zuschauer nachvollziehbar machen. Oder aber eine solche Klassifizierung müsste z.B. einem konkreten Wissenschaftler zugeordnet werden können.
3. Entschuldigung
Die Tatsache, dass die Charakterisierung der genannten Parteien als ‚rechtsextrem‘ wie oben dargelegt umstritten ist, bedeutet für uns aber, dass wir mit dem Begriff grundsätzlich sehr vorsichtig umgehen müssen. So wollen wir z.B. auf eine unnötige Häufung oder eine Pauschalisierung, ohne die Gründe für die gewählte Qualifizierung zu nennen, verzichten. Das ist in diesem Fall leider nicht geschehen. Als Redaktionsleiter veranlasste ich schliesslich telefonisch im letzten Moment, nämlich während der Sendung, eine umgehende Entschuldigung. Dass ich als Redaktionsleiter während einer laufenden Sendung von zu Hause aus eingreife, ist ein ausserordentlicher Fall und bedeutete hier für die Sendungsverantwortlichen, dass sie unter grossem Stress in kürzester Zeit eine Entschuldigung formulieren mussten, währendem sie gleichzeitig noch die laufende Sendung leiteten. So war es möglich, uns noch in derselben Sendung für die Verwendung des Begriffs ‚rechtsextrem‘ im beanstandeten Beitrag zu entschuldigen. Wörtlich hiess es zum Schluss der Sendung:
<Im ersten Beitrag ist offenbar das Wort rechtsextrem im Zusammenhang mit der FPÖ mehrmals verwendet worden, dafür möchten wir uns entschuldigen.>
Diese umgehende – und unter Hochdruck formulierte - Entschuldigung in derselben Sendung hat genau das Publikum erreicht, welches sich den beanstandeten Beitrag angesehen hat. Zusätzlich haben wir für unsere Webseite ein ‚Korrekt‘ im Namen des Redaktionsleiters publiziert. Wir haben dazu intensiv mit unseren Korrespondenten diskutiert und konnten deshalb in unserer schriftlichen Richtigstellung noch präziser werden:
<In der Sendung ‚10vor10‘ vom 16.Oktober 2017 wurde in einem Bericht über das Erstarken von rechten Parteien in Europa mehrmals der Begriff «rechtsextrem» verwendet. Im Zusammenhang mit der FPÖ hiess es: <Doch viele wählten lieber das ‘rechtsextreme Original’>. Anstatt ‚rechtsextrem‘ hätte es ‚rechtsnational‘ heissen müssen. Auch bei Geert Wilders wäre stattdessen der Begriff ‚rechtsnational‘ treffend gewesen. Und bei der AfD hätte anstelle von ‚rechtsextrem‘ das Wort ‚nationalkonservativ‘ verwendet werden sollen. Wir bitten um Entschuldigung.>
Wir sind deshalb der Meinung, dass wir alles getan haben, damit unser Publikum erfährt, dass wir von der Verwendung des Begriffs «rechtsextrem» im beanstandeten Beitrag Abstand nehmen. Weil wir kurzfristig noch reagieren und den Fehler in derselben Sendung noch korrigieren konnten, hat unsere Richtigstellung dasselbe Publikum erreicht, das den beanstandeten Beitrag gesehen hat.
4. Fazit
Zusammenfassend sind wir der Meinung, dass im beanstandeten Beitrag der Begriff ‚rechtsextrem‘ unnötig oft, in pauschaler Weise und ohne irgendeine herleitende Begründung verwendet worden ist. Diese Verwendung der grundsätzlich umstrittenen Qualifizierung war zu wenig differenziert, weshalb wir uns noch in derselben Sendung entschuldigt haben. Auf unserer Webseite haben wir zusätzlich in einer ausführlichen Richtigstellung erwähnt, welche Bezeichnungen wir für zutreffender halten. Das Publikum verstand, dass wir uns von der Verwendung des Begriffs ‚rechtsextrem‘ im beanstandeten Beitrag deutlich distanzieren und uns für dessen Verwendung sogar entschuldigt haben. Die Zuschauer und Zuschauerinnen konnte sich so eine eigene Meinung bilden.
Wir bitten Sie deshalb, die Beanstandung nicht zu unterstützen.“
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Schauen wir doch zuerst einmal nach Frankreich, dorthin, wo das politische Links-Rechts-Schema entstanden ist. Die Charakterisierung von politischen Positionen mit „Links“ und mit „Rechts“ hat ihren Ursprung in der Französischen Revolution. In der Assemblée constituante von 1789 sassen jene, die dem König und der Monarchie gegenüber kritisch eingestellt waren, links im Halbrund des Versammlungssaales, jene, die die konstitutionelle Monarchie befürworteten, rechts. Seither hat sich die Kategorisierung auf praktisch alle parlamentarischen Systeme in der ganzen Welt übertragen. Da der Ursprung in Frankreich liegt, gehe ich zunächst von den französischen Begriffen aus:
- Zur „l’extrême gauche“ (der äußersten Linken) rechnet man Maoisten, Trotzkisten, Fidelisten, Anarchisten, aber auch Untergrundorganisationen wie die „Roten Brigaden“ oder die „Rote Armee-Fraktion“ (RAF). Sie treten für eine revolutionäre Umwälzung der Gesellschaft ein, sind gegen die liberale Demokratie und für die Abschaffung des Kapitalismus.
- Zu „la gauche“ (der Linken) rechnet man Sozialdemokraten, Sozialisten, Kommunisten, Linksradikale (das sind in Frankreich die Freisinnigen) und Grüne. Deren Werte sind soziale Gerechtigkeit, Gleichheit, Solidarität, Humanismus, Laizismus sowie eine regulierte Wirtschaft.
- Zu „la droite“ (der Rechten) zählt man Liberale (mit Betonung des Wirtschaftsliberalismus), Nationalkonservative, Gaullisten, Christlichdemokraten. Sie treten ein für Ordnung, individuelle Verantwortung und Leistung, die Werte der Familie und die Bewahrung des Bewährten.
- Zur „l’extrême droite“ (der äußersten Rechten) zählt man religiöse Traditionalisten, Nationalisten, Rassisten, Faschisten. Sie sind meist fremdenfeindlich, lehnen die Gleichberechtigung ab, sind antiliberal, antiparlamentarisch und antidemokratisch und kämpfen für eine militaristische elitäre Ordnung. Oft sind sie auch antisemitisch.
Interessant ist, dass in Frankreich die Kommunisten nicht zur äußersten Linken gerechnet werden und dass von der Mitte, dem „centre“, kaum je die Rede ist, zumal sich in diesem Land eine Mitte, die sich nicht für links oder rechts entscheiden wollte, nie wirklich halten konnte. Erstmals hat Emmanuel Macron mit „La République en marche“ eine breite Bewegung der Mitte geschaffen. Es wird interessant sein zu beobachten, ob sie sich über seine Präsidentschaft hinaus halten kann.
In Frankreich jedenfalls wird der Front National problemlos und unbestritten der äußersten Rechten zugeordnet, gilt also als rechtsextrem. In der deutschen Sprache pflegen wir die Begriffe differenzierter einzusetzen und unterscheiden auf der rechten Seite des politischen Spektrums zwischen rechtsliberal, konservativ, rechtsnational/nationalkonservativ, rechtspopulistisch sowie rechtsextrem und rechtsradikal. Rechtsextreme werden meist mit Faschisten gleichgesetzt. Wann kann man eine Partei faschistisch nennen? Dann, wenn ihre Ideologie antiparlamentarisch, antiliberal, antidemokratisch, antisozialistisch, generell rassistisch und meist spezifisch antisemitisch und antiislamisch ausgerichtet ist und dem Führerprinzip folgt.
Die Frage ist, ob es zulässig ist, die „Alternative für Deutschland (AfD)“, die „Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)“, den französischen „Front National (FN)“ und die niederländische „Partij voor de Vrijheit (PVV)“ als rechtsextrem einzustufen oder ob rechtspopulistisch der richtige Begriff ist. Sie selber lehnen beide Begriffe ab und bezeichnen „rechtspopulistisch“ als Kategorisierung dieser Parteien weiterhin als Diffamierung, obwohl sowohl die Redaktion als auch ich Ihnen in der Antwort auf eine frühere Beanstandung (4263) nachgewiesen haben, dass „Rechtspopulismus“ nicht ein Kampfbegriff, sondern eine wissenschaftlich definierte Kategorie im Parteienspektrum ist. Gerade aus diesem Grunde bin ich mit dem von Ihnen mir nachträglich zugeschickten Artikel von Professor Hans-Ulrich Gumbrecht[10] überhaupt nicht einverstanden. Es trifft zwar sicher zu, dass es eine gewisse intellektuelle Arroganz gibt. Aber seine Einschätzung, dass diejenigen, die andere als Populisten bezeichnen, sich selber für das Volk halten, ist falsch, denn darum geht es gar nicht. Es geht darum, einen Begriff zu finden für Parteien, die sich im Namen des Volkes gegen die Eliten wenden. Populistische Parteien unterscheiden sich deutlich von „Volksparteien“. Volksparteien sind solche, die auf der Grundlage einer bestimmten Weltanschauung breite Schichten des Volkes vereinen, aber die politische Elite nicht verabscheuen, sondern dafür sorgen, dass sie aus ihrer Mitte hervorgeht. Eine Volkspartei war beispielsweise der schweizerische Freisinn, vor allem im 19. Jahrhundert: Er umfasste Industrielle, Gewerbetreibende, Freiberufliche, Kaufleute, Angestellte, Bauern und Arbeiter. Ähnlich die Christlich-Demokratische Union Deutschlands (CDU): In ihr waren – und sind – Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Bauern katholischer und evangelischer Konfession versammelt. Auch die Sozialdemokraten sind in gewissen Ländern und Kantonen Volksparteien: In Basel-Stadt beispielsweise finden sich in den Reihen der SP nicht nur Arbeiter und Angestellte, sondern seit langem auch Anwälte, andere Freiberufliche, Professoren, Manager.
Die Kategorisierung der fraglichen Rechtsparteien in Frankreich, Deutschland, Österreich und den Niederlanden als „rechtspopulistisch“ ist wissenschaftlich und politisch unbestritten. Sie haben übrigens die Äusserungen des ARD-Chefredakteurs sowie von SRF-Chefredaktor Tristan Brenn missverstanden: Beide sagen nicht, dass der Begriff für die genannten Parteien schief sei. Sie sagen nur, dass es nicht mehr nötig sei, den Begriff jedes Mal – und geradezu inflationär – zu verwenden.[11] Mittlerweile weiss das Publikum um die Positionierung dieser Parteien. Man muss ja auch nicht jedes Mal sagen: Die linke Sozialdemokratische Partei. Die Aussagen der beiden Chefredaktoren bedeuten aber nicht, dass beispielsweise die AfD nicht mehr rechtspopulistisch sei.
Nochmals also: Gehören die in Frage stehenden Parteien zu den rechtspopulistischen oder zu den rechtsextremen? Ohne jeden Zweifel gibt es in allen diesen Parteien rechtsextreme, faschistische, rechtsradikal-gewaltbereite Mitglieder. Ich habe Ihnen ja in der Antwort auf Ihre frühere Beanstandung nachgewiesen, dass die FPÖ nationalsozialistische Wurzeln hat. Auch der jetzige Vorsitzende, Heinz-Christian Strache, hat eine deutschnationale und neonazistische Vergangenheit. Herr Dütschler hat ebenfalls gezeigt, dass es in der AfD, in der FPÖ und in der PVV belegbare rechtsextreme Tendenzen gibt und dass Studien diese Parteien als rechtsextrem einordnen. Während sich die in Frage stehenden Parteien in der Form in letzter Zeit eher etwas gemässigt haben, bleiben sie im Denken hart an der Grenze zum Faschismus. Dennoch gibt es Unterschiede im Vergleich zu den deutschen Nationalsozialisten Hitlers, den italienischen Faschisten Mussolinis, der spanischen Falange Francos, den ungarischen Pfeilkreuzler Szálasis oder der kroatischen Ustascha von Pavelić. Solange diese Unterschiede (noch) bestehen, ist es richtig, von rechtspopulistischen und nicht von rechtsextremen Parteien zu reden. Ich kann daher in der Sache Ihre Beanstandung unterstützen.
Es gibt allerdings zwei mildernde Umstände für die Redaktion:
- Der Begriff „rechtsextrem“ für diese Parteien ist nicht a priori falsch, weil die Zuordnung vielfach belegt ist. Es ist schlicht nicht opportun, diesen Begriff zu gebrauchen, weil sonst auch begrifflich keine Steigerungsmöglichkeit mehr da ist, wenn sich diese Parteien radikalisieren sollen.
- Die Redaktion hat sich entschuldigt und hat ihre Aussagen korrigiert. Die Entschuldigung erfolgte noch direkt in der Sendung, die Korrektur auf der Website.[12] Die Redaktion reagierte also vorbildlich von dem Moment an, als sie die Fehlzuordnung bemerkte. Das ist lobenswert.
Insofern kann ich der Form Ihrer Beanstandung nicht beipflichten, weil Sie diese Entschuldigung einfach negiert haben. Das war nicht fair von Ihnen.
Noch etwas: Sie schreiben in Ihrer Beanstandung, dass „das Schweizer Fernsehen neutral und objektiv berichten und (...) keine politische Stellung beziehen“ sollte. Richtig daran ist, dass von Radio und Fernsehen SRF faktentreue und faire Berichterstattung erwartet wird. Falsch ist, dass die Redaktionen nicht kommentieren dürfen. Journalismus darf immer auch kommentieren! Denn Journalismus muss stören, und stören kann er nur, wenn er mit seiner Kritik- und Kontrollfunktion den Verantwortlichen in Politik, Verwaltung, Justiz, Wirtschaft, Kultur, Militär, Wissenschaft, Sport und Gesellschaft auf die Finger schaut. Einzige Bedingung ist, dass Kommentare als solche erkennbar sind.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
[1] https://www.srf.ch/play/tv/10vor10/video/fokus-ist-2017-das-jahr-der-rechts-parteien?id=30f5acd1-45bc-42f1-b4d6-ddbd2b5f971d&station=69e8ac16-4327-4af4-b873-fd5cd6e895a7
[2] https://www.doew.at/cms/download/bvfs9/pelinka_rechtsextremismus-1.pdf
[4] www.tagesanzeiger.ch/ausland/europa/in-miserabler-gesellschaft/story/30158745
[5] http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/afd-rechts-rechtspopulistisch-rechtsradikal-rechtsextrem-14430780-p2.html
[6] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-verfassungsschutz-nimmt-patriotische-plattform-ins-visier-a-1150411.html
[7] https://www.nzz.ch/meinung/kommentare/klare-absage-an-merkels-kuschelpolitik-ld.1318150
[8] https://www.uni-muenster.de/NiederlandeNet/aktuelles/archiv/2008/dezember/1217feindlichkeit.html
[9] https://www.denederlandsegrondwet.nl/9353000/1/j4nvgs5kjg27kof_j9vvihlf299q0sr/vichf2s9hbzo/f=/blg22824.pdf
[10] https://www.nzz.ch/feuilleton/die-neue-internationale-der-halbgebildeten-ld.1331234
[11] https://www.welt.de/politik/deutschland/article158897276/Tagesschau-nennt-AfD-nicht-mehr-rechtspopulistisch.html , vgl. Auch Beilage Brenn
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