Radio und Fernsehen SRF: Etikettierung verschiedener Parteien als «rechtspopulistisch» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 26. Oktober 2017 beanstandeten Sie die Etikettierung verschiedener Parteien als „rechtspopulistisch“ durch diverse Sendungen von Radio und Fernsehen SRF. Sie nannten keine konkreten Sendungen, konnten sich aber implizit darauf berufen, dass über die Wahlen und Koalitionsabsichten in Österreich innerhalb der letzten 20 Tage vor Ihrer E-Mail berichtet worden war. Ihre Eingabe entspricht insofern den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

„Ich höre über Radio wie auch TV-Moderationen im Kontext einer Meldung oft Etikettierungen die mich beunruhigen. Unter Etikettierung verstehe ich eine eigenwillige, absichtsgeladene und diskreditierende Bezeichnung für Institutionen oder auch Personen die mit meinen marginalen Kenntnissen über Kognition gefährlich sind. Nur EIN Beispiel, es gibt leider HUNDERTE:

Im Zusammenhang mit den Koalitionsverhandlungen in Österreich hörte man:

<Die ÖVP nimmt nun Koalitionsverhadlungen mit den Rechtspopulisten auf>

Auf solche ETIKETTIERUNGEN reagiere nicht nur ich allergisch. Sie dokumentieren eine politisch engagierte statt ausgewogene Einstellung und Präsentation aus der Redaktion.

Es gäbe absichtslose Varianten:

<Die ÖVP nimmt nun Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ auf>

<Die neue Volkspartei von Sebastian Kurz nimmt nun Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ von Heinz-Christian Strache auf>

<Die Österreichische Volkspartei nimmt nun Koalitionsverhandlungen mit der Freiheitlichen Partei Österreichs auf>

<Die bürgerlich konservative Partei ÖVP nimmt nun Koalitionsverhandlungen mit der österreichpatriotischen FPÖ auf>

Wenn also Parteien vorstellt werden, dann bitte korrekt mit Parteibezeichnung und ‚Kürzeln‘ aus deren Partei-Programmen, aber nicht mit einseitig und willkürlich aufgeladenen Begriffen die man innerhalb der Parteien nicht vorfindet.

Die SRG muss die Befürworter der NoBillag Initiative für sich gewinnen und nicht verjagen. Vielleicht können Sie diesbezüglich in die gegenwärtige ‚Unkultur‘ der SRG Einfluss nehmen.“

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für Radio SRF antwortete Herr Michael Bolliger, stellvertretender Chefredaktor:

„Ich danke Ihnen für die Möglichkeit, zur Beanstandung 5209‚ ‚Umgang mit dem Begriff Rechtpopulisten‘ bei (Radio) SRF Stellung nehmen zu können. Ich tue das als stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF.

Herr X beanstandet, der Begriff ‚Rechtspopulist‘ stelle eine unzulässige Etikettierung dar. Mit der Verwendung des Begriffs würde SRF eine ‚politisch engagierte statt ausgewogene Einstellung‘ der jeweiligen Redaktion dokumentieren.

Konkret bezieht er sich auf Formulierungen im Zusammenhang mit den Wahlen in Österreich und den darauffolgenden Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ diesen Herbst. Herr X schlägt vor, in solchen Fällen die Parteien zum Beispiel lediglich mit ihren Namen, oder Abkürzungen zu bezeichnen, beispielsweise: <Die ÖVP nimmt (...) Verhandlungen mit der FPÖ auf>. Die Zuschreibung ‚rechtspopulistisch‘ zur FPÖ sei diskreditierend, ‚einseitig und willkürlich aufgeladen‘.

Aus journalistischer Perspektive erscheint mir diese Analyse unzutreffend. Sie impliziert, dass der Begriff ‚Rechtspopulismus‘ bei SRF in der Absicht verwendet werde, eine Partei (nicht sachgerecht) zu qualifizieren, in ein schlechtes Licht zu stellen, so zu sagen.

Das ist nicht der Fall. Aus verschiedenen früheren Stellungnahmen von SRF-Radio- und Fernsehredaktionen zum Thema wird das ersichtlich. Wir verwenden den Begriff entsprechend unseres Kernauftrages, ein Ereignis beziehungsweise die Beteiligten einzuordnen. Damit ermöglichen wir es dem Publikum, ein besseres Verständnis für die Zusammenhänge zu entwickeln, sich selber eine Meinung bilden zu können. Gleich wie der Begriff ‚Rechtspopulisten‘ verwenden wir deshalb im politischen Kontext auch andere Zuschreibungen wie ‚linksalternativ‘ oder ‚konservativ‘ etc. Auch den Begriff ‚Linkspopulisten‘ verwenden wir übrigens, wo er uns gemäss Definition richtig erscheint (Beispiel der frühere venezolanischer Staatschef Hugo Chavez).

Definition:

Es wurde in diesem Zusammenhang auch schon die Frage gestellt, nach welcher Definition wir den Begriff ‚Rechtspopulisten‘ bei Radio SRF verwenden (Beanstandung 5003, März 2017). Ich erlaube mir deshalb, auszugsweise aus dieser Stellungnahme zu zitieren.

Für unseren Umgang mit dem Begriff (Rechts)Populismus dienen (politik-)wissenschaftliche Definitionen als Grundlage und Orientierung. So beschreibt zum Beispiel der Historiker Damir Skenderovic auf der Webseite des Eidgenössischen Departements des Innern, EDI (‚Strategien gegen den Rechtsextremismus in der Schweiz‘, Juni 2010 [1]) unter anderem in Kapitel 1.1 wesentliche Merkmale rechtspopulistischer Parteien. Die Publikationen des Deutschen Politologen Hans-Georg Betz wären ebenso anzuführen, oder – für die kompakte Form – etwa die Webseite der Deutschen Bundeszentrale für politische Bildung [2].

Als zentrale Definitionspunkte werden die Bezugnahme der Rechtspopulisten auf das Volk als homogene Gruppe von gleicher kultureller Identität beschrieben, ebenso eine ausgeprägte Anti-Migrations- und Anti-Elite-Haltung und im Falle der rechtspopulistischen Parteien in Europa eine ausgeprägte Anti-EU-Position.

Die FPÖ gehört, anders als andere heutige rechtspopulistische Parteien in Europa, zum traditionellen Parteiensystem in Österreich. Die definierten Merkmale treffen aber auf die FPÖ ebenso zu.

Was allerdings die zitierten Publikationen und/oder Wissenschaftler ebenso einheitlich beschreiben: Rechtspopulisten haben keine antidemokratische Haltung, wie sie etwa Rechtsextreme vertreten. Sie entsprechen, wird Hans-Georg Betz in einer Diplomarbeit an der Universität Wien 2008 zitiert, (....) <kaum mehr dem klassischen Muster von Rechtsradikalismus bzw. Rechtsextremismus (...). Im Gegensatz zu den entsprechenden Parteien der Nachkriegszeit, stellen heutige Parteien wie die FPÖ, die Schweizerische Volkspartei oder die Lega Nord weder die Demokratie zugunsten eines autoritären Regimes formell in Frage, noch leugnen sie die Menschenrechte und damit das Prinzip formaler menschlicher Gleichheit. In der Literatur habe sich deshalb, so Betz weiter, immer mehr der Begriff des Rechtspopulismus zur Charakterisierung dieser Parteien eingebürgert.>

Auf der Basis solcher Definitionen und insbesondere mit Beachtung auf den letzten Punkt – Abgrenzung zum Rechtsextremismus – arbeiten wir in unserem journalistischen Alltag mit dem Begriff Rechtspopulismus.

Fazit:

Die Charakterisierung politischer Akteure und Gruppierungen/Parteien geschieht bei Radio und Fernsehen SRF angelehnt an wissenschaftlichen Definitionen und aufgrund journalistischer Überlegungen. Sie werden auch auf alle Parteien, unabhängig ihrer Position auf dem Links-Rechts-Schema angewendet. Die Zuschreibung ‚rechtspopulistisch‘, beispielsweise in unseren Nachrichtensendungen, ist deshalb wertfrei und stellt keine Diskreditierung dar. Sie dient zur Einordnung der Akteure und erhöht das Verständnis für das Gehörte/Gesehene bei unserem Publikum.

In diesem Sinne bitte ich Sie, die Beanstandung als nicht gerechtfertigt zu beurteilen.“

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Praxis von SRF. Sie stoßen sich an der Etikettierung verschiedener Parteien als „rechtspopulistisch“ durch Radio und Fernsehen SRF und nennen diese Praxis diskreditierend. Als Beispiel führen Sie die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) an. Ich bin überhaupt nicht Ihrer Meinung, aus drei Gründen:

Erstens brauchen Medien Hilfswörter, um Parteien anderer Länder, die dem Schweizer Publikum nicht so geläufig sind wie vielleicht die CVP, SVP oder FDP im eigenen Land, zu charakterisieren und zu positionieren. Dazu verwenden sie mit gutem Grund die seit der Französischen Revolution gebräuchliche Links-Rechts-Skala der politischen Positionen. Auf der rechten Seite unterscheidet man in der Regel stufenweise zwischen rechtsliberal, konservativ, rechtsnational/nationalkonservativ, rechtspopulistisch und rechtsradikal/rechtsextrem. Gleichartige Abstufungen kann man auf der linken Seite des politischen Spektrums vornehmen. Alle diese Kategorisierungen sind nützlich zur besseren Verortung und in keiner Weise diskreditierend.

Zweitens ist der Begriff „rechtspopulistisch“ wissenschaftlich definiert. Herr Bolliger hat darauf hingewiesen. Es sind Parteien, die sich dauernd auf das Volk berufen und sich gegen die Elite stellen. Es sind Parteien, die meist eine fremdenfeindliche und oft auch eine antiislamische und/oder antisemitische Haltung haben. Und es sind Parteien, die sich auf den gesunden Menschenverstand berufen und meist von einer charismatischen Persönlichkeit geführt werden.

Drittens ist die FPÖ auf jeden Fall rechtspopulistisch und teilweise sogar rechtsradikal/rechtsextrem. Die Gründer der FPÖ unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg stammten aus dem nationalsozialistischen Milieu. Auch der charismatische Parteichef Jörg Haider bezog teilweise faschistische Positionen und lobte beispielsweise die nationalsozialistische Beschäftigungspolitik. Der jetzige Parteichef Heinz-Christian Strache hat eine deutschnationale und neonazistische Vergangenheit. Es ist hingegen nicht korrekt, die FPÖ gesamthaft als rechtsextrem zu bezeichnen. Der Begriff „rechtspopulistisch“ hingegen trifft.

Natürlich kann man Parteien mit ihren Kürzeln vorstellen. Aber Kürzel taugen nur, wenn sie eingeführt sind und das Publikum sofort weiß, worum es sich handelt. Bei Parteien, von denen nicht so oft die Rede ist, ist eine zusätzliche Charakterisierung nötig, um sie zu situieren. Ihre Vorschläge, wie man formulieren könnte, sind zwar gut gemeint, helfen aber nur sehr begrenzt. Man muss immer davon ausgehen, dass die Mehrheit der Bevölkerung über ein begrenztes politisches Wissen verfügt. Darum ist es ja gerade die Aufgabe der Medien, Institutionen, Parteien, Personen und Sachverhalte einzuordnen. Es handelt sich daher nicht um eine „Unkultur“, sondern um ein Stück Aufklärungsarbeit. Aus diesem Grund kann ich Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

[1] https://www.edi.admin.ch/edi/de/home/fachstellen/frb/bestellungen-und-publikationen.html

[2] http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtspopulismus/

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