«Arena»-Sendung «Kampf um die Jets – Bundesrat Parmelin in der Arena» beanstandet (I)

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Mit Ihrer E-Mail und Ihrem Brief vom 12. November 2017 beanstandeten Sie die Sendung „Arena“ (Fernsehen SRF) vom 10. November 2017 über die Beschaffung von Kampfflugzeugen.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten. Gegen diese Sendung sind zwei Beanstandungen eingegangen – die Ihre und zusätzlich die eines anderen Bürgers. Ich behandle beide Beanstandungen im gleichen Schlussbericht.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

„In der oben erwähnten Sendung wurde die Linkslastigkeit und Unausgewogenheit einmal mehr bestätigt. Zudem bewies der Moderator Projer einmal mehr, dass er unfähig ist eine solche Politsendung zu führen. Teilweise entglitt sie ihm immer wieder und er hatte keine Kontrolle mehr. Seine eigene Meinung und Ambitionen stellte er in den Mittelpunkt. Zudem ist die Auswahl der Diskussionsteilnehmer und die Einladung, respektive Zulassung der Studiogäste mehr als fragwürdig.

Gründe:

  1. Als Sachverständiger wurde Lewin Lampert von der GSOA, ein reaktionärer linker Schnösel. Er wurde ins Studio begleitet von mindestens 30 Gleichgesinnten, vermutlich ebenfalls Mitglieder der GSOA. Bei jedem Votum von Lempert wurde dann lauthals gejubelt und geklatscht. Bei Argumenten der Gegenseite lachte man hämisch oder krakelte drauflos. Projer liess dies anstandslos geschehen ohne jegliche Ermahnung.
  2. Wenn sich zum Beispiel A. Amstutz zu Wort meldete und Falschinterpretationen vom Grünen Glättli erwehren wollte, wurde er rüde und auf völlig unanständige Weise von Projer in die Schranken gewiesen. Sieht so eine faire Diskussions-Sendung aus?

Sie müssen sich nicht wundern, wenn immer mehr TV-Zuschauer sich von der SRG abwenden und der Initiative ‚No Billag‘ zustimmen werden. Vermutlich ist es Ihnen entgangen, dass die grosse, schweigende Mehrheit unseres Landes liberal/ konservativ ist und diese Art Linke Medien nicht goutiert. Nach dem Artikel in der heutigen Sonntags-Zeitung ist bewiesen, dass 70 Prozent Ihrer Journalisten einen Linksdrall haben, so unter anderem auch Projer.“

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die Sendung „Arena“ antwortete deren Redaktionsleiter, Herr Jonas Projer, wie folgt:

„Vielen Dank für die Zustellung der Beanstandungen von X (Geschäftsnummer 5213) und eines zweiten Einsprechers (Geschäftsnummer 5221), betreffend die ‚Arena‘ vom 10. November 2017. Beide Herren beanstanden die Sendung als unausgewogen: X empfindet sie als linkslastig, der andere Einsprecher als rechtslastig. Beide setzen den jeweiligen vermuteten Makel in Bezug zur No-Billag-Initiative.

Gerne nehmen wir zum Inhalt der Sendung wie folgt Stellung.

X beanstandet erstens, dass Lewin Lempert (politischer Sekretär der GSoA) eingeladen wurde. Er vermutet zweitens, dass die ‚Arena‘ zugelassen hätte, dass Lewin Lempert <von mindestens 30 Gleichgesinnten> begleitet wurde. Und er ist drittens der Ansicht, dass die Moderation gegenüber Nationalrat Adrian Amstutz unfair agiert habe.

  • Wir sind der Ansicht, dass die Einladung Lewin Lemperts respektive der GSoA in dieser Sendung wohl begründet war, da die GSoA eine Neubeschaffung von Kampfjets in der Vergangenheit immer bekämpft hat – und sie gemäss eigener Ankündigung auch in diesem Fall bekämpfen wird.
  • Wir stellen klar, dass Lewin Lempert keine Besuchergruppe mitbrachte – das Publikum der ‚Arena‘ meldet sich in aller Regel Wochen bis Monate im Voraus an, in Unkenntnis von Thema und Gästen der jeweiligen Sendung. Es ist also ein in diesem Sinne ‚zufällig‘ ausgewähltes Publikum, das manchmal die eine Seite stärker unterstützt, manchmal die andere. In der Empfindung der Moderation unterstützte das Publikum diesmal tatsächlich eher die Kampfjet-Gegner, klatschte aber gelegentlich durchaus auch für die Befürworter. Gruppen im Publikum waren: Wirtschaftsmittelschule Reinach (22 Personen), Gunzger Jungbürger und Gemeinderatsmitglieder (16 Personen), Gymnasium Lerbermatt Köniz (21 Personen), Einwohnergemeinde Sissach (Volljährigen-Anlass, 16 Personen).
  • Wir sind der Ansicht, dass Nationalrat Adrian Amstutz nicht unfair behandelt wurde. Ganz im Gegenteil: Bei einem scharfen Angriff auf Nationalrat Amstutz (bezüglich einer von ihm gemachten Äusserung zum Zweiten Weltkrieg) stellte sich die Moderation auf den Standpunkt, ein allfälliges Fehlverhalten von Nationalrat Amstutz sei in der Hitze des Gefechts nicht feststellbar, erklärte den Disput für beendet und führte auf das Thema der Debatte zurück.

Der andere Einsprecher beanstandet, dass die Hauptrunde jener ‚Arena‘ ungleich besetzt gewesen sei – da drei Befürworter des Kampfjets einem Kritiker gegenüberstanden, was zutrifft. Zu ergänzen ist einzig, dass ein weiterer Befürworter und ein weiterer Gegner im Studio anwesend waren: Einerseits der erwähnte Lewin Lempert, andererseits der frühere Chef der Schweizer Luftwaffe, Markus Gygax. Auch unter Einbezug dieser zusätzlichen Gäste stimmen wir Herrn Alther jedoch zu, dass die Runde ‚ungleich‘ besetzt war, soweit man auf das Aufrechnen von Befürwortern und Gegnern im Studio abstützt. Diese Rechnung greift unserer Ansicht nach aber zu kurz. Gerne führen wir dazu einige grundsätzliche Überlegungen aus.

Die Redaktion der ‚Arena‘ unterscheidet zwischen Abstimmungssendungen und regulären Sendungen. Sie wägt dabei u.a. die Prinzipien Ausgewogenheit und Sachgerechtigkeit gegeneinander ab. Die Ausgewogenheit verlangt grundsätzlich (bei einer Diskussion mit zwei Polen), dass die Hälfte der Runde für ein Ja eintritt, die andere Hälfte für ein Nein. Die Sachgerechtigkeit hingegen verlangt grundsätzlich, dass die realen (Mehrheits-) Verhältnisse der Politik in der Runde zumindest ansatzweise erkennbar sind.

Sobald eine Position nur von einem kleinen Teil der Politik (i.d.R. von einer Partei am einen oder anderen Ende des politischen Spektrums) vertreten wird, stehen Ausgewogenheit und Sachgerechtigkeit in einem Spannungsverhältnis. Soll die ‚Arena‘ eine ausgewogene Runde zusammenstellen – oder soll sie sachgerecht einen Eindruck davon vermitteln, wie gross der politische Rückhalt der Position ist? Hier wird die Unterscheidung zwischen Abstimmungssendungen und regulären Sendungen relevant:

  • In Abstimmungssendungen hat die Ausgewogenheit Priorität. Egal, wie viel oder wie wenig Rückhalt eine Forderung in Regierung, Parlament und Bevölkerung geniesst, in der ‚Abstimmungsarena‘ erhalten die Vertreter jener Position die Hälfte der Plätze (sowie die Hälfte der Redezeit). Beispiel: In der ‚Abstimmungsarena‘ zur ‚Durchsetzungsinitiative‘ erhielten die Befürworter die Hälfte der Plätze; in der Hauptrunde standen damals als Befürworter Nationalrat Gregor Rutz (SVP) und Nationalrat Toni Brunner (damals Präsident der SVP).
  • In regulären Sendungen jedoch wägt die Redaktion zwischen Ausgewogenheit und Sachgerechtigkeit ab. Wie viel Rückhalt eine Forderung in der Politik real hat, kann hier durchaus von Bedeutung sein. Beispiel: In einer regulären ‚Arena‘ zum Abkommen über die Personenfreizügigkeit lädt die Redaktion manchmal die vier grössten Parteien (SVP, SP, FDP, CVP) in die Sendung ein. Dies vermittelt einen Eindruck der realen parlamentarischen Mehrheiten in dieser Frage. Die Redaktion nimmt dabei in Kauf, dass nur einer der vier Gäste (der Vertreter der SVP) das Personenfreizügigkeitsabkommen grundsätzlich in Frage stellt.

Erlauben Sie uns noch einige Anmerkungen zu einem weiteren Prinzip der ‚Arena‘, der Fairness. Sie gilt in allen Sendungen. Die Fairness gebietet u.a., dass ein Gast immer auf einen direkten Angriff reagieren darf – und dass auf ein Argument in der Regel ein Gegenargument oder zumindest ein differenzierendes Argument folgt. Was heisst das für eine Runde, die ‚ungleich‘ zusammengestellt ist? Ganz einfach: Wer sich in der ‚Arena‘ alleine gegen drei Gegner wiederfindet (wie am 10. November 2017 NR Balthasar Glättli), erhält i.d.R. mit Abstand am meisten Redezeit. Denn: Er kann ja auf fast jede Aussage (der drei Gegner) erneut (alleine) reagieren. ‚Alleine‘ eingeladene Politiker schätzen ein solches Setting deshalb sehr, erhalten sie so doch viel Aufmerksamkeit und Raum. Dieser Effekt ist aus unserer Sicht nicht unproblematisch – denn er kann extreme oder polare Positionen in der Sendung bevorteilen gegenüber mittigen Positionen oder Positionen, die auf die Kompromissfindung ausgerichtet sind. Mit anderen Worten: Gerade der für die ‚Arena‘ geltende Grundsatz ‚Vielfalt der Ansichten‘, in Kombination mit dem ebenfalls geltenden Grundsatz ‚Fairness‘, kann dazu führen, dass die ‚Arena‘ eines ihrer Ziele verfehlt – das Ziel nämlich, einen Beitrag zu leisten zu einem sachlichen, lösungsorientierten politischen Diskurs. Ein echtes Dilemma, an dem sich die Redaktion Woche für Woche abarbeitet.

Die Sendung vom 10. November jedenfalls war keine ‚Abstimmungsarena‘. Sie verfügte nicht über eine mit Blick auf Pro und Kontra ‚ausgeglichene‘ Runde, sondern bildete die reale politische Situation ab:

  • Bundesrat Guy Parmelin, Vertreter der Gesamtregierung (also aller sieben Bundesräte), argumentierte im Namen der Exekutive für eine Beschaffung von Kampfjets und Boden-Luft-Verteidigung im Gesamtumfang von bis zu 8 Milliarden Franken.
  • Nationalrat Adrian Amstutz (SVP), Vertreter der politischen Rechten, befürwortet nicht nur eine Neubeschaffung von Kampfjets – er setzt sich zudem dafür ein, dass möglichst viele neue Flugzeuge gekauft werden.
  • Nationalrätin Rosmarie Quadranti (BDP), Vertreterin der politischen Mitte, argumentierte für eine Neubeschaffung von Jets, allerdings keine zu umfangreiche – und keine, welche zu Einsparungen bei anderen ihr wichtigen Ressorts (z.B. Bildung) führt.
  • Nationalrar Balthasar Glättli (GPS), Vertreter der politischen Linken, lehnte eine Neubeschaffung von Kampfjets weitgehend ab.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen sind wir der Meinung, dass die Runde vom 10. November korrekt zusammengestellt war und dass die beanstandete ‚Arena‘ weder Links- noch Rechtsdrall hatte. Gleichzeitig möchten wir uns bei Herrn X und dem anderen Einsprecher freundlich bedanken für ihre kritischen Anmerkungen und für die durch diesen Austausch gebotene Möglichkeit, einige grundsätzliche Überlegungen, einige Grundsätze und ein Ziel der ‚Arena‘-Redaktion transparent zu machen.“

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Als Ombudsmann muss ich dafür sorgen, dass das Publikum durch eine Sendung nicht manipuliert wird. Beide Beanstander werfen der „Arena“ über neue Kampfflugzeuge genau das vor, und zwar aus gegensätzlicher Optik: Das Publikum sei manipuliert worden, weil der Vertreter der Gruppe der Schweiz ohne Armee (GSoA), Lewin Lempert, durch eine lautstarke Claque immer wieder mit Beifall unterstützt worden sei und weil Nationalrat Adrian Amstutz, Befürworter der Kampfjet-Beschaffung in der von Bundesrat vorgesehenen Größenordnung, durch Moderator Jonas Projer auf rüde und unanständige Weise mehrfach zurechtgewiesen und am Reden gehindert worden sei, sagen Sie. Und: Das Publikum sei manipuliert worden, weil die Befürworter neuer Kampfjets unter den vier Hauptdiskutanten mit 3:1 unverhältnismäßig in Überzahl gewesen seien, sagt der andere Beanstander. Und beide sagen Sie, da sei es kein Wunder, wenn das Volk der „No-Billag“-Initiative zuneige.

Die Beobachtungen in Bezug auf den Beifall und in Bezug auf die Relation der Positionen stimmen beide, aber sie machen nicht die ganze Wahrheit aus. Darum muss ich hier berichten, was für eine Sendung ich gesehen habe. Ich sah eine interessante Diskussion mit einem überzeugenden Bundesrat Guy Parmelin, der sich in der Fremdsprache Deutsch recht souverän schlug, und mit solid argumentierenden Parlamentariern sowie NGO (GSoA) und Armee-Vertretern (Ex-Flugwaffenkommandant Markus Gygax). Es stimmt, dass Lewin Lempert mehrfach Beifall erhielt, aber auch Äusserungen von Bundesrat Parmelin, von Nationalrat Amstutz (drei Mal!), des Publikumsvertreters Peter Baumann und von Moderator Jonas Projer wurden beklatscht. Herr Projer hat in seiner Stellungnahme dargelegt, wie die Zusammensetzung des Publikums zustande kommt und dass sie nichts mit dem Sendethema zu tun hat. Es scheint, dass das diesmal vorwiegend jugendliche Publikum eher armeekritisch eingestellt war. Aber es hat durchaus auch andere träfe Voten mit Beifall gewürdigt. Vor allem aber hat dieser Beifall mit keiner journalistischen Handlung zu tun: Er wurde von der Redaktion und von der Regie nicht gesteuert. Und er konnte von ihr auch nicht verhindert werden. Es wäre läppisch zu sagen: In der „Arena“ klatscht man nicht. Gerade der Beifall zeigt doch, dass das Publikum die Diskussion aufmerksam verfolgt und seinem Gefallen oder Missfallen Ausdruck gibt.

Falsch ist die Beobachtung, dass der Moderator Nationalrat Amstutz benachteiligt habe. Im Gegenteil: Er hat den Berner Oberländer Parlamentarier in Schutz genommen, als ihm sein Ratskollege Balthasar Glättli vorwarf, er habe die Zuwanderung von Muslimen mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus verglichen. Jonas Projer hielt fest, dass Nationalrat Amstutz das nicht so gemeint habe und dass er das Thema nicht weiter behandeln wolle. Man sollte genau sein, wenn man Vorwürfe erhebt.

Richtig ist indessen, was der andere Beanstander moniert: Die Befüworter waren nominell in der Mehrheit. Doch habe auch ich feststellen können, dass der Moderator dies ausglich durch größere Redeanteile von Nationalrat Glättli und GSoA-Vertreter Lempert.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

[1] https://www.srf.ch/sendungen/arena/kampf-um-die-jets-bundesrat-parmelin-in-der-arena

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