Beitrag «Service public – das Ende der Harmonie» von #SRFglobal beanstadet

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Mit Ihrer E-Mail vom 19. November 2017 beanstandeten Sie die Sendung #SRFGlobal (Fernsehen SRF) vom 9. November 2017 („Service public – das Ende der Harmonie“).[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

„Akteur Florian Inhauser. Beitrag betreffend Service – public. Thema: Angriffe auf TV – Sender zum Beispiel in Polen, mit Vergleich mit der Schweiz. Thema: Angriffe auf den Service – public in Europäischen- Ländern. Thema Billag – Gebühr und Vergleich, was der TV und Radio – Konsum in anderen Ländern kostet. Beschreibung, was die No – Billag – Initiative, wenn diese angenommen würde, alles verunmöglichen würde, mit dem Vergleich in Europa ( 3 Länder ) Dieser Beitrag mit Florian Inhauser war eine perfide Anmassung gegenüber den Konsumenten/innen. Kein einziger Befürworter der No – Billag – Initiative konnte eine andere Sicht einfliessen lassen. Das ist nicht Service – public, sondern eine Totale – Einseitigkeit, stellen Sie diese Einseitigkeit ab oder soll dies so weiter gehen bis zur Abstimmung? Auch werden wir immer aufgefordert, diskutieren sie mit uns, auf Twitter # SRF, was soll die einfache Bevölkerungsschicht zum Beispiel diese u.a. in den Bergen mit den Akteuern / innen von SRF auf Twitter diskutieren. Ich fordere gleich lange Spiesse für alle und Zurückhaltung.“

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Herr Daniel Blickenstorfer, Produzent von #SRFglobal, schrieb:

„Ich nehme Bezug auf die Beanstandung Nr. 5235 von Herrn X und nehme sehr gerne Stellung dazu. Der Service public wird in vielen europäischen Ländern diskutiert und steht zum Teil unter Druck – ähnlich wie zurzeit gerade in der Schweiz. Dies nahmen wir bei #SRFglobal zum Anlass, den Blick ins Ausland auszuweiten.

In der Sendung vom 9. November 2017 behandelte #SRFglobal Angriffe auf das öffentliche Fernsehen und Radio in drei europäischen Ländern. Dabei zeigten wir jeweils die Organisation und Finanzierung des ‚Service public‘ in Polen, Deutschland und den Niederlanden. Fachleute aus der Publizistik und den Medien beschrieben darauf ihre Kritik am System ihres jeweiligen Landes respektive – im Falle von Prof. Irene Costera Meijer - das offenbar gut akzeptierte System in den Niederlanden.

Eingangs der Sendung stellte Moderator Florian Inhauser in seiner Begrüssung aus Warschau einen kurzen inhaltlichen Bezug zur sogenannten ‚No Billag‘-Initiative her, indem er die erwähnte Initiative als Angriff auf das öffentliche Radio und Fernsehen in der Schweiz bezeichnete. Dies, da laut dem Initiativtext dem Bund sowohl Subventionen an Radio- und Fernsehstationen als auch deren Unterstützung durch Gebühren – egal ob sie vom Bund oder durch von diesem beauftragte Dritte erhoben werden – ab dem 1. Januar 2019 verboten wären. (geänderter Art 93, Absatz 4 und 5 der BV, sowie Art. 197 Ziff.11, 2). Am Schluss der Sendung führte er aus, dass die Schweiz das einzige Land Europas wäre, in welchem der Staat im Falle einer Annahme der ‚No Billag‘-Initiative keine Möglichkeit mehr hätte, Radio- und Fernsehen zu finanzieren.

Bei den Interviews in Warschau, Hamburg und Amsterdam war die Initiative kein Thema. Die Gesprächspartner wurden von Inhauser nie auf ‚No Billag‘ angesprochen, da sie weder über ausreichende Kenntnisse der SRG-Programme verfügen noch die politische Debatte hierzulande mitverfolgen. Nur ‚Spiegel‘-Redaktor Markus Brauck zog aus freiem Antrieb eine Parallele, indem er als Kritiker der öffentlich-rechtlichen Sender festhielt, dass er sich keine Entwicklung der Debatte wünsche für Deutschland in der Richtung, wie sie in der Schweiz stattfinde.

Abschliessend zu diesem Punkt: #SRFglobal ist explizit kein innenpolitisches Magazin, sondern eines, das sich mit Entwicklungen und Trends auf internationaler Ebene beschäftigt.

Behandelte Themen in den drei Ländern

In Polen sieht sich der öffentlich-rechtliche Sender Telewizja Polska (TVP) Angriffen unterschiedlicher Natur ausgesetzt. Einerseits verweigern mehr als 85% der Haushalte die Bezahlung der Gebühr. Andererseits ist auch die politische Gängelung von TVP durch die aktuelle Regierung als Angriff auf die journalistische Qualität der Sender aufzufassen. Den Vorgang und die Folgen dieser politischen Kontrolle der Sender beschrieb Inhausers Gesprächspartner Jan Opielka (Entlassungen, Neubesetzungen von Kaderposten, einseitige deutschlandfeindliche Berichterstattung, Polarisierung der Medien auf allen Seiten).

In Deutschland thematisierten wir einen aktuellen Konflikt zwischen öffentlich-rechtlichen Sendern und Verlegern, der namentlich zwischen dem ‚Spiegel‘ und der ARD ausgefochten wurde und hohe Wellen warf. Der Angriff besteht hier in der von ‚Spiegel‘-Autor Markus Brauck vertretenen These, wonach die Programme von ARD und ZDF dank der gesicherten GEZ-Gebührengelder ‚träge und müde und unüberraschend und langweilig‘ geworden seien. Zudem warf er ihnen ‚fehlende Selbstkritik‘ vor. Die Leiterin Innenpolitik beim ARD-Landessender NDR in Hamburg, Anja Reschke, übernahm die Gegenposition und verteidigte die Programme der öffentlich-rechtlichen Radio und TV-Sender. Eine politische Debatte, die in Richtung Gebühren-Abschaffung zielen würde, gibt es in Deutschland, wie der ‚Spiegel‘-Autor Brauck selber ausführte, nicht.

In den Niederlanden beleuchteten wir schliesslich die europaweit einzigartige Ausgestaltung des Service Public unter dem Dach des Nederlandse Publieke Omroep (NPO). Laut der Gesprächspartnerin Irene Costera Meijer, Professorin für Publizistik an der Uni Amsterdam, ist das niederländische Modell beliebt und erfolgreich. Sie führte dies teilweise auf die Abschaffung des Rundfunkgebührenbeitrags im Jahr 2000 zurück. Die diversen Gesellschaften, welche die NPO-Programme vollständig bestreiten, werden seither aus dem Staatshaushalt, Werbeerlösen sowie – im Falle der Mitgliedergesellschaften – auch aus Mitgliederbeiträgen finanziert. (Auf eine Frage Inhausers, ob sich das niederländische System allenfalls auf die Schweiz überstülpen liesse, war sich Costera Meijer zuerst unsicher, sagte dann aber, aufgrund der Mehrsprachigkeit der Schweiz hielte sie es für nicht finanzierbar. Aus diesem Grund haben wir das Thema in der Sendung weggelassen.)

Twitter-Diskussionsaufruf

Die Redaktion von #SRFglobal möchte selbstverständlich niemanden ausschliessen von der Diskussion über die Sendung und schon nicht ganze Regionen wie die ländliche oder die voralpine Schweiz. In der Realität bekommen wir vielfach Feedback via Twitter von Zuschauern, die nachweisbar nicht in urbanen Zentren leben. Twitter ist inzwischen einfach das schnellste interaktive Medium, bei dem ein Smartphone genügt, um sich öffentlich zur Qualität einer Sendung zu äussern.

Für Zuschauerinnen und Zuschauer, die lieber (auch längere) Kommentare via PC oder Laptop senden möchten, steht – wie bei allen SRF-Programmen – das Kontaktfeld auf unserer #SRFglobal-Webseite zur Verfügung. Auf derselben Seite können unsere Sendungen auch öffentlich kommentiert werden. Die Adresse dieser Seite wird jeweils am Schluss der Sendung eingeblendet unmittelbar nach dem Twitter-Aufruf. Selbstverständlich nimmt unser Kundendienst auch telefonisch Anregungen und Kritik entgegen und gibt sie an die Redaktion weiter. Auch per Post nehmen immer wieder Zuschauer mit uns Kontakt auf. Seit mehr als zwei Jahren, also seit Bestehen des Formats, hat die Redaktion #SRFglobal alle Zuschriften – sowohl Lob, als auch Kritiken und Anregungen – verdankt oder ausführlich beantwortet, sofern diese in einem Ton verfasst waren, welcher den allgemeinen Umgangsformen im schriftlichen Verkehr entspricht.

Abschliessend möchte ich noch einmal betonen, dass es in dieser Sendung nicht um die No-Billag-Initiative ging und entsprechend auch weder No-Billag-Befürworter noch No-Billag-Gegner auftreten konnten. Am ehesten eine Parallele zur Situation in der Schweiz (und damit zur No-Billag-Debatte) konnte man noch im Teil über Deutschland ziehen: Hier trat mit Anja Reschke vom NDR eine Befürworterin eines öffentlich-rechtlichen Programms gegen Markus Brauck vom privaten ‚Spiegel‘ auf, welcher Kritik am gebührenfinanzierten Programm von ARD und ZDF übte. Hier brachte die Sendung also ganz explizit die beiden Standpunkte, die es in dieser Mediendebatte gibt, zum Ausdruck und war alles andere als eine ‚total einseitig‘.

Ich bitte Sie deshalb, diese Beanstandung entsprechend zu beurteilen.“

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Es war absolut legitim zu erforschen, wie andere Länder den öffentlichen Rundfunk organisieren und finanzieren. Florian Inhauser wählte dafür drei Länder aus: Polen, Deutschland und Frankreich. Während Polen zum Klientel-Modell gehört, das zurzeit unterwegs ist zum Schock-Modell oder gar zum Patrioten-Modell, zählen Deutschland und die Niederlande gleich wie die Schweiz zum Public Service-Modell[2]: In allen beleuchteten Ländern trägt der Staat direkt oder indirekt zur Finanzierung des Rundfunks bei. Es war gerade im Hinblick auf die Abstimmung über die „No Billag“-Initiative interessant und instruktiv, mehr über die Rundfunksysteme dieser Länder zu erfahren.

Nun wäre die Sendung allerdings kaum jetzt oder vielleicht überhaupt nicht produziert worden, wenn die „No-Billag“-Abstimmung nicht bevorstünde. Die Sendung steht eindeutig im Zusammenhang mit der bevorstehenden Abstimmung. Sie unterliegt daher der besonderen Sorgfaltspflicht, die vor Volksabstimmungen anzuwenden ist, insbesondere, weil die SRG selber Gegenstand der Abstimmung ist. Sie gehört in die Kategorie der Hintergrund-Sendungen, nicht in jene der Sendungen über Abstimmungs-Ereignisse und nicht in jene der Pro-Kontra-Sendungen[3]. In den Hintergrund-Sendungen sollen Fakten ausgebreitet werden, die Zusammenhänge klar machen und das Thema vertiefen. Insofern waren die Informationen und Gespräche in Warschau, Hamburg und Hilversum im Zusammenhang mit der Abstimmung unproblematisch, und während Anja Reschke von der ARD jene Argumente vortrug, die auch die Gegner der „No Billag“-Initiative in der Schweiz verwenden, vertrat Markus Brauck vom „Spiegel“ eine Position, die weitgehend derjenigen der SRG-Kritiker in der Schweiz entspricht. Das Einzige, was fehlte, waren zwei kurze Statements eines „No Billag“-Befürworters und eines „No Billag“-Kritikers aus der Schweiz, in dem diese sagten, was für Schlüsse für die Schweiz sie aus dem Gelernten aus Polen, Deutschland und den Niederlanden ziehen. Der Beitrag war keineswegs „eine perfide Anmassung“, wie Sie schreiben, und mitnichten „eine totale Einseitigkeit“, aber im Hinblick auf die Volksabstimmung vom 4. März 2018 nicht ganz rund.

Wenn ich daher mein Fazit quantifiziere, dann kann ich Ihre Beanstandung zu drei Vierteln – also für die Berichte aus Polen, Deutschland und den Niederlanden – nicht unterstützen, zu einem Viertel aber schon , weil ich kurze Schlussfolgerungen von Initiativ-Befürwortern und –Gegnern vermisse.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

[1] https://www.srf.ch/play/tv/srfglobal/video/service-public-das-ende-der-harmonie?id=dfa60219-d0da-4789-991c-d59052f33d2a&startTime=0.953&station=69e8ac16-4327-4af4-b873-fd5cd6e895a7

[2] Vgl. Roger Blum (2014): Lautsprecher und Widersprecher. Ein Ansatz zum Vergleich der Mediensysteme. Köln: Herbert von Halem-Verlag.

[3] Vgl. Schlussbericht Nr. 5234.

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