Berichterstattung von «Rundschau» im Fall Ignaz Walker beanstandet
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Mit Ihren E-Mails vom 2. Dezember 2017 und vom 23. Januar 2018 (letztere haben Sie nach der Aufforderung zur Präzisierung durch den Ombudsmann SRG.D, Roger Blum, eingereicht) haben Sie die Berichterstattung der «Rundschau» im Fall Ignaz Walker beanstandet. Ihre Beanstandung behandeln wir als Zeitraumbeanstandung. Diese umfasst Sendungen, von denen die älteste höchstens drei Monate, die jüngste höchstens 20 Tage zurückliegt. Somit umfasst Ihre Beanstandung zwei Sendungen, nämlich jene vom 15. November 2017 «Justiz-Krimi: Die unglaubliche Geschichte des Ignaz Walker»[1] und «50 Jahre Rundschau - die Jubiläumssendung» vom 3. Januar 2018[2]. Ihre Eingabe erfüllt die formalen Voraussetzungen an eine Beanstandung. Somit kann ich auf sie eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
Beanstandung vom 2. Dezember 2017:
Die Rundschau hat in mehreren Berichten nachweislich mit falschen Anschuldigen und Fakten im Fall Ignaz Walker den Kanton Uri und seine behördlichen Instanzen (Polizei, Staatsanwaltschaft, Gericht) verunglimpft.
Selbst das Bundesgericht hat in seinem Urteil die Rolle der Rundschau kritisiert. Die in der «Rundschau» verbreitete Theorie, dass Walker Opfer eines Komplotts geworden sei, müsse «klar verworfen werden», wird im NZZ-Artikel der Entscheid des Gerichts zitiert.
Weiter wurde mehrfach mit dem Einmischen der Medien versucht, ein laufendes Verfahren mit teils fahrlässig Recherchierten Fakten zu beeinflussen.
Abschliessend möchte ich noch als Urner Bürger festhalten, dass für den Kanton Uri und seine Behörden ein massiver Reputationsschaden entstanden ist. Durch die Verbreitung von Unwahrheiten und haltlosen Komplotttheorien seitens der Rundschau, insbesondere dem Redaktionsleiter Mario Poletti, wurde die Integrität und Glaubwürdigkeit der Urner Justiz ungerechtfertigt untergraben.
Ich sehe vor allem eine Verletzung des Sachgerechtigkeitsverbots als erfüllt.
Beanstandungspräzisierung vom 23. Januar 2018:
Ich beziehe mich wiederum auf die oben genannte Beschwerde bezüglich der falschen Berichtserstattung der Rundschau im Fall Ignaz Walker. Konkret wird im aktuellen Rückblick vom 03. Januar 2018 wieder mit Bildern des "flüchtenden" Urner Oberstaatsanwalt Thomas Imholz mit den nachweislich (gemäs Bundesgericht) haltlosen Reportagen über den Fall Ignaz Walker berichtet.
Des weiteren führt die Rundschau auf der Internetseite eine eigene Rubrik zum Thema. Ich bitte Sie, jetzt auf meine Beschwerde einzugehen und die Sache zu untersuchen.
Anbei sende ich Ihnen gerne noch ein Ausschnitt aus der SRF Website.
B. Ihre Beanstandung wurde der zuständigen Redaktion zur Stellungnahme vorgelegt. Herr Mario Poletti, Redaktionsleiter «Rundschau», Fernsehen SRF schrieb:
Gerne nehmen wir Stellung zur Kurz-Beanstandung von Herrn X, obwohl nicht ganz klar wird, was er der Rundschau konkret vorwirft. Die Behauptung, die Rundschau hätte «gemäss Bundesgericht haltlose Reportagen» ausgestrahlt, weisen wir zurück. Das Bundesgericht kritisierte die Schwärzung eines Dokumentes, das die Rundschau den Behörden herausgegeben hat. Wir haben gegenüber der Öffentlichkeit schon verschiedentlich erklärt, dass die besagte Schwärzung notwendig war, um eine falsche Anschuldigung gegen Drittpersonen zu verhindern. (BEILAGE 1, Interview NZZ mit MP, 24. Januar 2018)
Aus diesem Interview geht auch hervor, warum die Rundschau ihre Rolle als Justizbeobachterin im Fall Walker immer wieder wahrgenommen hat: weil nämlich immer wieder Ungereimtheiten und Untersuchungsergebnisse aufgetaucht sind, die der offiziellen Tatversion entgegenstehen.
In der Jubiläumssendung vom 3. Januar 2018 war zu sehen, wie Reporter dann und wann nachsetzen, um an notwendige Informationen zu gelangen. In der beanstandeten 5-Sekunden-Sequenz konfrontierte der Reporter den Urner Oberstaatsanwalt auf öffentlichem Grund beim Verlassen des Gerichtsgebäudes mit den Rechercheergebnissen der Rundschau. Die Frage des Reporters war berechtigt, denn Akten belegen, dass der Urner Oberstaatsanwalt aufgrund von zwei Rechtshilfeersuchen wichtige Informationen und Kenntnisse zur Person und Drogenkriminalität des Hauptbelastungszeugen hatte. Selbstverständlich interessiert die Öffentlichkeit, warum der Oberstaatsanwalt diese Erkenntnisse offenbar nicht auch dem Gericht und der Verteidigung zugänglich machte.
Weil der Oberstaatsanwalt weder auf telefonische noch auf schriftliche Kontaktversuche reagierte, war es u.E. legitim, denselbigen im Umfeld dieser Gerichtsverhandlung auf seine Kenntnisse zum Hauptbelastungszeugen der Staatsanwaltschaft anzusprechen.
Wenn sich der Beanstander für die Hintergründe interessiert, empfehlen wir ihm die folgenden Beiträge:
Rundschau vom 21. Oktober 2015[3] (inkl Szene mit Konfrontation von Ostawa Imholz vor Regierungsgebäude)
Rundschau vom 28. Oktober 2015[4]
Rundschau vom 10. Februar 2016[5] (inkl Beweisführung: Ostawa Imholz wusste über Peeters Drogenhandel-Tätigkeiten Bescheid)
Zur Rundschau vom 15. November 2017: die Vorschau auf die dritte Gerichtsverhandlung vor Obergericht Uri. Darin haben wir zum einen die Kritik des Bundesgerichts am Urner Obergerichtsurteil wiedergegeben. Zum andern zeigten wir anhand erklärender Illustrationen nochmals die beiden diskutierten Tatversionen auf. Die faktengetreue Auslegeordnung zu diesem komplexen Fall wurde von zwei kompetenten Experten erläutert: den Strafrechtsprofessoren Marc Thommen und Christof Riedo.
Fazit: Wir weisen die allgemein formulierte Kritik des Beanstanders zurück. Die Rundschau hat ihre Funktion als unbequeme Justizbeobachterin wahrgenommen, nicht mehr und nicht weniger. Unsere Berichterstattung zum Fall Walker stützte sich in zentralen Punkten auf Ermittlungsakten und war jederzeit ausgewogen und differenziert, so dass sich das Publikum immer eine eigene Meinung bilden konnte.
Darum bitten wir Sie, die Beanstandung abzuweisen.
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung.
Aufgabe des Journalismus ist – neben einer Reihe von Funktionen wie beispielsweise die der Informationsfunktion – auch die Kritik- und Kontrollfunktion. So begleitet der Journalismus die Machtträger in Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft kritisch, oft mit Hilfe von investigativer Recherche. Er macht Skandale öffentlich, wirkt im Sinne der politischen oder gesellschaftlichen Hygiene und zeigt Wege zur Lageverbesserung auf.
Die «Rundschau» recherchiert über aktuelle Ereignisse und latente Brennpunkte im In- und Ausland. Sie ist nah am Geschehen, oft mitten drin ohne je die kritisch-journalistische Distanz zu verlieren. So steht es im Sendungsportrait auf der Website von SRF[6]. Und genau das hat die «Rundschau» im «Fall Ignaz Walker» getan. Sie berichtet seit Jahren über den Fall.
In dem von Ihnen monierten, gut neuneinhalbminütigen Beitrag vom 15. November 2017 wird die Justiz-Geschichte von Ignaz Walker aufgezeigt, dessen Prozess tags darauf in eine neue, die sechste Runde geht. Walker soll laut Anklage einen Auftragskiller auf seine Ehefrau angesetzt haben. Die «Rundschau» geht den Fragen nach, was in der Tatnacht vor sieben Jahren geschehen ist und rollt den Fall mit seinen verschiedenen Urteilen chronologisch auf. Sie zeigt, dass das Urner Obergericht Walker vor einem Jahr freigesprochen hatte und dass dieses darauf aber vom Bundesgericht zurückgepfiffen wurde, unter anderem mit den Begründungen, der Freispruch sei «willkürlich» erfolgt.
Dass die «Rundschau» und deren Redaktionsleiter, Herr Mario Poletti, nach Ihren Aussagen die «Integrität und Glaubwürdigkeit der Urner Justiz ungerechtfertigt untergraben» haben sollen, kann ich nicht nachvollziehen. Die «Rundschau» hat in der von Ihnen beanstandeten Sendung vom 15. November 2017 die heftige Kritik des Bundesgerichts am Urner Obergerichtsurteil wiedergegeben und die beiden Tatversionen illustriert.
In keinem der von Ihnen beanstandeten beiden Beiträge finden sich Anhaltspunkte, dass die «Rundschau» versucht hat, ein – wie Sie schreiben – «laufendes Verfahren mit teils fahrlässig recherchierten Fakten zu beeinflussen». Im Gegenteil: Die «Rundschau» hat für die Sendung vom 15. November 2017 zwei ausgewiesene Experten, die Strafrechtsprofessoren Prof. Dr. habil. Marc Thommen und Prof. Dr. Christof Riedo, beigezogen, um dem Publikum die Einordnung der aktuellen Ereignisse und Fakten verständlich zu machen.
Zur Ihrer Kritik des fünf Sekunden dauernden Beitrages in der «Jubiläums-Rundschau» vom 3. Januar 2018 hat sich Herr Mario Poletti, Redaktionsleiter «Rundschau», bereits ausführlich geäussert. Seine Ausführungen sind nachvollziehbar, daher gehe ich nicht weiter auf sie ein.
Wie ebenfalls in der Stellungnahme von Herrn Mario Poletti angemerkt, kritisierte das Bundesgericht die Schwärzung eines Dokumentes, das die Rundschau den Behörden herausgegeben hat. Die Erklärung gegenüber der Öffentlichkeit, dass die besagte Schwärzung notwendig war, um eine falsche Anschuldigung gegen Drittpersonen zu verhindern, finden Sie in der Beilage. Dem ist nichts beizufügen.
Dass die «Rundschau» auf ihrer Website eine Sammlung der Beiträge zum «Fall Walker»[7] führt, macht Sinn. Das Publikum kann sich über den Fall, der sich im Jahr 2010 ereignete, dadurch schnell informieren und muss nicht lange suchen, wenn es sich für die verschiedenen Beiträge, die den Fall beleuchten, interessiert.
Zusammenfassend komme ich zum Schluss, dass das Publikum sich in den beiden von Ihnen monierten Beiträgen frei eine eigene Meinung bilden konnte. Es wurden weder wichtige Informationselemente unterschlagen noch wurden Tatsachen entstellt. Das Sachgerechtigkeitsgebot wurde nicht verletzt. Ich sehe keinen Ihrer Vorwürfe in irgendeiner Weise bestätigt, daher kann ich Ihre Beanstandung in keinem Punkt unterstützen .
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Manfred Pfiffner
Stellvertretender Ombudsmann
[1] https://www.srf.ch/play/tv/popupvideoplayer?id=fcbacdb5-ec3f-4d01-b871-00623d805870&startTime=3.619
[2] https://www.srf.ch/play/tv/popupvideoplayer?id=94db22d9-ccba-4ce7-9e24-86b600b7f16d&startTime=3.566
[3] https://www.srf.ch/sendungen/rundschau/fall-walker-svp-strategie-fuer-2-br-sitz-albert-roesti-papstbrief
[4] https://www.srf.ch/sendungen/rundschau/ruecktritt-bundesraetin-theke-mueller-hermann-walker-tuerkei
[5] https://www.srf.ch/sendungen/rundschau/woelfe-im-fadenkreuz-reinhard-schnidrig-fall-walker-glencore
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