Sendungen zu Israel auf dem Prüfstand
Ombudsmann Roger Blum befasste sich aufgrund von zwei Beanstandungen mit Beiträgen, in denen es um den Staat Israel ging. Ein Beanstander vermisst im «Tagesschau»-Beitrag zum 100. Jahrestag der Balfour-Deklaration die Sichtweise des hebräischen Volkes und den Einbezug seiner 3000-jährigen Bindung an das Land. Die Bewegung BDS fühlt sich durch ein Interview in der Radiosendung «Kultur Kompakt» diffamiert. Zudem sei das Transparenz- und Sachgerechtigkeitsgebot verletzt worden. Ombudsmann Roger Blum kann die Vorwürfe mehrheitlich nicht unterstützen.
Ziel des «Tagesschau»-Beitrags über die Balfour-Deklaration sei gewesen, den Inhalt der Deklaration vom 2. November 1917 darzustellen. Zudem sei darüber berichtet worden, wie Akteure diese Unterzeichnung heute beurteilten, schreibt Franz Lustenberger in seiner Stellungnahme für die «Tagesschau»-Redaktion.
Die Sichtweise des jüdischen Volkes sei im Text des Beitrags sehr wohl zum Ausdruck gebracht worden, ist Lustenberger überzeugt. Ausserdem habe man Israels Premierminister Benjamin Netanjahu im Original-Ton zu Wort kommen lassen.
Ein «Tagesschau»-Beitrag könne nicht die ganze mehrere tausendjährige, sehr wechselvolle Geschichte des Landes darstellen, gibt Lustenberger zu bedenken. Dies sieht auch Ombudsmann Roger Blum so: Ein Beitrag zu einem historischen Jubiläum müsse kurz sein, die Gründe für das damalige Ereignis darlegen und einen Bezug zur Aktualität herstellen. Die historische Analyse der Balfour-Deklaration im Beitrag bezeichnet Blum als korrekt. Es seien der aktuelle israelische sowie der historische britische Standpunkt zum Ausdruck gekommen. Blum kann die Beanstandung nicht unterstützen.
Differenziertes Interview
Am 29. November 2017 brachte die Sendung «Kultur kompakt» auf Radio SRF 2 Kultur ein Interview mit Judith Wipfler, Teamleiterin Fachredaktion Religion Radio. Darin ging es um die Ziele der Boykottorganisation BDS (Boykott, Devestment and Sanctions). Ein Hauptvorwurf der Beanstanderin – es handelt sich um die BDS Schweiz – lautet, Radio SRF habe die Quellen des Antisemitismusvorwurfs gegenüber der BDS nicht benannt und auf ihre Glaubwürdigkeit geprüft.
Der monierte Beitrag habe sich in Hauptteilen nicht auf konkrete BDS-Gruppen bezogen, schreiben Barbara Gysi, Programmleitung, Bereichsleitung Musik und Swiss Satellite Radios, sowie Judith Wipfler in ihrer Stellungnahme. Er habe sich mehrheitlich mit dem Phänomen eines Israel-Boykotts als solchem befasst. Es sei der Komplett-Boykott Israels gewesen, den Judith Wipfler als antisemitisch bezeichnet habe. Gysi und Wipfler weisen jedoch darauf hin, dass Fachleute und Wissenschaftler in der Rhetorik des BDS und von Israelboykotteuren immer wieder klassische antisemitische Stereotypen feststellten.
Gysi und Wipfler legen dar, dass man von einem Komplett-Boykott Israels durchaus eine Linie zur berüchtigten Nazi-Parole «Kauft nicht bei Juden» ziehen könne. Judith Wipfler habe das im Interview korrekt als «kann» formuliert. Ihre Einschätzung sei gut begründet und wissenschaftlich abgestützt.
Nach Ansicht von Ombudsmann Roger Blum habe Judith Wiplfer im Interview stark differenziert. Sie habe die BDS-Bewegung als heterogen und lose beschrieben und deutlich gemacht, dass es sich nicht durchweg um Antisemiten handle. Mit ihrer Einschätzung liege Frau Wipfler nicht falsch, da innerhalb der BDS-Bewegung gerade im arabisch-islamischen Raum klar antisemitische Guppen mittun würden, die Israel das Existenzrecht absprächen. Allerdings hätte sich Judith Wipfler bei ihren Recherchen im speziellen noch bei der BDS Schweiz kundig machen sollen, findet Blum. Der Ombudsmann unterstützt die Beanstandung somit teilweise, in einem von sechs Kritikpunkten.
Schlussbericht Ombudsstelle 5241
Zur Sendung «Tagesschau» vom 2. November 2017
Schlussbericht Ombudsstelle 5265
Zur Sendung «Kultur kompakt» vom 29. November 2017
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