«Arena» zu «Wohin steuert unser Land?» beanstandet
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Mit Ihrer E-Mail vom 15. Januar 2018 beanstandeten Sie die Sendung «Arena» (Fernsehen SRF) vom 12. Januar 2018.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«Ich habe mich bei der Arena Sendung mit dem Bundesrat Berset beworben, da das SRF seit längerer Zeit immer nur einseitig, zu Gunsten unseres Parlamentes und des Bundesrates, Berichterstattungen sendet. Auch in den Diskussionen wie letzten Freitag, wird diesen Personen immer einiges mehr Raum gegeben. Wenn Volks-Personen zu Wort kommen, sind das immer Solche die sich im Thema nicht richtig auskennen und dann werden Sie noch kurzgehalten. Wie bei der BVG; da wären noch einige Fakten dazu zu ergänzen.
Mein Hauptanliegen ist dies:
Richtigstellung der Fakten im Fernsehen; dass die Verfassung verletzt wird, zuungunsten der AHV!
Letztes Jahr vor der AHV Abstimmung schon, wurde im K-Tipp publiziert, dass die AHV gar nicht in schlechter finanzieller Lage sei, als einziges Medium das ich zumindest gesehen habe. Nun habe ich zudem noch im Saldo Nr. 19 vom 2017 gelesen, dass der Bundesrat inkl. Parlament die Verfassung seit 1999 mit Füssen treten und dem Volk so über 8 Mrd. der AHV Kasse vorenthalten haben und weiter dies tun wollen. Da Sie jedes Jahr 17% vom 1% MwSt, das für die AHV/IV wäre, abzweigen. Also rechtlich gesehen; Veruntreuung von zweckgebundenen Volkseinnahmen.
Diesen Saldo-Artikel habe ich dem Fernsehen, für die Arena Sendung, zugesendet.[2] Mit dem Vermerk dass von der SRF Seite immer nur die Version des Bundesrates gebracht wird und es jetzt eine Möglichkeit gebe, den Sozialminister Stellung nehmen zu lassen. Und wieder wurde die Möglichkeit nicht genutzt.
Auch in den Nachrichten in letzter Zeit kommt immer wieder die Aussage; dass die AHV Kassen leer seien, um die 2030, das nervt mich extrem (Hirnwäsche des Volkes?). Dass jedoch bis dahin mindestens Total über 13 Mrd. vorhanden wären (ohne Zinsen), wenn die Bundesverfassung umgesetzt würde wird nie erwähnt. Sachgerechtigkeit heisst doch, dass alle Fakten der Sache auf den Tisch gelegt werden; oder?
Dass eine Versicherung die Rechnung über Jahrzehnte für die Prämien aufstellt und nicht nur so für ein paar Jahre wird auch nicht erzählt. Nach dem geburtenstarken Jahrgang der bald pensioniert wird, kommen dann die Geburtenschwachen, aber dafür noch die Zuwanderung.
Also eben die Sachgerechtigkeit wird von mir aus gesehen, bewusst und gezielt nicht eingehalten. Immer einseitig und vielfach faktenlose Angstmacherei. Dabei kann man ja nur mit Fakten, richtig diskutieren und auch Abstimmen.
Die SRF ist so ein Medien-Machtinstrument unseres Bundesrates, meiner Meinung nach. Deshalb wäre ich eigentlich froh, wenn die Versprechung dass das SRF abgestellt werde nach einem Billag-Ja, eingehalten würde. Besser Keine als nur einseitige Fake News.
Die verfassungsrechtliche Ordnung wird meiner Meinung nach somit auch in Gefahr gebracht. Wenn solche Sachen nicht einmal einklagbar sind. Was wenn irgendwelche Menschen anfangen, genau gleich die Verfassung nicht mehr ernst zu nehmen und tun und lassen wies Ihnen gerade so am Besten in den Kram passt?
Dann sind wir bald wieder beim Faustrecht, wie im Mittelalter.»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die Sendung «Arena» antwortete deren Redaktionsleiter, Herr Jonas Projer:
«Mit Mail vom 15. Januar hat Herr X die Arena-Sendung vom 12. Januar beanstandet. Er kritisiert, dass Bundesrat und Parlament seit 1999 die Verfassung verletzen würden, da ein Teil des Mehrwertsteuer-Prozentes (Demografie-Prozent) in die Bundeskasse statt direkt in die AHV fliessen würde. Dieser Punkt, so Herr X, hätte in der Arena thematisiert werden müssen. Er stützt sich dabei auf einen Artikel der Zeitschrift ‹Saldo› (19/2017). Die Redaktion Arena nimmt wie folgt Stellung:
‹Präsidialarena›
Bei der beanstandeten Sendung vom 12. Januar handelt es sich nicht um eine ‹gewöhnliche› Arena, bei der die teilnehmenden Politikerinnen und Politiker ein bestimmtes Thema in seinen Details kontrovers diskutieren. Die Arena zu Beginn des Amtsjahres von Bundespräsident Alain Berset widmet sich den grossen Themen der Schweiz unter dem Titel ‹Wohin steuert unser Land?›, nicht jedoch einzelnen Aspekten konkreter Sachvorlagen. In diesem Sinne zielt die Beanstandung von Herr X am Grundanliegen und an der Thematik dieser Sendung vorbei.
Themen der Sendung
In der Sendung wurden drei Themenbereiche angesprochen: Aufgrund der Kernfrage (wohin steuert die Schweiz) wurde mit Bundespräsident Alain Berset ausführlich über das zukünftige Verhältnis der Schweiz zur EU gesprochen – eine Frage, welche die Schweizer Politik 2018 entscheidend prägen dürfte. Im zweiten Teil der Sendung kamen dann auch noch zwei Themenbereiche aus dem Departement des Inneren zur Sprache, dem Alain Berset vorsteht: Zuerst die Frage, wie es nach dem Nein zur Altersreform im September weitergeht – und dann Fragen rund um die steigenden Gesundheitskosten.
Bei der Rentenreform wurden auch Aspekte der Finanzierung durch die Mehrwertsteuer kurz angesprochen. Aber auch hier: Es ging um die grossen Linien der zukünftigen Reform – Aufsplittung in zwei Vorlagen (AHV und BVG), gleiches AHV-Alter für Mann und Frau, soziale Abfederung – nicht aber um die Details. Diese Details werden natürlich zu gegebener Zeit wieder in den Vordergrund rücken. Der Bundesrat will bis Ende Februar 2018 die Eckwerte für eine neue Reformvorlage der AHV präsentieren, bis Ende 2018 soll die Botschaft ans Parlament vorliegen. Dann beginnt der parlamentarische Prozess; anschliessend gibt es eine Volksabstimmung. Mit anderen Worten: Es wird noch viele Gelegenheiten geben, über die AHV und die Finanzierung zu sprechen und zu diskutieren. Sei dies in den tagesaktuellen Informationssendungen – oder auch in der Arena.
Demografieprozent
Die Ansichten über die Verwendung des sogenannten Demografieprozentes aus der Mehrwertsteuer für die AHV gehen auseinander. Der Beanstander beruft sich auf einen ‹Saldo›-Artikel; darin wird gesagt, dass die gesamten Einnahmen aus dem Demografieprozent unmittelbar der AHV zu Gute kommen sollen.
Der Dachverband der Schweizer Wirtschaft Economiesuisse sieht dies anders: <Der Bund erhebt seit 1999 das sogenannte Demografieprozent. Es federt die finanziellen Konsequenzen der demografischen Entwicklung für die AHV ab. Die Einnahmen des Demografieprozents kommen ausschliesslich der AHV zugute. 83 Prozent der Einnahmen gehen direkt in die AHV. 17 Prozent gehen an den Bund. Der Bund verwendet die Mittel, um seinen jährlichen Beitrag von 8,3 Milliarden Franken an die AHV zu finanzieren.>
Die Frage ist also: Geht der Ertrag aus dem Demografieprozent unmittelbar und direkt in die AHV? Oder geht ein Teil (17 Prozent) indirekt via Bundeskasse in die AHV; damit wird indirekt die Bundeskasse etwas entlastet, da der Bund jährlich zu Beiträgen in die AHV verpflichtet ist?
Allein schon diese kurze Darstellung zeigt, dass es sich beim Anliegen von Herr X zwar um einen wichtigen Aspekt der Finanzierung der AHV handelt, dass eine Diskussion über diesen Teilaspekt der AHV-Finanzierung aber den Rahmen einer ‹Präsidialarena› sprengen würde.
Fazit
Die Arena, wie auch andere Sendungen von SRF, werden zum gegebenen Zeitpunkt, bei der Behandlung der neuen AHV-Reform, das Thema der Finanzierung dieses Sozialwerkes behandeln.
In der beanstanden ‹Präsidialarena› war dieser Aspekt aber nicht Thema der Sendung, welche sich mit der Frage befasste, wohin sich die Schweiz im Jahre 2018, im Amtsjahr von Bundespräsident Alain Berset, bewegen werde.
Ich bitte Sie, die Beanstandung in diesem Sinne zu beantworten.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Was war das für eine Sendung? Es war eine Diskussion mit dem neuen Bundespräsidenten Alain Berset. Dabei ging es zunächst einmal um sein Rollenverständnis als Vorsitzender einer Kollegialregierung und als Repräsentant eines kleinen, reichen, exportorientierten, europäischen, neutralen, föderalistischen, viersprachigen und direktdemokratischen Landes. Es ging um die Frage, wie in der Schweiz die Institutionen funktionieren. Berset sagte dabei etwas ganz Wichtiges: In der Schweiz geht alle Gewalt vom Volk aus, das Volk hat immer das letzte Wort, es nimmt in Abstimmungen Weichenstellungen vor, aber dann ist es Sache der Institutionen (also von Parlament, Bundesrat, Gerichten), die ebenfalls vom Volk gewollt sind und direkt oder indirekt durch das Volk gewählt worden sind, die Umsetzung vorzunehmen. Dabei komme den Institutionen ein Gestaltungsspielraum zu.
Es ging dann um das Anliegen, nach einigem Hüst und Hott wieder mehr Klarheit in die Europa-Debatte zu bringen. Berset stellte klar, dass er nicht dem Außenminister das Heft aus der Hand nehmen, aber den Bundesrat zu einem Konsens führen will. Und schliesslich ging es auch noch um zwei Bereiche aus dem Departement des Bundespräsidenten: um die Sozialpolitik (Rentenreform) und um die Gesundheitspolitik (Bürokratie und Gesundheitskosten).
Sie bringen nun sechs Klagen vor:
1. Sie hätten sich für diese Sendung beworben und seien nicht ausgewählt worden.
2. Wenn Leute aus dem Volk in der «Arena» zu Wort kommen, kennten sie sich stets im Thema nicht richtig aus und würden erst noch an der kurzen Leine gehalten.
3. Der AHV würden in Missachtung der Bundesverfassung Mittel entzogen. Sie hätten der «Arena»-Redaktion den einschlägigen «Saldo»-Artikel zugeschickt, aber das Thema sei trotzdem nicht besprochen worden.
4. Die Sachgerechtigkeit verlange, dass alle Fakten auf den Tisch gelegt werden.
5. SRF sende immer nur einseitig zu Gunsten von Parlament und Bundesrat. Es sei ein Medien-Machtinstrument des Bundesrates.
6. Es sei deshalb gut, wenn SRF nach einem Billag-Ja abgestellt werde. «Besser keine als nur einseitige Fake News».
Ich nehme zu Ihren Klagen Punkt für Punkt Stellung und überlege dabei, ob dadurch das Radio- und Fernsehgesetz verletzt worden ist:
1. Nichtberücksichtigung. Wenn die Redaktion der «Arena» Personen sucht, die etwas Interessantes und zum Thema der Sendung Passendes vorzubringen haben, dann muss sie selber entscheiden, welche Personen die interessantesten sind und welche sich nicht duplizieren, sondern ergänzen. Ich bedaure, dass Sie nicht ausgewählt wurden, muss aber darauf hinweisen, dass niemand einen Anspruch auf einen Radio- oder Fernsehauftritt hat. Es gibt «kein Recht auf Antenne». Das Radio- und Fernsehgesetz weist den Programmveranstaltern ausdrücklich die Programmautonomie zu und sagt in Artikel 6, Absätze 2 und 3:[3]
«Sie sind in der Gestaltung, namentlich in der Wahl der Themen, der inhaltlichen Bearbeitung und der Darstellung ihrer redaktionellen Publikationen und der Werbung frei und tragen dafür die Verantwortung.
Niemand kann von einem Programmveranstalter die Verbreitung bestimmter Darbietungen und Informationen verlangen.»
Dass Sie nicht eingeladen wurden, ist daher kein Verstoß gegen das Radio- und Fernsehgesetz.
2. Inkompetente Volks-Stimmen. Just die von Ihnen beanstandete Sendung zeigte, dass die vier Vertreter der Bevölkerung eine Ahnung hatten von den Anliegen, die sie vorbrachten. Ihr Kritikpunkt ist folglich unbegründet. Und die Frage, welche Qualität Meinungen und Aussagen von Gästen haben, berührt das Radio- und Fernsehgesetz ohnehin nicht.
3. Raub an der AHV. Was Sie als Missstand bezeichnen, wäre ein interessanter Punkt in einer Sendung, die allein der Rentenreform gälte. In einer Sendung aber, die den Titel trug «Wohin steuert unser Land?» und wo es um die Vorstellungen des neuen Bundespräsidenten ging, wäre er nicht zwingend und zu sehr ins Detail gehend gewesen, auch wenn das Thema Rentenreform noch kurz diskutiert wurde. Das Recht, den Takt vorzugeben, liegt beim Moderator. Der rote Faden war die Frage der Willensbildung, des Zusammenraufens und der Konsensherstellung in der direkten Demokratie Schweiz, und diesen Faden hat Jonas Projer konsequent durchgehalten. Da war kein Platz für Details. Der Moderator hat den Spielraum der Programmautonomie nicht gesprengt und daher nicht gegen das Radio- und Fernsehgesetz verstoßen.
4. Vollständigkeit der Fakten. In einer Sendung, die ausschließlich der Rentenreform gälte, würde Ihr Thema womöglich zu den wesentlichen Puzzle-Teilen gehören, und dann könnte man die Sachgerechtigkeit als verletzt sehen, wenn es nicht mitbehandelt würde. In einer Sendung aber, die der Rolle und den Vorstellungen des Bundespräsidenten gilt, fehlt kein wesentliches Element, wenn Ihr Thema nicht angesprochen wird. Die Sendung war daher im Sinne des Radio- und Fernsehgesetzes sachgerecht.
5. SRF als Machtinstrument des Bundesrates. In diesem Punkt irren Sie sich gewaltig. Weder berichtet SRF nur einseitig zu Gunsten von Parlament und Bundesrat (Wie sollte das überhaupt gehen, da ja im Parlament diametral entgegengesetzte Positionen vertreten werden?), noch ist der Sender ein Machtinstrument des Bundesrates. Parlament und Bundesrat legen zwar mit dem Gesetz, der Verordnung und den Konzessionen den rechtlichen Rahmen für Radio und Fernsehen fest – und zwar auch für private konzessionierte Sender, nicht nur für die SRG –, aber sie mischen sich inhaltlich nicht ein. Das Radio- und Fernsehgesetz sagt in Artikel 3a:
«Radio und Fernsehen sind vom Staat unabhängig.»
Und in Artikel 6, Absatz 1 ergänzt es:
«Soweit das Bundesrecht nichts anderes bestimmt, sind die Programmveranstalter nicht an die Weisungen von eidgenössischen, kantonalen oder kommunalen Behörden gebunden.» [4]
6. Fake News. Sie unterstellen, dass SRF ausschließlich Fake News produziere, also permanent lüge. Dem möchte ich entschieden widersprechen. Als Ombudsmann muss ich sehr viele Sendungen «auf Herz und Nieren» prüfen. Ich komme dabei immer wieder zum Schluss, dass es einzelne Fehler und Irrtümer gibt, dass aber die Fakten in der überwiegenden Mehrheit korrekt wiedergegeben werden, also belegt sind und stimmen. Darum ist die Lösung «Besser keine als nur einseitige Fake News» dreifach dumm: Erstens sendet SRF grundsätzlich nicht Fake News. Zweitens wäre ein Sender, der ausgewogen Fake News verbreitet, also nach russischen Lügen amerikanische Lügen weitervermittelt, eine ziemlich blödsinnige Einrichtung. Und drittens würde die Annahme der No Billag-Initiative und damit der Sendeschluss für die SRG nicht Fake News eliminieren, sondern News an und für sich mitsamt ihren analytischen Vertiefungen und Ergänzungen.
Fazit: Ich kann keiner Ihrer Klagen beipflichten und habe deshalb keinen Anlass, Ihre Beanstandung zu unterstützen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
[1] https://www.srf.ch/play/tv/arena/video/praesidialarena-mit-alain-berset?id=ebcec5c4-2fa8-4a7c-8d31-1ece709247c2
[2] Vgl. Anhang Saldo-Artikel
[3] https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20001794/index.html
[4] https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20001794/index.html
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