Serien «Dr. Bock» und «Jenny-Wanessa» beanstandet
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Mit der von Ihnen und 9380 andern Personen unterzeichneten Petition der «PatriotPetitonen» beanstandeten Sie die Video-Serien «Dr. Bock» und «Jenny-Wanessa» auf den Kanälen von Radio und Fernsehen SRF. Die Art und Weise, wie die Beanstandung übermittelt wurde – die gleichlautenden Texte der Unterzeichner trafen während mehrerer Tage im 10-Sekunden-Takt auf der Mailbox der Ombudsstelle ein und verstopften sie völlig – war ein eindeutiger Missbrauch des Beanstandungsverfahrens. Ich habe das denn auch in einer Medienmitteilung mit deutlichen Worten gerügt.[1] Darauf stoppten die Verantwortlichen von «PatriotPetitionen» die Lawine und zählten die neuen Unterschriften bloß noch auf ihrem Web-Account weiter. Dies war ein nötiger Schritt, den ich würdige.
Sie nehmen zwei verschiedene Sendefolgen ins Visier – «Dr. Bock» und «Jenny-Wanessa». Da sie ganze Sendefolgen beanstanden, greifen Sie zum Instrument der Zeitraumbeanstandung. Die Zeitraumbeanstandung umfasst Sendungen, von denen die älteste höchstens drei Monate, die jüngste höchstens 20 Tage zurückliegt. Da die Petitionen in der Nacht vom 26. auf den 27. Januar 2018 einsetzten, berücksichtige ich als letzte Sendung jene vom 26. Januar 2018. Die Zeitraumbeanstandung umfasst daher alle Sendungen der Monate November und Dezember 2017 sowie Januar 2018, insgesamt 13 Sendungen. In Bezug auf «Dr. Bock» entspricht Ihre Eingabe den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.
In Bezug auf «Jenny-Wanessa» sind die formalen Anforderungen hingegen nicht erfüllt. Die 21 Folgen liefen zwischen dem 9. Dezember 2016 und dem 14. April 2017, das Ende liegt fast 11 Monate zurück, außerdem sind die Videos online nicht mehr abrufbar. Ich kann daher auf die Beanstandung, soweit sie diese Serie betrifft, nicht eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«Wir sind aufgrund der Sendereihen ‹Dr. Bock› und ‹Jenny-Wanessa› in großer Sorge um das seelische Wohl unserer Jugend.
Die Videoreihe ‹Dr. Bock› richtet sich gezielt an Teenager und liefert diesem jungen Zielpublikum in übergriffiger Weise und in ordinärer Sprache Anleitungen und Tipps zu allen möglichen und unmöglichen Sexualpraktiken. Völlig skrupellos werden auf diese Weise Themen wie Pornographie, Selbstbefriedigung und Oralsex behandelt. Es gibt noch nicht einmal eine Alterskontrolle, die sicherstellt, dass das Material nicht auch jüngeren Kindern zugänglich ist. In der Reihe ‹Jenny-Wanessa› sucht ein Transsexueller, der sich als Blondine verkleidet, im Hörsaal einer Universität ‹junge Bengel› für einen Pornodreh.
Man möchte sich nicht ausmalen, welch seelischen Schaden diese obszönen Videos bei Kindern und Jugendlichen verursachen. Die sexuelle Aufklärung ist eine Frage, die in den Familienrahmen gehört und nur so dem Verständnis eines jeden jungen Menschen zur richtigen Zeit und mit dem notwendigen Feingefühl beigebracht werden kann. Jedenfalls ist es nicht die Aufgabe des gebührenfinanzierten Staatsfernsehens, in derart übergriffiger Weise die Elternrolle zu übernehmen.
Wir appellieren deshalb an Sie, zum Schutz unserer Jugend die beiden Videoreihen umgehend abzusetzen und dafür zu sorgen, dass sie aus dem YouTube-Kanal des Schweizer Fernsehens entfernt werden. Vielen Dank für Ihren entsprechenden Einsatz!»
Auf der Website der «Patrioten» steht ferner[2]:
«Es ist kaum zu glauben, wie das Schweizer Fernsehen mit angeblichen ‚Aufklärungsvideos‘ die Frühsexualisierung und Genderideologie verbreitet. In zwei gebührenfinanzierten Online-Videoreihen werden Kinder und Jugendliche in zutiefst anstößiger, ekelerregender Weise mit Themen konfrontiert, die jedem anständigen Menschen die Schamesröte ins Gesicht treiben.
Die Videoreihe ‹Dr. Bock› richtet sich laut dem Sender gezielt an ‹Teenager›, eine Alterskontrolle gibt es jedoch nicht, sodass das Material auch deutlich jüngeren Kindern zugänglich ist. In einer durchgehend ordinären Sprache erhält das junge Zielpublikum detaillierte Anleitungen zu allen möglichen und unmöglichen Sexualpraktiken. So führen die Moderatoren beispielsweise in einem Video völlig skrupellos an einem Plastik-Penis verschiedene ‹Grifftechniken› zur Selbstbefriedigung vor und fordern zum Nachmachen und Ausprobieren auf. Sie geben Tipps zu Oralsex, Pornokonsum, vorehelichem Verkehr und dem Aufnehmen von Nacktfotos. Ein Beitrag schürt bei Mädchen mit den Worten <ein Kind verändert euer Leben massiv> gezielt Ängste vor einer Schwangerschaft und bewirbt gleichzeitig die Abtreibungspille ‹Pille danach›.
In einer anderen Videoreihe des SRF, die ‹Jenny-Wanessa› heißt, sucht ein Transsexueller, der sich als Blondine verkleidet, im Hörsaal einer Universität ‚junge Bengel‘ für einen Pornodreh. Die Sendung, die sich offiziell als Satire gibt, stellt das Thema Transsexualität auf so anstößige Weise in den Vordergrund, dass sogar schon Transgender-Aktivisten davon angewidert sind.
Man möchte sich nicht ausmalen, welch seelischen Schaden diese obszönen Videos bei Kindern und Jugendlichen verursachen. Die sexuelle Aufklärung ist eine Frage, die in den Familienrahmen gehört und nur so dem Verständnis eines jeden jungen Menschen zur richtigen Zeit und mit dem notwendigen Feingefühl beigebracht werden kann. Es darf nicht sein, dass das gebührenfinanzierte Staatsfernsehen in derart übergriffiger Weise die Elternrolle übernimmt und unsere Jugend verdirbt.
Wir wenden uns daher mit anbei stehender Petition an die Ombudsstelle des Schweizer Fernsehens und fordern, die beiden jugendgefährdenden Sendungen umgehend abzusetzen und aus dem YouTube-Kanal des Schweizer Fernsehens zu löschen. Genderideologie und Frühsexualisierung haben im Schweizer Fernsehen nichts zu suchen.»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Herr Christoph Aebersold, Leiter Strategie und Angebote, stellvertretender Bereichsleiter SRF Junge Zielgruppen, schrieb:
«Eingegangen per Online-Petition beanstandet X die Sendungen von ‹Dr. Bock›, die im Rahmen des Videoformats ‹Youngbulanz› auf Youtube und im SRF-Webplayer zwischen 1. November 2017 und 31. Januar 2018 veröffentlicht wurden. Nachfolgend unsere Stellungnahme zur Beanstandung.
- Einordnung des Angebots ‘Youngbulanz’ und des Formats ‘Dr. Bock’
Mit dem Angebot ‹Youngbulanz› richtet sich Schweizer Radio und Fernsehen SRF spezifisch an ein junges Publikum von 13 bis 17 Jahren. Innerhalb des Ratgeber-Formats werden seit September 2017 wöchentlich verschiedene Themen behandelt, die Teenager besonders beschäftigen. In den drei unterschiedlich gestalteten Reihen ‹Dr. What›, ‹Dr. Do It› und ‹Dr. Bock› erhalten Jugendliche vielfältige Informationen zu Herausforderungen und Fragen aus dem Alltag, in der Schule und im Liebesleben. ‹Dr. Bock› widmet sich dabei Fragen der jugendlichen Sexualität.
Entwickelt wurde das Angebot ‹Youngbulanz› – insbesondere ‹Dr. Bock›– mit Unterstützung von internen und externen Fachleuten. Als Moderatorinnen und Moderatoren treten ausgewählte Vertreterinnen und Vertreter der Schweizer Social Media-Szene auf, die beim jungen Publikum eine hohe Beliebtheit und Glaubwürdigkeit geniessen. ‹Youngbulanz› wird über die Video-Plattform YouTube sowie den SRF-eigenen Webplayer distribuiert.
- Gegenstand der Beanstandung
Insgesamt wurden im Beanstandungszeitraum 13 Sendungen von ‹Dr. Bock› veröffentlicht, in denen die folgenden verschiedenen Aspekte der sexuellen Aufklärung thematisiert wurden:
03.11.17 Orgasmus bei Frauen[3]
10.11.17 Was du über Sex wissen solltest[4]
17.11.17 Safer Sex: So schützt du dich richtig[5]
24.11.17 Sexuelle Belästigung: So wehrst du dich[6]
01.12.17 Alles zum ‘ersten Mal’[7]
08.12.17 Verhütung: Die besten Methoden[8]
15.12.17 Ohne Angst zum Frauenarzt[9]
22.12.17 Die Periode: Alles zur Menstruation[10]
29.12.17 So schützt du dich vor einer Schwangerschaft[11]
05.01.18 Fake vd. Realität: Das solltest du über Pornos wissen[12]
12.01.18 Sexting: Do’s & Don’ts[13]
19.01.18 Wichtiges zum Thema Oralsex[14]
26.01.18 5 Tipps zur Intimrasur[15]
Die Clips sind zwischen vier und acht Minuten lang. Im Zentrum steht ein Moderationsduo, das wichtige Aspekte des jeweiligen Themas herausgreift und mit Hilfe von grafischen Elementen und Texteinblendern veranschaulicht.
Die Beanstanderin kritisiert in ihrem Mail die ‘ordinäre Sprache’ in den Videos. Tatsächlich wird in den einzelnen Folgen sehr direkt und umgangssprachlich über Sexualität gesprochen. Die Moderatorin und der Moderator sprechen eine Sprache, die Teenager verstehen und die ihre Lebensrealität spiegelt. Ganz bewusst wird darauf verzichtet, sprachlich weder sehr zurückhaltend noch sehr offensiv an die Themen heranzugehen, um Hemmschwellen abzubauen. Derbe und herabwürdigende Ausdrücke werden vermieden oder eingeordnet.
Weiter ist im Mail der Beanstanderin von ‹Anleitungen und Tipps zu allen möglichen und unmöglichen Sexualpraktiken› die Rede. Diese Behauptung ist falsch. Bei ‹Dr. Bock› wurden bislang die Praktiken Vaginal- und Oralsex sowie Masturbation behandelt. Dabei handelt es sich um Sexualpraktiken, die in der Schweiz breiten Bevölkerungsgruppen bekannt sind. So zeigt zum Beispiel die Studie ‹Sex in der Schweiz› (2017, Sotomo)[16], dass über 80% der Schweizerinnen und Schweizer schon Erfahrungen mit Oralsex gemacht haben, rund 90% Selbstbefriedigung praktizieren.
‹Dr. Bock› beantwortet Fragen, die sich Heranwachsende bezüglich ihrer eigenen Sexualität stellen und mit denen sie im Alltag konfrontiert werden. Vorhandene Unsicherheiten sollen durch offene Kommunikation und Empfehlungen abgebaut werden. Dazu gehört auch die Beschreibung und Veranschaulichung möglicher Handlungen. Ein zentraler Punkt in der Entwicklung und Produktion der Reihe war, dass keine Tabuisierung stattfindet und stattdessen auf die Natürlichkeit der besprochenen Inhalte fokussiert wird. Die Zuschauerinnen und Zuschauer sollen Antworten finden und Empfehlungen für souveränes Verhalten in Liebe und Sexualität erhalten.
Die Themenauswahl erfolgte unter Berücksichtigung verschiedener Publikationen von Kinder- und Jugendschutzorganisationen sowie in Anlehnung an die im Lehrplan 21 beschriebenen Kompetenzen:
Die Schülerinnen und Schüler können Geschlecht und Rollen reflektieren.[17]
Die Schülerinnen und Schüler können Beziehungen, Liebe und Sexualität reflektieren und ihre Verantwortung einschätzen.[18]
Diese Kompetenzen gehören alle in den Zyklus 3 (7.-9. Klasse) und sind wie folgt im Lehrplan eingeordnet: Natur-Mensch-Gesellschaft > Religionen-Kulturen-Ethik > Ich und die Gemeinschaft - Leben und Zusammenleben gestalten. (Die Links verweisen auf den Lehrplan im Kanton Zürich. In anderen kantonalen Lehrplänen sind diese Kompetenzen in derselben oder ähnlicher Form zu finden.)
Die Beanstanderin lehnt sexuelle Aufklärung ausserhalb der Familie grundsätzlich ab: <Die sexuelle Aufklärung ist eine Frage, die in den Familienrahmen gehört und nur so dem Verständnis eines jeden jungen Menschen zur richtigen Zeit und mit dem notwendigen Feingefühl beigebracht werden kann.>Die Wichtigkeit von sexueller Aufklärung im familiären Rahmen stellen wir mit ‹Dr. Bock› keineswegs in Frage. Auch Organisationen wie Pro Juventute oder Kinderschutz Schweiz verweisen in Positionspapieren darauf, dass den Eltern bei der Sexualerziehung eine Hauptverantwortung zukommt. Allerdings zeigen Umfragen und Studien deutlich, dass die Familie längst nicht die erste Informationsquelle beim Wissen über Sexualität ist. Schon 2009 wurde in der Studie ‹Jugendsexualität im Wandel der Zeit› (2009, EKKJ)[19] nachgewiesen, dass das Wissen über Sexualität am häufigsten vom Austausch mit Gleichaltrigen kommt, gefolgt von Internet und Jugendzeitschriften und an vierter Stelle von der Schule. Die Eltern wurden an fünfter Stelle genannt.
‹Dr. Bock› soll eine Ergänzung zur Aufklärung durch die Eltern und an der Schule sowie der häufigen Konfrontation mit Sexualität im Internet bieten. Die Reihe will dabei helfen, verzerrte Vorstellungen oder falsche Fremd- und Selbstwahrnehmungen abzubauen, die durch mediale Darstellungen von Sexualität gefördert werden können. Nicht alle intimen Fragen mag jeder junge Mensch verständlicherweise mit seinen Eltern besprechen oder im Klassenverband seiner Schule thematisieren. Hier kann ein Angebot wie ‹Dr. Bock› ergänzend unterstützen, indem es verschiedene Aspekte von Sex geradeheraus erklärt.
Das Bedürfnis von Jugendlichen nach Sexualaufklärung ist gross, gerade weil durch die neuen Medien die Konfrontation mit sexuellen Inhalten sehr viel früher geschieht als noch vor wenigen Jahren. So haben sich zum Beispiel 27% der Jugendlichen zwischen 12 und 13 Jahren in der Schweiz schon pornografische Filme angeschaut, wie die JAMES-Studie (2016, ZHAW)[20] zeigt. In den darüberliegenden Altersgruppen liegen die Werte noch deutlich höher. In derselben Studie gibt ein Viertel der Schweizer Jugendlichen an, dass sie online bereits einmal von einer fremden Person mit unerwünschten sexuellen Absichten angesprochen wurden (‚Cybergrooming‘).
Das Bundesamt für Gesundheit sowie Kinderschutz Schweiz und Pro Juventute haben mit eigenen Kampagnen und Merkblättern darauf reagiert. Pro Juventute schreibt zu den Herausforderungen der Sexualaufklärung auf der eigenen Webseite: <Dabei geraten sie [Kinder und Jugendliche] leicht an die falsche Adresse: sie landen in virtuellen Darkrooms, klicken auf Pop-ups, die zu harter Pornographie führen oder erhalten sexuelle Darstellungen zugeschickt. Fehlt ihnen die nötige Aufklärung, sind sie mit ihren Fragen und Unsicherheiten zum Thema Sexualität alleine gelassen.> Auf der Webseite wird auch darauf hingewiesen, dass viele Eltern mit den Herausforderungen der sexuellen Aufklärung überfordert sind.
Die positive Wirkung, die Aufklärung auf Kinder und Jugendliche hat, wird in verschiedenen Studien und Expertenberichten beschrieben (vgl. Expertenbericht des Bundesrates; Sexualaufklärung in der Schweiz mit Bezug zu internationalen Leitpapieren und ausgewählten Vergleichsländern; 2017)[21]: <Eine wirkungsvolle Sexualaufklärung durch Eltern, Schule und weitere Akteure im formellen und informellen Bereich leistet jedoch, wie internationale Studien zeigen, einen wesentlichen Beitrag zu einem risikoärmeren Sexualverhalten junger Menschen.> Aufgeklärte junge Menschen schützen sich besser vor sexuell übertragbaren Krankheiten und unerwünschten Schwangerschaften sowie vor sexuellen Übergriffen.
<Man möchte sich nicht ausmalen, welch seelischen Schaden diese obszönen Videos bei Kindern und Jugendlichen verursachen>, sorgt sich die Beanstanderin. Diese Sorge ist unbegründet: Auf die altersstufengerechte Umsetzung der einzelnen Episoden wurde bei der Konzeption sehr grossen Wert gelegt. Für Inhalt und Form standen Fachleute zur Seite, die richtige Ansprache wurde mit Unterstützung einer ausgewiesenen Expertin für Fragen jugendlicher Sexualität entwickelt. Alle Folgen durchlaufen einen mehrstufigen Abnahmeprozess. ‹Dr. Bock› erfüllt die Qualitätsansprüche, die SRF an sein Angebot stellt. Die kurzen Clips sind formal sehr simpel produziert und setzen nicht auf Effekte, Provokation oder Tabubrüche. Von einer Umsetzung, die ‹übergriffig› oder ‹obszön› wäre, wie es die Beanstanderin schreibt, können wir bei Dr. Bock nichts erkennen. Das bestätigen auch positive Rückmeldungen mehrerer Pädagogen und eine Auswertung durch eine Gruppe von Studierenden des IPMZ der Universität Zürich.
Die Beanstanderin bemängelt weiter die fehlende Alterskontrolle, <die sicherstellen soll, dass das Material nicht auch jüngeren Kindern zugänglich ist.> Dazu ist festzuhalten, dass die restriktiven Bestimmungen der Plattform YouTube zum Jugendschutz durch ‹Youngbulanz› vollumfänglich eingehalten werden. Wäre dies nicht der Fall, hätte YouTube die Videos von ‹Dr. Bock› gesperrt. Auch die SRF-internen publizistischen Leitlinien und die darin enthaltenen Bestimmungen zum Jugendschutz werden mit dem Format eingehalten. Unabhängig von ‹Dr. Bock› weisen wir auf die Verantwortung der Eltern im Umgang mit dem Internet hin: Wer sein unter 12-jähriges Kind unbeaufsichtigt und ohne entsprechende Sicherheitseinstellungen im Internet surfen lässt, riskiert tatsächlich, dass es mit möglicherweise ungeeigneten Inhalten in Kontakt kommt. Hierbei denken wir nicht an ein harmloses Aufklärungsformat, sondern an Gewaltdarstellungen, Pornografie und andere explizite Inhalte.
- Fazit
Wir gelangen in allen vorgebrachten Kritik-Punkten gegenüber der Videos aus der Reihe ‹Dr. Bock› zu einem anderen Schluss als die Beanstanderin. Insbesondere wehren wir uns gegen die Vorwürfe der Obszönität und Übergriffigkeit. Themen zu behandeln, die junge Menschen interessieren und beschäftigen, halten wir für eine zentrale und legitime Aufgabe von SRF, die auch aus dem Leistungsauftrag für die SRG abgeleitet werden kann.
Die Relevanz des Themas Sexualaufklärung zeigt sich insbesondere daran, dass Sex in der heutigen Gesellschaft allgegenwärtig ist. Durch die Verbreitung von Internet erhalten viele Jugendliche schon sehr früh zu sexuellen und pornografischen Inhalten Zugang. Dies wird durch verschiedene Mediennutzungsanalysen – z.B. die JAMES- und MIKE-Studien[22] – auch für die Schweiz deutlich bestätigt.
Die bei ‹Dr. Bock› in den verschiedenen Episoden herausgegriffenen Aspekte sind auf die junge Zielgruppe und ihre Lebensrealität angepasst. Sie beschäftigen sich einerseits mit ‹klassischen› Aufklärungsthematiken: erstes Mal, Safer Sex, Verhütung, Menstruation etc. Andererseits behandeln sie auch ‹moderne› Bereiche: sexuelle Belästigung, pornografische Darstellungen, Sexting, Intimrasur. Die Moderatorin und der Moderator sprechen die Zuschauerinnen und Zuschauer in ihrer Sprache an. Ziel ist es, die Jugendlichen in ihrer Selbstsicherheit in persönlichen und sexuellen Fragen zu unterstützen; sie sollen Antworten finden und Empfehlungen für ein souveränes Verhalten in Fragen von Liebe und Sexualität erhalten.
Die Reihe ‹Dr. Bock› ersetzt keinesfalls die sehr wichtige Rolle der Eltern in der Sexualaufklärung, kann sie und schulische Angebote jedoch sinnvoll ergänzen. Dass Sexualaufklärung verschiedene Akteure einschliesst, die Kinder und Jugendliche in ihrem Entwicklungsprozess begleiten, hält oben genannte Expertengruppe ebenfalls fest. Eine wichtige Rolle nehmen hier seit jeher auch Medien ein.
Wir respektieren ausdrücklich auch die unterschiedlichen Werthaltungen, die zum Thema Sexualaufklärung bestehen. Jedoch erkennen wir dazu in der Reihe ‹Dr. Bock› keinen Widerspruch.
‹Dr. Bock› richtet sich an Menschen ab 13 Jahren. Diese befinden sich in einem Alter, in dem die Sexualität aufgrund der eigenen körperlichen Entwicklung und des sozialen Umfelds einen hohen Stellenwert einnimmt. Sie verfügen bei der Mediennutzung über eine grosse Selbständigkeit, wie unterschiedliche Studien zeigen. Nicht zuletzt aufgrund ihrer Neugier kommen sie oft in Kontakt mit sexuellen Themen – darunter auch heikle Inhalte. Expertinnen und Experten sind sich einig darin, dass Jugendliche mit daraus entstehenden Unsicherheiten und Fragen nicht alleine gelassen werden sollten. Hier kann ein Ratgeberformat wie ‹Dr. Bock› durchaus unterstützend wirkend. Die Forderung der Beanstanderin, die Videoreihe ‹zum Schutz unserer Jugend› abzusetzen, können wir daher nicht nachvollziehen.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Serie. Ich habe mir die 13 beanstandeten Folgen von «Dr. Bock» genau angesehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das die über 9000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner der Petition gegen die Video-Serie und damit Mitunterstützer Ihrer Beanstandung alle auch getan haben. Es wäre wohl auch sinnlos gewesen, denn schätzungsweise zwei Drittel der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner stammen aus Deutschland, Österreich oder Südtirol und hätten deshalb die Videos, die in Schweizer Dialekt gehalten sind, gar nicht verstanden. Und wenn sie es verstanden hätten, hätten sie sich kaum zur Qualifikation verstiegen, dass Kinder und Jugendliche in dieser Serie «auf anstößige, ekelerregende Weise» mit Themen konfrontiert würden, «die jedem anständigen Menschen die Schamröte ins Gesicht treiben».
Keine Frage, die erste Verantwortung für die sexuelle Aufklärung der Jugendlichen gebührt dem Elternhaus. Aber wie viele Eltern vernachlässigen diese Aufgabe, schrecken vor ihr zurück, sind überfordert? Wie viele Väter, die ihre Frau schlagen und vergewaltigen und ihre Kinder züchtigen, wären überhaupt in der Lage, von Behutsamkeit und Zärtlichkeit zu reden? Es ist darum unabdingbar, dass die Schule und die Medien das Elternhaus ergänzen. Und die Video-Serie «Dr. Bock» erfüllt die Aufgabe auf herausragende Weise. Immer wieder weisen die Moderatoren Kevin und Sarah darauf hin, dass die jungen Leute beim Sex behutsam vorgehen und auf den Partner/die Partnerin Rücksicht nehmen sollen; dass man miteinander reden muss, sich Zeit nehmen muss, nur tun soll, was das Gegenüber auch mag. Nie werden die beiden obszön und grob. Es ist eigentlich nichts anderes als ein erzähltes Lexikon über Sexualität – aber wie das die beiden machen! Sie sind sehr systematisch, aber dank ihrer Mimik, Gestik und Verspieltheit nie langweilig. Und ihr Ceterum censeo ist: sich schützen, schützen, schützen. Wenn das nicht optimale Aufklärung ist! Ich bin begeistert. Die Serie ist sachgerecht und erfüllt alle Bedingungen des Jugendschutzes.
Jedenfalls hat die Serie nicht den Charakter, dass Jugendliche – wie Sie argwöhnen – «seelischen Schaden» nehmen könnten und dass die Serie im Dienste der «Frühsexualisierung und Genderideologie» stehen könnte. Da irren Sie gewaltig. Gerade solche Themen gehören zur Aufgabe eines Service public-Senders, der übrigens, anders als Sie annehmen, kein «Staatsfernsehen» ist. Ich kann mich den Ausführungen von Herrn Aebersold voll und ganz anschliessen und kann deshalb Ihre Beanstandung nicht unterstützen. Und dies bedeutet zugleich: Ich werde SRF nicht empfehlen, die Serie abzusetzen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
[1] https://www.srgd.ch/de/aktuelles/news/2018/01/30/massiver-missbrauch-des-srg-ombudsverfahrens/
[2] https://www.patriotpetition.org/2018/01/25/fruehsexualisierung-und-genderideologie-im-schweizer-fernsehen-unterbinden/
[3] https://www.srf.ch/play/tv/dr--bock/video/wie-kommen-maedels-zum-hoehepunkt-thema-orgasmus-?id=2e0c0c96-a213-4ea3-9f79-c24063723528&station=ee1fb348-2b6a-4958-9aac-ec6c87e190da
[4] https://www.srf.ch/play/tv/dr--bock/video/was-du-ueber-sex-wissen-solltest?id=748004f7-fbbf-4916-bf93-0702251ec4a2&station=ee1fb348-2b6a-4958-9aac-ec6c87e190da
[5] https://www.srf.ch/play/tv/dr--bock/video/safer-sex-so-schuetzt-du-dich-richtig?id=325e172a-84e3-4105-a7a5-3d94adb6eaa3&station=ee1fb348-2b6a-4958-9aac-ec6c87e190da
[6] https://www.srf.ch/play/tv/dr--bock/video/sexuelle-belaestigung-so-wehrst-du-dich-?id=7b66fee3-0394-42ca-b994-f38c88a083fc&station=ee1fb348-2b6a-4958-9aac-ec6c87e190da
[7] https://www.srf.ch/play/tv/dr--bock/video/alles-zum-ersten-mal?id=a680d27a-7372-421d-8e22-7fbbb3b4fe7b&station=ee1fb348-2b6a-4958-9aac-ec6c87e190da
[8] https://www.srf.ch/play/tv/dr--bock/video/verhuetung-die-besten-methoden?id=4103a4c0-49ee-475a-9df1-1eee370552a9&station=ee1fb348-2b6a-4958-9aac-ec6c87e190da
[9] https://www.srf.ch/play/tv/dr--bock/video/ohne-angst-zum-frauenarzt?id=0f77409f-e850-4c1b-ace2-09e2ba956bf7&station=ee1fb348-2b6a-4958-9aac-ec6c87e190da
[10] https://www.srf.ch/play/tv/dr--bock/video/die-periode-alles-zur-menstruation?id=f76449a7-e294-41b2-b165-e920693771d3&station=ee1fb348-2b6a-4958-9aac-ec6c87e190da
[11] https://www.srf.ch/play/tv/dr--bock/video/so-schuetzt-du-dich-vor-einer-schwangerschaft?id=bbf2bf08-56ed-48a7-8dfc-3c278eb76013&station=ee1fb348-2b6a-4958-9aac-ec6c87e190da
[12] https://www.srf.ch/play/tv/dr--bock/video/fake-vs--realitaet-das-solltest-du-ueber-pornos-wissen?id=0a8ee101-98cc-4673-aacb-7931150fcd6b&station=ee1fb348-2b6a-4958-9aac-ec6c87e190da
[13] https://www.srf.ch/play/tv/dr--bock/video/sexting-dos--donts?id=b1ea8f88-9797-40b8-b315-b5b37313f962&station=ee1fb348-2b6a-4958-9aac-ec6c87e190da
[14] https://www.srf.ch/play/tv/dr--bock/video/wichtiges-zum-thema-oralsex?id=44414bab-33cb-40c9-aad7-447e31b97e7a&station=ee1fb348-2b6a-4958-9aac-ec6c87e190da
[15] https://www.srf.ch/play/tv/dr--bock/video/5-tipps-zur-intimrasur?id=43055e2e-a153-488c-aba5-d60a46328472&station=ee1fb348-2b6a-4958-9aac-ec6c87e190da
[16] https://sotomo.ch/site/sex-in-der-schweiz/
[17] http://zh.lehrplan.ch/index.php?code=a|6|5|5|0|2
[18] http://zh.lehrplan.ch/index.php?code=a|6|5|5|0|2
[19] https://www.ekkj.admin.ch/themen/sexualitaet/
[20] https://www.zhaw.ch/storage/psychologie/upload/forschung/medienpsychologie/james/2016/Ergebnisbericht_JAMES
[21] https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/themen/mensch-gesundheit/kinder-jugendgesundheit/sexualaufklaerung.html
[22] https://www.zhaw.ch/storage/psychologie/upload/forschung/medienpsychologie/mike/Bericht_MIKE-Studie_2015.pdf
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