«10vor10»-Beitrag über GfS-Umfrage zur No-Billag-Initiative beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 22. Februar 2018 beanstandeten Sie die Sendung «10 vor 10» (Fernsehen SRF) vom 21. Februar 2018 und dort die Berichterstattung über die GfS-Meinungsumfrage zur No-Billag-Initiative.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Gerne möchte ich meine Bedenken über die Sendung 10 vor 10 von gestern Abend: 21.02.2018 kundtun. In meinen Augen war das eine nicht endend wollende Werbeveranstaltung gegen die NO-Billag-Initiative.

Als Konsument mit ‘neutraler Meinung’ fühle ich mich über den Tisch gezogen. Es ist eine komplett einseitige Sichtweise des SRF. Die Befürworter haben keine Alternative mit gleicher Reichweite.

Dies ist mutmasslich eine Missachtung von folgendem Prinzip:

  • des Sachgerechtigkeitsgebots: Redaktionelle Sendungen mit Informationsgehalt müssen Tatsachen und Ereignisse sachgerecht darstellen, so dass sich das Publikum eine eigene Meinung bilden kann.

Eine eigene Meinung bilden ist mit einer solchen Berichterstattung nicht gegeben. Es ist eine vielmehr komplette Meinungsbildung in eine Deutliche Richtung. Wahlbeeinflussung auf höchster Ebene,

bezahlt von unseren Gebühren.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für «10 vor 10» antworteten dessen Redaktionsleiter, Herr Christian Dütschler, sowie Frau Corinne Stöckli, Redaktorin:

«Herr X beanstandet unsere Berichterstattung über die No-Billag-Initiative in der Sendung vom 21. Februar 2018. Der Fokus zum Thema beinhaltete die ‘No-Billag-Umfrageergebnisse’, ein Studiogespräch mit Lukas Golder von GfS Bern und den Beitrag ‘Die möglichen Folgen von No Billag für das Radio’.

Bei den Umfrageergebnissen und beim Studiogespräch kommen weder Gegner noch Befürworter der Initiative zu Wort, sondern es werden kurz die aktuellen Zahlen präsentiert und darauf von dritter Seite ausführlich interpretiert. Dabei hat sich der Studiogast auf seine Rolle als Wissenschaftler beschränkt und in keiner Art und Weise Position bezogen. Wir gehen deshalb davon aus, dass sich die Kritik des Beanstanders auf den Beitrag ‘Die möglichen Folgen von No Billag für das Radio’ [2] bezieht, der ein kontradiktorisches Konzept hat.

Zu Beginn des kritisierten Beitrages nimmt das Publikum beobachtend an der morgendlichen Themensitzung der Redaktion der Radiosendung ‘Echo der Zeit’ teil und erlebt, wie Themen gesucht und diskutiert werden. Nach einer kurzen Vorstellung der Sendung äussern sich ein Initiativ-Befürworter (Initiant der No Billag-Initiative Andreas Kleeb) und ein Initiativ-Gegner (Ehemaliger Redaktionsleiter des Echos der Zeit, Caspar Selg) zur Frage, ob ein Ja zu No Billag automatisch zum Sendeschluss führe oder nicht. Darauf wird kurz die Radio-Landschaft der SRG dargestellt. Im Anschluss können sich der Initiativ-Befürworter und der Initiativ-Gegner zuerst zur Frage der Finanzierung und dann zu den notwendigen Kosten äussern. Gegen Ende des Beitrages erlebt das Publikum, wie das Echo-Team kurz vor der Sendung die letzten Modifikationen vornimmt und danach auf Sendung geht. Abschliessend wird auf die Abstimmung am 4. März hingewiesen.

Der Beanstander kritisiert, der Beitrag sei ‘eine Werbeveranstaltung gegen die No-Billag-Initiative’, enthalte ‘eine komplett einseitige Sichtweise des SRF’. Damit sind wir nicht einverstanden. Dass gemäss dem Beanstander ‘die Befürworter keine Alternative mit gleicher Reichweite haben’, verstehen wir als Hinweis, dass SRF eine grössere Reichweite hat als zum Beispiel private Fernsehsender in der Schweiz. Gerade darum halten wir uns in unserer Berichterstattung an besondere Vorgaben. Dazu gehört, dass wir im Zusammenhang mit anstehenden Abstimmungen nicht nur sachgerecht, sondern auch ausgewogen berichten. Wir meinen, dass wir genau das getan haben, und legen im Folgenden gerne unsere Sichtweise dar.

Im Beitrag geht es um das Thema Radio und No Billag. Für die Umsetzung eines Themas im Fernsehen brauchen wir jeweils einen geeigneten Schauplatz. Dabei liegt es auf der Hand, dass wir den Beitrag zum Thema Radio eben auch beim Radio drehen. Mit der Wahl dieses Schauplatzes konnten wir dem Publikum passend zum Thema auch einen Einblick in den Radio-Alltag vermittelt. Dazu gehörte, dass auch Äusserungen der Mitarbeitenden der Echo-Redaktion zu hören waren. Wichtig ist, dass es sich dabei ausschliesslich um Mitschnitte aus ihrem Arbeitsalltag handelte. Keiner der gezeigten Gesprächsausschnitte hatte einen politischen Inhalt oder einen Bezug zur No-Billag-Initiative.

Zur Debatte stehen also die Äusserungen der beiden Interview-Partner, Initiativ-Befürworter Andreas Kleeb und Initiativ-Gegner Caspar Selg.

Andreas Kleeb ist ein Mit-Initiant der No-Billag-Initiative und gehört zu deren Kernteam. Als solcher ist er mit dem Inhalt der Initiative und der Sichtweise der Initianten bestens vertraut. Zudem hat er sich im Abstimmungskampf aktiv engagiert und an diversen Podiumsdiskussionen und Streitgesprächen teilgenommen. Er ist somit sicher ein angemessener Vertreter seitens der Initiativ-Befürworter.

Auf der Seite der Initiativ-Gegner haben wir Caspar Selg interviewt. Selg hat 35 Jahre in verschiedenen Funktionen beim Radio gearbeitet, unter anderem mehrere Jahre als Leiter der SRF-Sendung Echo der Zeit. Er ist also ein profunder Kenner der SRG im Allgemeinen und des Schweizer Radios im Besonderen und kann glaubwürdig abschätzen, welche Auswirkungen ein Wegfall der Gebühren für das Radio hätte. Wichtig ist zudem, dass Selg seit 2015 pensioniert ist und im Beitrag nicht als Vertreter von SRF, sondern als Privatperson spricht. Entsprechend wurde er im Beitrag im Einblender als ‘Ehemaliger Redaktionsleiter Echo der Zeit’ bezeichnet.

Die beiden Kontrahenten werden im Beitrag korrekt eingeführt und kommen insgesamt je dreimal zu Wort. Wörtlich lauteten die ersten Zitate:

<Doch das ‘Echo’ steht vor einer unsicheren Zukunft, wegen der No-Billag-Initiative. Andreas Kleeb ist einer der Initianten und trifft den pensionierten Radio-Journalisten Casper Selg zum Streitgespräch: Ein Ja zu No-Billag führe nicht automatisch zum Sendeschluss.>

Andreas Kleeb, No-Billag-Initiative

<Auch bei einem Ja am 4. März wird es mit der SRG weitergehen. Die SRG hat für den Umbau rund 3 bis 4 Jahre Zeit. Die Bundesrätin hat gesagt, bis zur Umsetzung der Gesetze und Verordnungen brauche es diese Zeit. Was das Radio spezifisch betrifft, dort wird man sicher in dieser Zeit hingehen müssen, zu reduzieren. Es ist nicht notwendig, dass es 17 Radiostationen braucht. Es wird eine Konzentration geben auf weniger und dort den neuen Inhalt definieren.>

Casper Selg, Ehemaliger Redaktionsleiter Echo der Zeit

<Das ist eine Illusion. Die ganze Initiative ist darauf angelegt, - der Text selber, aber auch die Intention von jenen, die entscheidend dabei waren, - die öffentlich-rechtlichen Medien abzuschaffen. Das hat Roger Köppel bei der SVP-Delegiertenversammlung noch einmal deutsch und deutlich gesagt: Es geht um die Liquidierung vom öffentlich-rechtlichen Radio und Fernsehen. Das müsse weg. Und so ist der Artikel auch abgefasst.>

Es folgte ein kurzer Exkurs zu den Kosten und der Finanzierung des Radios und O-Töne aus dem Radio-Alltag. Darauf folgten nochmals je zwei Quotes der beiden Kontrahenten, wobei die Argumente der Initiativ-Befürworter im Beitragstext zusätzlich bekräftigt wurden:

<Fallen die Gebühren weg, könnten sich die Informationssendungen über Werbung oder Abos finanzieren - sagen die Initianten.>

Andreas Kleeb, No-Billag-Initiative:

<Die SRG hat sehr viele tolle Angebote, sehr viele wertvolle Angebote. Die sind so gut, dass wir der Überzeugung sind, dass es eine Nachfrage gibt, die bereit ist, dafür zu bezahlen.>

Casper Selg, Ehemaliger Redaktionsleiter Echo der Zeit:

<Das ist in der Theorie sicher interessant und richtig. Doch das Radio kommt über die Luft. Es ist kein Mensch so blöd, dass er für einen Radio-Beitrag bezahlt, den er gratis über die Luft haben kann.>

Bezahlmodelle würden möglich werden, bekräftigen die Initianten - durch die technische Entwicklung. Und mit Werbung wären wichtige SRG-Sendungen wie das Rendez-vous zu finanzieren. Gleichzeitig müsse rigoros gespart werden.

Andreas Kleeb, No-Billag Initiative:

<Im Tessin, der zweitgrösste Arbeitgeber. Das wirft Fragen auf. Man kann das kleiner machen: Auch mit 500 Leuten, Halbierung im Tessin, ist das immer noch ein sehr grosses Medienhaus, immer noch ein sehr mächtiges Medienhaus, das seine Position auch halten wird können.>

Casper Selg, Ehemaliger Redaktionsleiter Echo

<Wenn man den Anspruch erfüllen will, dass man diese Gesellschaft mit soliden Informationen und Zusammenhängen und Erläuterungen versorgt, dann ist das anders nicht zu machen.>

Beide Kontrahenten kamen also mit je drei Quotes gleichermassen zu Wort, wobei die Argumente der Befürworter zusätzlich im Beitragstext bekräftigt wurden. Misst man die reine Redezeit in Sekunden hat der Vertreter der Initiativ-Befürworter (ca. 48 Sek.) zudem sogar etwas mehr Redezeit (ca. 6 Sek.) als der Vertreter der Initiativ-Gegner (ca. 42 Sek.).

Es kann also keine Rede davon sein, dass der Beitrag ‘eine komplett einseitige Sichtweise des SRF’ wiedergebe und eine nicht ‘endend wollende Werbeveranstaltung gegen die No-Billag-Initiative’ war.

Wir bitten Sie deshalb, die Beanstandung nicht zu unterstützen.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Die Sendung zerfiel in zwei Teile: Der erste Teil war akteursinitiiert, der zweite medieninitiiert. Das heißt: Beim ersten Teil kam der Anstoß zum Beitrag von außen, nämlich vom Institut GfS-Bern, das seine Umfragezahlen veröffentlicht hatte. Beim zweiten Teil kam der Anstoß zum Beitrag von innen, von der Redaktion selber, die sich die Frage stellte, wie wohl die Zukunft des SRG-Radios ohne Gebühren aussähe. Im ersten Teil war «10 vor 10» zunächst nur Vermittler: Man gab die Zahlen und Daten wieder, die aus der Umfrage hervorgingen, und man hätte das genauso redlich und korrekt gemacht, wenn die Zahlen ergeben hätten, dass die Befürworter der Initiative 80 Prozent der Stimmwilligen hinter sich haben. Dafür, dass die Gegner bei der Umfrage deutlich vorne lagen, konnte die Redaktion nichts. Sie berichtete bloß. Im Studiogespräch mit Lukas Golder, dem Co-Direktor von GfS-Bern und Politikwissenschaftler, wurden dann die Gründe für die Umfrageergebnisse erörtert. In diesem Teil der Sendung war die Berichterstattung durchweg sachgerecht und korrekt.

Der andere Teil der Sendung galt dem Radio. Es handelte sich um einen Hintergrundbericht. In Hintergrundberichten spielen Fakten eine Rolle. Da spielt zum Beispiel eine Rolle, dass das Radio der SRG ohne Werbung operiert und fast vollständig durch Gebühren finanziert wird. Da spielt eine Rolle, dass die Qualität des «Echos der Zeit» auf den vielen Korrespondenten basiert, die Geld kosten. Hätte es sich um eine andere Abstimmungsvorlage gehandelt, beispielsweise um eine Verkehrsvorlage, dann hätte es «10 vor 10» wahrscheinlich bei der Reportage im Studio und bei der Darlegung der Fakten bewenden lassen. Da es aber um SRF selber ging, fügte die Redaktion der Hintergrundberichterstattung noch ein Streitgespräch an, bei dem das Pro und Contra zur Initiative gleichwertig zum Zuge kamen. Die Redaktion hat also mehr als das Notwendige getan. Sie ist absolut sachgerecht geblieben. Ich kann daher Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

[1] https://www.srf.ch/play/tv/10vor10/video/10vor10-vom-21-02-2018?id=1632ab7d-181e-4992-922f-e8c8ab0b1186

[2] https://www.srf.ch/play/tv/10vor10/video/fokus-die-moeglichen-folgen-von-nobillag-fuer-das-radio?id=7ee7feec-a4a5-4dda-b9cb-657f0d83ab05&station=69e8ac16-4327-4af4-b873-fd5cd6e895a7

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