«Wort zum Sonntag» zum Thema Waffen und Kinder beanstandet
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Mit Ihrem Brief vom 25. Februar 2018 beanstandeten Sie die Sendung «Wort zum Sonntag» (Fernsehen SRF) vom 24. Februar 2018 zum Thema «Waffen und Kinder».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«Die genannte Sendung mit nur politischen Aussagen beanstande ich und beschwere mich gegen eine solche Aussendung. Das gewählte Thema war durchaus aktuell und sendetauglich, während dessen Interpretation nur politische Aspekte darstellte. Wie eine solche Sendung (im religiösen Mantel) die Radaktion frei geben konnte, ist zu prüfen. Als religiöse Sendung hätten theologische Schlussfolgerungen dargestellt gehört. Das Missachten der christlichen Grundwerte (die zehn Gebote, die Bergpredigt u.a.m.) gehören angeprangert. Die kirchliche Sendung sollte hinterfragen wieso diese Grundwerte missachtet und unbekannt sind. Die Aufgabe der Kirchen (Religionen) ist diese Grundwerte auf breiter Basis zur Norm werden zu lassen und nicht im Rahmen des Fernsehens politischem und wirtschaftlichem Handeln die Schuld an schrecklichen Missetaten zu zuweisen. Diese Einschränkungen haben nichts mit der freien Meinungsäusserung zu tun.
Einer Person, die das Mikrophon und die Kamera derart missachtet und missbraucht, darf in Zukunft dieses nicht mehr im Raum von Fernsehen und Radio geöffnet werden.»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Frau Dr. Judith Hardegger, Redaktionsleiterin der «Sternstunden», antwortete:
«Uns liegt die Beanstandung von X vor betreffend der Sendung ‹Wort zum Sonntag› vom 24. Februar 2018 (Waffen und Kinder). Gerne teile ich Ihnen hiermit meine Stellungnahme mit:
Das ‹Wort zum Sonntag› ist fester Bestandteil des Programms des Schweizer Fernsehens. Dabei ist diese Sendung nicht als ‹Predigt im Kleinen› mit Verkündigungscharakter konzipiert, sondern soll ausdrücklich ein ‹christlicher Kommentar zum Zeitgeschehen› sein. Ein Kommentar zeichnet sich dadurch aus, dass die Kommentatorin oder der Kommentator ihre eigene Haltung und Meinung zu gesellschaftlichen Ereignissen und Debatten sichtbar machen soll und darf. Als Theologinnen und Theologen bringen die Kommentatorinnen und Kommentatoren des ‘Worts zum Sonntag’ eine christliche Sicht auf die von ihnen gewählten Themen mit.
In der zwischen Schweizer Radio und Fernsehen SRF und den Landeskirchen getroffenen Vereinbarungen, die im vergangenen Jahr erneuert wurden, heisst es denn auch:
<Das WORT ZUM SONNTAG ist ein christlicher Kommentar zum Zeitgeschehen. Der Beitrag ist keine Kanzelrede, sondern ein persönlicher Kommentar. Christliche Theologinnen und Theologen greifen gesellschaftliche Themen und Fragen zur individuellen Lebensgestaltung auf, sie nehmen aus christlicher Perspektive dazu Stellung und verknüpfen diese mit eigenem Wissen und gelebter Spiritualität.>
Und weiter: <Die Sprechenden reden im eigenen Namen und wenden sich an ein breites Publikum, das religiöse Themen eher beiläufig zur Kenntnis nimmt. Sie verwenden eine gut verständliche Sprache, vermeiden kirchlichen Jargon und knüpfen bei Erfahrungen an, die allgemein nachvollziehbar sind. Die Sprechenden überzeugen durch ihre Person, durch eine profilierte Rede und durch die Relevanz ihres Themas. Das Wort zum Sonntag führt, ob mit erzählerischen oder argumentativen Mitteln, immer zu einer christlichen Aussage für die Gegenwart. Persönliche Wertungen machen die Sprechenden als solche erkennbar.>
Die als Kommentatoren eingesetzten Theologinnen und Theologen sprechen in dem Sendeformat ihre theologisch informierte und christlich grundierte Meinung aus und tragen damit zur Meinungsbildung und Diskussion gesellschaftlicher Fragen bei.
Beim ‹Wort zum Sonntag› von Catherine McMillan am 24. Februar 2018 gelten diese Grundsätze des Kommentars. Sie äussert sich ausgehend von einem aktuellen Vorfall, dem Amoklauf vom 14.2.2018 an der Marjory Stoneman Douglas High School in Florida, zu einem gesellschaftlichen Thema, dem Zugang zu Waffen allgemein sowie dem Export von Waffen. Sie betrachtet dies aus ihrer christlichen Einstellung heraus.
Ihr Kommentar ist folgendermassen aufgebaut: Zunächst erinnert die Sprecherin an den besagten Amoklauf und berichtet von verschiedenen Reaktionen darauf. Sodann wechselt sie den Fokus auf die Schweiz und stellt fest, dass hierzulande die Waffengesetzgebung strenger ist, zugleich aber der Rüstungsexport ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor ist. Damit gelangen in der Schweiz produzierte Waffen in Krisen- und Kriegsgebiete sowie in Länder, die eine fragwürdige Menschenrechtspraxis haben. Die Sprecherin spitzt ihre Gedanken in der Aussage zu, dass weltweit auch Schweizer Waffen Kinder töten. Sie äussert ihre Beschämung darüber und setzt dem Jesu Seligpreisung der Friedensstifter entgegen.
In der Tat spricht die Sprecherin in der besagten Sendung vor allem über ein politisches Thema. Dabei benennt sie immer wieder deutlich, dass es ihre persönliche Sicht und Meinung ist. Am Ende ordnet sie diese christlich in der theologischen Schlusspointe ein, nämlich dem Hinweis auf das Jesuswort aus der Bergpredigt (Matthäus 5,9). Entsprechend dem Sendekonzept ist ihr Text nicht wie eine Predigt aufgebaut, an der am Anfang ein biblischer Text genannt und anschliessend ausgelegt wird. Vielmehr trägt die Sprecherin aktuelle Gedanken vor und kommentiert sie kurz und prägnant abschliessend mit einem biblischen Verweis. Damit bringt sie explizit christliche Grundwerte in ein gesellschaftliches Thema ein.
Da aktuell weder Abstimmungen noch Unterschriftensammlungen zum Thema Waffen oder Rüstungsexporte lanciert sind, widerspricht dieser Meinungskommentar auch an keiner Stelle den publizistischen Leitlinien von SRF.
Somit halte ich fest, dass aus Sicht der Redaktion die Sendung das ihr zugesprochene Mandat erfüllt hat und bitte Sie, die Beanstandung von X zurückzuweisen.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Wir müssen unterscheiden zwischen Form und Inhalt. Zur Form kann es nicht zweierlei Meinungen geben, zum Inhalt schon. Die Form des «Wort zum Sonntag» ist ein Kommentar. Und ein Kommentar beinhaltet das Recht, die eigene Meinung zu sagen. Kommentare in den Medien benötigen keinen Ausgleich. Es braucht zu einem Kommentar zugunsten des öffentlichen Verkehrs nicht sofort einen Kommentar zugunsten des Autoverkehrs, zu einem Kommentar zugunsten der Amerikaner nicht sofort einen Kommentar zugunsten der Russen und zu einem Kommentar zugunsten der militärischen Rüstung nicht sofort einen Kommentar zugunsten von Abrüstung und Gewaltlosigkeit. Es ist sowohl Journalistinnen und Journalisten als auch geladenen Gästen (in Kolumnen, im «Wort zum Sonntag») erlaubt zu kommentieren. Mit Kommentaren erfüllen Medien die Meinungsbildungsfunktion. Wichtig ist einfach, dass Kommentare als solche erkennbar gemacht werden. Beim «Wort zum Sonntag» weiß das Publikum, dass es sich um einen Kommentar handelt. Es kann daher nicht zweierlei Meinungen darüber geben, dass die evangelisch-reformierte Pfarrerin Catherine McMillan das Recht hatte, einen Kommentar zu sprechen.
Unterschiedlicher Meinung kann man jedoch über den Inhalt sein. Wer dem Prinzip huldigt «Si vis pacem, para bellum» (Wenn Du den Frieden willst, bereite den Krieg vor») bzw. «Nur wer bewaffnet ist, kann Waffengänge verhindern», der wird – wie Sie – die Haltung der Theologin nicht teilen. Wer aber überzeugt ist, dass die Gewaltlosigkeit dazu beiträgt, Gewalt aus der Welt zu schaffen, wird ihr zustimmen. Frau McMillan kann sich tatsächlich auf das Neue Testament berufen. Jesus sagt: «Wenn dich einer auf die linke Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin» (Matthäus 5,39). Jesus predigte den Frieden, die Gewaltlosigkeit und die Versöhnung. Insofern kann die Bibel immer herangezogen werden, wenn es darum geht, die Waffen und die Gewalt zu ächten. Und wenn die Theologin sagt: «Auch Schweizer Waffen töten Kinder», dann hat sie – leider – einfach Recht.
Sie stören sich daran, dass dieses «Wort zum Sonntag» politische Äußerungen enthält. Dies ist unvermeidlich: Wer sich zum gesellschaftlichen Zusammenleben äußert, wird politisch. Wer für Gewaltlosigkeit plädiert, ist politisch. Wer ethische Prinzipien vertritt, ist politisch. Auch die Bibel ist hochpolitisch. Frau McMillan missbraucht daher Mikrofon und Kamera nicht. Es gibt keinen Grund, sie von der Kamera zu verbannen (abgesehen davon, dass ich als Ombudsmann so etwas weder entscheiden noch verfügen könnte, denn der Ombudsmann hat keine Entscheidungsbefugnisse). Aus all den Gründen kann ich Ihre Beanstandung nicht unterstützen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
[1] https://www.srf.ch/sendungen/wort-zum-sonntag/waffen-und-kinder
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