Sendung «10vor10» mit Fokus zum WEF vor Trumps Ankunft beanstandet
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Mit Ihrem eingeschriebenen Brief vom 1. Februar 2018 beanstandeten Sie die Sendung «10 vor 10» (Fernsehen SRF) vom 23. Januar 2018 und dort den Schwerpunkt zum World Economic Forum (WEF) in Davos im Hinblick auf den Besuch des amerikanischen Präsidenten Donald Trump.[1] Leider sandten Sie Ihren Brief an die ehemalige Adresse der Ombudsstelle in Bern, die seit dem 31. März 2016, als Ombudsmann Achille Casanova sein Amt aufgab, nicht mehr existiert. Von dort gelangte der Brief zurück an die Parlamentsdienste im Bundeshaus. Diese sandten ihn am 27. Februar 2018 an die richtige Adresse nach Zürich. Da Sie damals, als Sie die Beanstandung verfassten, innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist von 20 Tagen nach der Sendung waren, erachte ich die formalen Anforderungen an eine Beanstandung als erfüllt. Ich kann folglich darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«Ich reiche hiermit fristgerecht Beschwerde gegen die obgenannte Sendung ein. Sie verstösst in mehrerer Hinsicht gegen die Publizistischen Leitlinien von SRF. Die Publizistischen Leitlinien von SRF halten fest: <Wenn andere Medien ein Thema über das sachgerechte Mass hinaus anheizen, ist es Aufgabe der Redaktionen, die Proportionen zu wahren.> Tatsächl i ch tat die Sendung ‹10vor10› genau das Gegenteil, indem sie das allgemeine, in praktisch allen gedruckten und elektronischen Medien inszenierte Bashing gegen den US-Präsidenten weiter anheizte und keinesfalls die Proportionen wahrte. Dabei steht in den SRF-Richtlinien über solch einseitige Sendungen und Medienbeiträge: <Finden sie Anklang, werden sie, unabhängig von jeder inhaltlichen Rechtfertigung, als Hype inszeniert. Wir halten uns an Fakten und gesichertes Wissen, und wir lassen uns nicht von der Berichterstattung anderer Medien beeinflussen.>
Beim Beitrag von ‹10vor10› vom 23. Januar 2018 ist aber genau das Gegenteil geschehen. Man liess sich vom Hype der anderen Medien beeinflussen, statt von Fakten und gesichertem Wissen. Es ging um eine reine Diskreditierung der Person und der Politik des gewählten aktuellen US-Präsidenten durch unser öffentlich-rechtliches Fernsehen im Vorfeld seines WEF-Besuchs in Davos. Der Beitrag strotzte vor Parteilichkeit und wirtschaftlichem Unsinn. Von Anfang an wird insinuiert, Donald Trump sei schuld an unserer ‹zersplitterten Welt› und am ‹nationalistischen Motto wir zuerst›. Wegen Donald Trump ist gemäss ‹10vor10›‚der Freihandel in Gefahr, weil er die ‹Abschottung propagiert› und weil er ‹neue Handelsschranken einführt›. Dann folgen die Begriffe ‹Trumps Protektionismus› und ‹Trumps Abschottungskurs›. Später kommentiert die Sendung ‹10vor10› den Auftakt des WEF folgendermassen: <Die ersten Redner scheinen den Ton getroffen zu haben. Die meisten WEF-Teilnehmenden halten nichts von Trumps Abschottung und neuem Protektionismus.> Es widerspricht den SRF-Leitlinien und ist mit einer sachlichen Berichterstattung nicht vereinbar, wenn ‹10vor10› das Publikum belehrt, wer mit welcher politischen Meinung den Ton trifft und wer ihn verfehlt (selbstverständlich Donald Trump). Offenbar hat Präsident Trump bei seinem späteren WEF-Auftritt den Ton ganz gut getroffen und seinerseits einen wahren Hype unter den Journalisten und Wirtschaftsführern ausgelöst.
Dann kommt der linke amerikanische Ökonom Joseph Stiglitz zu Wort, ein altbekannter und ständig zitierter ‹Experte› (so auch in der NZZ vom Vortag), ein notorischer Trump-Kritiker und ehemalige Berater von Bill Clinton, der wörtlich sagt: <China handelt verantwortungsvoll, im Gegensatz zu den USA.> Dieser Satz bleibt völlig unkommentiert im Raum stehen, dabei spottet er jeder sachlichen und ausgewogenen Berichterstattung. ‹Verantwortungsvoll› handelt offenbar ein kommunistischer Staat, in dem gemäss glaubwürdigen Menschrechtsorganisationen pro Jahr mehr Menschen hingerichtet werden, als in allen Ländern der Welt zusammen. Ein Land, in dem bekanntlich keine mustergültige Demokratie herrscht. Und wo man bekanntlich nicht besonders sensibel mit der Umwelt oder mit den Menschenrechten umgeht. Weiter kamen als Gegenstimmen zur Politik von US-Präsident Donald Trump der indische Premier Narenda Modi zu Wort, der in indischer Sprache referierte (und damit nicht eben ein Zeichen gegen die ‹Abschottung› setzte). Es folgten als Trump-kritische Stimmen jene des kanadischen Premierministers Justin Trudeau und eines Wirtschaftsvertreters aus Ghana. Eine andere Stimme zu Donald Trumps Wirtschaftspolitik wurde von ‹10vor10› nicht berücksichtigt. Dabei hat beispielsweise der einflussreiche Chef der Investmentgesellschaft Blackstone, Stephen Schwarzman, am WEF in Davos Trumps Massnahmen nicht nur glaubwürdig begründet, sondern auch ausdrücklich unterstützt. Zweifellos hätte man auch andere gewichtige Persönlichkeiten finden können, die explizit eine andere Meinung als Stiglitz vertreten. Doch der Sendung ‹10vor10› ging es eben gerade nicht um Ausgewogenheit.
Als einziges Beispiel von Präsident Trumps so genannter ‹Abschottungspolitik› präsentierte ‹10vor10› die ‹Einfuhrzölle gegen Solaranlagen aus China›. Kein Wort davon, dass China die Solaranlagen staatlich so massiv verbilligt, dass von globalem Wettbewerb keine Rede sein kann. Auch unsere Schweizer Solar-Firmen haben wegen diesen Staatsinterventionen von China trotz ‹Energiestrategie 50› so gut wie keine Chance auf dem Markt. Kein Wort vernahm man in ‹10vor10› davon, dass China bis dreimal so hohe Importzölle erhebt wie die USA. Kein Wort vom gewaltigen amerikanischen Handelsdefizit gegenüber China.
Dabei steht es einer Sendung von SRG/SRF ausgesprochen schlecht an, gegen Donald Trumps angebliche ‹Abschottungspolitik› Stimmung zu machen. Die Existenz der öffentlich-rechtlichen SRG und deren Sendegefässe, die zur Hauptsache durch geräteunabhängige Zwangsgebühren finanziert werden, könnte man wohl mit noch besseren Gründen als Produkt einer ausgeprägten nationalen ‹Abschottungspolitik› im Medienbereich erklären.
Die Publizistischen Leitlinien von SRF schreiben eine sachgerechte Berichterstattung vor. Dies war im hier beanstandeten ‹10vor10›-Beitrag nicht der Fall. Die Sendung <Wie Trump die WEF-Diskussionen dominiert> war weder verhältnismässig noch sachgerecht oder fair. Die Programmcharta der SRG verlangt Wahrheitspflicht, Unparteilichkeit, Unvoreingenommenheit, Fairness, Persönlichkeitsschutz und Menschenwürde sowie höchste professionelle und ethische Standards . Diese Standards sind im ‹10vor10› Beltrag vom 23. Januar 2018 in sträflicher Weise vernachlässigt worden.
Ich ersuche Sie, sehr geehrter Herr Blum , um Ihr sachgerechtes Urteil und danke Ihnen für Ihre Bemühungen.»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für «10 vor 10» antworteten Herr Christian Dütschler, Redaktionsleiter, und Frau Corinne Stöckli, Redaktorin, wie folgt:
«Herr Nationalrat X beanstandet unseren Sendungsschwerpunkt zum WEF und der US-Wirtschaftspolitik in der Sendung 10vor10 vom 23. Januar 2018. Der vierteilige Fokus zum Thema beinhaltete zuerst den Beitrag ‹Wie Trump die WEF-Diskussionen dominiert›.[2] Darauf folgte ein erste Live-Schaltung zu unserem Korrespondenten in Davos. Direkt im Anschluss zeigten wir den Beitrag ‹Wie geht es der US-Wirtschaft?› [3] und beendeten den Sendungsschwerpunkt schliesslich mit einer zweiten Live-Schaltung nach Davos.[4]
Der Beanstander konzentriert sich in seiner Kritik hauptsächlich auf den Beitrag ‹Wie Trump die WEF-Diskussionen dominiert›. Darin sammelte unser Reporter die wichtigsten Stimmen des Tages und weitere Meinungen zum vorherrschenden Thema, nämlich Donald Trump mit seiner America-First-Politik und die Folgen für die Weltwirtschaft.
Vorab ist anzumerken, dass der vom Beanstander hauptsächlich kritisierte Beitrag ‹Wie Trump die WEF-Diskussionen dominiert› Teil des vierteiligen Sendungsschwerpunktes am Eröffnungstag des WEF war, also keineswegs für sich alleine stand. Auch der Sendungsschwerpunkt vom 23. Januar stand nicht isoliert da, sondern war Teil einer umfassenden Berichterstattung von SRF zum WEF. So berichtete auch 10vor10 während der ganzen Dauer des Anlasses täglich ausführlich über das WEF (23. bis 26. Januar 2018):
10vor10, 23. Januar: Beitrag «Wie Trump die WEF-Diskussionen dominiert»
1. Live-Schaltung nach Davos
Beitrag «Wie geht es der US-Wirtschaft?»
2. Live-Schaltung nach Davos
10vor10, 24. Januar: [5] Beitrag «Wie der ETH-Präsident am WEF für die Forschung weibelt»
Beitrag «WEF-Teilnehmer machen unbezahlbare Werbung für das Winterland Schweiz»
10vor10, 25. Januar:[6] Beitrag «Donald Trumps heutiger Tag am WEF»
1. Live-Schaltung nach Davos
Beitrag «Treffen von May und Netanjahu mit Trump»
2. Live-Schaltung nach Davos
10vor10, 26. Januar: [7] Beitrag «Trumps zweiter Tag am WEF und Abschlussrede»
1. Teil Studiogespräch mit US-Korrespondent
Beitrag «Wo blieb die Meinungsfreiheit während des WEFs?»
Beitrag «Der Medienzirkus am WEF»
2. Teil Studiogespräch mit US-Korrespondent
Dass seit 18 Jahren erstmals wieder ein amtierender amerikanischer Präsident das WEF besuchte, war für die Schweiz in verschiedener Hinsicht von grosser Bedeutung. Anders als der Beanstander meint, handelt es sich also nicht um einen ‹Hype›: Die breite Berichterstattung war aufgrund der Bedeutung des Ereignisses nämlich durchaus gerechtfertigt. In einem solchen Fall greifen also - anders als der Beanstander meint - nicht unsere Richtlinien zu ‹Themen-Hypes›, sondern vielmehr unser allgemeiner Informations-Auftrag, der ebenfalls in unseren publizistischen Leitlinien festgehalten ist: <SRF versteht Information als umfassenden Auftrag, regionales, nationales und weltweites Geschehen, das für das Schweizer Publikum wichtig und von Interesse ist, in grosser Themenbreite verständlich, kritisch, schnell und attraktiv abzubilden und einzuordnen.>
Eine andere Frage ist die Bewertung des Besuches von Trump. Der Beanstander spricht dabei von einem ‹Bashing gegen den US-Präsidenten› und einer ‹Diskreditierung der Person und der Politik des gewählten aktuellen US-Präsidenten›. Der Beanstander ist der Meinung, dass der Beitrag ‹vor Parteilichkeit und wirtschaftlichem Unsinn› strotze. Damit sind wir nicht einverstanden. Sowohl in der Sendung vom 23. Januar als auch in unserer Berichterstattung insgesamt wird die Wirtschaftspolitik Trumps sehr differenziert dargestellt. Von einem ‹Bashing gegen den US-Präsidenten› kann keine Rede sein. Gerne nehmen wir im Folgenden zu den konkreten Vorwürfen Stellung.
1. Vorwurf: Von Anfang an werde insinuiert, Donald Trump sei schuld an unserer ‹zersplitterten Welt› und am ‹nationalistischen Motto ‹wir zuerst››.
Der Moderator führte das Publikum mit folgenden Worten an die Sendung heran:
<Wie schaffen wir eine gemeinsame Zukunft in einer zersplitterten Welt? Das ist eine grosse Frage, die da seit heute im Zentrum steht am WEF in Davos. Etwas konkreter lautet sie: Wie geschäften wir noch miteinander in einer Welt, in der das nationalistische Motto ‘wir zuerst’ neuen Auftrieb bekommt. Am WEF schauen viele Richtung USA, denn die Lokomotive der Weltwirtschaft hat derzeit ordentlich Zug.>
Der Beanstander schreibt dazu: <Von Anfang an wird insinuiert, Donald Trump sei schuld an unserer ‹zersplitterten Welt› und am ‹nationalistischen Motto wir zuerst›.>
Mit dem Begriff ‹zersplitterte Welt› hat unser Moderator nicht Bezug auf Trump genommen, sondern auf das offizielle Motto des WEF, welches lautete: <Für eine gemeinsame Zukunft in einer zersplitterten Welt>.
Dass das von uns erwähnte ‹nationalistische Motto wir zuerst› an Trumps Motto ‹America first› erinnert ist richtig und so beabsichtigt. Es war die erklärte Absicht von Trump, dieses Motto am WEF zu vertreten. Seine Pressesprecherin Sarah Huckabee Sanders erklärte im Vorfeld des WEF:
<‹The president welcomes opportunities to advance his America First agenda with world leaders›, Ms. Sanders said. ‹At this year’s World Economic Forum, the president looks forward to promoting his policies to strengthen American businesses, American industries and American workers.›> [8]
Gleichzeitig ist das von uns genannte Motto ‹wir zuerst› weiter gefasst als das Motto ‹America first› und fasst eine politische Entwicklung zusammen, die weit über die USA hinausgeht und insbesondere auch Europa betrifft (explizit z.B. im Motto ‹La France d’abord› des Front National in Frankreich).
Der Moderator weist Donald Trump also an keiner Stelle eine ‹Schuld› zu, wie der Beanstander meint, sondern nimmt einerseits Bezug auf das offizielle Motto des WEF und andererseits auf eine nationalistische Politik, die nicht nur in den USA, sondern in der Welt im Allgemeinen ‹neuen Auftrieb bekommt›.
2. Vorwurf: Begriffe wie «Trumps Abschottungskurs», «Trumps Protektionismus» oder wegen Trump sei der «Freihandel in Gefahr».
Der beanstandete Beitrag beginnt wie folgt:
Der Weg ist freigeschaufelt für die Reichen und Einflussreichen am WEF. Das WEF – Synonym für Freihandel und Globalisierung. Doch der Freihandel scheint in Gefahr durch den Angekündigten: US-Präsident Donald Trump, der Abschottung propagiert, neue Handelsschranken einführt. WEF-Eröffnungsredner Narendra Modi, Premierminister von Indien, er reagierte direkt auf Trumps Protektionismus.
Der Beanstander schreibt: <Wegen Donald Trump ist gemäss ‹10vor10› ‹der Freihandel in Gefahr›, weil er die ‹Abschottung propagiert› und weil er ‹neue Handelsschranken einführt›. Dann folgen die Begriffe ‹Trumps Protektionismus› und ‹Trumps Abschottungskurs›.>
Ohne zu belegen oder zu begründen warum, scheint der Beanstander die gewählten Begriffe offenbar für unzutreffend zu halten. Wir sind der Meinung, dass die Begriffe durchaus treffend sind.
Trump hat sich in seiner Wahlkampagne und in seinem ersten Amtsjahr als Präsident immer wieder kritisch zum Freihandel geäussert. Als eine seiner ersten Amtshandlungen hat er die geplante Transpazifische Partnerschaft (TPP) aufgekündigt. Auch das in unserer Berichterstattung erwähnte Nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta), den gemäss Trump ‹schlechtesten Deal aller Zeiten›, drohte er ursprünglich zu kündigen - heute will er das Nafta zumindest neu verhandeln. Dass Trump neue Handelsschranken nicht nur androht, sondern tatsächlich auch einführt, zeigt das Beispiel der Schutzzölle auf Solaranlagen, welches wir in der Live-Schaltung erwähnt haben. In der Zwischenzeit sind weitere Zölle hinzugekommen, wie z.B. auf Stahl- und Aluminiumimporte. All diese Massnahmen zielen darauf ab, die US-Wirtschaft abzuschotten und zu schützen. Die Begriffe ‹Abschottung› und ‹Protektionismus› sind also durchaus zutreffend.
Der Beanstander schreibt: <Wegen Donald Trump ist gemäss ‹10vor10› ‹der Freihandel in Gefahr› (...).> Anzumerken ist, dass wir zurückhaltender formuliert haben als der Beanstander meint: Im Beitrag heisst es nämlich ‹der Freihandel scheint in Gefahr›. Dass die erwähnten Handelshemmnisse letztlich den Freihandel grundsätzlich in Gefahr bringen können, liegt auf der Hand. So wird von verschiedener Seite befürchtet, dass die USA einen Handelskrieg auslöst (so auch die NZZ [9]). Unsere vorsichtige Formulierung ‹der Freihandel scheint in Gefahr› (nicht ‹ist in Gefahr›, wie der Beanstander schreibt) ist also durchaus gerechtfertigt.
3. Vorwurf: 10vor10 belehre das Publikum, <wer mit welcher politischen Meinung den Ton trifft und wer ihn verfehlt>
Der beanstandete Beitrag zitiert zuerst den Premierminister Indiens und den Premierminister Kanadas, die beiden einflussreichsten Redner des Tages. Beide kritisieren in ihren Voten direkt oder indirekt Trumps Politik. Nach den beiden Zitaten heisst es im Beitrag wörtlich:
Die ersten Redner scheinen den Ton getroffen zu haben. Die meisten WEF-Teilnehmenden halten nichts von Trumps Abschottung und neuem Protektionismus.
Unsere Aussage, dass die Redner ‹den Ton getroffen› zu haben ‹scheinen›, bezieht sich offensichtlich nicht auf unsere, sondern auf die Stimmungslage der WEF-Teilnehmer. Solche Einschätzungen gehören zu unserer journalistischen Aufgabe, die auch darin besteht, unserem Publikum einen Eindruck der Stimmungslage vor Ort zu vermitteln. Mit der Wortwahl ‹scheinen› machen wir unserem Publikum auch klar, dass es sich hier nicht um harte Fakten, sondern um eine bestmögliche Einschätzung von Seiten des Journalisten handelt. Sie basiert auf verschiedenen, intensiven Gesprächen unserer Journalisten mit WEF-Teilnehmern vor Ort. Von einer Belehrung des Publikums kann also keine Rede sein.
4. Vorwurf: Aussage von Ökonom Joseph Stiglitz <bleibe völlig unkommentiert im Raum stehen, dabei spotte sie jeder sachlichen und ausgewogenen Berichterstattung>.
Der Beanstander kritisiert auch eine Aussage des Ökonomen und Nobelpreisträgers Joseph Stiglitz. Die entsprechende Passage im Beitrag lautete wörtlich:
Die ersten Redner scheinen den Ton getroffen zu haben. Die meisten WEF-Teilnehmenden halten nichts von Trumps Abschottung und neuem Protektionismus.
Joseph Stiglitz, Nobelpreisträger in Ökonomie:
<Es ist der Schutz von aussterbenden Industrien, der Kohleindustrie zum Beispiel. Zum Nachteil aufstrebender Wirtschaftszweige, die sehr wichtig sind für die Welt.>
Frage Reporter:
<Geht’s in Richtung globaler Handelskrieg?>
Joseph Stiglitz, Nobelpreisträger in Ökonomie:
<Nein, denn China handelt verantwortungsvoll, im Gegensatz zu den USA.>
Der Beanstander kritisiert den letzten Satz von Stiglitz und meint: <Dieser Satz bleibt völlig unkommentiert im Raum stehen, dabei spottet er jeder sachlichen und ausgewogenen Berichterstattung.> Als Begründung verweist der Beanstander auf die Hinrichtungen in China, auf Chinas Demokratie und seine Umwelt- und Menschenrechtspolitik.
Der kritisierte Satz von Stiglitz spiegelt die persönliche Meinung von Stiglitz und ist selbstverständlich im Kontext der Wirtschaftspolitik zu verstehen. Das ist für das Publikum klar ersichtlich und unzweideutig. Es wäre unpassend gewesen und hätte den Rahmen des Beitrages bei weitem gesprengt, an dieser Stelle auf die Menschenrechts-Situation in China hinzuweisen.
5. Vorwurf: Ausschliesslich kritische Stimmen zu Donald Trumps Wirtschaftspolitik seien berücksichtig worden.
Der Beanstander wirft uns vor, dass wir neben den kritischen Stimmen auch <eine andere Stimme zu Donald Trumps Wirtschaftspolitik> hätten berücksichtigen sollen: <Zweifellos hätte man auch andere gewichtige Persönlichkeiten finden können, die explizit eine andere Meinung als Stiglitz vertreten. Doch der Sendung ‹10vor10› ging es eben gerade nicht um Ausgewogenheit.>
Anzumerken ist, dass es sich hier nicht um einen kontradiktorischen Beitrag im Zusammenhang mit einer Wahl oder Abstimmung geht, bei der beide Seiten gleichwertig zu Wort kommen müssen. Vielmehr handelt es sich um einen Beitrag, der die wichtigsten Stimmen am Eröffnungstag am WEF und die allgemeine Stimmungslage in Davos aufzeigte.
Im beanstandeten Beitrag kommen mit dem indischen Premierminister Narenda Modi und mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau die zwei einflussreichsten Redner des Tages zu Wort. Der Ökonom Joseph Stiglitz, der ebenfalls zu Wort kommt, ist nicht nur Nobelpreisträger, sondern war auch mehrere Jahre Chefökonom der Weltbank und publiziert regelmässig zu Themen wie Freihandel und Globalisierung. Er ist also auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik höchst kompetent und ein passender Interview-Partner, dessen Äusserungen für das Publikum klar als seine persönliche Einschätzung erkennbar waren.
Als vierter Interview-Partner kam schliesslich ein Vertreter der ‹jüngeren Generation am WEF› und gleichzeitig ein Vertreter Afrikas zu Wort, nämlich Foster Awintiti Akugri, IT-Experte der Stanbic Bank in Ghana. Anders als der Beanstander meint, äusserte dieser sich keineswegs ‹Trump-kritisch›, im Gegenteil: Awintiti Akugri bringt mit seinem Fokus auf die Digitalisierung einen neuen Aspekt ein, der die Kritik von Modi und Trudeau an den Handelsschranken relativiert.
Wohin steuert die Weltwirtschaft? Vor allem die jüngere Generation am WEF findet: Neue Handelsschranken hin oder her, die wahre Globalisierung werde ermöglicht durch die Digitalisierung.
Foster Awintiti Akugri, IT-Experte Stanbic Bank, Ghana:
<Bei der Globalisierung geht es um die Frage, wie klein der digitale Graben zwischen Menschen in Amerika und Afrika ist, wie gut sie miteinander kommunizieren, miteinander arbeiten können, und so eine gemeinsame Zukunft haben.>
Awintiti Akugri geht also davon aus, dass die Digitalisierung helfen werde, die wirtschaftlichen Gräben zu überwinden - unerheblich wie sich die die Handelsbeziehungen und Zollvereinbarungen international entwickeln.
Der Beanstander verweist auf Stephen Schwarzman, Chef der Investmentgesellschaft Blackstone, der <am WEF in Davos Trumps Massnahmen nicht nur glaubwürdig begründet, sondern auch ausdrücklich unterstützt.> Selbstverständlich gab es unter den zahlreichen WEF-Teilnehmern auch einige, welche Trumps protektionistische Massnahmen gutheissen. Diese waren aber deutlich in der Minderzahl. Entsprechend sagen wir im Beitrag auch, dass <die meisten WEF-Teilnehmenden nichts von Trumps Abschottung und neuem Protektionismus> halten. Diese Einschätzung teilte z.B. die NZZ, die von ‹vereinzelten› WEF-Teilnehmern sprach, welche die neuen US-Zölle verteidigten. Die NZZ nennt dasselbe Beispiel wie der Beanstander, nämlich Stephen Schwarzman, als Trump-Unterstützer:
Vereinzelt verteidigten WEF-Teilnehmer auch die Politik von Trump bzw. die neuen US-Zölle. Bei einer Podiumsdiskussion sagte Stephen Schwarzman, Chef der Private-Equity-Gesellschaft Blackstone, die chinesischen Importzölle seien dreimal so hoch wie diejenigen der USA. Schwarzman erwartet, dass die Investitionen in den USA in Bälde deutlich steigen würden. Dafür dürfte Trumps Steuerreform sorgen. (...)[10]
Wir haben also neben den wichtigsten Stimmen des Tages (Modi, Trudeau), die Stimme eines ausgewiesenen Experten (Stiglitz) und das Votum eines Vertreters der jüngeren Generation (Awintiti Akugri), der mit seinem Fokus auf die Digitalisierung die Kritik an Trumps Handelsschranken relativiert, gebracht. Es war weder zwingend, noch drängte es sich an diesem Tag auf, eine Stimme einzuholen, welche die von Trump eingeführten Handelsschranken explizit unterstützt. Mit unserem Beitrag haben wir die Realität am WEF abgebildet, wo an diesem Tag eine kritische Haltung gegenüber Trumps Handelspolitik dominierte.
Anzumerken ist auch, dass in der direkt anschliessenden Live-Schaltung ausdrücklich erwähnt wird, dass – im Unterschied zu den Schutzzöllen – für Trumps Steuerpolitik deutliche Unterstützung zu spüren sei am WEF:
Moderator:
<(...) Die Businesswelt hat ja durchaus auch Freude an Teilen von Trumps Politik, spürt man das jetzt auch in Davos?>
Peter Düggeli, Korrespondent SRF, Davos:
<Ja, das spüre ich in Davos ganz klar. Viele Businessleader sagen mir hier, Trumps Steuerpolitik, die sei eben gut, die Unternehmenssteuern zu senken, das sei ein Vorteil, es würde mehr investiert, nicht nur in den USA, sondern eben auch im Rest der Welt und das sei positiv. Und da gibt es eine besondere Gruppe von Unternehmen, die sagten mir heute, sie seien ganz einfach nur froh, dass Präsident Trump seine Abschottungspolitik nicht so durchgeführt hätte, wie er das noch vor einem Jahr angekündigt hatte. Vor einem Jahr hier am WEF waren sehr viele Wirtschaftsführer sehr besorgt und das ist alles nun nicht so eingetroffen.>
Moderator:
<Und was die amerikanische Wirtschaft angeht, da sprechen die Daten ja für sich, da kann Trump mit stolz geschwellter Brust auftreten, die USA stehen derzeit wirklich gut da.>
Peter Düggeli, Korrespondent SRF, Davos:
<Ja tatsächlich, die US-Wirtschaft floriert, sie läuft sehr gut. Viele Amerikanerinnen und Amerikaner geben auch viel Kredit an die Adresse von Präsident Trump. Die Bauwirtschaft zum Beispiel, die ist fast total ausgebucht, wie auch die Reportage von uns aus dem Bundesstaat Iowa zeigt.>
Trumps Politik und die Meinungen darüber werden in unserer Berichterstattung also durchaus differenziert dargestellt. ‹Trump Bashing› sieht anders aus.
6. Vorwurf: Wir hätten Trumps ‹Einfuhrzölle gegen Solaranlagen› zu wenig ausgeführt.
Der Beanstander schreibt: <Als einziges Beispiel von Präsident Trumps so genannter ‹Abschottungspolitik› präsentierte 10vor10 die ‹Einfuhrzölle gegen Solaranlagen aus China›. Kein Wort davon, dass China die Solaranlagen so massiv verbilligt, dass von globalem Wettbewerb keine Rede sein kann. (...)>
Die kritisierte Stelle findet sich in der zweiten Live-Schaltung mit unserem Korrespondenten in Davos. Wörtlich hiess es:
Moderator:
<Da ist neben Optimismus also auch Sorge um die Zukunft zu spüren in den USA. Und gerade heute sorgte Trump erneut für Aufregung, mit Schutzzöllen unter anderem auf Solaranlagen. Peter Düggeli, sieht so nun die America-First-Politik aus, dass man einfach versucht, die Konkurrenz möglichst aus dem eigenen Land raus zu halten?>
Peter Düggeli, Korrespondent SRF, Davos:
<Ja, es scheint so zu sein, sie haben es angetönt, just heute am Beginn des WEF hat Präsident Trump Einfuhrzölle gegen Solaranlagen aus China ausgesprochen. Und das ist eigentlich etwas, womit man sich in Zukunft auch ein bisschen anfreunden muss, denn US-Medien spekulieren heute bereits, dass die Elektronikindustrie in China die nächste sein könnte, die bestraft wird, und dass Entscheide in den nächsten Wochen und Monaten bereits fallen könnten.>
Am Tag der Sendung gab das Weisse Haus bekannt, dass die USA künftig Schutzzölle auf Solaranlagen und Waschmaschinen erheben will. Die lange angekündigten und breit diskutierten Handelsschranken wurden hier also konkret umgesetzt (Vgl. New York Times online, 22.1.2018 [11]), der protektionistischen Rhetorik im Jahr 2017 folgen nun ebensolche Taten. Diese Tagesaktualität haben wir im Gespräch mit unserem Korrespondenten in einer Frage resp. Antwort aufgegriffen. Die genauen Details dieser Schutzzölle waren nicht das Thema und hätten den Umfang des Gesprächs gesprengt. Hingegen drückt unser Korrespondent die Vermutung aus, dass das etwas ist, <womit man sich in Zukunft auch ein bisschen anfreunden muss>. Das hat sich in der Zwischenzeit auch mit Trumps Einführung von Zöllen auf Stahl- und Aluminiumimporte bestätigt (vgl.NZZ vom 9.3.2018 [12])
Anders als der Beanstander meint, waren die Schutzzölle auf Solaranlagen keineswegs das einzige Beispiel für Trumps Abschottungspolitik, das wir in unserer Berichterstattung genannt haben. Im Beitrag ‹Wie geht es der US-Wirtschaft?› wird konkret das Freihandelsabkommen NAFTA genannt. Wörtlich hiess es:
Wie viele Bauern in den USA unterstützt Stuthers Präsident Trump, fürchtet sich aber vor seiner Abschottungspolitik.
Dave Stuthers, Schweinezüchter:
<Wenn unsere Exporte einbrechen, sind wir am Ende. Wir sind stark vom Export abhängig. Was Präsident Trump zu America First und zu Handelsverträgen sagt, besorgt mich sehr.>
Stuthers weiss, dass für die Landwirtschaft so wichtige Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA ist in Gefahr. Die Regierung Trump verhandelt derzeit mit Mexiko und Kanada, Ausgang ungewiss.
Wir haben also an einem konkreten Beispiel aufgezeigt, weshalb sich auch Trump-Unterstützer vor dessen Aussenhandelspolitik fürchten.
Anzumerken ist zudem, dass wir anlässlich der von Trump eingeführten Stahl- und Aluminiumzölle ausführlich berichtet und dabei aufgezeigt haben, dass die US-Zölle im Vergleich zu anderen Ländern deutlich tiefer sind. Insbesondere sagt im Beitrag ein Experte ausdrücklich, dass <China und die EU punkto Handelsschranken keineswegs besser dastehen als die USA> (vgl. Beitrag ‹Stahl lässt Handelsstreit aufflammen›, 10vor10, 7.3.2018 [13]).
7. Positive Aussagen zu Trump
Oben haben wir ausführlich dargelegt, warum wir der Meinung sind, dass unsere Berichterstattung sachgerecht war. An dieser Stelle möchten wir noch einmal darauf hinweisen, dass wir keineswegs nur kritische Stimmen zu Trump gezeigt, sondern an verschiedenen Stellen auch positive Aussagen zum US-Präsidenten gebracht haben.
Ausschnitte aus 1. Live-Schaltung nach Davos
Moderator:
<(...)Die Businesswelt hat ja durchaus auch Freude an Teilen von Trumps Politik, spürt man das jetzt auch in Davos?>
Peter Düggeli, Korrspondent SRF, Davos
<Ja, das spüre ich in Davos ganz klar. Viele Businessleader sagen mir hier, Trumps Steuerpolitik, die sei eben gut, die Unternehmenssteuern zu senken, das sei ein Vorteil, es würde mehr investiert, nicht nur in den USA, sondern eben auch im Rest der Welt und das sei positiv. (...)>
(...)
<(...) die US-Wirtschaft floriert, sie läuft sehr gut. Viele Amerikanerinnen und Amerikaner geben auch viel Kredit an die Adresse von Präsident Trump. Die Bauwirtschaft zum Beispiel, die ist fast total ausgebucht, wie auch die Reportage von uns aus dem Bundesstaat Iowa zeigt.>
Ausschnitte aus dem Beitrag ‹Wie geht es der US-Wirtschaft?›
Brandon Patterson, Immobilienmakler Des Moines, Iowa:
<2012/13 begann der Boom. Die Städte verdoppelten die Baugenehmigungen, vor allem in dieser Region. Wachstum ohne Ende.>
In Iowa herrscht Vollbeschäftigung. Es sind gute Zeiten für Arbeitnehmer. (...) Was für Iowa zutrifft, stimmt für das ganze Land. Die Wirtschaft blüht, teilweise steigen die Löhne wieder an, die Aktienmärkte boomen. Präsident Trumps wirtschaftsfreundlicher Kurs hat ein positives Umfeld geschaffen. Vor allem auch seine Deregulierungen kommen in Wirtschaftskreisen sehr gut an. Kein Wunder weibelt der Präsident mit den guten Nachrichten.
Donald Trump, Präsident USA:
<Die Aktienmärkte brechen Rekord nach Rekord. Die Arbeitslosigkeit ist so tief wie seit 80 Jahren nicht mehr. Seid es Statistiken gibt, waren noch nie so wenige Afroamerikaner arbeitslos.>
Die Aussage des Beanstanders, dass es bei unserer Berichterstattung um ‹eine reine Diskreditierung der Person und der Politik des gewählten aktuellen US-Präsidenten› geht, trifft also in keiner Weise zu.
8. Fazit
Wir sind der Meinung, dass wir sachgerecht und differenziert berichtet haben. Wir haben zutreffend festgehalten, dass Trumps Aussenhandelspolitik am WEF weitgehend kritisiert wurde. Gleichzeitig haben wir in unserer Berichterstattung auch Positives festgehalten und Trump selber zu Wort kommen lassen. Von einem ‹Trump Bashing›, wie es uns der Beanstander vorwirft, kann also keine Rede sein. Wir bitten Sie deshalb, die Beanstandung nicht zu unterstützen.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Als Ombudsmann muss ich das Publikum vor Manipulation durch Radio und Fernsehen schützen. Wenn Sie sagen, dass die beanstandete Sendung von «10 vor 10» eine «reine Diskreditierung der Person und der Politik des gewählten US-Präsidenten» gewesen sei und dass der Beitrag «vor Parteilichkeit und wirtschaftlichem Unsinn» strotzte, dann ist das ein Indiz dafür, dass die Sendung zumindest bei jenen, die Präsident Trump politisch gewogen sind, als einseitig ankam. Ich muss also untersuchen, ob Manipulation im Spiel war, genauer: ob die Absicht bestand, durch eine einseitige Auswahl der Fakten das Publikum zu täuschen und es daran zu hindern, sich frei eine eigene Meinung zu bilden.
Über dreierlei müssen wir uns zum vorneherein im Klaren sein:
1. Radio und Fernsehen müssen faktengetreu und fair berichten, aber nicht a priori ausgewogen. Wenn ein Großbrand eine ganze Häuserzeile zerstört, dann muss das Fernsehen über diese Katastrophe berichten und nicht aufzeigen, dass in der gleichen Stadt ja noch ganz viele Häuser völlig unversehrt geblieben seien und dass es schon lange nicht mehr gebrannt habe. Wenn über die Menschenrechtslage in China berichtet wird, muss nicht gleichzeitig dargelegt werden, dass die Chinesen ja sonst ganz nette Menschen, tüchtige Geschäftsleute und kompetente Wissenschaftler seien, sondern dann geht darum zu zeigen, wie wenig sich China an die Menschenrechte hält. Und wenn die Politik einer Regierung beurteilt wird, müssen nicht zwingend gleich viele positive wie negative Argumente vorgetragen werden. Ausgewogenheit wird durch das Vielfaltsgebot eingelöst. Das Vielfaltsgebot gilt nur vor Wahlen und Abstimmungen für jede einzelne Sendung. Sonst aber gilt es für das gesamte Programm: Im Laufe des Jahres soll eine politische, kulturelle, soziale, regionale, lebensweltliche Vielfalt deutlich werden. Im Fall der beanstandeten Sendung müssen deshalb nicht zwingend gleich viele positive wie negative Stimmen zu Präsident Trumps Politik zu Wort kommen.
2. Wenn eine Sendung zum gleichen Thema aus mehreren Teilen besteht, dann muss die gesamte Sendung in den Fokus genommen werden. Das verlangt das Bundesgericht.[14] Nur dann, wenn die Sendung insgesamt einseitig und somit nicht sachgerecht ist und wenn sich das Publikum nach der Rezeption aller Teile nicht frei eine eigene Meinung bilden kann, liegt ein Verstoß gegen das Radio- und Fernsehgesetz vor. Im Fall der beanstandeten Sendung sind die vier Teile einzubeziehen, nämlich der Bericht über die Voraus-Reaktion der WEF-Teilnehmenden auf Trump, das erste Gespräch mit dem US-Korrespondenten Peter Düggeli, die Reportage aus Iowa sowie das zweite Gespräch mit dem US-Korrespondenten Peter Düggeli.
3. Die Sendung «10 vor 10» ist zwar eine Hintergrund-Sendung, aber keine DOK und kein «Kontext», die rund eine Stunde dauern. Die Gesamtsendung dauert 25 Minuten, die einzelnen Beiträge, selbst wenn es sich um mehrteilige Schwerpunkte handelt, überschreiten selten 12 Minuten. Das heißt: Die Redaktion muss rigide auswählen, wie viele Akteure und Experten sie befragt und zitiert. Nicht jeder, der auch noch etwas zu sagen hat, kann in einer solchen Sendung vorkommen. Der Platz ist beschränkt.
Mit Ihrer Kritik an der Sendung im Kopf und im Bewusstsein dieser drei Randbedingungen habe ich mir die Sendung angeschaut und mir dabei die Frage gestellt, ob das Publikum manipuliert wird oder ob es differenziert informiert wird. Was ist meine Bilanz? Die Sendung ist stark faktenbezogen:
- Es war ein Faktum, dass sich die Redner, Teilnehmenden, Experten am WEF und auch die Demonstrierenden in diversen Schweizer Städten alle auf Trump bezogen, auch dann schon, als er noch gar nicht da war. Es war daher richtig, im Bericht aus Davos vor allem deutlich zu machen, wie verschiedene Akteure aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft auf Trumps Freihandelspolitik reagieren. Dabei war interessant, dass jüngere Leute den Protektionismus kaum thematisierten, sondern die Digitalisierung als Chance hervorhoben.
- Es ist ein Faktum, dass die amerikanische Wirtschaft zurzeit enorm gut läuft und dass fast Vollbeschäftigung herrscht. Die Reportage aus Iowa zeigte, dass die Bau- und die Immobilienbranche boomen, dass aber die Exportindustrie – zu der auch die Schweinezucht gehört – fürchtet, durch den Protektionismus Nachteile zu erleiden. Der Beitrag machte auch deutlich, dass die Arbeitslosenquote schon unter Obama gesunken war und dass die Zahl neu geschaffener Stellen 2014 höher war als beispielsweise 2017. Peter Düggeli berichtete zudem, dass die Business-Leute am WEF von Trumps Politik angetan sind, dass aber der amerikanische Mittelstand benachteiligt sein könnte, wenn Trump die Zölle auf der Unterhaltungselektronik erhöht.
Insgesamt war also der Schwerpunkt durchaus differenziert. Ich muss die Ausführungen der Redaktion nicht wiederholen. Ich bin mit Ihnen zwar einig, dass ein dauerndes ‹Trump-Bashing› nicht angezeigt ist. Jede Regierung, jeder Präsident soll an seinen Taten gemessen werden. Aber erstens war die Sendung kein Trump-Bashing, sondern eine differenzierte Auseinandersetzung mit seiner Politik und dem Zustand der amerikanischen Wirtschaft. Und zweitens ging die Kritik nicht von der Redaktion aus, sondern von Rednern, Experten und Teilnehmenden am WEF. Ich kann daher Ihre Beanstandung nicht unterstützen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
[1] https://www.srf.ch/play/tv/10vor10/video/10vor10-vom-23-01-2018?id=2dd985fa-6194-4d72-badc-d7e43cdda9b0&station=69e8ac16-4327-4af4-b873-fd5cd6e895a7
[2] https://www.srf.ch/play/tv/10vor10/video/fokus-wie-trump-die-wef-diskussionen-dominiert?id=a3adf7b7-5f8a-4c02-a135-cf3a2afaa0f5&station
[3] https://www.srf.ch/play/tv/10vor10/video/fokus-wie-geht-es-der-us-wirtschaft?id=0007654e-c271-4a22-ac2d-c9865363ac79&station=69e8ac16-4327-4af4-b873-fd5cd6e895a7
[4] https://www.srf.ch/play/tv/10vor10/video/fokus-live-schaltung-zu-peter-dueggeli-in-davos?id=6ebf295c-1db9-4fa0-b733-b9aad4b5501a&station=69e8ac16-4327-4af4-b873-fd5cd6e895a7
[5] https://www.srf.ch/play/tv/10vor10/video/10vor10-vom-24-01-2018?id=7468bd96-7eae-4048-8ffb-7038e1ef8a87&station=69e8ac16-4327-4af4-b873-fd5cd6e895a7
[6] https://www.srf.ch/play/tv/10vor10/video/10vor10-vom-25-01-2018?id=08336ef9-7acf-4dff-a596-e20e284f54ce&station=69e8ac16-4327-4af4-b873-fd5cd6e895a7
[7] https://www.srf.ch/play/tv/10vor10/video/10vor10-vom-26-01-2018?id=e00f665d-d43c-4187-90f2-0f542106dbd4&station=69e8ac16-4327-4af4-b873-fd5cd6e895a7
[8] https://www.nytimes.com/2018/01/09/us/politics/trump-davos-world-economic-forum.html
[9] https://www.nzz.ch/wirtschaft/gefahr-eines-handelskriegs-im-fokus-der-g-20-ld.1367570
[10] https://www.nzz.ch/wirtschaft/warnungen-vor-abschottung-am-wef-ld.1350584
[11] https://www.nytimes.com/2018/01/22/business/trump-tariffs-washing-machines-solar-panels.html
[12] https://www.nzz.ch/wirtschaft/trump-verfuegt-zoelle-auf-stahl-und-alu-ld.1364362
[13] https://www.srf.ch/play/tv/10vor10/video/fokus-stahl-laesst-handelsstreit-aufflammen?id=b82bab04-1ce3-4ddf-8cc8-71f85faac408&station=69e8ac16-4327-4af4-b873-fd5cd6e895a7
[14] Tribunal fédéral, Arrêt du 1er mai 2009, 2C_882/2008 http://www.bger.ch/index/juridiction/jurisdiction-inherit-template/jurisdiction-recht/jurisdiction-recht-urteile2000.htm.
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