Sendung «Perspektiven» zu «Macker und Paschas – Sind Religionen schuld daran?» beanstandet
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Mit Ihrem Brief vom 25. März 2018 beanstandeten Sie die Sendung «Perspektiven» (Radio SRF 2 Kultur) vom gleichen Tag mit dem Beitrag «Macker und Paschas – Sind Religionen schuld daran?» [1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«Seit Jahren höre ich jeden Sonntagmorgen die ‹Perspektiven›. Heute ist Palmsonntag, der Beginn der ‹Stillen›, oder wie man andernorts sagen, der ‹Grossen Woche›. Sie ist die bedeutendste neben der Weihnachtswoche im christlichen Jahreslauf. Und was höre ich da? Eine Sendung über den Islam, d.h. über die Stellung der islamischen Frau. Mit bleibt die Sprache weg. Wo bleibt denn das Christentum? Man muss sich in diesem Fall wirklich fragen: Christentum, quo vadis? Wenn man dem Islam einen grossen Festtag der eigenen Religion einräumt, wird er sein Ziel der Weltherrschaft wirklich mal erreichen. – Ich hoffe, dass viele Menschen, ebenso aufgeschreckt wie ich, sich bei Ihnen melden. (Ich bin keineswegs ein engstirniges Kirchenmitglied).»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die Redaktion Sternstunde Religion in der Abteilung Kultur antwortete Frau Judith Wipfler, Teamleiterin Redaktion Religion Radio:
«Die Hörerin X trägt unseres Erachtens eine falsche Erwartungshaltung an unsere Sendungen in der Rubrik ‹Perspektiven› heran. Dabei handelt es sich nicht um ein christlich-verkündigendes Sendegefäss, sondern um eine monothematische Halbstundensendung zu religiösen wie auch philosophisch-ethischen Sinnfragen.
Im Sendungsporträt auf srf.ch [2] heisst es über ‹Perspektiven›:
<Themenvertiefung und Hintergrundinformationen zu menschlichen Grunderfahrungen, über Glaube, Zweifel, Glück. Anregungen zum Nachdenken und Orientierungshilfen in unserer pluralistischen Welt.>
Genau das hat die hervorragende Sendung meiner Mitarbeiterin und Kollegin Kathrin Ueltschi getan, nämlich ein in unserer pluralistischen Welt zu reden gebendes Thema ‹Die Stellung von Frauen in muslimischen Gemeinschaften› differenziert und auf Augenhöhe mit Musliminnen und Muslimen erörtert.
In der Sendung wurde zweimal darauf hingewiesen, dass genau dieses Thema vom christlichen Hilfswerk Mission 21 an einer Tagung mit eben jenen Fachpersonen aufgebracht worden war. Das zeigt, dass diese Fragestellung die christliche Mehrheitsgesellschaft wie auch dezidiert kirchlich basierte Organisationen interessiert und beschäftigt. Das macht das Thema also relevant.
Der Palmsonntag wie auch die damit beginnende Karwoche mit Ostern waren in zahlreichen anderen Sendungen auf Radio und Fernsehen SRF Thema.
Wir haben ein umfassendes, vielstimmiges, auch musikalisch anspruchsvolles Angebot gemacht, welches das Bedürfnis der Hörerin nach religiöser Ansprache voll hätte decken können (dazu gleich und unten angehängt noch mehr Beispiele). – Gleich im Anschluss an ‹Perspektiven› etwa sendeten wir auf SRF 2 Kultur eine dem Tage überaus angemessene besinnliche Musikstunde.[3]
Die publizistische Aufgabe von ‹Perspektiven› aber ist, wie bereits erörtert, eine andere als etwa die von uns mit den Kirchen koproduzierten und expliziten Verkündungssendungen: Wort zum Sonntag, Radio-Predigt und konvergente Gottesdienste. (Die ‹Vereinbarungen zwischen SRF und Landeskirchen› hängt dem Anschreiben an; darin ist die publizistische Abgrenzung ausgeführt.) [4]
Sowohl die römisch-katholische [5] also auch die evangelisch-reformierte [6] Radiopredigt an jenem Palmsonntag-Morgen, also eine halbe Stunde unserer Programme auf SRF 2 Kultur wie auch auf der SRF Musikwelle, waren dem Palmsonntag gewidmete religiös-verkündigende Beiträge.
Am Fernsehen tat die Verkündungssendung «Wort zum Sonntag» [7] desgleichen.
Dieses Angebot erachten wir als qualitativ hochstehend und mehr als ausreichend, um den Palmsonntag im Besonderen zu würdigen.
Freilich greifen wir auch in ‹Perspektiven› immer wieder Themen des Kirchenjahres und im engeren Sinne christlich-kirchliche Themen auf. An Ostersonntag etwa war Kurt Kardinal Koch unser Gast[8] und beantwortete Publikumsfragen.
Grundsätzlich aber stehen die redaktionellen Sendungen von Sternstunde Religion und des Radioteams vollumfänglich in unserer journalistisch-publizistischen Entscheidungskompetenz, im Sinne der Freiheit und Unabhängigkeit des Journalismus.
Zusammenfassend:
Radio und Fernsehen SRF haben on air und online ein thematisch und stilistisch breites Angebot zu den Feiertagen und auch zu Palmsonntag im Speziellen gemacht. Gerade auch in den verkündigenden Sendungen hätte die beanstandende Hörerin viel für sich finden können, was sie in der Sendung Perspektiven nicht finden konnte, weil diese Senderubrik einen anderen Sendeauftrag erfüllt als einen im engeren Sinne christlich-religiös verkündigenden. Die Beanstandung weisen wir also vollumfänglich zurück und geben der Hörerin gerne einige Sendehinweise [9], damit Sie im breiten trimedialen Angebot von SRF das für sie Passende findet, - denn davon gibt es viel.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Die Sendung als Sendung dürfte unbestritten sein. Im Dialog mit drei Fachleuten, dem Berliner Psychologen Achmat Mansour, der als Araber in Israel aufgewachsen ist[10] sowie den Schweizer Islamwissenschafterinnen Amira Hafner-Al Jabaji[11] mit iranischen und Esma Isis-Arnautović[12] mit bosnischen Wurzeln, wird ein differenziertes Bild der Stellung der Frau im Islam entworfen. Es ist ein Aufklärungsstück, und als solches widerspricht es in keiner Weise dem Radio- und Fernsehgesetz.
Aber Sie stoßen sich ja nicht eigentlich an der Sendung an sich, sondern an der Tatsache, dass dieses Thema am Palmsonntag behandelt worden ist. Sie sehen dadurch den Palmsonntag «beschmutzt», «entheiligt», durch eine fremde Religion usurpiert. Ihnen geht es weniger darum, dass Sie christlich-religiöse Sendungen vermisst hätten (die Ihnen Frau Wipfler in Erinnerung ruft), sondern darum, dass Radio SRF 2 Kultur es wagt, an einem wichtigen christlichen Sonntag, dem Tag, als Jesus in die Stadt Jerusalem hineinritt und von seinen Anhängern gefeiert wurde, eine Sendung dem Islam zu widmen.
Nun: Abgesehen davon, dass Radio SRF 2 Kultur im Rahmen der Programmautonomie das Recht hat, eine solche Sendung auch am Palmsonntag auszustrahlen und durch die Sendung niemand wirklich diskriminiert wird, möchte ich auf einen wichtigen Aspekt hinweisen: Die drei großen Religionen, die uns in Europa immer wieder beschäftigt haben, sind miteinander verwandt. Alle drei – das Judentum, das Christentum und der Islam – sind im Orient entstanden, im Raum zwischen Mittelmeer und Persischem Golf, bloß zu unterschiedlichen Zeitpunkten: das Judentum vor rund 4'000 Jahren, das Christentum vor rund 2'000 Jahren und der Islam vor rund 1'400 Jahren. Die beiden jüngeren Religionen beziehen sich auf die jeweils älteren: Die Christen haben mit dem Alten Testament die Geschichte des Volkes Israel und die Vorväter und Propheten des Judentums voll in ihre Religion integriert. Im Islam – und das heißt: im Koran - spielen Adam, Noah, Abraham, Isaak, Jakob, Moses, David, Salomon, Jonas, Johannes der Täufer und Jesus von Nazareth als Propheten oder Gesandte eine Rolle. Wenn man dieses Gemeinsame sieht, ist es nicht so abwegig, an wichtigen christlichen Tagen auch vom Islam oder vom Judentum zu sprechen. Ich bitte Sie, die Sache einmal von dieser Seite aus anzusehen. Ich verstehe zwar Ihre Verstörung, aber ich kann Ihre Beanstandung schon aus formalen Gründen – Programmautonomie – nicht unterstützen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
[1] https://www.srf.ch/sendungen/perspektiven/macker-und-paschas-sind-religionen-schuld-daran-2
[2] https://www.srf.ch/sendungen/perspektiven/sendungsportraet
[3] https://www.srf.ch/sendungen/sakral-vokal/fuerwahr-er-trug-unsere-krankheit-zwei-jesaja-betrachtungen
[4] Vgl. Beilage Vereinbarung
[5] https://www.srf.ch/sendungen/predigt/roem-kath-predigt-pfarreibeauftrage-vreni-ammann-st-gallen-3
[6] https://www.srf.ch/sendungen/predigt/ev-ref-predigt-pfarrer-peter-weigl-windisch-7
[7] https://www.srf.ch/sendungen/wort-zum-sonntag/ehrenamt
[8] https://www.srf.ch/sendungen/perspektiven/frag-den-kardinal
[9]https://www.srf.ch/sendungen/sakral-vokal/fuerwahr-er-trug-unsere-krankheit-zwei-jesaja-betrachtungen; https://www.srf.ch/sendungen/zambo/zambo-vom-25-maerz-2018; https://www.srf.ch/sendungen/fiirabigmusig/bleib-bei-uns-denn-es-will-abend-werden
[10] http://ahmad-mansour.com/
[11] http://www.interrelthinktank.ch/index.php/texte/texte-der-einzelnen-mitglieder/texte-amira2
[12] https://www3.unifr.ch/szig/de/zentrum/team/esma-isis-arnautovic-de.html
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