Beitrag «Fangesänge» von «Der Morgen» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 26. März 2018 haben Sie einen Beitrag zum Thema «Fangesänge» auf Radio SRF 3, der am 24. März 2018 morgens nach acht Uhr ausgestrahlt wurde, beanstandet. Ihre Eingabe er­füllt die formalen Voraussetzungen an eine Beanstandung. Somit kann ich auf sie eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

Ohne emotional zu werden, aber was Tom Gisler heute Morgen um ca. 0815 auf SRF3 gesagt hat, geht gar nicht: Am Ende des Beitrages über Fangesänge, welcher per se schon grenzwärtig ist, er­laubt er sich zu sagen Zitat: «denn figget öich, ehr Hueresöhn» Ende Zitat. Auch der Beitrag auf der SRF3 Seite enthält Wortlaute, die nicht dahin gehören.

Bei allem Respekt vor Meinungsfreiheit, aber es gibt mindestens 2 Missachtungen laut RTVG:

  • Grundrechte und Menschenwürde: Die Sendungen eines Radio- oder Fernsehprogramms müs­sen die Grundrechte beachten und die Menschwürde achten und dürfen keine diskriminieren­den, rassistischen, sittlichkeitsgefährdenden sowie gewaltverherrlichenden resp. –verharmlosen­den Inhalte enthalten.
  • des Schutzes Minderjähriger: Programmveranstalter haben durch die Wahl der Sendezeit oder sonstige Massnahmen dafür zu sorgen, dass Minderjährige nicht mit Sendungen konfrontiert werden, welche ihre körperliche, geistig-seelische, sittliche oder soziale Entwicklung gefährden.

Es ist meines Erachtens nicht das erste Mal, dass dieser Herr Gisler nicht genau weiss, was sich gehört am Radio. Lustig sein, herausfordernd und trotzdem die Grenzen kennen, ist offensichtlich bei ihm nicht angekommen. Es wäre schön, Herrn Gisler Nachhilfe diesbezüglich zu geben oder allenfalls einen anderen Job als der am Mikrofon anzubieten.

B. Ihre Beanstandung wurde der zuständigen Redaktion zur Stellungnahme vorgelegt. Herr Pascal Scherrer, Publizistische Leitung Radio SRF 3, schrieb:

Mit seiner Mail vom 26. März 2018 beanstandet Herr X einen Beitrag auf Radio SRF 3, der am Samstag, 24. März um 0815 Uhr über den Sender ging.

«Ohne emotional zu werden, aber was Tom Gisler heute Morgen um ca. 0815 auf SRF3 gesagt hat, geht gar nicht: Am Ende des Beitrages über Fangesänge, welcher per se schon grenzwärtig ist, erlaubt er sich zu sagen Zitat: «denn figget öich, ehr Huere­söhn» Ende Zitat. Auch der Beitrag auf der SRF3 Seite enthält Wortlaute, die nicht dahin gehören. Bei allem Respekt vor Mei­nungsfreiheit, aber es gibt mindestens 2 Missachtungen laut RTVG:

Grundrechte und Menschenwürde: Die Sendungen eines Radio- oder Fernsehprogramms müssen die Grundrechte beachten und die Menschwürde achten und dürfen keine diskriminierenden, rassistischen, sittlichkeitsgefährdenden sowie gewaltverherrli­chenden resp. –verharmlosenden Inhalte enthalten. des Schutzes Minderjähriger: Programmveranstalter haben durch die Wahl der Sendezeit oder sonstige Massnahmen dafür zu sorgen, dass Minderjährige nicht mit Sendungen konfrontiert werden, welche ihre körperliche, geistig-seelische, sittliche oder soziale Entwicklung gefährden.»

Hier die Transkription des Beitrages

Anmoderation Moderatorin Tina Nägeli

«Seid ihr Eishockeyfans, und wenn ja, seid ihr so richtige Hardcore-Eishockeyfans, die rumschrei­en und Randale machen? So ein bisschen diesen Ruf haben Eishockeyfans ja. Aber auch Ultras haben viel Liebe in sich. Sie finden aber halt keine Worte, um sie auszudrücken.

Darum hat mein Moderationskollege Tom Gisler eine Aktion gestartet, ihr findet das Video dazu auf SRF 3.ch – seine Aktion faire Fangesänge:»

Beitragstimme Tom Gisler:

«Ich möchte euch hier, am Schluss unseres kleinen Workshops noch Möglichkeiten aufzeigen, wie man als Fankurve die gegnerische Mannschaft als Ganzes hochleben lassen kann, weil der Ho­ckeyfan als Experte sieht natürlich auch, wenn die eigene Mannschaft schlechter ist als der Geg­ner. Und das darf man dann auch mal zugeben:

[Eingespielter FANGESANG] OWEH, OWEH, OH MACHT DOCH UNSEREN NICHT MEHR WEH! OH WEH, OHWEH, SIE HABEN DOCH EH KEINE CHANCE MEHR!

Tom Gisler: Macht doch unseren nicht mehr weh, sie haben eh keine Chance mehr. Das würde dann in der Konsequenz beim Playoff-Final heissen – jetzt kommen ja zuerst die Halbfinals, aber nur zwei Mannschaften werden es in den Final schaffen - aber wenn eure Mannschaft zu diesen zwei gehört, aber ihr während der Finalserie merkt, ja unsere werden nicht Meister, sie hätten es auch nicht verdient, dem Gegner gehört der Meisterpokal, dann schreit es raus, der wahre Cham­pion zeigt sich in der Niederlage:

[Eingespielter FANGESANG] EUCH GHOERT GANZ KLAR, EUCH GHOERT GANZ KLAR DER MEISTER-POKAL, GANZ KLAR DER MEISTER-POKAAAL, GANZ KLAR DER MEISTER-POKAL.

Tom Gisler: Mehr Liebe, mehr Respekt für den Gegner in den Playoffs – Eine Initiative von Tom Gisler in Zusammenarbeit mit SRF 3. Wenn ihr jetzt findet, der Gisler hat es überhaupt nicht be­griffen: Das Beschimpfen gehört doch zum Eishockey! Dann: Fickt euch doch, ihr Huren­söhne.»

FOLGT MUSIK.

Unsere Stellungnahme:

Der genannte Beitrag endet tatsächlich mit diskussionswürdigen Worten, wie sie unser Hörer X beanstandet.

Moderator Tom Gisler verwendet die inkriminierten Worte – vor dem Hintergrund eines liebenswürdig-ironischen Beitrags über die z.T. tatsächlich primitiven Fangesänge in Sportstadien – als Schlusspointe für seinen Inhalt zu den laufenden Eishockeymeisterschaft-Playoffs.

Mit seiner Schlusspointe konterkariert Tom Gisler in ironischer Manier genau das, wofür er zuvor mi­nutenlang geworben hat in seiner «Initiative für mehr Liebe und Respekt»: Für mehr Niveau und Res­pekt in Fangesängen. Das beabsichtigte Ziel von Herrn Gisler war es, eine Lanze zu brechen für faire, statt für geschmacklos-aggressive Fangesänge in Hockeystadien.

Aus meiner Warte ist jederzeit – von der Anmoderation, über die eigentliche «Geschichte» bis hin zur bewusst rabiat-deplatzierten Schluss-Pointe – für das Publikum klar verständlich, dass diese «Initiative für Respekt und Liebe zwischen Fans im Eishockeysport» nicht todernst gemeint ist. Dies zeigt sich meines Erachtens deutlich mit den für mich klaren Ironie-Signalen, die im Subtext und auch in der Stimme und Stimmlage von Tom Gisler mitschwingen.

Einen einzelnen Satz – letzterer ist zugegeben sehr explizit – aus dem Zusammenhang eines ironi­schen Beitrags zu extrahieren und diesen ohne Kontextualisierung zum Anlass zu nehmen, um eine allfällige Verletzung der Grundrechte und der Menschenwürde herzuleiten, das ist meiner Auffassung nach nicht gerechtfertigt.

SRF 3 ist ein Pop-Rockprogramm für Erwachsene. Zu den wichtigsten Themenpfeilern gehören Nach­richten, Informationssendungen, Musik- und Sportinhalte und auch Inhalte aus dem Bereich Sa­tire/Comedy. Gerade im Zusammenhang mit Satire/Comedy nehmen wir in sehr seltenen Fällen in Kauf, dass ein Inhalt einen einzelnen Hörer verstören kann – selbst wenn wir nicht mittels Layout-Elementen expressis verbis darauf hinweisen, dass ein Inhalt zur Gattung Satire/Comedy gehört.

In diesem Sinne kann ich verstehen, dass der Schluss des verhandelten «Ironiestückleins» unseres Moderators Tom Gisler als deplatziert wahrgenommen werden kann.

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung des beanstandeten Beitrages. Der zwei Mi­nuten dauernde Beitrag[1] von Tom Gisler steht unter dem Motto: «Wenn Fangesänge fair wären». Der Moderator skandiert «reine Liebe» und es soll endlich Schluss sein mit Beschimpfungen in den Schweizer Sportstadien; so ist es zu lesen auf der Website zur Sendung[2]. Des Weiteren steht dort, dass SRF 3-Moderator Tom Gisler überzeugt ist, «dass in den Fankurven viel Liebe existiert. Den Fans fehlt bloss das nötige Vokabular, um ihre Liebe für den gegnerischen Verein zum Ausdruck zu brin­gen.» Diese Zeilen bringen zum Ausdruck, dass es im beanstandeten Beitrag um pure Ironie geht. Ob man das witzig oder sogar lustig findet, ist Geschmackssache.

Im Buch «Linguistik der Ironie» von Edgar Lapp (1997) heisst es: «Ganz grob gesagt funktioniert der Mechanismus der Ironie so, dass die Äusserung wörtlich genommen ganz offensichtlich nicht zur Situation passt. Weil sie so offensichtlich nicht passt, muss der Hörer sie so reininterpretieren, dass sie passt, und die natürlichste Methode besteht darin, sie so zu interpretieren, dass sie gerade das Ge­genteil von dem bedeutet, was sie wörtlich besagt» (S. 89). Ironie ist ein Beispiel dafür, wie Gesag­tes und Gemeintes auseinanderklaffen. Manchmal erreicht die Ironie den Zweck der Unterhal­tung aber nicht. Und so scheint es in dem von Ihnen beanstandeten Beitrag zu sein.

Nimmt man den Satz «Wenn ihr findet, dä Gisler dä hät überhaupt nüt tschegget: S Beschimpfe vo Gägner und Schiedsrichter, das ghört doch zum Ishockey ... denn, dänn figget eu, ihr Hueresöhn» al­leine für sich, wäre er sicher diskriminierend und fernab von jeglichem Anstand. Im Kontext des gan­zen Beitrags und unter Berücksichtigung der Stimme, der Stimmlage, aber auch der Kunstpause des Moderators vor dem ironisch gemeinten, derben Teil, ist der Satz aber keineswegs für bare Münze zu nehmen. Zugegeben, die Wortwahl ist primitiv – schliesst aber nahtlos an an die oft unglaublich ordinären und groben Sprechgesänge einzelner Fans in den Sportstadien, die sich gegen gegnerische Spieler, den Schiedsrichter oder die Fans der anderen Mannschaft richten. Gleichermassen iro­nisch ist auch der Abschluss «Weniger Hass. Mehr Liebe, ihr Drecksäue.» im Online-Artikel[3] zu verste­hen.

Der Beitrag verletzt also weder die Grundrechte noch die Menschenwürde. Er gefährdet auch Minderjährige nicht. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass ich Ihre Beanstandung nicht unter­stützen kann.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernseh­gesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Manfred Pfiffner
Stellvertretender Ombudsmann

[1] Der Ombudsstelle liegt eine digitale Tonaufzeichnung des Beitrages vor.

[2] https://www.srf.ch/radio-srf-3/aktuell/wenn-fangesaenge-fair-waeren-tom-gisler-skandiert-reine-liebe

[3] https://www.srf.ch/radio-srf-3/aktuell/wenn-fangesaenge-fair-waeren-tom-gisler-skandiert-reine-liebe

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