«Reporter» zu «Pierin Vincenz – Aufstieg und Fall eines Starbankers» beanstandet II

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Mit Ihrer E-Mail vom 26. März 2018 beanstandeten Sie die Sendung «Reporter» (Fernsehen SRF) über «Pierin Vincenz – Aufstieg und Fall eines Starbankers».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Weshalb man nun unbedingt einen Reporter-Beitrag über Vinzenz bringen wollte, verstehe ich grundsätzlich nicht. Der Filmer meinte im Radio-Interview, er habe nur eine Woche Zeit gehabt. Leider. Der Beitrag kommt im Boulevard-Stil daher und weil Vinzenz ein mutmasslicher Täter ist, darf man kaum Inhaltliches bringen.

Was mich jedoch wirklich im Beitrag stört, ist die minutenlange Werbung für ‹Republik› samt Homepage. Werbung, die offensichtlich für das Interview mit Hässig auf die Wand geklebt wurde. Das geht nicht, man stelle sich vor, da wäre die baz oder NZZ eingeblendet gewesen... Ich bin ‹Verlegerin› der Republik, schätze deren Texte und es ist der Verdienst von Hässig, dass der Fall Vinzenz untersucht wird. Aber SRF muss ausgewogen berichten und darf keine Werbung in dieser Form machen.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für «Reporter» antwortete Frau Nathalie Rufer, Executive Producer der Sendung:

«Die Verfasserin der Beanstandung schreibt, SRF habe im ‹Reporter›-Film über Pierin Vincenz vom 25.3.2018 unausgewogen berichtet und unerlaubt Werbung für das Onlinemagazin ‹Republik› gemacht. Wir können diesen Vorwurf nicht nachvollziehen.

‹Reporter› ist ein Reportage-Format. Das heisst: Wir dokumentieren Menschen in authentischen Situationen. Wir inszenieren nichts. Wir filmen und zeigen, was ist.

Im vorliegenden Fall war es so, dass ein SRF-Redaktor mit Lukas Hässig Kontakt aufnahm und die Möglichkeiten für aktuelle Aufnahmen diskutierte. Wir äusserten den Wunsch, dass wir ihn in einer Situation im Kontext zu Pierin Vincenz filmen wollen. Lukas Hässig hatte einen Termin beim Onlinemagazin ‹Republik›. Und zwar als Gast der Redaktion, um online mit Lesern über den Fall Pierin Vincenz zu diskutieren, zu dem er soeben einen ausführlichen Artikel bei der ‹Republik› publiziert hatte. Dieser Kontext wurde transparent gemacht im Film. Wörtlich heisst es im Kommentar: <Mit Lukas Hässig publiziert hier neuerdings einer der profiliertesten Wirtschaftsjournalisten der Schweiz. Hässig hat Vincenz quasi im Alleingang zu Fall gebracht mit seinen Recherchen. Heute beantwortet er online Leser-Fragen...>

Es wäre wider das Konzept der Sendung ‹Reporter› und allenfalls auch journalistisch unlauter, wenn bei den Dreharbeiten Veränderungen im Raum vorgenommen worden wären: Wenn der SRF-Journalist Gegenstände ins Bild gerückt oder Dinge ab- oder umgehängt hätte. Sei dies zu (versteckten) werberischen oder zu manipulativen Zwecken. Entsprechend des Konzepts der Sendung ‹Reporter› wurde beim Reportage-Dreh mit Lukas Hässig aber nichts arrangiert oder (um-)gestellt. Lukas Hässig wurde am Tag des Drehs von einem Journalisten der ‹Republik› in das Büro-Zimmer geführt, in dem solche ‹Leser-Chats› üblicherweise stattfinden. Der SRF-Reporter folgte den beiden und filmte die Räumlichkeiten so, wie sie sich darstellten. Es wurde nichts extra ins Bild gerückt.

Zudem wurde Lukas Hässig in verschiedenen Einstellungen in verschiedenen Situationen gedreht. Die Einstellungen schaffen Orientierung und eröffnen dem Publikum einen differenzierten Blick vom Raum, in dem sich Lukas Hässig während der Dreharbeiten befand. Die Auswahl der Interviewaussagen bzw. Quotes richtete sich während der Postproduktion (Schnitt) nur nach dem Inhalt und der Storyline des Films und nicht nach dem Bildausschnitt.

Wäre Lukas Hässig in den Redaktionsräumen der NZZ oder der Basler Zeitung zu Gast gewesen, hätten wir ihn nach den gleichen Massstäben abgebildet. Wir möchten darauf hinweisen, dass Lukas Hässig in seinen Aussagen keine Werbung macht für das Onlinemagazin ‹Republik›. Die Sendung ‹Reporter› erwähnte im Kommentartext zwar die ‹Republik› einmal, aber weder wertend noch werberisch, sondern schlicht erklärend: Mit der Absicht, dass der Zuschauer verstehen soll, wo und wieso sich ein Protagonist während einer Reportage-Dreharbeit befindet.

Wir können aus den erwähnten Gründen den Vorwurf nicht nachvollziehen, dass die Sendung ‹Reporter› ‹minutenlange Werbung› für die ‹Republik› gemacht und nicht ausgewogen berichtet habe.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Die Ombudsstelle hat einzuschreiten, wenn eine Sendung unentgeltliche Schleichwerbung enthält. Was ist Schleichwerbung? Das ist Werbung, die nicht als solche angekündigt wird und die kein zwingender Bestandteil des Themas ist. Schleichwerbung ist Werbung für Produkte, Dienstleistungen oder Ideen, die sich ins Programm einschleicht, also außerhalb der Werbeteile verbreitet wird. Wenn Skirennfahrer beim Interview dauernd die Marke ihrer Skis zeigen, dann ist das Schleichwerbung. Wenn auf einem Tisch, an dem vier Personen sitzen, die miteinander diskutieren, «zufällig» gut sichtbar Produkte der gleichen Firma stehen, dann ist das Schleichwerbung.

Dass man aber in dieser «Reporter»-Sendung Lukas Hässig in Verbindung mit dem Logo der «Republik» sieht, ergibt einen Sinn, denn für diese Publikation arbeitet er ja und dort beantwortet er gerade Fragen im Publikums-Chat. Es spricht nichts dagegen, dass man beim Interview mit dem Migros-Filialleiter das Logo der Migros sieht. Es ist völlig normal, dass der Raiffeisen-Banker in seinem Raiffeisen-Umfeld gezeigt wird. Das sind logische Zusammenhänge, und das ist keine Schleichwerbung. Es gibt daher keinen Grund, Alarm zu schlagen. Folglich kann ich Ihre Beanstandung auch nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

[1] https://www.srf.ch/sendungen/reporter/pierin-vincenz-aufstieg-und-fall-eines-starbankers

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