Beitrag «Vollgeld-Initiative» der «Tagesschau» beanstandet
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Mit Ihrer E-Mail vom 17. April 2918 beanstandeten Sie die Sendung «Tagesschau» (Fernsehen SRF) vom 15. April 2018 und dort den Beitrag zur Vollgeldinitiative.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«Die Wirtschaftsredaktion hat zusammen mit der KOF der ETH 748 Fragebögen an die Ökonomen der
Schweizer Universitäten und Fachhochschulen geschickt. Davon wurden gem. Tagesschau nur rund 100 beantwortet. D.h. 7 von 8 haben Ihre Meinung nicht mitgeteilt. In den gezeigten Grafiken fehlten diese in der Rubrik «weder noch keine Antwort». Es wurde also nur die etwa 100 ausgewertet.
Das ist nicht repräsentativ? Warum haben so viele nicht geantwortet?
Dass nur rund 100 von den 748 Fragebögen beantwortet wurden wird nur am Ende des Berichtes kurz gesagt. Meiner Meinung nach ist so eine selektive Umfrage nicht repräsentativ und eine grobe Beeinflussung der Stimmbürger. Dies ist sicher nicht zulässig und höchst unprofessionell. Diese Falschinformation muss korrigiert werden!»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die «Tagesschau» äußerte sich Herr Franz Lustenberger:
«Mit Mail vom 17. April hat Herr X eine Beanstandung gegen die Tagesschau vom 15. April eingereicht. Im beanstandeten Beitrag geht es um eine Eigenrecherche der SRF-Wirtschaftsredaktion zusammen mit der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich zur Haltung unter Ökonomen zur Vollgeld-Initiative.
Charakter der Umfrage
Es handelt sich bei der Umfrage der SRF-Wirtschaftsredaktion nicht um eine Meinungsumfrage im klassischen Sinne. Es sind also nicht – wie üblich bei Befragungen vor Abstimmungen – rund 2'000 Personen, repräsentativ über die ganze Schweiz verteilt, nach ihren Meinungen befragt worden.
Es handelt sich um eine Umfrage bei Ökonomen, also bei Fachleuten, die von der Thematik betroffen sind und in diesem Bereich auch forschen und unterrichten. Es geht also um ein Abbild von Ansichten in einer gezielt ausgewählten und für die Abstimmungsfrage sachkundigen Berufsgruppe.
Eine Rücklaufquote bei einer schriftlichen Befragung von 13,4 Prozent ist beachtlich. Die Wirtschaftsredaktion hätte es sich auch viel einfacher machen können: Man sucht zwei Ökonomen (einen dafür und einen dagegen) und hätte einen Beitrag mit zwei Meinungen.
Der beanstandete Beitrag ist Teil einer breiteren Information zur Abstimmungsvorlage. Es sind dies die Medienkonferenz des Bundesrates, die Medienkonferenzen der beiden Abstimmungskomitees, die Parolen der Parteien und die Abstimmungsarena. Daneben hat SRF auch Eigenleistungen zum Abstimmungsthema vorgesehen. Eben die Haltung der Ökonomen oder die Auswirkungen auf die Konsumenten. Die Wirtschaftssendung Eco hat mehrmals über die Vollgeld-Initiative berichtet. Das erklärende Video ‹Geld regiert die Welt, doch wer regiert das Geld› wird gar auf der Webseite der Initianten lobend erwähnt und verlinkt.[2]
Die klassische SRG-Umfrage zu den beiden Abstimmungsvorlagen vom 10. Juni folgt anfangs Mai (erste Welle). Diese ist dann repräsentativ, bezogen auf alle Stimmberechtigten in der ganzen Schweiz.
Ausgewogenheit im Beitrag
Der Beitrag ist sachgerecht gemacht. Bereits im Text wird die Einschränkung erwähnt, dass nur ein Teil der Ökonomen an dieser Befragung teilgenommen haben. In der Abmoderation werden die genauen Zahlen erwähnt.
Beide Seiten kommen zu Wort: Alexander Rathke begründet, weshalb die meisten Ökonomen der Initiative ablehnend gegenüberstehen. Reinhold Harringer kann als Vertreter des Initiativ-Komitees dazu Stellung nehmen.
Wichtig ist auch der zweite Teil des Beitrages. Darin wird auf die Thematik der Stabilität des Finanzsystems in der Schweiz eingegangen. Die Mehrheit der befragten Ökonomen hält das Finanzwesen nach wie vor für instabil. Diese Thematik ist eine der Kernpunkte in der politischen Diskussion. Im Schlusssatz des Beitrages wird dies nochmals deutlich.
Fazit
Die Wirtschaftsredaktion hat einen Beitrag zur Vollgeldabstimmung mit Meinungen von Fachleuten gemacht; sie hat zu diesem Zweck Ökonomen in der Schweiz angeschrieben. Rund 100 haben ihre Meinung abgegeben. Sie hat dies immer transparent gemacht.
Im Beitrag kommen beide Seiten zu Wort. Und eine Mehrheit der Ökonomen sieht nach wie vor Instabilitäten im Schweizer Finanzsystem, was letztlich die Argumentation der Initianten stützt.
Ich bitte Sie, die Beanstandung in diesem Sinne zu beantworten.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Es bot sich beim Thema «Vollgeldinitiative» an, den Ökonomen an Schweizer Universitäten und Fachhochschulen verschiedene Fragen dazu vorzulegen. Es ist logisch und war erwartbar, dass sich nur eine Minderheit der Mühe unterzog, den von der SRF-Wirtschaftsredaktion und der Konjunkturforschungsstelle der ETH (KOF) ausgearbeiteten Fragebogen auszufüllen. Von 748 Adressaten antworteten 100. Dies entspricht einem Rücklauf von 13,4 Prozent. In den Sozialwissenschaften ist man stets zufrieden, wenn der Rücklauf größer als 10 Prozent ist. Insofern entsprach diese Beteiligung dem Üblichen. Ob die Umfrage per Zufall repräsentativ war, weiß man nicht. Nach demoskopischen Regeln war sie nicht repräsentativ. Aber es ist gut möglich, dass bei einer 100prozentigen Beteiligung ebenfalls 77 Prozent der Wissenschaftler die Initiative abgelehnt hätten. Es war auch korrekt von der Redaktion, dass Reinhold Harringer als Vertreter des Initiativkomitees zu den Ergebnissen der Umfrage Stellung nehmen konnte.
Dennoch wäre es im Sinne des Transparenzgebots notwendig gewesen, die Redaktion hätte die Rahmendaten der Umfrage am Anfang bekanntgegeben und nicht erst im Abspann. So machte es den Anschein, als wolle man vertuschen, dass 648 Ökonomen nicht an der Befragung teilgenommen haben. Es gehört zur Aufklärung, dass man Ross und Reiter nennt. Wenn 100 Ökonomen antworten, ist das immerhin stattlich. Dass die Quote zumindest am Schluss noch genannt wurde, war gut. Aber dass das Publikum nicht gleich zum Vorneherein informiert wurde, war ein Fehler. Deshalb kann ich Ihre Beanstandung zumindest teilweise unterstützen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
[1] https://www.srf.ch/sendungen/tagesschau/diplomatische-offensive-genfer-staatsrat-la-cardinale-wird-80
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