Sendung «Deville Late Night Kinder Special» beanstandet
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Mit Ihrer E-Mail vom 14. April 2018 beanstandeten Sie die Sendung «Deville Late Night Kinder Special» vom 13. April 2018.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«Erstens einmal möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen, dass sie sich diese Sendung aufgrund meiner Beanstandung ansehen müssen. Auf der SRF Seite steht: Die Gremien Publikumsrat und Ombudsstelle beobachten die Programmangebote von SRF und beurteilen Beanstandungen im Sinne einer Qualitätskontrolle. Ich möchte, dass sie diese Sendung einer Qualitätskontrolle unterziehen.
Ein paar negative ‹Highlights›:
Minute 1:27 Herr Deville kündigt an, dass er linksextremes Gedankengut versucht zu indoktrinieren.
5:43 Kind erschiesst Donald Trump den ‹Präsident of the United States› mit einer Pistole.
6:37 Theaterspiel vom König Blocherbart
6:55 Prinzessin Martullo wolle Königin werden und dabei helfen ihr Schneerickli, Froschköppel sowie Aeschiputtel,
7:50 Lernsequenz ‹Was ist Politik und was machen Politiker›; die Parteien wurden sicher falsch beschrieben und auch hier kam wieder Blocher, der alleine regieren möchte und eine Videosequenz wo Blocher stürzt. Die SVP wird auch hier mehrheitlich in die Pfanne gehauen.
10:40 Sequenz gegen die Sozialdetektive. Er nannte es eine ‹Födli-idee›. Dazu zeigt er eine Sequenz, in der ein Sozialdetektiv gezeigt wird, der als Gesicht ein ‹Hinterteil› hatte und eine gewisse Ähnlichkeit aufgrund der Uniform und der Frisur zu Adolf Hitler ist nicht von der Hand zu weisen.
14:05 Ein Lied mit dem Text ‹Wer furzt damit man es hört. De Papi de Papi›.
32:50 Jemand tanzt mit Martullo-Blocher Maske und dem Bundeshaus im Arm.
Erstens einmal stellt sich die Frage, ob man hier von einer redaktionellen Sendung oder von übrigem publizistischen Angebot der SRG sprechen kann. Da es in der Sendung eindeutig Lernsequenzen hat, sowie Informationen zu einer Wahlvorlage habe ich Zweifel, ob das Zielpublikum dieser Sendung diese Unterscheidung machen kann. Aufgrund der Tatsache, dass hier Kinder die Zielgruppe sind, finde ich, sollte man die Qualitätskriterien umso strenger anwenden.
Grundrechte und Menschenwürde: Ich fühle mich als SVP Mitglied in dieser Sendung diskriminiert. Auch die Darstellung eines Sozialdetektivs mit einem Gesicht dargestellt als Hinterteil und einer Uniform und Frisur, dass die Ähnlichkeit zu Adolf Hitler nicht von der Hand zu weisen ist, missachtet sicher die Menschenwürde der Sozialdetektive.
Weiter ist es sicher eine Diskriminierung von Gebührenzahlern. Ich fühle mich diskriminiert für eine Anti-SVP Sendung Gebühren zahlen zu müssen.
Aufgrund der Lernsequenzen für die Kinder wurde hier das Sachgerechtigkeitsgebot missachtet. Die FdP will viel Abgas und die SP wenig Abgas ist beispielsweise keine korrekte Beschreibung. Weiter sagt Herr Deville den Kindern, dass Sozialdetektive einfach so recherchieren können. Das stimmt nicht, einerseits brauchen die eine Zulassung und zweitens braucht es einen richterlichen Beschluss um Untersuchungen anzustellen.
Transparenzgebot: Da dies ein Gefäss ist, damit Herr Deville seinen SVP-Hass nicht nur ausleben kann, sondern auch bei Kindern kultivieren darf, hätten Ansichten und Kommentare eindeutig erkennbar sein sollen.
Schutz der öffentlichen Sicherheit: Die Sequenz wo ein Kind Donald Trump abschiesst zeigt den Kindern, dass man den amerikanischen Präsidenten abschiessen kann. Gerade unter Amoktätern sind viele Junge darunter. Diese Sequenz verherrlicht Gewalt für die Lösung internationaler Politik und zeigt es den Kindern als legitimes Mittel.
Vielfaltsgebot: Die unterschiedlichen Meinungen kamen sicher nicht angemessen zur Geltung. Da die Zielgruppe dieser Sendung die Unterscheidung von redaktionellem zu übrigem publizistischen Angebot nicht machen kann, sollte meiner Meinung nach das Vielfaltsgebot hier gelten. Insbesondere die ‹Lernsequenzen› zur Politik und die Info zu den Sozialdetektiven konnte von den Kindern kaum unterschieden werden, ob das eine sachliche Information ist, oder Unterhaltung.
Schutz Minderjähriger: Eine Kindersendung sollte nicht dazu benutzt werden um sie politisch zu indoktrinieren, insbesondere nicht im öffentlich rechtlichen Fernsehen. Dieses Ziel hat Herr Deville zu Beginn der Sendung so angekündigt.
Weiter gilt gerade für Kinder, dass diese Information von Unterhaltung nicht unterscheiden können und daher Vorsicht geboten ist mit Informationssendungen und auch politischen Inhalten.
Ich möchte noch eine Beanstandung zur Qualität machen auch wenn das nicht auf ihrer Liste aufgeführt ist. Ich sehe es aber gemäss Seite in ihrem Verantwortungsbereich: Wenn Gebühren-finanziert in einer Kindersendung gesungen wird ‹Wer furzt damit man es hört- de Papi de Papi› muss man sich qualitätsmässig schon Gedanken machen. Oder sind sie der Meinung, die Qualität wurde in dieser Sendung gewährleistet? Ich würde diesbezüglich eine Stellungnahme begrüssen.»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die Sendung «Deville» antwortete Frau Nadine Friedel, Bereichsleiterin Online und Comedy:
«Gerne nehme ich zu der Beanstandung von Herrn X Stellung. Die Beanstandung betrifft die Sendung ‹Deville Late Night Kinder Special› vom 13. April 2018.
Herr X stellt die Frage, <ob man hier von einer redaktionellen Sendung oder von übrigem publizistischen Angebot der SRG sprechen> könne.
Bei der Late-Night-Show ‹Deville› handelt es sich um eine klar erkennbare Satiresendung, die sich in der beanstandeten Folge einerseits an das erwachsene Stammpublikum, andererseits aber einmalig auch an Kinder richtete. In diesem Rahmen hat der Moderator Dominic Deville verschiedene Themen aufgegriffen, mit denen sich die Erwachsenenwelt beschäftigt, und sie auf eine humoristische Art und Weise kindergerecht aufbereitet. Die Sendung nimmt für sich nicht in Anspruch, die Realität sachgerecht wiederzugeben und das erwachsene Publikum ernsthaft zu informieren. Ebenso wenig verfolgte die Sendung ein edukatives Ziel gegenüber den Kindern. Im Vordergrund stand vielmehr, die aktuellen Themen den Kindern – aber auch den Erwachsenen – auf eine einfach verständliche aber zugleich überspitzte, humoristische Art und Weise zu vermitteln. Die satirische Überzeichnung ist zumindest für das erwachsene Publikum jederzeit erkennbar, während die Kinder einfach Spass an einer nicht alltäglichen Sendung mit dem gelernten Kindergärtner Dominic Deville haben.
Ohne auf alle einzelnen Beanstandungen von Herrn X einzugehen, sei hier als Beispiel das ‹Märchen vom König Blocherbart› erwähnt. Um die Geschichte als politische Satire zu verstehen, braucht es einiges an Vorwissen. Erwachsene, die sich für Politik interessieren, wissen, dass es einen Nationalrat namens Thomas Aeschi gibt, und deshalb gelingt es ihnen, die Verbindung zwischen Herrn Thomas Aeschi und der Figur ‹Aeschiputtel› herzustellen. Ein Kind macht diesen Link wahrscheinlich nicht, weil es sich (noch) nicht mit den Nationalrätinnen und Nationalräten beschäftigt. Das hört man auch deutlich an den Publikumsreaktionen im Saal. Bei den Namenskreationen ‹Schneerickli›, ‹Froschköppel› und ‹Aeschiputtel› lachen die Erwachsenen. Die Kinder reagieren danach auf die Schilderung von ‹Prinzessin Martullo›, die so reich ist, dass sie jeden Morgen in einer Badewanne voll Panini-Bildchen baden kann. Der Humor ist für die Kinder bzw. die politische Satire für die Erwachsenen in dieser Spezialausgabe das tragende Element. Mal lachen die Erwachsenen, mal lachen die Kinder – je aus unterschiedlichen Gründen.
Herr X fühlt sich als SVP-Mitglied in dieser Sendung diskriminiert. Er ist der Meinung, dass Kommentare eindeutig erkennbar sein sollen und sieht insbesondere das Vielfaltsgebot und Sachgerechtigkeitsgebot missachtet. Satire ist ein besonderes Mittel der Meinungsäusserung, bei dem sich die Form bewusst nicht kongruent zu dem verhält, was sie hinterfragen will. Sie übersteigert die Wirklichkeit, verfremdet sie, banalisiert sie, karikiert sie. Wichtig ist, dass Satiresendungen als solche erkennbar sind. Bei ‹Deville Late Night› ist dies der Fall.
Herr X sieht in einer Sequenz den Schutz der öffentlichen Sicherheit gefährdet. Bei diesem Einspieler geht es darum, dass eine Mutter und ein Vater, die nicht schlafen können, nachts ihr Kind aufwecken und es bitten, das Monster, das sie unter ihrem Bett vermuten, zu verscheuchen. An dieser Ausgangslage erkennen die Zuschauerinnen und Zuschauer, egal, ob sie erwachsen sind oder nicht, dass die Geschichte nicht ernst gemeint ist. Und auch das Monster gibt es nicht wirklich. Sowohl der Buchhalter unter dem Bett wie auch die Trump-Figur im Schrank lösen sich in Rauch auf; ein Zeichen dafür, dass sie nicht existiert haben und nur Einbildung waren. Die Trump-Figur verschwindet, nachdem das Kind mit einem harmlosen und klar erkennbaren Spielzeug-Bogen kleine, ungefährliche Gummigeschosse abgefeuert hat. Die Verbindung zu Amoktätern, die Herr X herstellt, sehen wir nicht.
Zusammenfassend ist uns nicht ersichtlich, inwiefern die beanstandete Sendung die Grundrechte von Herrn X und anderen Personen missachtet haben soll. Die Grenzen, welche auch der Satire gesetzt sind, hat die beanstandete Sendung stets eingehalten.
Ich bedanke mich für die Gelegenheit zur Stellungnahme.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Sie fragen sich zunächst, ob man bei der Sendung «Deville Late Night Kinder Special» von einer redaktionellen Sendung oder vom übrigen publizistischen Angebot sprechen könne. Die Sendung «Deville» ist eine redaktionelle Sendung. Unter dem «übrigen publizistischen Angebot» versteht man die redaktionellen Online-Texte von SRF.
Aber die Sendung «Deville» ist eine Satiresendung. Satiresendung sind meinungsbetonte Sendungen, das heißt: Sie kommentieren. Satiren gehen immer von wahren Sachverhalten aus, aber übertreiben sie, verulken sie, machen sie lächerlich, entstellen sie mit teilweise darum herum erfundenen Geschichten. Satire spiesst die Wirklichkeit auf, nimmt sie aufs Korn, stellt bestimmte Verhaltensweisen und Machenschaften bloss und stösst über das Lachen und Lächerlichmachen zur Wahrheit vor.
Dominic Deville wendet sich in dieser Sendung an die Kinder und versucht ihnen, Politik zu erklären, und zwar auf satirische Art und Weise. Wenn er das Märchen von König Blocherbart erzählt, dann knüpft er an das Faktum an, dass Christoph Blocher als Bundesrat «den Stall ausmisten», von innen her das System umkrempeln wollte, was deutlich zum Ausdruck kam im «Reporter»-Film über seinen Bruder, den das Fernsehen SRF im Herbst 2007 ausstrahlte («Vom Reinfallen am Rheinfall – Betrachtungen des blocherschen Weltbildes»).[2] Ich hatte nicht den Eindruck, dass die Satire einseitig die SVP aufs Korn nimmt, denn fast alle Parteien bekommen ihr Fett ab, dazu außerhalb der Politik auch die Basler (die mit dem Wappen von Baselland vorgestellt werden, was besonders «beleidigend» ist), die Berner, die Zürcher, die Deutschen, die Bankiers usw. Deville verulkt alles. Ich fand die Sendung durchgehend lustig und originell, gerade auch beispielsweise mit der Umkehr der Rolle, wonach das Kind die Eltern schützt. Dass es dabei mit ein paar Pfeilbogenschüssen das Gespenst Trump in Luft auflöst, das ja nicht das Kind, sondern die Eltern beschäftigt und bedrückt, sehe ich nicht als Verherrlichung der Gewalt. Würde man solcherlei «Gewalt» verbieten, könnte man den Kindern Grimms Märchen nicht mehr erzählen, die voller Gewalt sind.
Auch das Vielfaltsgebot ist nicht tangiert. Das Vielfaltsgebot gilt außer vor Wahlen und Abstimmungen für das Programm im Gesamten, nicht für die einzelne Sendung. Kommt hinzu, dass eine Satire-Sendung als Ganzes ein Kommentar ist, so dass erst recht nicht Ausgewogenheit vorausgesetzt wird.
Sie fühlen sich als SVP-Mitglied und als Gebührenzahler diskriminiert. Dieses Gefühl kann ich Ihnen nicht nehmen, aber ich kann Ihnen zu mehr Gelassenheit raten, gerade weil Sie auch selber Politiker sind: Wer sich in die Politik wagt, muss sich im öffentlichen Diskurs einiges gefallen lassen und einstecken können – von den Politikerinnen und Politiker der anderen Parteien, teilweise auch aus den eigenen Reihen, von Bürgerinnen und Bürgern an Versammlungen, in Leserbriefen, in Online-Kommentaren, von den Medien und gerade auch von Satire-Sendungen. Das gehört zum «Job». 2016 beispielsweise war der damalige Bundespräsident Johann Schneider-Ammann (FDP) wegen seiner Rede zum Tag der Kranken ein Dauerthema in den Satiresendungen. Walter Andreas Müller hat immer auch meisterhaft Bundesrat Moritz Leuenberger (SP) auf die Schippe genommen. An der Basler Fasnacht gab es in einem Jahr mal eine ganze Reihe von Schnitzelbank-Versen, die sich über den damaligen Justizdirektor Hans-Martin Tschudi (Demokratisch-Soziale Partei) lustig machten. Er sass im Saal und lachte mit. In einem späteren Jahr war Polizeidirektor Baschi Dürr (FDP) die Zielscheibe. Es trifft beileibe nicht immer nur die SVP. Und man muss auch noch Folgendes bedenken: Politiker, über die viele Witze gemacht werden, sind oft die populärsten. Das gilt für Adolf Ogi (SVP). Das galt für Rudolf Minger (SVP).
Wenn ich Bilanz ziehe, so komme ich zu folgendem Ergebnis: Dominic Deville hat sich auf satirische Weise an die Kinder gewandt. Er hat dabei das Treiben der Politiker oder die Entstehung der Schweiz verulkt. Alles war lustig, aber nicht alles traf den Geschmack von jedermann. Auch bei der Satire gibt es Unterschiede des Niveaus und der Qualität. Die Ombudsstelle ist aber entgegen Ihrer Annahme nicht zuständig für eine Qualitätskontrolle. Sie überprüft nur, ob eine Sendung den Rahmen der Programmfreiheit sprengt. Das war hier indes nicht der Fall: Keine der Episoden hat das Radio- und Fernsehgesetz verletzt, will sagen: keine war diskriminierend oder eine Verherrlichung von Gewalt. Aus diesem Grund kann ich Ihre Beanstandung nicht unterstützen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
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