«Abstimmungsarena»: Vollgeldinitiative beanstandet
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Mit Ihrer E-Mail vom 12. Mai 2018 beanstandeten Sie die Sendung «Arena» (Fernsehen SRF) vom 11. Mai 2018, in der die Vollgeldinitiative diskutiert wurde.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«Die Sendung Arena will eine Plattform sein, wo sich alle politisch interessierten Zuschauer über eine anstehende Abstimmung informieren können. Der Arena kommt diesbezüglich eine grosse Bedeutung zuteil, da sie eine grosse Reichweite hat, und mit der SRG von einer politisch neutralen Organisation ausgerichtet wird.
Als nicht sachgerecht, oder anders ausgedrückt, offensichtlich fachlich falsch, werte ich zwei Aussagen des Herrn Bundesrates Maurer zum Thema sicheres Buchgeld. Bei 2:26 Minuten wird Herr BR Maurer von Herrn Projer gefragt, ob das Geld auf Schweizer Banken sicher ist. BR Maurer entgegnet: Absolut sicher! Bei Minute 3:20 zur Frage von Projer: <Soll ich dem Geld trauen, dass die Banken selber machen?> erwidert BR Maurer: >Wenn man zurück schaut auf die letzten 100 Jahre, dann war das Geld immer sicher, und es wird in Zukunft noch sicherer.> Bei Minute 22:20 doppelt Herr BR Maurer nach: <...in der Schweiz, wer hat Geld verloren bei einer Schweizer Bank in den letzten 100 Jahren? Es funktioniert alles.>
In Anbetracht des Konkurses der Spar- und Leihkasse Thun ist dies offensichtlich falsch. Bei deren Zusammenbruch wurden 223 Mio von 6300 Kunden (über 1/3) vernichtet. Ausgeblendet wird in diesem Zusammenhang auch die Rettung der UBS im 2008 (welche an anderem Ort thematisiert wurde).[2]
Herr Bundesrat Maurer hat also drei Mal, davon zwei Mal explizit auf die letzten 100 Jahre bezogen, bekräftigt, dass das Geld auf Schweizer Banken sicher sei. Herr Projer hätte als neutraler Moderator diese offensichtliche Falschinformation sofort, jedoch spätestens beim dritten Mal, richtigstellen sollen.
Ich finde dies extrem störend, zumal die Falschinformation von einem Bundesrat geäussert wurde, und somit von einer Person, von der man besondere Rücksicht auf sachliche Information erwarten können sollte und in diesem Sinne für den Wähler auch eine herausragende Stellung innehat. Wenn das SRF nicht fähig ist, solche offensichtlichen Falschinformationen richtigzustellen, dann leistet sie der Verbreitung von ‹fake news› Vorschub, welche in diesem Zusammenhang sogar für Abstimmungswerbung missbraucht werden kann.
Ich verlange eine Richtigstellung dieser Aussage im Fernsehen, wobei auf eine ähnliche Reichweite des Sendeformats geachtet werden muss. Ausserdem ist die Aussage von Herrn Bundesrat Maurer potentiell abstimmungsrelevant, weshalb ich um eine dringliche Bearbeitung mit Veröffentlichung vor dem 10. Juni bitte.»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die «Arena» antwortete Herr Jonas Projer, Moderator und Leiter Fachredaktion Talk:
«Vielen Dank für die Zustellung der Beanstandung von X (Geschäftsnummer 5468). Gerne nehmen wir dazu wie folgt Stellung.
Der Beanstander kritisiert, dass eine von ihm als falsch bezeichnete Aussage von Bundesrat Ueli Maurer in der Sendung nicht ‹sofort, jedoch spätestens beim dritten Mal› korrigiert worden sei.
Gerne halten wir dazu fest, dass in der ‹Abstimmungsarena› zur Vollgeldinitiative vom 11. Mai 2018 nicht weniger als vier Befürworter der Vorlage vertreten waren:
- Raffael Wüthrich, Komitee Vollgeld-Initiative
- Martin Alder, Komitee Vollgeld-Initiative
- Reinhold Harringer, Vizepräsident Verein Monetäre Modernisierung / Komitee Vollgeld-Initiative
- Philippe Mastronardi, wissenschaftlicher Beirat Vollgeld-Initiative.
Die Befürworter verfügten mit diesen vier Personen über exakt die Hälfte der Plätze im Studio. Sie erhielten weiter genau die Hälfte der Redezeit.
Fachkundige, bestens vorbereitete und im Komitee entscheidende Unterstützer der Initiative hatten also in ‹Abstimmungsarena› vom 11. Mai 2018 jede Gelegenheit, auf Statements von Bundesrat Ueli Maurer zu reagieren – auch auf die vom Beanstander als inkorrekt kritisierten Aussagen.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Die «Arena» ist eine Diskussionssendung. Das Bundesgericht stellt an «Diskussionssendungen» weniger hohe Anforderungen in Bezug auf die Sachgerechtigkeit als an «Informationssendungen».[3] Auf eine Informationssendung hat die Redaktion absoluten Einfluss, auf eine Diskussionssendung nur relativen. Denn erstens kann sie nicht mit Sicherheit voraussehen, was die Debattenteilnehmer sagen werden. Zweitens muss der Moderator dem freien Spiel der Debatte einen gewissen Raum lassen, das gehört zum politischen Diskurs. Dabei kann es immer auch vorkommen, dass einzelne Redner die Dinge zu ihren Gunsten zurechtbiegen, die Fakten unvollständig wiedergeben, ja die Unwahrheit sagen. Ist das der Fall, dann ist just die vielstimmige Runde dazu da, dass die Vertreter der Gegenposition solchen Aussagen widersprechen, ja sie richtigstellen.
Sie stören sich daran, dass Bundesrat Ueli Maurer dreimal betont hat, das Geld auf den Schweizer Banken sei sicher. Erstaunlich ist, dass ihm keiner der in der «Arena» anwesenden vier Vollgeld-Initiative-Befürworter widersprochen hat. Weder kam einer nach dem Eingangsinterview mit dem Finanzminister direkt danach darauf zurück, noch nahm jemand nach der Aussage in der Minute 22:20 den Ball auf.
Bundesräte wollen Vertrauen vermitteln. Das gelingt nicht immer. Als der Bundesrat 1936 den Franken um 30 Prozent abgewertet hatte, verkündete Bundespräsident und Finanzminister Albert Meyer anderntags am Radio: «Ein Franken bleibt ein Franken»[4], was formal stimmte, inhaltlich aber ein Witz war und auch für entsprechenden Spott in der Bevölkerung sorgte, der noch Jahrzehnte später nachhallte. Bundesrat Ueli Maurer wollte wohl in der «Arena» zum Ausdruck bringen, dass man den Schweizer Banken vertrauen kann. Dabei unterschlug er, dass es auch in der Schweiz schon einen Fall gab, bei dem Bankkunden Geld verloren: den von Ihnen zitierten Konkurs der Spar- und Leihkasse Thun 1991.[5] Zwei Kantonalbanken, die appenzell-außerrhodische und die solothurnische, gingen ebenfalls in den neunziger Jahren quasi Konkurs, wurden aber von Privatbanken übernommen, so dass den Einlegern nichts passierte. Auch andere Banken wurden aufgekauft. Indem Moderator Jonas Projer dem Finanzminister skeptische Fragen und Nachfragen stellte, brachte er genau dieses aus solchen Erfahrungen resultierende Misstrauen zum Ausdruck. Es ist aber nicht seine Aufgabe, jeden vermuteten oder sicher entdeckten Sachfehler zu korrigieren. Da wäre er überfordert. Der Moderator schreitet beispielsweise ein, wenn sich jemand ehrbeleidigend oder diskriminierend äußert oder wenn jemand behauptet, es stünde etwas im Initiativtext, was gar nicht drin steht. Aber er kann nicht die Diskussion leiten und gleichzeitig als wandelndes Lexikon oder als Instant-Fakten-Checker fungieren. Wenn also niemand aus der Runde Bundesrat Maurer widersprach, dann war der Punkt im Zusammenhang mit der Volksabstimmung offensichtlich nicht wichtig genug.
Mein Befund ist: Sie haben Recht, die Aussage von Bundesrat Ueli Maurer war nicht richtig. In einer Informationssendung hätte sie nicht unwidersprochen bleiben dürfen. Andernfalls wäre das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt gewesen. In einer Diskussionssendung sieht die Sache anders aus: Die Wahrheit muss sich im Diskurs durchsetzen. Zwar bleibt die Aussage falsch, aber die Sachgerechtigkeit ist durch eine einzelne schiefe oder fehlerhafte Aussage noch nicht verletzt. Ich kann Ihnen daher inhaltlich beipflichten, formal aber kann ich Ihre Beanstandung nicht unterstützen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
[1] https://www.srf.ch/sendungen/arena/abstimmungs-arena-vollgeld-initiative
[2] https://www.bernerzeitung.ch/region/thun/Vor-25-Jahren-Der-BankCrash-in-Thun/story/15626281
[3] Bundesgerichtsurteil vom 11. Oktober 2013, 2C_321/213 https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?lang=de&type=highlight_simple_query&page=1&from_date=&to_date=&sort=relevance&insertion_date=&top_subcollection_aza=suv&query_words=2C_321%2F2013&rank=1&azaclir=aza&highlight_docid=aza%3A%2F%2F11-10-2013-2C_321-2013&number_of_ranks=4
[4] https://www.nzz.ch/articleER6L5-1.84136; http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D45078.php
[5] https://www.swissinfo.ch/ger/wirtschaft/spar-und-leihkasse-thun_ein-bankensturm-in-der-schweiz-koennte-es-wieder-passieren/42501688 ; https://www.bernerzeitung.ch/region/thun/Vor-25-Jahren-Der-BankCrash-in-Thun/story/15626281
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