«10 vor 10»-Berichterstattung über Formel-E-Rennen in Zürich beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 8. Juni 2018 beanstandeten Sie die Sendung «10 vor 10» vom gleichen Tag und dort den Beitrag «Auf leisen Reifen» über das Elektroauto-Rennen in Zürich.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Bezugnehmend auf das Sachgerechtigkeitsgebots möchte ich mich über den Bericht in ’10 vor 10’ vom 8. Juni 2018 ‘Auf leise Reifen’ beschweren.

Dieser Bericht ist meiner Meinung nach derartig einseitig positiv und unreflektiert, dass es nicht möglich ist, dass sich das Publikum eine eigene Meinung bilden kann.

Die Tatsachen und Ereignisse werden nicht sachgerecht dargestellt. Lediglich der Organisator des Formel-E-Rennens sowie ein ‘Autorennen-Urgestein’ kommen zu Wort. Dabei fallen Plattitüden wie ‘Nachhaltigkeit’ und ‘Fortschritt’.

Als Bewohner von Zürich Enge konnte ich beobachten, was wegen diesem Rennen alles notwendig ist. Es werden Fussgänger-Inseln entfernt, hunderte Bettonelemente mit Diesellastwagen angekarrt, ganze Strassenabschnitte neu geteert, wobei dieser Teer, so wie ich das beurteile, nach dem Rennen wieder entfernt werden muss, ein riesiges Holzbauwerk wird erstellt, das ebenfalls wieder entfernt wird (was passiert mit diesem Holz), etc. etc.

Von Nachhaltigkeit kann nicht die Rede sein! Dieser 10 vor 10 Beitrag pustet einfach ins gleiche Horn der Elektro-Mobilitäts-Fanatiker.»

Es wäre ein Gebot des Qualitätsjournalismus, bei so einem Bericht auch eine kritische Stimme einzuholen. Davon gäbe es genug. Zum Beispiel hätte die Redaktion von diesem Beitrag jemandem von Umverkehr oder von ProVelo für 5 Sekunden das Wort geben können.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die Sendung «10 vor 10» antwortete deren Redaktionsleiter, Herr Christian Dütschler:

«Herr X beanstandet den Beitrag ‘Auf leisen Reifen’’, den wir in der Sendung 10vor10 vom 7. Juni 2018 ausgestrahlt haben. Den beanstandeten Beitrag haben wir als letzten Beitrag der Sendung ausgestrahlt. An dieser Stelle zeigen wir grundsätzlich Beiträge, bei denen es nicht um harte aussen- oder innenpolitische News geht, sondern vielmehr um unterhaltsame, bildstarke Themen.

Im beanstandeten Beitrag ging es um die Geschichte der Rundrennen in der Schweiz. Im ersten Teil des Beitrages stand das aktuelle E-Rennen in Zürich im Fokus. Zu Wort kamen ein Rennfahrer der Formel E und der Unternehmer, welcher <das erste Rundstreckenrennen in einer Schweizer Stadt möglich gemacht> hat. Der zweite Teil des Beitrages blickte ins Jahr 1954 zurück, als in Bern <das letzte Auto-Rundrennen in einer Schweizer Stadt> stattgefunden hatte. Der Präsident von Auto Sport Schweiz erzählte aus seinen persönlichen Erinnerungen daran. Dann wurde mit Bildern des Unfalls in Le Mans erklärt, warum Autorennen in der Schweiz schliesslich verboten worden sind. Darauf hat der Beitrag gezeigt, dass der Bundesrat bereits <in den 1980er und 1990er Jahren> <insgesamt sechs Rundrennen auf den Militärflugplätzen Interlaken und Emmen> bewilligt hatte, damals mit <Elektrofahrzeugen Marke Eigenbau>. Der Präsident von Auto Sport Schweiz erklärte, wie sich die damaligen Rennen vom aktuellen Rennen der Formel E in der Stadt Zürich unterscheiden. Abschliessend hielt der Beitrag fest, dass die <Rennen in den Städten immer beliebter werden> und wies nochmals darauf hin, dass nun <auch in Zürich das erste Rundstreckenrennen wieder in einer Schweizer Stadt seit 64 Jahren> steigt.

Der Beanstander ist nun der Meinung, der Bericht sei <einseitig positiv und unreflektiert>. Es seien <Plattitüden wie ‘Nachhaltigkeit’ und ‘Fortschritt’> gefallen. ‘Von Nachhaltigkeit’ könne gemäss dem Beanstander aber ‘keine Rede’ sein. Es wäre seiner Meinung nach <ein Gebot des Qualitätsjournalismus gewesen, bei so einem Bericht auch eine kritische Stimme einzuholen>. Gerne nehmen wir zur Kritik des Beanstanders Stellung.

Grundsätzlich sind wir gemäss der gesetzlich garantierten Programmautonomie frei in der Wahl des Themas eines Beitrages. Wir sind dabei auch frei, uns auf einen bestimmten Aspekt eines Themas zu konzentrieren. Dies ist aufgrund des zeitlich begrenzten Rahmens eines 10vor10-Beitrages auch aus journalistischer Sicht zwingend.

Anlässlich des ersten Auto-Rennens in einer Schweizer Stadt seit über 60 Jahren haben wir entschieden, uns im beanstandeten Beitrag auf die Geschichte der Rundrennen in der Schweiz zu fokussieren. Dies haben wir bereits in der Anmoderation deutlich gemacht:

<...Am Sonntag surren die elektrischen Flitzer durch die Strassen Zürichs. Am ersten motorisierten Rundrennen in einer Schweizer Stadt seit 64 Jahren.>

Der Fokus des Beitrages war also für unser Publikum von Beginn weg klar: Es ging um die Geschichte der Auto-Rundrennen in der Schweiz. Es handelte sich dabei also nicht etwa um einen kontradiktorischen Beitrag, bei dem Pro- und Kontraseite gleichwertig zu Wort kommen müssen. Vielmehr ging es darum, das aktuelle Autorennen in einen historischen Kontext zu betten. Zu Wort kamen dazu einmal ein Rennfahrer der Formel E, welcher die Elektro-Rennwagen mit normalen Rennwagen verglich. Dann einmal der Unternehmer, welcher das Rennen in die Schweiz gebracht hatte und der sich dazu äusserte, warum es – nach über 60 Jahren – plötzlich möglich war, eine Bewilligung für ein Rennen in einer Stadt zu bekommen. Und schliesslich kam zweimal der Präsident von Auto Sport Schweiz zu Wort – einmal mit persönlichen Erinnerungen und beim zweiten Mal mit einem Vergleich des aktuellen Rennes mit den früheren Elektro-Rennen. Kritische Stimmen brauchte es zum gewählten Thema nicht zwingend. Die vom Beanstander vermissten Stimmen von Umverkehr oder ProVelo hätten thematisch nicht zum Fokus des Beitrages gepasst.

Selbstverständlich wäre auch das Thema Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit dem E-Rennen interessant gewesen. Der immense Aufwand, der betrieben worden ist, wurde übrigens im Beitrag ‘Riesiger Aufwand für Formel E’ [2] im Schweiz Aktuell vom 5. Juni 2018 thematisiert. Im beanstandeten 10vor10-Beitrag haben wir uns aber wie oben ausführlich dargelegt für ein anderes Thema entschieden.

Der Beanstander wirft uns vor, dass <Plattitüden wie ‘Nachhaltigkeit’ und ‘Fortschritt’> gefallen seien. Der Begriff ‘Nachhaltigkeit’ kam im Beitrag an einer Stelle vor, der Begriff ‘Fortschritt’ als solcher gar nicht, stattdessen wurde an einer Stelle von ‘Technologie und Innovation’ gesprochen. Die genannten Begriffe hat der Veranstalter des Rennens in seinem Zitat verwendet – unserer Ansicht nach nicht im Sinne von Plattitüden, sondern vielmehr um zu erklären, warum er die nötigen Bewilligungen für die Durchführung des Rennens bekommen hatte, und um seiner Haltung Ausdruck zu verleihen. Wörtlich lautete das Zitat:

Pascal Derron, Geschäftsführer Swiss E-Prix Operations:

<Ich glaube, die Stadt hätte das gar nicht erlaubt, ein normales Autorennen zu machen. Nachhaltigkeit, Technologie und die Innovation sind sehr wichtig, auch um sich zu positionieren, natürlich auch als Stadt. Und das war sehr wichtig als wir die ganzen Bewilligungsprozesse machten, dass man das hervorhebt, dass wir nicht einfach eine Autoveranstaltung sind, sondern eben eine Veranstaltung, die auf Elektromobilität setzt.>

Die Aussage in dem Zitat ist für das Publikum klar dem Interviewten zuordenbar. Inhaltlich weist der Interviewte darauf hin, dass im Zusammenhang mit der Bewilligung <Nachhaltigkeit... sehr wichtig> sei, <auch um sich zu positionieren>. Er halt also nicht behauptet, dass das Rennen an sich nachhaltig sei, sondern vielmehr, dass das Thema Nachhaltigkeit vor allem im Sinne einer Positionierung eine Rolle spiele. Ähnlich hiess es an einer anderen Stelle im Beitrag:

Auch die Sponsoren setzen auf den Imagegewinn mit sauberer Technologie.

An den zwei einzigen Stellen, wo die Begriffe ‘Nachhaltigkeit’ resp. ‘saubere Technologie’ vorkommen, werden sie also in einen direkten Zusammenhang mit einem Imagegewinn resp. mit einer Positionierung gebracht. Anders als der Beanstander suggeriert, wird im Beitrag also weder von uns noch von einem Interview-Partner behauptet, dass die Veranstaltung an sich ‘nachhaltig’ resp. ‘sauber’ sei. Auch der Präsident von Auto Sport Schweiz unterstrich in seinem Zitat noch einmal den Werbe-Charakter der Veranstaltung:

Paul Gutjahr, Präsident Auto Sport Schweiz:

<...das ist unter anderem auch eine Werbeveranstaltung für die Elektromobilität. Man will zeigen, wie leistungsfähig Elektro-Autos sind.>

Zusammenfassend sind wir der Meinung, dass wir sachgerecht berichtet haben und sich das Publikum eine eigene Meinung bilden konnte. Das Thema des Beitrags war die Geschichte der Auto-Rundrennen in der Schweiz, was wir bereits in der Anmoderation deutlich machten. Kritische Stimmen waren in dieser Art von Beitrag nicht zwingend. Anders als der Beanstander meint, haben wir an keiner Stelle im Beitrag gesagt oder suggeriert, dass die konkrete Veranstaltung nachhaltig war. Wir haben lediglich die Haltung des Veranstalters und der Sponsoren zum Ausdruck gebracht. Der Aspekt Nachhaltigkeit spielt im Beitrag einzig im Zusammenhang mit dem Image des Rennens überhaupt eine und dabei eine sehr untergeordnete Rolle.

Wir bitten Sie darum, die Beanstandung zurückzuweisen.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Journalismus hebt immer auf das Aktuelle, das Neue und das Besondere ab. Was war das Aktuelle, das Neue und das Besondere an diesem Autorennen? Erstens: Es stand kurz bevor. Zweitens: Es war das erste in einer Stadt seit 64 Jahren. Drittens: Es wurde erstmals professionell mit Elektro-Autos bestritten. Diesen dreifachen Fokus legte «10 vor 10» auf das Zürcher Elektroauto-Rennen. Dabei ging es vor allem darum, zu erzählen: Was war damals? Warum wurden die Rennen verboten? Warum und unter welchen Bedingungen werden sie jetzt wieder bewilligt? Das ist reine Wissensvermittlung und keine Kontroverse. Journalismus muss nicht immer Kontroversen abbilden. Man hätte selbstverständlich Elektroautos problematisieren können, aber dies war nicht das Thema. Und die Redaktion ist in der Themenwahl frei; sie besitzt die Programmautonomie. Diese ist zu respektieren, solange nicht in manipulativer Art zwingende Aspekte unterschlagen werden. Eine solche Manipulation ist aber in keiner Weise feststellbar. Deshalb kann ich Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

[1] https://www.srf.ch/play/tv/10vor10/video/auf-leisen-reifen?id=e13a445f-4195-4c0d-ae1a-b0b5e8f6d3d4&station=69e8ac16-4327-4af4-b873-fd5cd6e895a7

[2] https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/riesiger-aufwand-fuer-formel-e?id=607c6c7d-c98d-41e6-916d-1c1c90552098&station=69e8ac16-4327-4af4-b873-fd5cd6e895a7

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