«Kassensturz»-Beitrag «Entlassen wegen schlechter Pizza: Chef schikaniert Angestellte» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 20. Juni 2018 haben Sie den «Kassensturz»-Beitrag «Entlassen wegen schlechter Pizza: Chef schikaniert Angestellte» vom 19. Juni 2018 beanstandet. Ihre Eingabe erfüllt die formalen Voraussetzungen an eine Beanstandung. Somit kann ich auf sie eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
Kassensturz ist seit jeher ein Konsumentenschutzformat und soll die Interessen der Schweizer Konsu­menten wahrnehmen.

Sehr erstaunt war ich, als in der Sendung vom 19.6.2018 plötzlich Interessen von Arbeitnehmern „ver­treten“ wurden. Zudem handelt es sich keinesfalls um eine grösseren, schweizweit interessanten und für sehr viele betroffenen Arbeitnehmer Konflikt. Ging es doch um einen Konflikt eines kleinen Arbeit­gebers und einem extrem begrenzten Kreis von Betroffenen!

Gerade dieser extrem begrenzte Kreis von Betroffenen rechtfertigt eine aufwändige, kostenintensive Produktion in einem Konsumentenschutz-Format keinesfalls! Hier werden Konzessionsgelder ver­schwendet und missbraucht. Es ist völlig unklar, was für Interessen hier bei SRF dahinterstehen - es muss fast unterstellt werden, dass hier eventuell persönliche Interessen aus dem privaten Umfeld der Sendungsverantwortlichen vorliegen. Die Sendung verstösst eindeutig gegen die publizistischen Leitli­nien von SRF da kein wirkliches Publikumsinteresse vorliegt. Demzufolge ist es auch ein Verstoss ge­gen den Service Public.

Ich erwarte, dass hier klar die notwendigen Konsequenzen getroffen und die Verantwortlichen zur Re­chenschaft gezogen werden. Eine öffentliche Entschuldigung in einer der nächsten Sendungen hat zu erfolgen, dabei ist zu beachten, dass mein Name und Adresse nicht öffentlich gemacht werden.

B. Ihre Beanstandung wurde der zuständigen Redaktion zur Stellungnahme vorgelegt. Frau Ursula Gabathuler, Redaktionsleiterin SRF «Kassensturz/Espresso», schrieb:

In einem Schreiben vom 20. Juni 2018 wendet sich Herr X an Sie und beanstandet den «Kassen­sturz»-Beitrag «Entlassen wegen schlechter Pizza: Chef schikaniert Angestellte»[1] vom 19. Juni 2018.

Gerne nehmen wir dazu wie folgt Stellung:

Wie im Sendungsportrait beschrieben, ist «Kassensturz» das «Magazin für Konsum, Geld und Arbeit». Deshalb berichten wir regelmässig auch über arbeitsrechtliche Themen. Dies tun wir mit einem an­waltschaftlichen Ansatz aus der Sicht der Konsumenten, der Kleinanleger oder auch der Arbeitnehmer.

Die Recherche, die zum beanstandeten Beitrag führte, begann mit einer Meldung an die Publikums­redaktion von «Kassensturz». Eine Zuschauerin schilderte dort ihre Erfahrungen als Angestellte bei Local Group AG. «Kassensturz»-Redaktor Daniel Müller hat in der Folge mit dieser Frau und zahlrei­chen weiteren ehemaligen und aktuellen Angestellten von Local Group gesprochen. Diese Personen schilderten übereinstimmend, dass ihnen Peter Studler, der Geschäftsführer von Local Group AG, noch Geld schulde. Immer wieder war die Rede von ungerechtfertigten Lohnkürzungen, besonders nach Kündigungen, nicht bezahlten Überstunden und nicht einbezahlten Pensionskassenbeiträgen. Einzelne Personen haben bestätigt, dass diese Praxis der ungerechtfertigten Lohnabzüge nun schon seit zehn Jahren Bestand habe. «Kassensturz» weiss von mehreren Verfahren vor Arbeitsgericht, wo ehemalige Angestellte die ausstehenden Lohnforderungen erstreiten mussten.

Die Local Group AG ist kein kleiner Arbeitgeber, wie dies der Beanstander schreibt. Sie besteht aus drei Gastrobetrieben in Lenzburg, Wohlen und Suhr sowie einem Apartmenthotel in Suhr. Geschäfts­führer Peter Studler betreibt neben der Local Group AG noch zwei Bäckereien-Konditoreien unter eige­nem Namen in Suhr und Seengen. Auch von dort meldeten sich nach der Ausstrahlung des Beitrags Angestellte bei «Kassensturz» mit ähnlichen Schilderungen.

«Kassensturz» hat diesen Beitrag trotz der Komplexität mit verschiedenen involvierten Personen in sehr kurzer Zeit realisiert. Sämtliche Produktionsmittel wurden, wie bei allen Produktionen dieser Sen­dung, sehr gezielt und ökonomisch eingesetzt.

Arbeitsrechtliche Geschichten wie die vorliegende haben über ihren Stellenwert als Einzelbeispiel hin­aus eine allgemeine Relevanz. Es ist wichtig darzustellen, was sich Arbeitnehmer von Arbeitgebern ge­fallen lassen müssen und was nicht, und dies durch Experten einschätzen zu lassen. Genau das leistete diese Berichterstattung, denn es wurde aufgezeigt, welche Schritte Arbeitnehmer einleiten müssen, um ausstehende Lohnzahlungen letztendlich zu bekommen. Zudem hat der renommierte Ar­beitsrechts-Experte Roger Rudolph einzelne Punkte hervorgehoben, die allgemein Gültigkeit haben, wenn es um Lohnabzüge oder Kündigungen geht. Am Beispiel der Local Group AG und ihren Ange­stellten konnte «Kassensturz» verschiedene Aspekte aus dem Arbeitsrecht nennen und vertiefen. Die Relevanz dieser Geschichte ist aus unserer Sicht unbestritten.

Zu erwähnen ist zudem, dass wir den Geschäftsführer der Local Group mehrmals zu einer Stellung­nahme eingeladen haben, dieser aber inhaltlich keine Stellung zu den Vorwürfen seiner Mitarbeiter nehmen wollte.

Zusammenfassend sind wir der Ansicht, dass der «Kassensturz» ausgewogen berichtet hat. Das Publi­kum konnte sich eine eigene Meinung bilden, der Beitrag war sachgerecht und verstösst nicht gegen die publizistischen Leitlinien.

Aufgrund unserer Ausführungen bitte ich Sie, die Beanstandung als unbegründet zurückzuweisen.

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Die Sendung «Kassensturz» zeigt in einem Beitrag mit dem Titel «Entlassen wegen schlechter Pizza: Chef schikaniert Angestellte»[2] wie der Chef eines Gastrobetriebes eine Angestellte fristlos entlässt, ungerechtfertigte Lohnabzüge vor­nimmt, seine Mitarbeitenden schikaniert und ihnen in verschiedenster Weise droht. Viele Zuschauerin­nen und Zuschauer haben Ähnliches – vielleicht nicht in dieser heftigen Art – bereits einmal erlebt oder im Bekanntenkreis davon gehört. Die Relevanz, die in den publizistischen Leitlinien von SRF[3] gefordert wird, ist klar gegeben , gibt es in der Schweiz doch knapp über 5 Millionen Erwerbstätige[4], von denen ein grosser Teil als Angestellte in einem Betrieb beschäftigt ist – und es kann jede und jeden treffen. Es handelt sich also sehr wohl um einen «schweizweit interessanten Konflikt» und es spielt überhaupt keine Rolle, ob der Kassensturz einen unbekannten Klein- oder einen bekannten Grossbetrieb zeigt.

Entscheidend ist für das Publikum, das es weiss, wie es sich beispielsweise dagegen wehrt, wenn der Arbeit­geber keinen Lohn ausbezahlt. Die Erklärungen von Prof. Dr. iur. Roger Rudolph, Assistenzprofessor für Arbeitsrecht unter Mitvertretung des Privatrechts an der Universität Zürich, sind auch für ein Laien­publikum leicht verständlich. Zudem bietet die Website des «Kassensturz» umfangreiche Unterstüt­zung, beispielsweise in dem sechs Schritte[5] aufgezeigt werden, wie man vorgehen soll, wenn keine Lohnzahlung erfolgt ist. Neben weiteren Hinweisen finden sich auf der Website zum Beitrag verschie­dene Links zu den Themen «Seco-Informationen zum Thema Arbeits­recht»[6], «Seco-Informationen zum Thema Arbeitsbedingungen»[7] und «Interkantonaler Verband für Arbeitnehmer­schutz IVA»[8].

Der von Ihnen kritisierte «Kassensturz»-Betrag zeigt auf jeden Fall ein gesellschaftlich relevantes Thema für die Schweiz auf. Insofern ist es absolut nachvollziehbar, dass die Redaktion dieses Thema aufgegriffen hat. Er verstösst auf keinen Fall gegen die publizistischen Leitlinien von SRF und ist sachgerecht. Das Publikum kann sich frei eine eigene Meinung bilden.

Zudem liegt die Themenauswahl in der im Radio- und Fernsehgesetz[9] verankerten Programmauto­no­mie des Senders, die besagt, dass die Programmveranstalter in der Gestaltung, namentlich in der Wahl der Themen, der inhaltlichen Bear­beitung und der Darstellung ihrer redaktionellen Publikationen frei sind (RTVG, Art. 6 Abs. 2).

Die übrigen Punkte, die Sie beanstandet haben, hat Frau Ursula Gabathuler, Redaktionsleiterin «Kas­sensturz/Espresso» bereits ausführlich beantwortet. Dem habe ich nichts mehr beizufügen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernseh­gesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Manfred Pfiffner, stv. Ombudsmann

[1] https://www.srf.ch/sendungen/kassensturz-espresso/entlassen-wegen-schlechter-pizza-chef-schikaniert-angestellte

[2] https://www.srf.ch/play/tv/popupvideoplayer?id=a751972d-b588-4a3f-a60d-dac381c74946&startTime=6.544

[3] https://www.srf.ch/unternehmen/unternehmen/qualitaet/publizistische-leitlinien-srf

[4] https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/arbeit-erwerb/erwerbstaetigkeit-arbeitszeit/erwerbstaetige/entwicklung-erwerbstaetigenzahlen.assetdetail.4462931.html

[5] https://www.srf.ch/sendungen/kassensturz-espresso/was-tun-wenn-der-lohn-nicht-kommt

[6] https://www.seco.admin.ch/seco/de/home/Arbeit/Personenfreizugigkeit_Arbeitsbeziehungen/Arbeitsrecht.html

[7] www.seco.admin.ch/seco/de/home/Publikationen_Dienstleistungen/Publikationen_und_Formulare/Arbeit/Arbeitsbedingungen.html

[8] http://iva-ch.ch/files/extranet/pdf/Mitgliederliste%20des%20IVA/170331_MitgliederIVA_membresAIPT.pdf

[9] https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20001794/index.html

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