«Arena» zum Thema «Anpacken statt Kofferpacken!» vom 29. Juni 2018 beanstandet
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Mit Ihrer e-Mail vom 9. Juli 2018 beanstandeten Sie die Sendung «Arena» vom 29. Juni 2018 zum Thema «Anpacken statt Kofferpacken!» [1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten. Gerne weise ich Sie darauf hin, dass im Sommer – wegen der Ferienzeit – zwischen dem 15. Juli und dem 15. August jeweils die Fristen stillstehen. Die Bearbeitungszeit für die Ombudsstelle verlängert sich dadurch auf maximal 70 Tage.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«In der Arena vom 29. Juni 2018 wurde explizit folgendes durch das SRF zum institutionellen Rahmenabkommen mit der EU gesagt (21min. 43sec.): <(...) Die EU will den Marktzugang nur mit einem Rahmenabkommen weiterentwickeln. Ohne Abkommen droht der Schweiz der Verlust der Börsenäquivalenz, also dass unsere Börsen nicht mehr als Handelsplatz anerkannt werden. Ausserdem könnte es zu einem Ausschluss vom europäischen Forschungsprogramm kommen.>
Diese Aussage ist falsch.
Richtig ist folgender Sachverhalt (Zitat der verantwortlichen Stelle in der Bundesverwaltung): <Die Börsenäquivalenz (gemäss MiFIR 23) und allfällige weitere Äquivalenzverfahren sind nicht vom Geltungsbereich des institutionellen Rahmenabkommens betroffen. Äquivalenzverfahren in der EU sind einseitig ausgestaltet, d.h. die EU entscheidet autonom gestützt auf ihre eigenen Rechtsgrundlagen, ob ein Drittstaat die Voraussetzungen für eine Äquivalenzanerkennung erfüllt. Im Gegensatz zu einer staatsvertraglichen Lösung besteht dabei kein juristisch durchsetzbarer Anspruch für Drittstaaten; vielmehr handelt es sich um einen unilateralen Entscheid, der auch von politischen Kriterien beeinflusst wird. Aus diesem Grund entscheidet letztlich die Europäische Kommission als politische Behörde über eine Äquivalenzanerkennung. Zudem besteht selbst im Fall von positiven Äquivalenzbeschlüssen jederzeit die Möglichkeit, dass die EU diese Beschlüsse aufgrund neuerer Entwicklungen entzieht bzw. erneut prüft (z.B. bei Anpassungen des EU-Rechtsrahmens, welche auch für die betreffende Äquivalenz entscheidend sind).>
Gerne bitte ich Sie als Ombudsstelle, uns innerhalb von 40 Tagen einen Bericht mit den Ergebnissen ihrer Abklärungen und der Art der Erledigung der Beanstandung zu erstatten. Danke.»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die Sendung «Arena» äußerte sich Herr Jonas Projer, Leiter Fachredaktion Talk:
«Vielen Dank für die Zustellung der Beanstandung von Herrn X (Geschäftsnummer 5520). Gerne nehmen wir dazu wie folgt Stellung.
Wir pflichten dem Beanstander bei, dass der Zusammenhang zwischen Rahmenabkommen und Börsenäquivalenz nicht rechtlich gegeben ist. Hingegen wird er von der EU politisch gemacht. Kommuniziert wurde dies am 20. Dezember 2017 in einer Pressekonferenz von EU-Kommissar Valdis Dombrovskis. Dombrovskis hielt fest, dass die Börsenäquivalenz der Schweiz nur befristet bis Ende 2018 gewährt wird; eine Verlängerung wurde an ‘hinreichende Fortschritte’ beim Rahmenabkommen geknüpft. Weiter nahm Dombrovskis Bezug auf die grundsätzliche Position der EU:
<Indeed we propose to grant equivalence with a limited time, till the end of 2018. This can be extended in case there is sufficient progress towards agreement establishing of a common institutional framework between EU and Switzerland.
This is in line with conclusions of the general affairs council of 2014, and more recently, of February this year, about the conditional link between any future market access for Switzerland and the conclusion of the common institutional framework agreement.
We’ll be assessing progress on common institutional framework agreement by the end of the next year. This, by the way, coincides with the federal government’s stated intention to wrap up the institutional agreement by the end of 2018.>[2]
Gerne fügen wir auch den Link zum offiziellen Dokument (Durchführungsbeschluss 2017/2441 der EU-Kommission vom 21. Dezember 2017) an; die relevante Passage findet sich unter (30)[3]
Über diese neue Verknüpfung von Rahmenabkommen und Börsenäquivalenz wurde in der Schweiz breit berichtet, der Einsatz dieses neuen Druckmittels wurde dabei scharf kritisiert. Auch verschiedene EU-Mitgliedsstaaten äusserten sich ablehnend – wenngleich dieselben Staaten die Verknüpfung zuvor fast einstimmig angenommen hatten (Enthaltung GB). An der Position der EU-Kommission jedenfalls änderte sich dadurch nichts. Valdis Dombrovskis wiederholte am 13.4.2018 im EU-Parlament:
<Die Entscheidung, die Geltungsdauer des Beschlusses über die schweizerischen Handelsplätze zeitlich zu begrenzen, ist den besonderen politischen Umständen zum damaligen Zeitpunkt geschuldet. Sollten bei den Verhandlungen zwischen der EU und der Schweiz über ein Abkommen über einen institutionellen Rahmen Fortschritte erzielt werden, kann der Beschluss Ende 2018 verlängert werden.>[4]
Die EU-Kommission stellt also einen klaren Zusammenhang her zwischen Rahmenabkommen und Börsenäquivalenz. Konkret erteilte sie a) mit Verweis aufs Abkommen die Äquivalenz nur befristet auf ein Jahr, kündete b) an, diese Äquivalenz nur bei ‘hinreichenden’ Fortschritten in den Verhandlungen über ein Abkommen zu verlängern und stellte sich c) auf die Position, dass die Börsenäquivalenz zum Marktzugang gehöre, dessen Erweiterung sie wiederum mit dem Abschluss eines Rahmenabkommens in Verbindung setzt.
So sehr wir dem Beanstander beipflichten, dass diese Verbindung scharf kritisiert werden kann, so unumstritten scheint uns die Tatsache, dass sie existiert.
Aus dieser von der EU gemachten Verbindung wiederum folgt: Ohne Abschluss eines Rahmenabkommens ist die Börsenäquivalenz langfristig bedroht – ohne ‘hinreichende Fortschritte’ (Diktion der EU-Kommission, wobei gleichenorts ein Abschluss bis Ende 2018 erwähnt wird) ist sie sogar kurzfristig bedroht. Die erwähnte Aussage aus der ‘Arena’ vom 29. Juni 2018 (<droht der Schweiz der Verlust der Börsenäquivalenz>) ist also korrekt.
Ergänzende Stellungnahme
In einer weiteren Email ergänzte der Beanstander wie folgt:
<Mit Ihrer Aussage ‘ohne Abkommen droht der Schweiz der Verlust der Börsenäquivalenz’ implizieren sie, dass mit Abkommen die Börsenäquivalenz gewährt würde, was nicht zutrifft. Siehe untenstehende Aussage der Bundesverwaltung: ‘Äquivalenzverfahren in der EU sind einseitig ausgestaltet, d.h. die EU entscheidet autonom gestützt auf ihre eigenen Rechtsgrundlagen, ob ein Drittstaat die Voraussetzungen für eine Äquivalenzanerkennung erfüllt. Im Gegensatz zu einer staatsvertraglichen Lösung besteht dabei kein juristisch durchsetzbarer Anspruch für Drittstaaten.’»
Dazu nehmen wir gerne wie folgt Stellung: Die Aussage <ohne Abkommen droht der Verlust der Börsenäquivalenz> impliziert nicht, dass mit Abkommen die Äquivalenz zwingend gewährt oder gar rechtlich garantiert wäre. Vom einen auf das andere zu schliessen, ist inkorrekt. [5]
(Vereinfachte) Aussage: Wenn kein Rahmenabkommen, dann keine Äquivalenz.
Kontraposition: Wenn Äquivalenz, dann Rahmenabkommen.
Fehlschluss: Wenn Rahmenabkommen, dann Äquivalenz.
Die von der ‘Arena’ im kritisierten Einspieler gemachte Aussage hielt sich strikt an die Fakten: Sie hielt einzig fest, dass ohne Rahmenabkommen der Verlust der aktuell befristet geltenden Börsenäquivalenz droht.
Wir danken Ihnen für die Möglichkeit zur Stellungnahme sowie dem Beanstander für den direkten Austausch per Email und stehen für Nachfragen jederzeit zur Verfügung.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Aussage. Sie beanstanden ja nicht die ganze Sendung, die teilweise etwas turbulent verlief und in der sich SVP-Präsident Albert Rösti beim Thema AHV das Recht auszureden einmal regelrecht erkämpfen musste, im Gegensatz zu Gewerkschaftsbund-Präsident Paul Rechsteiner, der mehrfach freien Auslauf hatte, oder im Gegensatz zu CVP-Fraktionspräsident Filippo Lombardi, der sich das Wort immer wieder einfach nahm. Dies aber rügen Sie nicht, sondern Sie kritisieren eine Aussage in der animierten Anmoderation zum zweiten Thema, nämlich zum Rahmenabkommen mit der Europäischen Union (EU).
Recht haben Sie beide, Sie und Herr Projer. Rein juristisch können Sie den Sieg im Wettstreit beanspruchen, denn formell ist die Börsenäquivalenz nicht Teil des Rahmenabkommens und rein rechtlich könnte sie die EU auch trotz eines erfolgreich abgeschlossenen Rahmenabkommens widerrufen. Politisch aber verknüpft die EU die Anerkennung der Börsenäquivalenz mit dem Rahmenabkommen, und da hat Herr Projer völlig Recht: Die Aussagen von EU-Kommissar Valdis Dombrovskis waren unmissverständlich und eindeutig. Und da es in der Sendung um die Frage ging, wie in diesem Sommer die Pendenz Rahmenabkommen erfolgreich über die Bühne gebracht wird, standen nicht juristische Finessen, sondern politische Fakten zur Debatte. Die Redaktion der Sendung «Arena» hat darum korrekt informiert und das Sachgerechtigkeitsgebot nicht verletzt. Ihre Beanstandung kann ich folglich nicht unterstützen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
[1] https://www.srf.ch/sendungen/arena/anpacken-statt-kofferpacken
[2] http://ec.europa.eu/avservices/video/player.cfm?sitelang=en&ref=I148718, ab 6’04’’, unser Transkript, unsere Hervorhebung.
[3] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017D2441&from=DE
[4] http://www.europarl.europa.eu/sides/getAllAnswers.do?reference=E-2018-000368&language=DE
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