«DOK»-Beitrag «Aktiv ins Alter» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 22. Juli 2018 beanstandeten Sie die Sendung DOK (Fernsehen SRF) vom 20. Juli 2018 zum Thema «Aktiv ins Alter» wegen einer <absichtlich negativen Darstellung einer bestimmten Altersgruppe beim Ausüben des Gleitschirm-Sports>. Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Mit Entsetzen habe ich Ihren ‘DOK’-Beitrag vom 20 Juli ‘Aktiv ins Alter- Pensionäre und ihre sportlichen Höchstleistungen’ gesehen. Ich frage Sie: ‘WAS SOLL DAS?’

Ihr Beitrag:

Es gibt mehr als genug Gleitschirm-Piloten welche 70 Jahre und älter sind, die sich beim Start nicht so schusslig anstellen und auch anständig Landen können. Er ist nicht EIN EINZIGES mal so gelandet, wie es ein NORMALER Pilot tut. Selbst einem Leihen fällt das auf, auch Ihrem Redaktor! Dieser Peter ist definitiv KEIN gutes Beispiel und schon gar nicht representativ. Würde ich so fliegen ... ich würde schnellstens einen Refresh-Kurs bei in einer Flugschule buchen.
Fazit:
Da erweist das Schweizer Fernsehen den Senioren-Gleitschirmflieger mit diesem Beitrag einen Bärendienst ... oder war das vielleicht sogar bewusst so gewollt? Man weiss es nicht, aber der Verdacht kommt unweigerlich auf. Die Frage wäre das: WARUM? Was bezweckt der Redaktor mit solchen Aussagen?!? Man kommt nicht drum herum, zu vermuten, dass der betreffende Redaktor eine heimliche Wut auf ältere Gleitschirmpiloten hegt. Anders lässt sich so ein Beitrag nicht erklären.
Dieser Beitrag wirft mehr Fragen auf als dass er Antworten Fakten objektiv wiedergibt.

Ich verlange

  • eine qualifizierte Erklärung weshalb ältere Gleitschirmpiloten im srf als senile, schusslige Dilettanten dargestellt werden und
  • verlange zeitnah eine weitere DOC-Sendung, in der der Sachverhalt diesmal OBJEKTIV, von einem anderen Redaktor nochmals richtig gestellt wird.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die Redaktion ch:filmszene antwortete Herr Urs Augstburger, Verantwortlicher pacte doc/ch:filmszene:

«In Folgendem nehmen wir Stellung zur obengenannten Beanstandung von Herrn X vom 22.7.2018

Bei dem von Herrn X beanstandeten Film handelt sich nicht um eine Eigenproduktion von SRF, es ist ein unabhängig von SRF produzierter Kinofilm, der im Schweizer Kino erfolgreich ausgewertet wurde, den SRF nachträglich eingekauft und dann unverändert ausgestrahlt hat.

Wir können die Kritik von Herrn X schwer nachvollziehen. Im Film geht es darum, wie betagte Menschen sportliche Leistungen vollbringen, die man ihnen üblicherweise in diesem Alter nicht mehr zutraut. Ein grundsätzlich positiver Film, der die Zuschauer staunen lässt, was alles möglich ist.

Es kommen im Film mehrere Protagonisten vor, die in verschiedenen Sparten sportliche Abenteuer wagen. Der eine Protagonist, der besagte Gleitschirmflieger, hat mehrere verblüffende Hobbies. Der Regisseur wählte ihn auch deshalb aus, weil er in seinem Alter immer noch Cliff-Diving macht, also akrobatische Sprünge aus höchster Höhe ins Wasser. Dort verfügt er über jahrelange Erfahrung und eine aussergewöhnlich gute Konstitution. Daneben hat er ein zweites Hobby, das er offenbar erst später gelernt hat, das Gleitschirmfliegen.

Das macht er mit grosser Begeisterung, aber nicht in letzter Meisterschaft. Das ist für den Zuschauer offensichtlich, das bestätigt auch ein Fluglehrer im Film. Dem Zuschauer ist es also möglich, sich eine eigene Meinung zu den Fähigkeiten des Mannes zu bilden. Der Film macht keineswegs eine Aussage darüber, dass alle Senioren unter den Gleitschirmfliegern unfähig wären. Und er stellt den Mann nicht als ‘senilen, schussligen Dilettanten’ hin, wie das Herr X sieht. Wir haben ihn eher als lebensfreudigen, hochsportlichen und dynamischen Pensionär wahrgenommen, der verschiedenen Sportarten betreibt, und immer noch Willens ist, Neues zu lehren.

In den letzten zehn Jahren hat das Schweizer Fernsehen in rund 20 Magazinbeiträgen verschiedene Aspekte des Gleitschirmfliegens beleuchtetet. Hier nun ist das Gleitschirmfliegen ein Teilaspekt in einer eingekauften Fremdproduktion über Aktivität im Alter, und darin wiederum die Teilbeschäftigung des einen von fünf Protagonisten. Das erscheint uns auch in dieser Form sehr gut vertretbar.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Es ist eine Binsenwahrheit, dass die Menschen heute älter werden als noch 100 Jahre zuvor. Die Lebenserwartung ist dank Hygiene, Medizin, Ernährung und Freizeit gestiegen. Wenn die Leute ins Pensionsalter übertreten, sind viele nicht mehr so kaputt wie früher, weil ihr Berufsleben körperlich nicht derart belastend war wie in Generationen zuvor, als vor allem die Bauern, die Bergarbeiter, die Fabrikarbeiter und die Handwerker noch ganz anders schuften mussten. Dies bedeutet, dass ältere Menschen in der Lage sind, weiter aktiv zu bleiben – sportlich oder künstlerisch, handwerklich oder geistig.

Der von Ihnen kritisierte Film zeigt an sechs Beispielen sehr schön auf, was ältere Leute aus sich machen können, wenn sie für ihr Hobby die nötige Hartnäckigkeit, Ausdauer und Begeisterung aufbringen. Wir erleben einen 59jährigen Turner und Akrobaten, einen 70jährigen Gleitschirmflieger und Wasserspringer, einen 79jährigen Triathlon-Kämpfer, eine 86jährige Orientierungsläuferin, einen 97jährigen Sprinter und eine 102jährige Pianistin – allesamt unermüdlich und engagiert. Dabei erzählen die Protagonisten weitgehend selber, was sie motiviert und warum sie nicht aufgeben. Sie kommentieren auch ihr Scheitern. Und ihre Aktivitäten werden zudem von ihren Trainern und Teamkameraden eingeschätzt. Großartig zum Beispiel die Laudatio der Ballettlehrerin auf die 102jährige Pianistin, die die Ballettstunden mit unglaublicher Improvisationsgabe begleitet. Inzwischen leben die Pianistin und der Sprinter nicht mehr.

Der Filmautor Manuel Schweizer hat sechs Personen ausgewählt, die im Alter noch aktiv sind und sich auch an Wettbewerben beteiligen. Dabei konnte er nicht erwarten, dass alle perfekt sind. Die Orientierungsläuferin lässt sich mehr Zeit als früher, um den Weg nicht zu verfehlen. Der Triathlon-Kämpfer gibt auf der Radstrecke zweimal auf, weil ihm die Hitze zu schaffen macht. Der Sprinter rennt dem Alter entsprechend und sucht dann das Defizit durch neue Schuhe mit Spikes zu beheben. Der Gleitschirmflieger startet und landet ungelenk. Lediglich die Älteste und der Jüngste, die Pianistin und der Akrobat, beherrschen ihre Kunst perfekt, ja virtuos. Und immerhin ist der Gleitschirmflieger gleichzeitig ein Könner als Wasserspringer.

Sie finden, dass die Präsentation eines unvollkommen agierenden Gleitschirmfliegers eine Beleidigung für alle älteren Gleitschirmflieger sei, die ihren Sport besser beherrschen. Ich finde das gar nicht. Denn gerade so, wie die Geschichte gezeigt wird, ist sie realistisch und menschlich. Der Gleitschirmflieger hat diese Sportart erst mit 66 gelernt. Das Wasserspringen betreibt er aber schon viel länger, so dass er in dieser Sportart bessere Leistungen erzielt. Kommt hinzu, dass er ein Mensch ist, der Fehler stets durch die Umstände begründet und sie nie bei sich selber sucht. Sein Fluglehrer charakterisiert ihn ja auch entsprechend. Aber in einer späteren Einstellung sagt der Fluglehrer, inzwischen habe sein Schüler Fortschritte gemacht und sehe ein, dass er an sich arbeiten müsse. Der Film zeigt auch, wann alte Leute merken, dass etwas nicht mehr geht und dass ein Strich gezogen werden muss.

Ihre Forderung, dass in einem zweiten Film in einer Art Richtigstellung gezeigt werden müsse, wie ältere Leute korrekt Gleitschirm fliegen, ist absurd. Der Film war kein PR-Streifen über das Gleitschirmfliegen, auch kein Fernsehlehrgang über diese Sportart, sondern eine Dokumentation in der Form von sechs Porträts, die zeigen, wie Menschen im Alter aktiv bleiben, was sie dafür tun und mit welchen Herausforderungen sie zu kämpfen haben. Ich sehe auch keine Bestätigung für Ihre Behauptung, dass der Film eine «absichtlich negative Darstellung einer bestimmten Altersgruppe beim Ausüben des Gleitschirm-Sports» war. Im Gegenteil: Der Filmautor war diesen alten Leuten zugetan, er ergründete ihre Motivation und ihre Energie, und er zeigte sie mit ihren Stärken und Schwächen. Ich kann daher keinerlei Verstoß gegen das Sachgerechtigkeitsgebot erkennen und folglich Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

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