«Abstimmungs-Arena» zur Ernährungssouveränität beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 27. August 2018 beanstandeten Sie die «Abstimmungs-Arena» (Fernsehen SRF) vom 24. August 2018 zur Initiative für Ernährungssouveränität. [1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

Eine Vorbemerkung: In der Regel ist es mein Ziel, Schlussberichte zu Beanstandungen im Zusammenhang mit Volksabstimmungen noch vor dem Abstimmungstermin abzuschließen und zu veröffentlichen. Das ist mir diesmal leider nicht gelungen. Zwar lag die Stellungnahme der Redaktion zweieinhalb Wochen vor der Abstimmung bereits vor. Aber da die Ombudsstelle überlastet war und ich Fälle zuerst behandeln musste, bei denen die Fristen abliefen, musste Ihr Fall warten, wofür ich mich entschuldige.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Hiermit möchte ich bei Ihnen fristgerecht meine Beschwerde zur letzten Arena Sendung vom vergangenen Freitag 24.8.2018, der Abstimmungs-Arena: Initiative zur Ernährungssouveränität einreichen.

In der Sendung wurden teilweise zeitgleich zu Beiträgen der Befürworter Abbildungen eingeblendet wie die Fahne der Sowjetunion, die für die Zuschauer eine direkt Verbindung mit dem Regime und deren Taten entstehen liess. Den Gipfel der Manipulation erreichte SRF mit Fotos aus DDR Zeiten (1984), dies zur Minute 34:00 gemäss srf weblink, die einen Verweis auf die Planwirtschaft machen resp. beim Zuschauer suggerieren.

Diese Symbole und Fotos sind absolut aus dem Kontext gerissen, zeigen weder das Leben in der Sowjetunion noch geben sie das Wesen der Planwirtschaft an sich auch nur annähernd differenziert wieder. Aber auch ein Zeigen ähnlich tendentiöser Fotos, wie Fotos von Umweltzerstörung oder kranke oder hungernde Kinder aus dem Süden ‘dank’ der liberalen Marktwirtschaft, würde einem Anspruch an seriöse und ausgeglichene Qualität einer SRF nicht gerecht werden.

Ich bin sehr enttäuscht von der Qualität dieser Sendung, die eine Abstimmungsarena sein soll. Mit diesen Einblendungen hat sie jegliche Form von publizistischem Anspruch verloren, von Ausgewogenheit und Qualität. Es scheint SRF opfert sich zunehmend auf dem Altar des Boulevardjournalismus aus Gier nach Einschaltquoten und politischer Opportunität.

Ich erwarte von SRF eine formelle Erklärung, wie diese tendentiösen, manipulativen und einseitigen Darstellungen erklärt und begründet werden - dies ganze auch noch finanziert mit Staats- und Steuergeldern pikanterweise!!»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die Sendung «Arena» antwortete Herr Jonas Projer, Leiter Fachredaktion Talk:

«Vielen Dank für die Zustellung der Beanstandung von Herrn X (Geschäftsnummer 5559). Gerne nehmen wir dazu wie folgt Stellung.

Der Beanstander kritisiert zwei Einblendungen, die im ‘Prüfstand’ mit Ulrike Minkner, Initiantin der Initiative für ‘Ernährungssouveränität’, gemacht wurden. Einerseits waren dies ein Bild mit Hammer und Sichel, andererseits eine Fotografie aus der DDR, welche das Anstehen vor einem Lebensmittelgeschäft zeigte. Der Beanstander kritisiert diese beiden Einblendungen als ‘tendenziös, manipulativ und einseitig.’

Der ‘Prüfstand’ in der ‘Arena’ unterscheidet sich von der üblichen Diskussion. Anders als in der Diskussionsrunde nimmt der Moderator im ‘Prüfstand’ eine parteiische Position ein – nämlich die gegnerische. Er konfrontiert den Gast u.a. mit den besten Argumenten der Gegenseite – mit dem Ziel, den Gast darauf reagieren zu lassen und eine sachliche Vertiefung der Debatte zu erreichen.

Im ‘Prüfstand’ sind Überzeichnung und Zuspitzung regelmässig eingesetzte Mittel. Als die SVP beispielsweise bei der Abstimmung über die Einbürgerung von Ausländern dritter Generation ein Burka-Plakat einsetzte, konfrontierte die ‘Arena’ ihren Gast, SVP-Nationalrat Andreas Glarner, mit einem Darth-Vader-Plakat – und damit auf zugespitzte Art mit dem Argument, dass eine Burka rein gar nichts mit Ausländern dritter Generation zu tun habe.

Ganz ähnlich verhielt es sich unserer Meinung nach hier mit dem Einsatz von Hammer und Sichel (Symbol des Marxismus-Leninismus, nicht Fahne der UDSSR) sowie dem Bild aus der DDR. Aus unserer Sicht waren die beiden Grafiken aus folgenden Gründen zulässig:

  • Sie nehmen einen wichtigen Kritikpunkt der Initiative auf. Dass die Initiative für ‘Ernährungssouveränität’ zu stark auf staatliche Intervention setzt und die Marktwirtschaft praktisch ausser Kraft setzt, ist ein Hauptargument der Gegner der Vorlage – der Ausdruck ‘Planwirtschaft’ einer der von den Gegnern regelmässig verwendeten Ausdrücke zur Beschreibung der Vorlage.
  • Die beiden Einblendungen nehmen zweifellos eine Zuspitzung vor. Gemessen an anderen Volksinitiativen fordert die Initiative für ‘Ernährungssouveränität’ aber tatsächlich sehr weitgehende Änderungen an der heutigen Agrarpolitik (Regelung durch den Staat nicht nur von Preisen – und dadurch wohl auch Mengen – sondern auch von Löhnen sowie der Zahl von Beschäftigten in der Landwirtschaft). Selbstverständlich kann man völlig geteilter Meinung sein, ob unsere Agrarpolitik sich damit tatsächlich in Richtung ‘Planwirtschaft’ bewegen würde – doch der Vorwurf ist zumindest nicht völlig unsinnig. Und da die Initiative gemessen an ähnlichen Volksinitiativen sehr weit geht, scheint uns auch eine pointierte Zuspitzung angebracht. (Analog verhielt es sich mit der erwähnten, ebenso pointierten Darth-Vader-Grafik, welche der SVP eine unsachliche Angstkampagne vorwarf – ein Vorwurf, der ebenfalls zumindest nicht völlig unsinnig war. Auch bei der damaligen Kampagne war nicht von der Hand zu weisen, dass die SVP mit der Verwendung eines Burka-Motivs gegen die Einbürgerungen 3. Generation sehr weit ging, gemessen an anderen Politkampagnen.)
  • Der von der ersten Grafik implizierte Vorwurf einer ‘marxistischen’ Initiative respektive der von der zweiten Grafik implizierte Vorwurf der Planwirtschaft waren moderativ, in der Sendeerzählung sowie durch den vorhergehenden animierten Film eingebettet. So sagte der Moderator mit Verweis auf Hammer und Sichel beispielsweise: <Ihre Initiative erinnert ein wenig an diese Ideologie.> Und besonders wichtig: Der Vorwurf wurde sorgfältig hergeleitet durch eine Auflistung aller Punkte, die der Staat bei einer Annahme der Vorlage neu regeln würde.
  • Vor allem aber – und das ist nicht nur, aber auch im ‘Prüfstand’ der entscheidende Punkt: Die angesprochene Person konnte sich zu jeder Frage ausgiebig äussern, ganz egal, ob diese als Frage im engeren Sinn oder als Behauptung mit Fragefunktion daherkam. Die Initiantin, Ulrike Minkner, nahm diese Chance denn auch ausgiebig wahr. Minkner argumentierte mit grossem Fachwissen, aus ihrer lebenslangen Erfahrung als Bäuerin und mit einer grossen Portion Charme für Ihre Vorlage.

Wir bitten Sie, die Beanstandung in diesem Sinne zu beantworten. Für Nachfragen stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Sie beanstanden lediglich zwei Einblendungen, ich muss aber den Blick auf die gesamte Sendung werfen, das verlangt das Bundesgericht. Und: Dass die Volksinitiative für Ernährungssouveränität in der Volksabstimmung vom 23. September 2018 mit 628'463 Ja (31,6 %) gegen 1'358'712 Nein (68,4 %) und mit 4 gegen 19 Standesstimmen abgelehnt worden ist[2], tut nichts zur Sache. Die Sendung muss bewertet werden, wie wenn die Abstimmung noch bevorstünde.

Für Abstimmungssendungen gilt das Vielfaltsgebot. Sie müssen unter den vorhandenen Positionen ausgewogen sein. Das war in Bezug auf die Redezeit der Fall. Etwas weniger ausgewogen war der Befragungsstil im «Prüfstand». Moderator Jonas Projer befragte Bundesrat Johann Schneider-Ammann, der die Initiative ablehnte, geradezu «lieb», unterbrach hingegen die Bäuerin Ulrike Minkner, Vizepräsidentin der Allianz für Ernährungssouveränität, jeweils meist schon, bevor sie einen Gedanken aussprechen konnte. Das war im Quervergleich nicht fair.

Und: Es stimmt zwar, dass die Volksinitiative dem Bund 14 neue Aufgaben überantworten wollte, wie der vorgeschlagene Verfassungstext zeigt: [3]

<Art. 104c2 Ernährungssouveränität

1 Zur Umsetzung der Ernährungssouveränität fördert der Bund eine einheimische bäuerliche Landwirtschaft, die einträglich und vielfältig ist, gesunde Lebensmittel produziert und den gesellschaftlichen und ökologischen Erwartungen der Bevölkerung gerecht wird.

2 Er achtet auf eine Versorgung mit überwiegend einheimischen Lebens- und Futtermitteln und darauf, dass bei deren Produktion die natürlichen Ressourcen geschont werden.

3 Er trifft wirksame Massnahmen mit dem Ziel:

a. die Erhöhung der Zahl der in der Landwirtschaft tätigen Personen und die Strukturvielfalt zu fördern;

b. die Kulturflächen, namentlich die Fruchtfolgeflächen, zu erhalten, und zwar sowohl in Bezug auf ihren Umfang als auch auf ihre Qualität;

c. den Bäuerinnen und Bauern das Recht auf Nutzung, Vermehrung, Austausch und Vermarktung von Saatgut zu gewährleisten.

4 Er verbietet in der Landwirtschaft den Einsatz genetisch veränderter Organismen sowie von Pflanzen und Tieren, die mithilfe von neuen Technologien entstanden sind, mit denen das Genom auf nicht natürliche Weise verändert oder neu zusammengesetzt wird.

5 Er nimmt namentlich folgende Aufgaben wahr:

a. Er unterstützt die Schaffung bäuerlicher Organisationen, die darauf ausgerichtet sind sicherzustellen, dass das Angebot von Seiten der Bäuerinnen und Bauern und die Bedürfnisse der Bevölkerung aufeinander abgestimmt sind.

b. Er gewährleistet die Transparenz auf dem Markt und wirkt darauf hin, dass in allen Produktionszweigen und -ketten gerechte Preise festgelegt werden.

c. Er stärkt den direkten Handel zwischen den Bäuerinnen und Bauern und den Konsumentinnen und Konsumenten sowie die regionalen Verarbeitungs-, Lagerungs- und Vermarktungsstrukturen.

6 Er richtet ein besonderes Augenmerk auf die Arbeitsbedingungen der in der Landwirtschaft Angestellten und achtet darauf, dass diese Bedingungen schweizweit einheitlich sind.

7 Zum Erhalt und zur Förderung der einheimischen Produktion erhebt er Zölle auf der Einfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Lebensmitteln und reguliert deren Einfuhrmenge.

8 Zur Förderung einer Produktion unter sozialen und ökologischen Bedingungen, die den schweizerischen Normen entsprechen, erhebt er Zölle auf der Einfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Lebensmitteln, die diesen Normen nicht entsprechen; er kann deren Einfuhr verbieten.

9 Er richtet keinerlei Subventionen aus für die Ausfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und von Lebensmitteln.

10 Er stellt die Information über die Bedingungen für die Produktion und die Verarbeitung von einheimischen und von eingeführten Lebensmitteln und die entsprechende Sensibilisierung sicher. Er kann unabhängig von internationalen Normen eigene Qualitätsnormen festlegen.

Art. 197 Ziff. 123

12. Übergangsbestimmung zu Art. 104c (Ernährungssouveränität)

Der Bundesrat unterbreitet der Bundesversammlung die gesetzlichen Bestimmungen, die für die Umsetzung von Artikel 104c erforderlich sind, spätestens zwei Jahre nach dessen Annahme durch Volk und Stände.>

Aber dies mit Hammer und Sichel, dem Symbol der Kommunistischen Partei der Sowjetunion sowie anderer kommunistischer Parteien (wie jener Chinas, Vietnams, Libanons, Italiens, Spaniens, Griechenlands, Norwegens und Schwedens) und dem Staatsemblem der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR)[4] zu assoziieren und mit Planwirtschaft gleichzusetzen, war deplatziert. Es wäre ja noch hinnehmbar gewesen, wenn der Moderator fragend unterstellt hätte, ob die Initiative nicht Planwirtschaft bedeute und den Sozialismus in die Agrarpolitik einmarschieren lasse, aber das eingeblendete Bild von Hammer und Sichel wirkte wie ein Totschlag-Argument. Mag sein, dass Hammer und Sichel als Symbol nicht derart in Verruf geraten sind wie das Hakenkreuz. Und dennoch ist es ein Symbol für ein totalitäres System. Würde man, wenn jemand beispielsweise Araber als Menschen zweiter Klasse bezeichnete, sofort ein Hakenkreuz raushängen, um die Person zu demaskieren? Man muss die Assoziierung der Initianten mit Hammer und Sichel in einem solchen Kontext sehen.

Sonst aber war die „Arena“, an der auf Befürworter-Seite neben Ulrike Minkner auch Nationalrat Fabian Molina (SP), Nationalrat Balthasar Glättli (Grüne) sowie der Bauerngewerkschafter Ruedi Berli mitwirkten, während auf Gegnerseite neben Bundesrat Johann Schneider-Ammann auch Nationalrätin Viola Amherd (CVP), Nationalrätin Christa Markwalder (FDP) sowie der Zuger Bauer Martin Schuler (SVP) zum Zuge kamen, völlig in Ordnung: die Diskussion war strukturiert, lebhaft und sittsam zugleich und der Meinungsbildung durchaus zuträglich.

Die Sendung hat darum per Saldo das Radio- und Fernsehgesetz nicht verletzt. Nur zwei Einzelpunkte waren nicht sachgerecht: Der Befragungsstil im „Prüfstand“ sowie die Einblendung von Hammer und Sichel. Ich kann daher Ihrer Beanstandung zustimmen, die aber auf die gesamte Sendung bezogen von untergeordneter Bedeutung ist.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

[1] https://www.srf.ch/play/tv/arena/video/abstimmungs-arena-initiative-fuer-ernaehrungssouveraenitaet?id=e2043373-1c7c-49c8-ae01-82dfb2cc7360&station=69e8ac16-4327-4af4-b873-fd5cd6e895a7

[2] https://www.bk.admin.ch/ch/d/pore/va/20180923/det622.html

[3] https://www.bk.admin.ch/ch/d/pore/vi/vis455t.html

[4] Zur Zeit der Sowjetunion führten auch die Russische, die Ukrainische, die Moldawische, die Weißrussische, die Estnische, die Lettische, die Litauische, die Armenische, die Georgische, die Aserbaidschanische, die Kasachische, die Turkmenische, die Usbekische und die Tadschikische Sowjetrepublik Hammer und Sichel im Wappen.

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