«Echo der Zeit»-Beitrag «Putins Hochzeit-Besuch» beanstandet
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Mit Ihrem Brief vom 26. August 2018 beanstandeten Sie die Sendung «Echo der Zeit» vom 19. August 2018 und dort den Beitrag «Putins Hochzeit-Besuch».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
„Fristgerecht erhebe ich gegen die oben erwähnte Sendung Beschwerde gemäss Art. 4 & 5 Radio- und Fernsehgesetz, infolge tendenziöser und massiv politisch gefärbter Berichterstattung.
Zum Beitrag die Teilnahme von Putin an der Hochzeit von Österreichs Aussenministerin Kneissl
1. Florian Klenk, Chefredaktor vom linken Magazin Falter alleine zu Wort zu kommen lassen ist nicht objektiv und neutral. ➢ SRF ist, bzw. wäre zur Neutralität verpflichtet
2. Dass dieser ihr vorwirft, Privates mit Amt zu verwechseln ist schlichtweg eine Lüge, denn sie ist befugt zur Hochzeit einzuladen, wer sie will und das hat auch während der EU-Präsidentschaft Österreichs nichts mit Vermischung zu tun. Präsident Putin war mehrfach Privatgast bei Exkanzler Schröder und es gab keine Diskussionen. ➢ Vermutlich liegt dem zu Grunde, dass die meisten Journalisten links sind und Herr Altkanzler Schröder auch und hier mit zwei Ellen gemessen wird.
3. Von Unterwerfung zu reden ist schlicht weg falsch. ➢ Jemanden einzuladen hat nichts mit Unterwerfung zu tun.
4. Dass sie dem Amt nicht gewachsen sei ist ebenfalls eine Frechheit und darf in einer öffentlich-rechtlichen Rundfunksendung wie ‚Echo der Zeit‘ nicht so unwidersprochen zur Hauptsendezeit ausgestrahlt werden. Es hätte auch ein Proargument folgen müssen. ➢ Hier hätte klar auch eine Meldung, dass Frau Kneissl sehr wohl ihrem Amt gewachsen ist, kommen sollen.
5. Dass Österreich die Sanktionen der EU vermutlich nicht mehr lange mittragen wird, ist absolut richtig, denn diese sind unberechtigt und liegen ausschliesslich ebenfalls politisch gefärbter und oft falscher Berichterstattung zu Grunde. ➢ Z. B. wollte die Krim in einer Volksabstimmung zurück zu Russland und bei den Giftattentaten in Grossbritannien ist eine russische Täterschaft eher fraglich.
6. Das Florian Klenk ‚das Ganze‘ als erbärmlich nennt, ist ebenfalls nicht neutral sondern eindeutig politisch links gefärbt und es zeigt wiedermal auf welcher Seite Radio und Fernsehen SRF stehen, nämlich ganz klar politisch links. ➢ Dass Echo der Zeit diesen Betrag so unkommentiert ausstrahlte ist erbärmlich und nicht Frau Kneissl. Das Ganze Interview verstösst gegen jeglichen ausgewogenen Journalismus.
Ich bitte Sie, vorliegende Beschwerde gutzuheissen.“
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für das «Echo der Zeit» antwortete Herr Fredy Gsteiger, stellvertretender Chefredaktor von Radio SRF:
«Besten Dank für die Gelegenheit, Stellung zu nehmen zur Beanstandung von
Herrn X. Herr X kritisiert im Wesentlichen, dass das «Echo der Zeit’ den Chefredaktor des österreichischen Magazins ‘Falter’ als Interviewpartner eingeladen hat und mahnt ‘Neutralität’ an.
Anlass für das Interview war die Einladung der österreichischen Aussenministerin Karin Kneissl an den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu ihrer Hochzeit. Das Ereignis hat am fraglichen Wochenende weit über Österreich hinaus für Schlagzeilen gesorgt, zumal es sich um einen höchst ungewöhnlichen Vorgang handelte. Auch in den österreichischen Medien selber wurde das Thema überaus kritisch behandelt, und zwar vom linksliberalen ‘Standard’ bis zur bürgerlichen ‘Presse’.
Florian Klenk ist im österreichischen Journalismus keine Randfigur, vielmehr als Chefredaktor der Wochenzeitung ‘Falter’ eine wichtige, markante Stimme. Es ist deshalb plausibel, dass das ‘Echo der Zeit’ ihn als Interviewpartner gewählt hat. Zumal es dem Konzept der Sendung entspricht, einen kritischen Blick auf aktuelle Ereignisse zu werfen. Bereits in der internen Sendekritik haben wir aber selber festgestellt, dass in diesem Fall versäumt wurde, den ‘Falter’ zu situieren, und zwar als linksliberale Publikation. All jene Hörerinnen und Hörern, die mit Österreich vertraut sind, wissen das selbstverständlich. Für die übrigen jedoch wäre eine kurze Einordnung hilfreich gewesen. Sie hätte sofort klargemacht, dass der Befragte der aktuellen Rechts- bis Rechtsaussenregierung in Österreich kritisch gegenübersteht.
Herr X verlangt aber von Radio SRF vor allem ‘Neutralität’. Neutralität ist freilich ein politischer Begriff und kein journalistischer. Ein Medium, auch ein Service-Public-Medium, kann und will nicht neutral sein. Wir sind, anders als Herr X es darstellt, nicht zu Neutralität verpflichtet. Die relevanten journalistischen Massstäbe für uns sind Sachgerechtigkeit und Fairness. Wir halten uns an die Fakten, geben aber zugleich Raum für Meinungen und Einschätzungen. Letztere dürfen auch mal pointiert ausfallen.
Der Interviewer und Moderator der Sendung, Samuel Wyss, hat ausserdem bereits eingangs klargemacht, dass dieser Hochzeitsbesuch weltweit sehr kontrovers diskutiert wurde. Er hat erwähnt, dass er vielfach Kritik, ja gar Häme erntet. Er hat aber ebenfalls die FPÖ-Sichtweise dargelegt, die in der kurzen Visite ‘beste Werbung für Österreich’ sah und von ‘Diplomatie im besten Sinn’ sprach.
Zu einigen Einzelpunkten, die Herr X anmerkt:
- Den russischen Präsidenten zu ihrer Hochzeit einzuladen, ist tatsächlich das gute Recht der österreichischen Aussenministerin. Sie musste aber davon ausgehen, dass diese Einladung zu reden und Anlass zu breiter Kritik geben würde, angesichts des zurzeit überaus angespannten Verhältnisses zwischen Russland und dem Westen. Richtig ist auch, dass zwischen dem deutschen Ex-Kanzler Schröder und Präsident Putin ein enges Verhältnis besteht. Doch erstens ist Schröder inzwischen seit vielen Jahren nicht mehr im Amt, repräsentiert also nicht mehr offiziell Deutschland, sondern nur noch sich selber als Privatperson. Zweitens gab und gibt auch die enge Verbindung zwischen Schröder und Putin immer wieder Anlass zu kritischen Betrachtungen, auch in unseren Sendungen. Und zwar völlig ungeachtet der Tatsache, dass es sich bei Herrn Schröder um einen Sozialdemokraten handelt.
- Dass Frau Kneissl ihrem Amt nicht gewachsen ist, ist eine Aussage von Herrn Klenk, für die er mit seinem Namen und seiner Erfahrung als Politikjournalist in Österreich steht. Wir selber hätten eine solche Formulierung in einem eigenen Text nicht gewählt, mit Sicherheit nicht bereits so kurz nach dem Amtsantritt von Frau Kneissl.
- Herr X ist der Ansicht, dass die EU-Sanktionen gegen Russland unberechtigt sind. Das darf er selbstverständlich so sehen. Nicht nur Herr Klenk, sondern auch wir sehen das anders. Denn die Sanktionen sind durch die demokratisch gewählten Regierungen der EU-Mitgliedländer verhängt worden. Sie sind insofern rechtsstaatlich legitimiert und korrekt zustande gekommen. Begründet werden sie mit der Aneignung der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland. Diese ist und bleibt völkerrechtswidrig, unabhängig davon, ob sie durch eine Mehrheit der Bewohner der Krim gutgeheissen wurde – und zwar selbst dann, wenn diese Abstimmung unter korrekten Rahmenbedingungen stattgefunden hätte.
Wir bitten Sie deshalb, sehr geehrter Herr Blum, die Beanstandung abzulehnen.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Ich kann bestätigen, dass in der Schweiz von Radio und Fernsehen nicht verlangt wird, dass sie in ihrer Berichterstattung strikt neutral sind, sondern dass sie faktentreu, fair und kritisch sind und Distanz zu allen Akteuren halten. Es wird von ihnen erwartet, dass sie gegenüber Nationalrat Cédric Wermuth (SP) genau so kritisch sind wie gegenüber Alt-Bundesrat Christoph Blocher (SVP) oder dass sie die linken Regierungen von Spanien oder von Griechenland genau so kritisch beobachten wie die rechten Regierungen von Polen oder von Ungarn. Die Akteure sollen an ihren Taten gemessen werden.
Sie kritisieren, dass das «Echo der Zeit» den Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung «Falter», Florian Klenk, für einen Kommentar zu Putins Besuch auf der Hochzeit der österreichischen Außenministerin Karin Kneissl ausgewählt hat. Nun, die Auswahl war insofern nicht parteiisch, als alle Kommentatoren in Österreich, ob vom öffentlich-rechtlichen Rundfunksender ORF oder vom linksliberalen «Standard», ob von der rechtsliberalen «Presse» oder vom populistischen Gratisblatt «Österreich», ein vernichtendes Urteil über diese Vermengung von Privatem und Politischem abgegeben haben. Das «Echo der Zeit» hätte also wen auch immer auswählen können, der Kommentar wäre ähnlich ausgefallen wie der von Florian Klenk. Auch in der Schweizer Presse wurde die Aktion negativ bewertet.[2]
Dabei war ja Florian Klenk nicht nur negativ in seinem Urteil. Er hielt fest, dass Karin Kneissl «durchaus kompetent» sei und als «anerkannte und seriöse Persönlichkeit» gelte. Bloss die Einladung des russischen Präsidenten Putin auf ihre Hochzeit nannte er «erbärmlich», «jämmerlich», einen «Tiefpunkt der österreichischen Regierungspolitik», und er bezeichnete den Versuch, dies als Beispiel für Österreichs Rolle als «Brückenbauerin» zu deklarieren, als «misslungen».
Die 53jährige Dr. iur. Karin Kneissl, die Englisch, Französisch, Arabisch, Spanisch und Italienisch spricht und über Grundkenntnisse in Hebräisch und Ungarisch verfügt, ist in der Tat eine versierte Diplomatin, Journalistin, Dozentin und Sachbuchautorin.[3] Sie gilt als Nahostexpertin und Energiespezialistin und sie wird als dossiersicher beschrieben. Außenministerin in der neuen österreichischen Regierung wurde die Parteilose auf Vorschlag der FPÖ. Sie hat denn auch in der Vergangenheit immer wieder Aussagen zur Nahostpolitik oder zur Flüchtlingspolitik gemacht, die mit denen der FPÖ durchaus übereinstimmen. Sie ist in ihrem Amt aber sicher nicht überfordert.
Es gibt daher zwei mögliche Sichtweisen auf ihre Einladung Putins zu ihrer Hochzeit:
- Nach der einen wollte sie in einer Phase der angespannten Beziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union, ja der westlichen Welt überhaupt, für atmosphärische Entspannung sorgen und den Gesprächsfaden aufrecht erhalten. Sie wollte sich Russland anbieten als eine mögliche Anspielstation, die vermitteln kann, bevor die Lage eskaliert.
- Nach der andern war es naiv und ein falsches Signal, Putin einen eineinhalbstündigen Propaganda-Auftritt zu ermöglichen, ohne dass er auch nur die kleinste Konzession machen musste. Österreich hat zurzeit die EU-Präsidentschaft inne und sollte besonders diplomatisch, besonders vorsichtig sein, um nicht als befangen zu gelten. Aus diesem Blickwinkel war das Tänzchen von Außenministerin Kneissl mit Präsident Putin eher kompromittierend.
Diese beiden Sichtweisen hat Florian Klenk im Gespräch mit dem «Echo der Zeit» bewertet. Daran ist nichts auszusetzen. Der Journalist sagt seine persönliche Meinung; er gibt einen Kommentar ab. Das ist erkennbar und somit erlaubt. Der Rahmen, den das Radio- und Fernsehgesetz vorgibt, wurde nicht gesprengt. Ich kann daher Ihre Beanstandung nicht unterstützen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
[1] https://www.srf.ch/sendungen/echo-der-zeit/putins-hochzeit-besuch-tiefpunkt-der-oesterreichischen-politik
[2] https://www.nzz.ch/international/eine-unangepasste-im-tanz-mit-putin-ld.1412645
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