«Tagesschau»-Beitrag «10 Jahre Finanzkrise» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 22. September 2018 beanstandeten Sie die «Tagesschau» (Fernsehen SRF) vom 15. September 2018 und dort den Beitrag «10 Jahre Finanzkrise».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Eingangs der Sendung wird die Entstehungsgeschichte der weltweiten Krise vom 14/15. September 2008 dargestellt, danach die durch die Schweiz(!) getroffenen staatlichen(!) Massnahmen detailliert aufgeführt:

  • Einsatz von Steuergelder in der Höhe von 6 Milliarden CHF durch den Bund
  • Übernahme von faulen US-Hypotheken in der Höhe von 54 Milliarden $ durch die Nationalbank

Ausgiebig wird dem staatlichen Vertreter Peter Siegenthaler die Gelegenheit gegeben, den Erfolg der schweizerischen Staatseingriffe und des Einsatzes der genannten Steuermittel zu preisen.

Ich erwähne nur, dass Bankenvertreter nicht zu Wort kamen. Immerhin ist bedenkenswert, dass die Finanzbranche nebst den Behörden auch 2016 für die Schweiz noch nicht unbedeutend ist – nach erheblicher Schrumpfung seit 2008: <Mit insgesamt über 210'000 vollzeitäquivalenten Beschäftigten arbeiten rund 5.6 Prozent aller Beschäftigten der Schweiz (exkl. Primärsektor) im Finanzsektor. Davon sind rund zwei Drittel in der Bankbranche angestellt.>[2]

Der eine oder andere aus diesem wichtigen Sektor der Schweiz hätte vielleicht auch etwas zum Thema zu sagen gehabt. Auch solche die betroffen waren, ohne dass sie für die Krise die geringste Verantwortung trugen. Das Ausblenden dieser auch in der Schweiz betroffenen Menschen ist nur ein weiterer Hinweis auf die Unausgewogenheit der Sendung.

Im zweiten Teil der Sendung wird die Frage aufgeworfen: Wie sieht die Situation heute nach zehn Jahren aus?

Man hat bisher von der Tagesschau über die Schweiz dazu nur erfahren, dass wir mit einem blauen Auge davongekommen sind und die Behörden erfolgreich gehandelt haben. Kein Wort über internationale Zusammenhänge und darüber, dass die Eingriffe der Schweizer Behörden ohne internationales Zusammenwirken wohl wirkungslos geblieben wären. Plötzlich steht nun der internationale Aspekt der Krise im Vordergrund. Ausschweifend wird über die immer noch schlimmen Folgen für Cleveland berichtet. Hausruinen werden gezeigt, geschädigte Menschen in den USA kommen ausgiebig zu Wort. Naheliegende Schlussfolgerung: <Schlimm schlimm, was die Banken den Menschen angetan haben. Gott sei Dank haben wir unsere tüchtigen Schweizer Behörden>.

Nachdem nun aber im ersten Teil so detailliert über das unbestritten erfolgreiche Handeln der nationalen Behörden und im zweiten Teil über die bösen Folgen der Spekulationen der Banken im Ausland berichtet wurde, hätte nun das Sachgerechtigkeitsgebot erfordert auch zu erwähnen, inwiefern wir Schweizer mit einem blauen Auge davongekommen sind:

1) Wir haben offensichtlich keine Hausruinen, weil die Banken in der Schweiz weniger leichtfertig Kredite vergeben haben.

2) Je nach Berechnungsgrundlage haben Bund und Nationalbank aus der Rettung der UBS 5 bis 6 Mrd. Fr. verdient. Kein Steuergeld ging verloren.

3) Ohne internationales Zusammenwirken wären die nationalen Behörden nicht erfolgreich gewesen.

4) Eine gehörige Portion an Glück war wohl auch im Spiel.

Durch Weglassen der Tatsache 3 wird nationales staatliches Handeln glorifiziert. Das Verschweigen der Fakten 1 und 2 lässt die Schweizer Banken schlechter aussehen, als gerechtfertigt. Punkt 4 ist Ansichtssache.

Der dritte Teil der Sendung über die Lehren aus der Krise spielt für diese Beschwerde keine Rolle mehr. Der Beitrag der Tagesschau ist eine Dokumentation, die langfristig vorbereitet werden kann. Von einem Apparat wie SRF, darf man daher erwarten, dass er die Informationen korrekt aufbereiten kann.

Fazit: Der Beitrag reitet auf der populären Welle der Stimmungsmache gegen die Banken und unterstützt einseitig staatsgläubige Ansichten. Eine sachgerechte Relativierung auf nationaler Ebene fehlt.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die «Tagesschau» antwortete Herr Franz Lustenberger, ehemaliger stellvertretender Redaktionsleiter:

«Mit Mail vom 22. September beanstandet Herr X die Berichterstattung der Tagesschau vom 15. September zum Thema ‘10 Jahre Finanzkrise’. Er bezeichnet die Sendung als unausgewogen und als nicht-sachgerecht, da gewisse Aspekte des Themas nicht vorkommen. Die Tagesschau habe zudem ‘staatliches Handeln glorifiziert’.

Grundsätzliche Bemerkungen

Die Tagessschau hat die Finanzkrise von 2008 zum Anlass genommen, verschiedene Aspekte herauszugreifen und sie in Beträgen, Reportagen und Gesprächen mit Protagonisten von damals und Experten zu beleuchten, immer auch mit der Fragestellung, was ist daraus geworden, was hat sich verändert? Es ist klar, dass die Tagesschau – auch in einem Schwerpunkt von insgesamt 7 Minuten – nie alle Aspekte behandeln kann.

Die getroffene Auswahl wird dem Thema gerecht: Der Rückblick mit Peter Siegenthaler ruft die damaligen dramatischen Tage in der Finanzwelt wieder in Erinnerung. Die Reportage aus Cleveland geht der Frage nach, was auf dem damals überhitzten Immobilienmarkt in den USA seither geschehen ist. Mit SRF-Börsenkorrespondent Jens Korte werden die Folgen und die Konsequenzen besprochen.

Staatliche Massnahmen und Regulierungen

Die stärkere Regulierung der Finanzmärkte durch Staaten, Notenbanken und internationale Gremien ist eine der direktesten Folgen der Finanzkrise. Die Problematik von ‘too big to fail’ ist seither ein wichtiges Element in einer vorausschauenden Wirtschafts- und Finanzpolitik. Damit wird staatliches Handeln keineswegs glorifiziert. Auch ist in diesem ganzen Schwerpunkt nirgends eine Stimmungsmache gegen die Banken zu erkennen.

Immobilienblase in den USA

<Let’s hope we are all wealthy and retired by the time this house of cards falters>, so ein E-Mail eines Angestellten von Standard & Poor’s aus dem Jahre 2006. Zwei Jahre später brach das Kartenhaus der faulen Immobilienkredite zusammen. Ein Blick auf den Immobilienmarkt in den USA, in eine von der Krise stark betroffenen Stadt, ist daher ein logischer Teil des Rückblicks. Die Immobiliensituation in der Schweiz steht in keinem Zusammenhang mit der Finanzkrise von damals. Allerdings warnt die Schweizerische Nationalbank immer mal wieder vor der hohen Verschuldung von Haus- und Wohnungsbesitzern in der Schweiz.

Ausblick mit Jens Korte

Immer wieder ist von der globalen Finanzkrise die Rede. Jens Korte spricht explizit von amerikanischen und europäischen Banken. Und er verweist auf die tiefen Zinsen, welche zwar die Wirtschaft wieder zum Laufen gebracht, aber auch zu einer grossen Kreditaufblähung rund um den Globus geführt haben. Das Handeln der Notenbanken und der Staaten im Hintergrund wird also durchaus kritisch beleuchtet.

Weitere Sendungen bei SRF

Die Finanzkrise 2008 hatte ihren Ursprung im spekulativ aufgeblähten Immobilienmarkt in den USA, mit den verbrieften aber oft faulen Hypothekarkrediten. Ab August 2007 stiegen die Zinsen in den USA massiv an, was verschiedenste Banken in Schwierigkeiten brachte. Der Zusammenbruch von Lehman Brothers Mitte September 2008 war der bedeutendste Ausdruck dieser Krise.

Im Wissen um die Komplexität der globalen Finanzkrise hat das Schweizer Fernsehen seit Anfang Jahr verschiedenste Sendungen zum Thema gemacht. Zwei grosse Sendungen mit dem Schwerpunkt ‘10 Jahre Finanzkrise’ seien herausgegriffen. So widmete sich die Wirtschaftssendung Eco am 22. Januar 2018 in einem Filmbeitrag der Rolle der Notenbanken und dem Thema Vertrauen in die Banken.[3] Im anschliessenden Eco-Talk am 22. Januar wird das Thema mit UBS-Präsident Axel Weber und Nationalbank-Präsident Thomas Jordan vertieft.[4]

Am 18. September, also am Dienstag der Folgewoche, vertiefte der Club das Thema der Finanzkrise mit verschiedensten Protagonisten, unter anderem mit Oswald Grübel (ehemals Konzernchef der CS und der UBS), Marco Rodzynek (ehemals Lehman Brothers) oder Daniel Kalt (Chefökonom der UBS).[5] In allen diesen Schwerpunkten kommen verantwortliche Banker ausgiebig zu Wort.

Fazit

Die Tagesschau hat in einem Schwerpunkt zentrale Aspekte des Themas ‘10 Jahre Finanzkrise’ und was daraus geworden ist, behandelt. Sie hat kein Bankenbashing betrieben, wie dies der Beanstander mit der Formulierung der Stimmungsmache gegen die Banken kritisiert. Der Zuschauer konnte sich ein sachgerechtes Bild des damaligen Geschehens an den internationalen Finanzmärkten und den sich daraus ergebenden Folgerungen und Konsequenzen machen.

Ich bitte Sie, die Beanstandung in diesem Sinne zu beantworten.

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Das Finanz- und Bankensystem und die Geldpolitik sind ein weites Feld; vieles ist hochkomplex. Das ergibt sich schon aus der Tatsache, dass die Ökonomen die Finanzkrise, die vor zehn Jahren hereinbrach, nicht vorausgesehen hatten, und dass auch jetzt niemand genau prognostizieren kann, ob es eine weitere Krise geben wird, wie sie aussehen wird und wie man darauf wird reagieren können. Die Spezialisten können nur beteuern, dass man mehr Sicherheiten in das Finanzsystem eingebaut hat. Angesichts der Komplexität des Themas war es eine große Herausforderung für die «Tagesschau», in einem kurzen Beitrag am 10. Jahrestag der Finanzkrise aufzuzeigen, was passiert ist, wie man reagiert hat und was heute die Folgen sind. Herr Lustenberger verweist mit Recht darauf, dass das Thema vertiefende Beiträge braucht, wie sie Fernsehen SRF mit dem «ECO-TALK» oder mit dem «Club» ausgestrahlt hat.

Sie kritisieren ja vor allem, dass die drei Teile des «Tagesschau»-Beitrags die Ebenen und Schauplätze wechseln: Zuerst ist vom Krisen-Management in der Schweiz die Rede, dann von noch heute sichtbaren Folgen auf dem Immobilienmarkt in Cleveland (Ohio), dann von den weltweiten Konsequenzen im Finanzsystem. Natürlich hätte man nur von der Schweiz, nur von den USA oder nur vom globalen Finanzsystem reden können. Und natürlich hätte man auch einen Banker zu Wort kommen lassen können. Aber die einzelnen Teile waren in sich stimmig und auch sachgerecht. Es lag erstens auf der Hand, mit Peter Siegenthaler, dem damaligen Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung, zu reden, denn er war einer der zentralen Akteure, als es galt, die UBS mit Geldspritzen des Bundes zu retten. Dass dann via Nationalbank wieder Geld in die Bundeskasse zurückfloss, ist zwar richtig, aber für den Moment der Krise nicht wichtig, denn die Bundesbehörden mussten rasch handeln und dabei das Risiko eingehen, dass Steuergelder für die Rettung des Bankensystems für immer verloren gingen. Die Staatsintervention war das Neue und ordnungspolitisch Ungewohnte, darum war es korrekt, den Akzent darauf zu legen.

Es war zweitens anschaulich und einprägsam, am Beispiel von Cleveland zu beobachten, was die Krise angerichtet hat und dass Tausende von Häusern noch immer leer stehen. In diesem Teil konnte das Bildmedium seine Stärke ausspielen. Und es war drittens einleuchtend, dass Börsenspezialist Jens Korte ausführte, was die Banken weltweit aus der Krise gelernt haben, wie sie heute aufgestellt sind und wo sich allenfalls eine neue Krise zusammenbrauen könnte. Ich gebe Ihnen Recht, dass man den Beitrag auch anders hätte machen können. Ich muss aber nicht Chefredaktor spielen, sondern ich muss überlegen, ob der Beitrag, so wie er war, das Publikum in die Irre geführt und ihm wesentliche Fakten verschwiegen hat. Das hat er nicht. Das Publikum konnte sich ein Bild machen vom damaligen Krisenmanagement und von den bis heute sichtbaren Folgen sowie vom heutigen Zustand des Finanzsystems. Es wurde nicht manipuliert. Gerade im letzten Teil werden die internationalen Zusammenhänge aufgezeigt und auch darauf hingewiesen, dass die Banken inzwischen ihre Hausaufgaben gemacht haben. Der Beitrag war daher keine Stimmungsmache gegen die Banken. Darum kann ich Ihre Beanstandung per Saldo nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

[1] https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/10-jahre-finanzkrise-ein-rueckblick?id=ab069cb9-490f-4cb4-bf66-447742c6d792

[2] www.swissbanking.org

[3] https://www.srf.ch/play/tv/eco/video/zentralbanken-erwaegen-konten-fuer-privatpersonen?id=d6826153-264f-43df-b28a-63746727559e

[4] https://www.srf.ch/play/tv/eco-talk/video/10-jahre-nach-der-finanzkrise-koennen-wir-wieder-vertrauen-haben?id=1f7eae22-57a9-4bcf-b26f-37918344b4e3

[5] https://www.srf.ch/play/tv/club/video/finanzkrise-10-jahre-nach-dem-kollaps?id=60e00137-1b8f-4068-9f11-5b478b8c2c9

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