«Rundschau»-Thekengespräch mit Gian-Luca Lardi beanstandet
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Mit Ihrer E-Mail vom 4. Oktober 2018 beanstandeten Sie die Sendung «Rundschau» (Fernsehen SRF) vom 3. Oktober 2018 und dort das Theken-Gespräch mit dem Präsidenten des Schweizerischen Baumeisterverbandes, Gian-Luca Lardi.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«Wir haben gestern zum ersten Mal seit längerem die Rundschau wieder einmal angesehen seit Herr Sandro Brotz diese moderiert. Und wir waren entsetzt, wie Herr Brotz in seinem Gespräch mit dem Arbeitgeberverbandspräsidenten, Herr Gian-Luca Lardi respektlos von den ‘Büetzern’ gesprochen hat, mehrmals. Wir würden von einem SRG Mitarbeiter mehr Achtung und Stil gegenüber Arbeitnehmern erwarten in einem Interview! Es hat uns wieder bestätigt, dass wir zu Recht diese Sendung mit Herrn Brotz nicht mehr anschauen, obwohl wir früher über Jahre am Mittwoch die Rundschau mit anderen Moderatoren immer gerne angesehen haben. Wir sind selber Unternehmer, würden aber unsere Angestellten niemals als ‘Büetzer’ bezeichnen!
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die «Rundschau» äußerte sich Herr Mario Poletti, Redaktionsleiter der Sendung:
«Gerne nehmen wir Stellung zur Beanstandung von Frau X und Herrn X. Um es vorweg klarzustellen: der vom Moderator verwendete Begriff ‘Büezer’ war in keiner Art und Weise herabsetzend oder gar respektlos gemeint, wie dies die Beanstander monieren. ‘Büezer’ wird umgangssprachlich für Arbeiter verwendet und ist aus dem Sprachschatz nicht mehr wegzudenken.
Ein Blick ins Idiotikon – dem Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache – zeigt, dass ‘Büezer’ ursprünglich vom Wort ‘Flicker’ abstammt. Das Verb ‘Büeze’ stand einst für ‘Weib, das flickt, viel zu flicken hat’. ‘Büez’ meinte somit Flickarbeit.
Während Büezer ganz zu Beginn laut der beliebten Radiosendung ‘Schnabelweid’ negativ behaftet war (‘Öppis, wo numme eso zämebüetzt isch gsi, isch schlächt gmacht gsi’), ist ‘Büezer’ zunehmend als Begriff – im neutralen Sinne – für Arbeiter verwendet worden. Zu Luthers Zeiten ist er bereits so wie heute benutzt worden – <nämmlech für das, wo me macht, we me schaffet, we me produktiiv täätig isch> (‘Schnabelweid’).
Es sei zudem darauf hingewiesen, dass das Wort ‘Arbeiter’ bis ins 20. Jahrhundert wenig gebräuchlich war. Es wurde eher die konkrete Berufsbezeichnung verwendet. Dies in Kombination mit dem Wort ‘Büezer’. Zum Beispiel ‘Hafebüezer’, ‘Schuehbüezer’ oder ‘Zeinebüezer’.
Kurzum: Der Begriff ‘Büezer’ hat nicht nur eine historische Tradition und sich in unserem Sprachschatz eingebürgert, sondern wird auch von Arbeitern selbst verwendet. Und dies erst noch mit Stolz. Wer ein Büezer ist, der krampft oder krüppelt – oder eben: ‘chrampft’, ‘chrüpplet’.
Das Wort ‘Büezer’ wird übrigens sehr wohl nicht nur von Arbeitern und Unternehmern, sondern auch in der Politik häufig eingesetzt. Man denke nur an Willi Ritschard, der sich selbst als ‘Büezer im Bundesrat’ sah.
Fazit: Wir können nicht nachvollziehen, wie die Beanstander zum Schluss kommen können, der Moderator habe sich mit dem Wort ‘Büezer’ gegenüber Arbeitern respektlos verhalten. Er sieht sich übrigens selber als journalistischer ‘Büezer’. In diesem Sinne bitten wir Sie, sehr geehrter Herr Blum, die Beanstandung abzuweisen.
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Ich kann die Ausführungen von Herrn Poletti nur bestätigen: «Büezer» ist ein gebräuchlicher Dialektausdruck für «Arbeiter», jedenfalls in den Kantonen Zürich und Bern. Der Berner Rocksänger Gölä singt ganz selbstverständlich vom Büezer.[2] Mir fehlen Unterlagen darüber, wo der Ausdruck überall nicht bekannt ist, sicher in der Region Basel, möglicherweise auch in der Innerschweiz. Da aber Moderator Sandro Brotz Zürichdeutsch spricht, ist es völlig logisch, dass er den Begriff «Büezer» verwendet. Damit bleibt er konsequent in seinem Dialekt. Und da der Ausdruck in keiner Weise diskriminierend ist, liegt auch kein Verstoß gegen das Radio- und Fernsehgesetz vor. Und das bedeutet, dass ich Ihre Beanstandung nicht unterstützen kann.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
[1] https://www.srf.ch/sendungen/rundschau/fall-maudet-rente-60-gian-luca-lardi-migranten-unerwuenscht
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