«Schawinski» mit Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher beanstandet (II)
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Mit Ihrer e-Mail vom 3. November 2018 beanstandeten Sie die Sendung «Schawinski» (Fernsehen SRF) vom 29. Oktober 2018 mit Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«Ich habe mir nach langem wieder mal eine Schawinski Sendung reingezogen, da mich interessierte was Frau Martullo zu sagen hat.
Und ich muss sagen, was da abging hat mich schon nach paar Minuten zur Weißglut getrieben. Ich weiß gar nicht was das Ziel einer solchen Sendung ist. Geht es darum den Gast möglichst schnell aus der Fassung zu bringen, um nützliche Informationen, Satire, Mitleid generieren für einen alten überforderten Moderatoren oder einfach um Gebühren zu verprassen?
Ich kann Ihnen sagen in den USA bei einem privaten Sender würde bei solch einem Schrott sofort der Stecker gezogen. Es kann ja nicht sein, dass der Moderator die Fassung verliert, die Ausführungen des Gastes nicht versteht und immer wieder andere primitive Einspielungen bringt, um vielleicht doch noch einen Punkt zu landen.
Wäre das ein Boxkampf gewesen, hätte der Coach vom Schawinski schon in der ersten Runde das Handtuch werfen müssen. Ich weiß nicht wie lange man diese Sendung noch über sich ergehen lassen muss?»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die Sendung «Schawinski» antwortete Frau Léa Burger, Redaktorin und Produzentin, wie folgt:
«Im Schreiben vom 3. November 2018 kritisiert X den Moderationsstil von Roger Schawinski. Gerne nehme ich dazu Stellung.
Die Sendung ‘Schawinski’ sieht vom Konzept her engagierte und kontroverse Gespräche mit wichtigen Personen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vor. Zentrale HandlungsträgerInnen aus diesen Bereichen sollen in der Sendung so vorgestellt werden, dass man sowohl ihre Handlungsmotive und Überzeugungen als auch die Persönlichkeit hinter den Fakten kennen lernen kann. Dafür wählt Moderator Roger Schawinski einen temporeichen und intensiven Schlagabtausch auf Augenhöhe, der Wortunterbrechungen und angriffslustige Momente beinhaltet. Diese Art von Talk ermöglicht dem Publikum, wichtige Personen auf neue und vielleicht auch überraschende Weise kennenzulernen.
Aus Sicht der Redaktion kann aus oben genannten Gründen die Beanstandung von Herrn X zurückgewiesen werden.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Die Sendung wurde am 29. Oktober 2018 ausgestrahlt. Damit fiel sie in die «heisse Phase» des Abstimmungskampfes um die Selbstbestimmungsinitiative, über die am 25. November 2018 abgestimmt wird. In der «heißen Phase» müssen konzessionierte Schweizer Radio- oder Fernsehsender das Vielfaltsgebot beachten. Roger Schawinski hat es insofern eingehalten, als er eine Sendung mit einer Gegnerin der Selbstbestimmungsinitiative durchführte, nämlich mit der Zürcher Staats- und Völkerrechtlerin Prof. Dr. Helen Keller[2], der Schweizer Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, am 15. Oktober 2018 [3], und eine Sendung mit einer Befürworterin der Initiative, eben mit Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher (SVP, Graubünden).[4] Da die beiden Interviews von einander getrennt waren, ist es die Aufgabe des Moderators, gegenüber beiden Gesprächspartnerinnen eine kritische Haltung einzunehmen, beide also mit Gegenargumenten aus dem Busch zu locken. Er muss also keineswegs neutral bleiben, sondern es gehört zu seiner Rolle, dass er den Gegenstandpunkt einnimmt.
Wie löste Roger Schawinski diese Aufgabe in den beiden Sendungen? Eindeutig unterschiedlich. Die Straßburger Richterin Helen Keller befragte er nett, freundlich, zurückhaltend, auf Erkenntnisinteresse ausgerichtet. Er konfrontierte sie hauptsächlich mit Aussagen von SVP-Politikern. Die Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher hingegen befragte er vorurteilsgeladen, aggressiv, erregt, ja wütend, er versuchte sie mit eigenen Aussagen und solchen ihres Vaters Christoph Blocher in die Enge zu treiben, und er war oft hämisch. So versuchte er sie kleinzureden: «Man kennt Sie noch nicht so gut». Oder er versuchte sie zu diskreditieren: «Richtig gute Leute wollen doch gar nicht bei Ihnen arbeiten». Dass die SVP Plakate aushing, die ganz sachlich daherkommen und auf denen das Logo der Partei fehlt, bezeichnete er als «schändlich». Und die Argumentation seiner Gesprächspartnerin zugunsten der Selbstbestimmungsinitiative nannte er «Angstmacherei vom Übelsten». Derweil blieb Nationalrätin Martullo-Blocher ruhig, freundlich, sachlich. Sie ließ sich nicht aus dem Konzept bringen.
Um nicht missverstanden zu werden: Ein Moderator muss nicht neutral sein. Er ist kein Abfrage-Heini. Er darf, ja soll die Gegenposition einnehmen, um den Gast zu fordern. Wäre das Gespräch mit Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher nicht in einem Kontext gestanden mit dem Gespräch mit Professorin Helen Keller und wären es nicht Sendungen gewesen im Zusammenhang mit einer Volksabstimmung und erst noch innerhalb der «heißen Phase», dann wäre der Fragestil von Roger Schawinski kein Problem gewesen. Denn ein Mitglied des eidgenössischen Parlamentes ist es gewohnt, hart befragt zu werden. Die politische Prominenz ist durchaus geübt im Umgang mit den Medien.
Da aber Roger Schawinski in beiden Sendungen auf die jeweils andere hinwies, drängt sich der Vergleich auf, und daraus ergibt sich, dass der Moderator den einen Gast quasi mit Samthandschuhen, den anderen aber mit Boxhandschuhen angefasst hat. Und dadurch hat er die im Vielfaltsgebot angelegte strikte Gleichbehandlung der Parteien im Wahl- oder Abstimmungskampf missachtet. Ich kann daher Ihre Beanstandung unterstützen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
[1] https://www.srf.ch/sendungen/schawinski/roger-schawinski-im-gespraech-mit-magdalena-martullo-blocher
[2] https://www.ivr.uzh.ch/de/institutsmitglieder/keller.html
[3] https://www.srf.ch/sendungen/schawinski/roger-schawinski-im-gespraech-mit-helen-keller
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