«Abstimmungs-Arena» zur Selbstbestimmungsinitiative beanstandet (III)
5650
Mit Ihrem Brief vom 12. November 2019 beanstandeten Sie die «Abstimmungsarena» (Fernsehen SRF) vom 9. November 2018 zur Selbstbestimmungsinitiative.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
„In dieser Sendung wird nach 58 Minuten und 45 Sekunden bis 59 Minuten und 15 Sekunden ein Film übelster Machart gesendet. Da werden in manipulativer Art, stakkato mässig immer wieder folgende Wörter wiederholt: Umsetzungsinitiative, Masseneinwanderungsinitiative und Durchsetzungsinitiative. Diese Art der Verunglimpfung lernen die Studenten im ersten Semester an Film- und Fernsehakademien, sie dienen einzig und alleine dazu, Meinungen und Ansichten in manipulativer Art zu verstärken. Da wird von der Arena Meinungsjournalismus betrieben und kein Informationsjournalismus.
Die Stossrichtung von Herrn Projer und der Arena ist klar. Einerseits macht man bei den Zuschauern Stimmung gegen die Selbstbestimmungsinitiative, und andererseits versucht man in bewährter Arena-Manier, die Initianten und Befürworter dieser Initiative zu diskreditieren. Dieses Vorgehen sollte durch Sie gerügt werden. Ich erwarte, dass SRF in Zukunft Informationsjournalismus betreibt und nicht in gut linker Manier Meinungsjournalismus verbreitet.“
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die «Arena» antwortete Herr Jonas Projer, Leiter Fachredaktion Talk:
«Wir freuen uns, zur Beanstandung 5650 Stellung zu nehmen und bitten um Verständnis dafür, dass wir uns dabei kurzhalten. Dies nicht aus mangelndem Interesse dem Beanstander gegenüber, sondern aufgrund der kurzen Frist und der laufenden Produktion der aktuellen ‘Arena’-Sendung.
Eine ‘Abstimmungs-Arena’ folgt besonderen Regeln. So wird etwa die Runde strikt ausgewogen zusammengestellt (50 % Befürworter, 50 % Gegner) und auch die Redezeit wird gestoppt und über die Gesamtsendung gerechnet ausgewogen zugeteilt. Eine weitere Besonderheit der ‘Abstimmungs-Arena’ ist es, dass erstens zu Beginn (mit dem/r anwesenden/r Bundesrat/-rätin) und zweitens zu einem späteren Zeitpunkt (mit einem/r Vertreter/in der Gegenseite) im sogenannten ‘Prüfstand’ ein kritisches Einzelgespräch geführt wird. Dabei nimmt der Moderator jeweils die Gegenposition zum interviewten Gast ein. Die Idee dahinter ist einfach: Während es in einer Gesprächsrunde immer möglich ist (und besonders in Abstimmungssendungen gerne versucht wird), nicht auf die Argumente der Gegenseite zu reagieren, sondern nur seine eigenen Parolen zu platzieren, kann in einem kontroversen Einzelgespräch mit dem Moderator fast immer eine inhaltliche Auseinandersetzung herbeigeführt werden.
Welche Gegenposition zum Gesprächsgast der Moderator im ‘Prüfstand’ einnimmt, liegt natürlich in der Verantwortung der Redaktion. Bei der vorliegenden Sendung fiel die Wahl der ‘Arena’ im ersten ‘Prüfstand’ (d.h. im Gespräch mit Frau Bundesrätin Sommaruga) auf eine sehr offensichtliche Option: Wir vertraten die Position, dass die stetige Mengenausweitung völkerrechtlicher Verträge die Freiheit (Selbstbestimmung) der Schweiz einschränke. Diese Position wurde mit einer eigens vorgenommenen Recherche gestützt: Wir zeigten auf, dass zur Zeit der Gründung des Bundesstaats nur gerade ca. 150 Staatsverträge des Bundes bestanden, verglichen mit den ca. 5'000 Verträgen, die heute in Kraft sind. Als sekundäre Stossrichtung des entsprechenden Prüfstands wählte die Redaktion den ebenfalls relevanten Kritikpunkt, dass solche völkerrechtlichen Verträge in vielen Fällen nicht dem Referendum unterstanden, d.h. nur relativ indirekt demokratisch legitimiert sind. Anzufügen ist noch, dass die Bundesrätin selbstverständlich auf alle Kritikpunkte ausführlich reagieren konnte, was ja der Sinn des Prüfstands ist.
Analog wählte die Redaktion auch im Prüfstand mit Nationalrat Hans-Ueli Vogt, dem Urheber der Selbstbestimmungs-Initiative, eine Gegenposition. Hier fiel die Wahl auf eine weniger naheliegende Option: Die Redaktion wählte nicht das Thema ‘Menschenrechte’ oder das Thema ‘wirtschaftliche Risiken’, welche den Gegnern der SBI beide am Herzen liegen. Sie wählte stattdessen einen grundsätzlicheren Kritikpunkt – konkret, dass die SVP die Schweiz mit ihren Initiativen quasi ‘selbstbeschäftige’ und damit Ressourcen binde, welche auch anders eingesetzt werden könnten. Diesen Kritikpunkt illustrierte die Redaktion mit einem zugegebenermassen etwas zugespitzten, aber inhaltlich relevanten Zusammenschnitt von ‘Arena’-Szenen. Wer die ‘Arena’ regelmässig schaut, wird bemerken, dass die Zuspitzung im Prüfstand Teil des Konzepts ist, was sich an unzähligen Beispielen zeigen lässt (bspw. Geldspielgesetz). Vor allem aber war der Zusammenschnitt inhaltlich relevant, weil er eine Realität korrekt abbildete (ganz egal, wie man diese Realität wertet): In der ‘Arena’ wurde in den letzten Jahren tatsächlich unzählige Male über SVP-Initiativen, deren (Nicht-)Umsetzung und die (vermeintliche) Missachtung des Volkswillens debattiert. Anzufügen ist auch hier, dass Nationalrat Hans-Ueli Vogt ausführlich (und übrigens auch er sehr sympathisch) auf die Kritikpunkte reagieren konnte. Obendrauf erhielt nach dem Prüfstand sogar Herr Vogts Verbündete, Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher, als erste das Wort, was für das Ende eines Prüfstands eher ungewöhnlich ist.
Wir bitten Sie, die Beanstandung in diesem Sinne zu beantworten. Für Nachfragen stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. In dieser Sendung waren Befürworter und Gegner der Selbstbestimmungsinitiative paritätisch vertreten, und beide Seiten erhielten gleich viel Redezeit. Die befürwortende Position vertraten vorne an den Pulten Nationalrat Hans-Ueli Vogt (SVP, Zürich), Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Zürich, und Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher (SVP, Graubünden), CEO der Ems-Chemie. Den gegnerischen Standpunkt vertraten Bundesrätin Simonetta Sommaruga, die Justizministerin der Schweiz, und Ständerat Philipp Müller (FDP, Aargau), Bauunternehmer. Moderator Jonas Projer bat Bundesrätin Sommaruga und Nationalrat Vogt je einzeln in den «Prüfstand», wo er beide kritisch befragte. Es ist logisch, dass der Journalist in beiden Befragungen jeweils den Gegenstandpunkt einnahm. Er konfrontierte die Justizministerin mit Gegenargumenten und er konfrontierte Nationalrat Vogt mit Gegenargumenten. Eines dieser Gegenargumente im Dialog mit Nationalrat Vogt illustrierte er mit dem von Ihnen kritisierten Film, mit dem er zeigen wollte, dass die verschiedenen Initiativen der SVP vor allem endlose Diskussionen zur Folge hatten und die Schweiz ein ganzes Jahrzehnt lang beschäftigten. Diese Einspielung war zwar unterhaltsam, aber rein polemisch und für den Fortgang der Diskussion nicht notwendig. Da gebe ich Ihnen Recht. Ich stimme Ihnen auch zu, dass diese Einspielung keinen Informationswert hatte.
Ich muss allerdings prüfen, ob die Sendung insgesamt beiden Seiten gleichwertige Chancen bot und ob der Moderator sie insgesamt gerecht geleitet hat. Die gleichwertigen Chancen waren dadurch gegeben, als die je zwei Gäste vorne an den Pulten durch je vier zusätzliche Personen unterstützt wurden: die Befürworter durch Alt-Botschafter Paul Widmer, durch Hans Moser, den Präsidenten der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU), und durch den Politologen und Jung-Unternehmer Urs Vögeli; die Gegner durch Heinz Karrer, Präsident der economiesuisse, durch Nationalrat Nicolo Paganini (CVP, St. Gallen) und durch Andrea Huber von der «Allianz der Zivilgesellschaft». Wenn der eine oder andere Redner die Chance schlecht genutzt hat, geht das nicht auf das Konto des Moderators; die Chance war da.
Insgesamt konnten Befürworter wie Gegner ihre Argumente breit darlegen. Moderator Jonas Projer leitete die Diskussion meines Erachtens unparteiisch. Ich hatte nicht den Eindruck wie Sie, dass er versuchte, «die Initianten und Befürworter dieser Initiative zu diskreditieren.» Dass die «Arena»-Redaktion mit gründlicher Recherche klärte, was im Bundesgericht 2012 genau passiert ist, war im Interesse der Versachlichung der Diskussion nur verdienstvoll. Wenn ich also Bilanz ziehe, dann konnte sich das Publikum dank der ausgebreiteten Fakten und vorgetragenen Meinungen frei eine eigene Meinung bilden. Ich sehe keinen Verstoß gegen das Radio- und Fernsehgesetz. Ich teile zwar Ihre Kritik am Einspieler, kann aber bezogen auf die gesamte Sendung Ihrer Beanstandung nicht zustimmen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
[1] https://www.srf.ch/sendungen/arena/abstimmungs-arena-selbstbestimmungs-initiativ
Kommentar