«#SRFglobal» zum Thema «Die Rückkehr der Spione» beanstandet

5634
Mit Ihrer E-Mail vom 9. November 2018 beanstandeten Sie die Sendung #SRFglobal vom 1. November 2018 zum Thema «Die Rückkehr der Spione».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Die oben erwähnte Sendung hat wieder einmal die absolute Russophobie von SRF bestätigt.

Drei Viertel der Sendung beschäftigen sich mit den offenbar so bösen Tätigkeiten der russischen Geheimdienste und Spione (GRU, SWR, FSB), daneben werden noch, so am Rande, die englischen, amerikanischen, türkischen, deutschen und saudi-arabischen Dienste erwähnt. Kein Wort, aber auch nicht ein einziges, wird über den Mossad, den israelischen Geheimdienst, verloren. Dieser, und gerade dieser, ist in der Schweiz äusserst aktiv. In seiner rund 50-jährigen Geschichte hat der Mossad, nach zuverlässigen und neutralen Angaben von Fachleuten, weltweit rund 3000 Personen ermordet. In der Schweiz arbeiten mehrere Hundert Mossad-Mitarbeiter, vielfach offen aber auch getarnt (etwa in der sog. Beratungsfirma Arcanum in Zürich).

Wieder einmal die bösen Russen! Dass der Mossad, diese blutrünstigste, dreisteste, brutalste und gefährlichste Spionageorganisation der Welt (mit prominenter Präsenz in der Schweiz) im Magazin von Inhauser nicht vorkam, ist ein Skandal. Gegen diesen Tatbestand beschwere ich mich hiermit.

Mit Neutralität und Ausgewogenheit hat eine solche Berichterstattung nichts, aber auch gar nichts, zu tun.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für #SRFglobal antwortete Herr Daniel Blickenstorfer, Redaktor der Sendung:

«Ich beziehe mich auf die Beanstandung Nr. 5634 von Herrn X und nehme gerne Stellung dazu.

A. Thema der Sendung

#SRFglobal vom 1. November 2018 behandelte die aufsehenerregendsten Fälle von Spionage- und Agententätigkeit, soweit diese in den letzten Monaten publik geworden sind. Im Zentrum standen dabei die Fälle Skripal und Khashoggi sowie der allgemeine Eindruck, dass sich Meldungen über brutale Aktionen von Geheimdienstagenten in jüngster Zeit gehäuft haben. Im Fall Skripal trägt nach den Erkenntnissen der britischen Ermittler der russische Militärgeheimdienst GRU die Verantwortung, im Fall Khashoggi nach Aussagen türkischer Behörden ein Kommando aus dem Umfeld der saudi-arabischen Führung.

Ein Vorgehen von Agenten wie bei der Vergiftung von Sergej Skripal und dessen Tochter Julija (oder auch bei der Ermordung Jamal Khashoggis) erträgt unseres Erachtens keine Bagatellisierung. Der Vorwurf des Beschwerdeführers einer ‘Russophobie’ ist deshalb unbegründet. Deshalb wurde die russische GRU (‘Hauptverwaltung für Aufklärung’) tatsächlich ausführlich thematisiert. Dies diente der Information über einen Geheimdienst, der bis vor kurzem – im Gegensatz etwa zum KGB oder dem britischen MI6 – in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt war. Zudem verantwortet die GRU nicht nur die Vergiftung der Skripals, sondern steht, wie aufgezeigt, auch hinter ausgeführten oder beabsichtigten Cyber-Attacken auf das Internationale Olympische Komitee (IOC) in Lausanne, die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OCPW) in Den Haag sowie das Schweizerische Institut für ABC-Schutz (Labor Spiez). Wir haben keinen Anlass, um an der Gewichtung, wie sie unser Experte im Studio, Herr Erich Schmidt-Eenboom, formulierte, zu zweifeln. [2]

B. Mossad nicht thematisiert

Wie Herr X richtig feststellt, wurde der israelische Geheimdienst Mossad in unserer Sendung nicht thematisiert. Aufgrund der News-Lage in den letzten Monaten bestand dafür kein Anlass. Die einzige, vielfach publizierte Nachricht betreffend Mossad im deutschsprachigen Raum betraf die Publikation eines Buchs von Ronen Bergman (‘Der Schattenkrieg. Israel und die geheimen Tötungskommandos des Mossad’). Das Buch erschien bereits im Januar 2018; der Geheimdienstexperte Bergman beschreibt darin ‘gezielte Tötungsaktionen’ des israelischen Geheimdienstes in der Vergangenheit. Da unsere Sendung die unmittelbare Aktualität behandelte, hätte dieses Thema Form und Zeitvorgabe der Sendung gesprengt. Aus demselben Grund haben wir eine Thematisierung der Tätigkeit weiterer ausländischer Geheimdienste in der Schweiz unterlassen. Eine Qualifizierung von Geheimdiensten mit Superlativen wie ‘blutrünstigste, dreisteste, brutalste und gefährlichste Spionageorganisation der Welt’ würden wir uns aufgrund der unerreichbaren Vergleichbarkeit nicht gestatten. Wir haben auch für die russischen Geheimdienste keinen derartigen Terminus verwendet.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Ich stimme Ihnen zu, dass der Mossad ein wichtiger Geheimdienst ist, der sehr professionell und gleichzeitig äußerst skrupellos agiert. Er hat ja durchaus auch dieses Jahr von sich reden gemacht, als es ihm gelang, eine halbe Tonne Dokumente der iranischen Atombehörde zu entwenden. Im Vordergrund der von Ihnen beanstandeten Sendung standen allerdings Geheimdienste, deren Aggressivität und Brutalität in letzter Zeit zunahm und welche Morde oder Mordversuche und Entführungen begangen haben. Wenn man dem Geheimdienst-Experten Erich Schmidt-Eenboom folgt, dann haben nach dem Ende des Kalten Krieges, also in den neunziger Jahren, die amerikanischen, britischen, französischen und russischen Geheimdienste ihre Aktivitäten zurückgefahren, sie aber nach der Jahrtausendwende sukzessive wieder gesteigert. Beim Mossad, so vermute ich, gab es wegen der speziellen Situation Israels wohl nie eine De-Aktivierung und Re-Aktivierung; er blieb über die ganze Zeit hochgradig wachsam, einsatzbereit und zu allem fähig. Mit gutem Grund war daher in der Sendung vor allem vom russischen Militärgeheimdienst GRU (Главное разведывательное управление) und von den britischen Inlands- und Auslandsgeheimdiensten MI5 und MI6 die Rede, daneben auch von der amerikanischen CIA sowie vom türkischen, saudiarabischen, deutschen und schweizerischen Geheimdienst. Vollständigkeit war nicht angestrebt. So kam man auch nicht auf die iranischen, die syrischen oder die chinesischen Geheimdienste zu sprechen, deren Rolle ebenso wenig zu unterschätzen ist.

Sie beklagen sich, dass SRF auf Russland herumreitet, und setzen dem zwei Argumente entgegen: Erstens seien die russischen Geheimdienste «offenbar» (also angeblich) so böse. Zweitens sei der Mossad viel schlimmer. Mit dem ersten Argument deuten sie an, dass Sie den hieb- und stichfesten Beweisen für die russische Vergiftungsattacke auf den Ex-Agenten Skripal und seine Tochter nicht glauben. Die Fakten sollten sie aber vielleicht mal akzeptieren. Wenn die eine Seite eindeutige Beweise für die Tat vorlegt und die andere Seite sie abstreitet und lügt, dann haben nicht beide Seiten halbrecht und dann muss man den Fall nicht weiter als ungeklärt bezeichnen. Eine Lüge ist auch im «postfaktischen Zeitalter» eine Lüge. Und gegenüber einer Lüge gibt es keine Neutralität. Mit dem zweiten Argument versuchen sie die Untaten der einen mit den Untaten der andern zu rechtfertigen: Die russischen Geheimdienste mögen zwar hin und wieder über die Schnur zu hauen, aber der Mossad ist Ihrer Ansicht nach viel schlimmer. Damit kann man aber jeden Gesetzesverstoß begründen: Ich hinterziehe Steuern, weil mein Nachbar es auch getan hat. Das ist eine komische Ausgewogenheit.

Was will ich damit sagen? Dass ich bei #SRFglobal keine Russophobie entdecke, sondern nüchterne Faktenanalyse. Die beiden Korrespondentinnen in Moskau und in London waren beeindruckend gut informiert und machten durch ihre Darlegungen vieles klar. Sie taten genau das, was Aufgabe der Journalistinnen und Journalisten ist: Hintergrund beisteuern, Zusammenhänge aufzeigen, das Wissen vertiefen. Ich sehe nicht, weshalb die Sendung nicht sachgerecht hätte sein sollen. Und welchen Fokus #SRFglobal wählte, lag in der Freiheit der Redaktion, denn Radio- und Fernsehen in der Schweiz genießen Programmautonomie. Ich kann daher ihre Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

[1] https://www.srf.ch/sendungen/srfglobal/die-rueckkehr-der-spione

[2] Frage Florian Inhauser und Antwort Studioexperte Erich Schmidt-Eenboom, Video bei 04:04:
Inhauser: «Dann ist das nicht nur ein Eindruck, sondern Realität, dass es – in den Medien zumindest – von Geheimdiensten und Agenten geradezu wimmelt im Vergleich zu vor zehn, zwanzig Jahren?»
Schmidt-Eenboom: «Das liegt daran, dass die Nachrichtendienste in bestimmten Staaten eine immer dominierendere Rolle übernehmen. Das Paradebeispiel ist natürlich Russland mit einem ehemaligen KGB-Offizier an der Spitze, bei dem fünfzig Prozent seiner Berater im Kreml aus dem Bereich des Nachrichtendienstes stammen, und der seine gesamte Aussenpolitik auf nachrichtendienstliche Tätigkeiten ausrichtet...»

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