«Schweiz aktuell»-Beitrag «Jagd im Visier – zwischen Tierschutz und Schützenfest» I
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Mit Ihrer E-Mail vom 15. November 2018 beanstandeten Sie die Sendung «Schweiz aktuell» vom gleichen Tag und dort den Rückblick auf den vorherigen Beitrag in der mehrteiligen Serie «Jagd im Visier – zwischen Tierschutz und Schützenfest».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«Im Einspieler zum vierten Tag der ‘Jagd im Visier’ wird ein Rückblick der vorherigen Sendungen gezeigt. Die am Vortag ausgestrahlte Sendung wird mit den Worten <Wir haben gezeigt wie im Kanton Aargau Wildschweine mit Nachtsichtgeräten aufgespürt und gejagt werden .... > betitelt. Dabei wird ein Youtube Video gezeigt das, wie am Vortag korrekt bezeichnet, die Jagd auf Wildschweine mit einem Nachtzielgerät in den USA zeigt.
In der Zusammenfassung ist das nicht ersichtlich und wird auch nicht kommuniziert. Hier wird dem Zuschauer suggeriert das so die Wildschweinjagd mit Nachtzielgeräten in der Schweiz praktiziert wird und die Jägerschaft einfach drauf los ballert. Dies ist mitnichten so wie auch im Bericht des Vortages korrekt wiedergegeben wurde.
Ich bitte hier um Richtigstellung um dem Ansehen der Jagd in der Schweiz nicht noch mehr zu Schaden. Zum Rest der bisherigen Sendung kann ich Ihnen nur mein Lob aussprechen.»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für «Schweiz aktuell» antworteten Frau Silvia Zwygart, Redaktionsleiterin der Sendung, und Frau Corinne Stöckli:
«Im November haben wir während einer ganzen Woche die Serie ‘Jagd im Visier – zwischen Tierschutz und Schützenfest’ [2] ausgestrahlt. Zu Beginn des Sendungsschwerpunkts Jagd haben wir am 15. November einen kurzen Rückblick auf die Themen der Vortage gemacht. Herr X kritisiert nun diesen kurzen Rückblick in der Sendung vom 15. November 2018. [3]
Wörtlich lautete der Rückblick in der Anmoderation:
<Jäger streifen in diesen Wochen durch das Land. Nicht zur Freude von allen. Die Jagd ist umstritten und politisch unter Druck. Wir nehmen diese Woche darum die Jagd ins Visier, das Metier im Spannungsfeld zwischen Tierschutz und Schützenfest.
Wir haben gezeigt, wie im Aargau mit Nachtsichtgeräten Wildsäue aufgespürt und gejagt werden, wie es auf der Enten-Jagd in der Linth-Ebene zu- und hergeht und Sie konnten sehen, wie Jäger im Alpstein-Gebiet Steinböcke erlegen und ins Tal bringen.
Bei uns kommen diese Woche Jäger und Tierschützer zu Wort. Und jeden Tag steht ein anderes Tier im Fokus. Heute sind es die Hirsche. (...)>
Der Beanstander hat korrekt bemerkt, dass wir zu den Worten < wir haben gezeigt, wie im Aargau mit Nachtsichtgeräten Wildsäue aufgespürt und gejagt werden> fälschlicherweise eine Szene einer nächtlichen Wildschweinjagd aus den USA gezeigt haben. Er ist der Meinung, dass dem Zuschauer damit suggeriert werde, dass <so die Wildschweinjagd mit Nachtzielgeräten in der Schweiz praktiziert> werde und < die Jägerschaft einfach drauf los ballert> Er hält fest: <Das ist mitnichten so, wie auch im Bericht des Vortages korrekt wiedergegeben wurde>.
Der Beanstander hat Recht, dass wir in der Kurzzusammenfassung vom 15. November statt der Szene aus der Schweiz, fälschlicherweise eine Szene von einer Wildschweinjagd mit Nachtsichtgeräten aus den USA gezeigt haben. Die im Kurz-Rückblick verwendete Szene zeigte, wie Jäger aus den USA auf flüchtende Tiere schossen (vgl. Bild links, ursprünglich verwendet im Beitrag ‘Nachtsichtgeräte’ vom 14.11.). Richtigerweise hätten wir die Szene zeigen sollen, bei der ein Jäger im Kanton Aargau auf stehende Wildschweine zielt (vgl. Bild links aus der Reportage ‘Wildschweinjagd’ vom 14.11.).
Die Verwechslung ist insofern relevant, als in der Schweiz zwar teilweise auch Nachtsichtgeräte erlaubt sind und verwendet werden, es aber hierzulande die Jagdethik grundsätzlich verbietet, auf flüchtende Tiere zu schiessen.
Entsprechend haben wir uns in der Rubrik ‘Korrekturen’ [4] für den Fehler gleich am nächsten Tag entschuldigt:
16.11.2018 Unter einer zusammenfassenden Moderation zur Jagdwoche haben wir in der Sendung ‘Schweiz aktuell’ vom 15. November 2018, die Wildschweinjagd mit Nachtsichtgerät gezeigt und im Text gesagt, so würden Wildschweine im Kanton Aargau gejagt. Dabei ist uns ein Fehler unterlaufen. Anstelle der Bilder aus dem Aargau haben wir Jagdbilder mit Nachtsichtgerät aus den USA gezeigt, wo auf rennende bzw. fliehende Wildschweine geschossen wird. Unter Schweizer Jägern ist dies tabu und wird so nicht praktiziert. Für diesen Fehler entschuldigen wir uns.Dass wir die falsche Szene gezeigt haben, ist also unbestritten und bedauern wir. Gerne bitten wir Sie aber, diesen Fehler im Gesamtkontext zu beurteilen: Über fünf Tagen hinweg haben wir unserem Publikum während rund einer Stunde Sendezeit ein sehr vielseitiges Bild der Jagd in der Schweiz gezeigt. Dabei haben wir fünf verschiedene Jägergruppen auf Steinbockjagd (Mo 12.11.), Entenjagd (Di 13.11.), Wildsaujagd (Mi 14.11.), auf die Sonderjagd (Do 15.11.) und auf die Treibjagd (Fr 16.11.) begleitet. Im Anschluss an die Jagdreportagen folgten jeweils ausführliche und kontroverse Diskussionen mit Jägern, Wildtierbiologen, Tierschützern und Behördenvertretern.
In einer Zeit, in der die Jagd in breiten Bevölkerungsschichten immer massivere Ablehnung hervorruft, haben wir die Jagd in unserer Serie sehr differenziert dargestellt und auch aufgezeigt, warum sie grundsätzlich durchaus sinnvoll und nützlich sein kann. Diese differenzierte Darstellung hat unser Publikum offenbar geschätzt: Wir haben zur Jagd-Serie viele positive Rückmeldung auch von Seiten der Jäger erhalten. So schreibt selbst der Beanstander: <Zum Rest der bisherigen Sendungen kann ich Ihnen nur mein Lob aussprechen.>
Nicht nur die Jagd-Serie insgesamt war also grundsätzlich einwandfrei, sondern insbesondere auch unsere Berichterstattung zur Wildschweinjagd mit Nachtsichtgeräten im eigentlichen Beitrag dazu – also im Sendungsschwerpunkt vom 14. November. [5] In dieser Sendung haben wir in einer ersten Reportage einen Jäger aus dem Aargau begleitet, der mit einem Nachtsichtgerät auf Wildsaujagd ging – ohne dabei allerdings eine Wildsau anzutreffen. Deshalb haben wir in der Reportage die Bilder eines Jagdkollegen gezeigt, auf denen eine erfolgreiche nächtliche Wildschweinjagd zu sehen ist (vgl. Bild S. 2). In einem zweiten Beitrag diskutierten Tierschützer und Jäger kontrovers über die Nutzung solcher Nachtsichtgeräte. Während sich der Jäger aus dem Aargau offensichtlich für die Verwendung des Geräts entschieden hatte, sprachen sich hier verschiedene Jäger aus jagdethischen Gründen gegen das Gerät aus. Um die Problematik der Nachtsichtgeräte zu veranschaulichen, haben wir an dieser Stelle die Szene aus den USA gezeigt und sie hier auch korrekt als solche bezeichnet. Zusätzlich wurde die Sequenz vom Präsidenten von Wildtier Schweiz eingeordnet. Wörtlich hiess es im Beitrag:
Konkret meinen die beiden Jäger, dass das Wild mit dieser Technologie kaum mehr eine Chance habe und die Geräte darum jagdethisch fragwürdig seien. Zudem würden die Nachtzielgeräte dazu verleiten, auch auf flüchtende Tiere zu schiessen, wie die Aufnahmen aus Amerika zeigen. Und auf bewegte Ziele zu schiessen, das ist unter den Schweizer Jägern ein klares Tabu.
Diese Szenen empören auch den Verhaltensbiologen Hans Schmid, gerade weil er selbst Jäger ist.
Hans Schmid, Präsident Wildtier Schweiz:
<Das widerspricht jeglicher Jagdethik, das ist eine Schande. Ja, da ist eine Schande. Wenn man auf ein stehendes Tier schiesst, dann ist das weidmännisch. Aber wenn man auf so flüchtende Tiere schiesst, wo man auch sieht, dass das Risiko, dass man ein Tier schwer verletzt, erheblich ist, das gehört sich nicht, das ist empörend.>
Wir haben die Bilder also genutzt, um aufzuzeigen, dass die Jägerschaft in der Schweiz eben gerade nicht ‘einfach drauf losballert’. Denn auf bewegte Ziele zu schiessen, ist unter Schweizer Jägern ein klares Tabu. Im eigentlichen Beitrag zu den Nachtsichtgeräten haben wir also explizit darauf hingewiesen, dass diese Art von Jagd in der Schweiz verpönt ist.
Dass wir in der beanstandeten Kurz-Zusammenfassung am Folgetag während vier Sekunden eine falsche Szene gezeigt haben, bedauern wir. Hingegen glauben wir nicht, dass sich das Publikum aufgrund der vier Sekunden kurzen Bild-Sequenz eine Meinung über die Wildschweinjagd mit Nachtsichtgeräten gebildet hat. Vielmehr verstand der interessierte Zuschauer den Hinweis als Einladung, sich die bereits ausgestrahlten Beiträge der Jagd-Serie auf der Homepage anzuschauen. Der eigentliche Beitrag zur Jagd mit Nachtsichtgeräten erlaubte es dem Publikum durchaus, sich eine eigene Meinung zur umstrittenen Thematik zu bilden.
Wir bitten Sie, die Beanstandung entsprechend zu beurteilen.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Ich habe mir die ganze Serie zur Jagd angesehen und taxiere die Sendefolge als instruktiv, abwechslungsreich, differenziert und ausgewogen. In jeder Folge kommen Befürworter und Kritiker der Jagd zum Wort, und es gelingt «Schweiz aktuell» sehr gut, bewusst zu machen, dass kein Fleisch auf den Teller kommt, für das nicht Tiere sterben mussten, entweder im Schlachthof oder durch die Jagd. Doch der Anteil der Tiere, die auf der Jagd erlegt werden, macht ein Promille aller durch Menschen getöteter Tiere aus; die überwiegende Mehrheit stirbt im Schlachthof.
Richtig ist, dass in der Anmoderation zur vierten der fünf Sendungen, in der es um die Hirschjagd ging, in der Rückblende auf die drei vorherigen Sendungen (Steinbockjagd, Entenjagd und Wildschweinjagd) unterstützt durch Bilder der Eindruck erweckt wurde, im Aargau würden flüchtende Wildschweine mit Hilfe von Nachtzielgeräten erlegt. Dieser Eindruck war falsch; die Bilder stammten aus den USA. Die Redaktion hat den Fehler auf der Korrekturseite berichtigt. Sie hat sich dort dafür entschuldigt und den Fehler auch in der Stellungnahme zu Ihrer Beanstandung bedauert. Nun gibt es zwei Herangehensweisen: Die stärker formale Herangehensweise bestünde in der Argumentation, dass man immer die Gesamtsendung in den Blick nehmen muss. Das verlangt auch das Bundesgericht. In diesem Fall wäre die Gesamtsendung die fünfteilige Serie. Gemessen an der gelungenen Gesamtleistung ist der Fehler ein Nebenpunkt, der die freie Meinungsbildung des Publikums nicht beeinträchtigt. Wählt man hingegen eine mehr materiale Herangehensweise, dann muss man bedenken, dass das Publikum, das sich die vierte Folge anguckte, nicht unbedingt auch die dritte gesehen hat, und dass auch nicht alle, die die dritte Folge gesehen hatten, noch wussten, dass es in der Schweiz als unethisch gilt, auf flüchtende Tiere zu schiessen, und dass auch der Einsatz von Nachtsichtgeräten umstritten ist. Die kurze Bildsequenz mit den flüchtenden Tieren, die nachts erlegt werden, besass eine prägende Kraft, so dass manche glauben konnten, im Aargau herrsche diese Praxis. Weil ich diese Herangehensweise im Sinne des Publikumsschutzes für die gewichtigere halte, kann man den Fehler nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ich komme daher zum Schluss, dass ich Ihre Beanstandung unterstütze, nicht ohne zu betonen, dass der Fehler nur diese einzelne Anmoderation betraf und dass die Sendereihe sonst tipptopp war.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
[1] https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/die-sonderjagd-in-der-kritik?id=31831ebb-f8c4-4af7-9574-8f57a166b7c5&station=69e8ac16-4327-4af4-b873-fd5cd6e895a7
[2] https://www.srf.ch/sendungen/schweiz-aktuell/schweiz-aktuell-nimmt-die-jagd-ins-visier
[3] https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/die-sonderjagd-in-der-kritik?id=31831ebb-f8c4-4af7-9574-8f57a166b7c5
[4] https://www.srf.ch/tv/allgemein/korrekturen
[5] https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/jagd-auf-wildschweine?id=ce518b0b-a332-4c41-9438-97a5fdfa42be&station=69e8ac16-4327-4af4-b873-fd5cd6e895a7
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