Unausgewogenheit von «WG der Religionen» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 9. Dezember 2018 beanstandeten Sie die Sendereihe «WG der Religionen» (Fernsehen SRF), namentlich die Folge vom 6. Dezember 2018, aber auch jene vom 29. November 2018 [1]. Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Mit viel interesse habe ich die beiden ersten Sendungen zur WG der Religionen auf SRF gesehen. Mir ist schon früh aufgefallen, dass es nur 4 Sendungen geben wird, aber es 5 Protagonisten gibt. In der letzten Sendung über das Judentum (06.12.18), habe ich dann erfahren wieso. Die letzten 5 Minuten dieser Sendung wurde dem Atheismus gewidmet und es wird keine ganze Sendung über den Atheismus geben. Ich beanstande deshalb die fehlende Ausgewogenheit der Sendung WG der Religionen. Sendungen von SRF müssen ausgewogen sein und dürfen keine Bevölkerungsgemeinschaft diskriminierend behandeln (in diesem Fall die Atheisten, möglicherweise auch noch die Juden da 5 Minuten weniger Sendungszeit als bei den Buddhisten). Wenn man aber dem Atheismus in einer Sendungsreihe viel weniger Zeit als den vorgestellten Religionen gibt (5 Minuten im Vergleich zu 30 bis 35 Minuten PRO Religion) ist meiner Meinung nach diese Ausgewogenheit nicht gegeben. Auch wenn es sich dabei um eine Sendung von Sternstunde Religion handelt, ist laut SRF Online die Zahl der Atheisten in der Schweiz bei 22 %. Eine gebührliche Repräsentation wäre also wünschenswert. Ich bitte sie deshalb diesen Fall zu Prüfen.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die Sendereihe «WG der Religionen» antwortete Herr Matthias Hämmerly, Senior Producer Entwicklung und Comedy:

«Besten Dank für Ihr Schreiben zur Beanstandung von X vom 9. Dezember 2018 bezüglich der Sendung „WG der Religionen“ Folge 1 und 2 vom 29.11.18 und 6.12.18

a) Die Idee der Sendung

SRF gründet eine Wohngemeinschaft für Angehörige von fünf schweizweit relevantesten Religionen und Weltanschauungen. Deren Protagonisten treffen mit ihren Sichtweisen des Weltgeschehens, Grundwerten und Glaubenssätzen aufeinander. Beim Cast wird bewusst auf Protagonistinnen und Protagonisten gesetzt, die ihren Glauben zwar bewusst leben, aber gegenüber anderen Kulturen eine gewisse Offenheit und Neugier haben. Die Auseinandersetzungen sollen differenziert geführt werden, jegliche extremistische Tendenzen werden ausgeschlossen. <DIE ZUSCHAUER SOLLEN MITERLEBEN, WELCHE CHANCEN UND KONFLIKTE SICH ERGEBEN, WENN DIE FÜNF RELEVANTESTEN RELIGIONEN DER SCHWEIZ IN EINER WOHNGEMEINSCHAFT AUFEINANDERTREFFEN UND SICH IHRE DENKWEISE NÄHERBRINGEN.>

b) Argumentarium

Thomas hat in der WG eine Sonderrolle eingenommen. Als einziger Bewohner, der sich keiner Religion zurechnet, ist ihm, nebst der Möglichkeit seine persönlichen Überzeugungen vorzustellen, auch die dominante Funktion des Religionskritikers zugefallen. Er hat während all der anderen Religionsschwerpunkte sehr viel Raum bekommen, um seine jeweiligen Zweifel und Kritikpunkte anzubringen. Zudem ist der Atheismus keine institutionalisierte Weltanschauung, deren Anhänger sich alle den identischen Zielen verschrieben hätten. Was Atheisten verbindet, ist einzig der Nichtglaube an die bisher verehrten 3000 Gottheiten der Menschheitsgeschichte. Es war Teil des Konzepts, den Zugang zu den verschiedenen Weltanschauungen nicht nur über intellektuelles Verständnis zu ermöglichen, sondern auch durch die individuell gelebten Rituale. Der Atheismus hat keinerlei vorgegebene Rituale, so dass es immanent weniger Darstellungsmöglichkeiten gegeben hat. ‚DEN‘ Atheismus als solchen gibt es schlichtweg nicht.

Der Atheist hatte in zwei Sendungen je einen Schwerpunkt – als einziger Protagonist in der WG. Auch wenn rein von der Gesamtsendezeit minutentechnisch etwas weniger auf ihn abfiel, war er durch die auf zwei aufgeteilten Sendungen gefühlt stärker vertreten und daher nachhaltiger. Die Aufteilung der beiden Schwerpunkte von Atheist Thomas, der Besuch der Sternwarte und das Picknick mit der nicht-binären, schwulen Jazzmin, auf zwei Sendungen war zudem mit Thomas abgesprochen. Er hat mehrfach im Gespräch mit uns Produzenten das Anliegen ausformuliert, dass von ihm kein Programm wie das seiner Mitbewohner zu erwarten sei, da es keine offizielle atheistische Haltung, keine atheistischen Rituale gäbe. Dieses Anliegen haben wir verstanden und ernstgenommen.

Der Atheist Thomas hatte überdies gleich viele Tage Drehzeit zur Verfügung, um seine persönliche Weltanschauung vorzustellen, wie alle übrigen Protagonistinnen und Protagonisten. Wir sehen anhand dieser Punkte die Ausgewogenheit zwischen den verschiedenen Weltanschauungen als gegeben.

Es ist zudem zu bedenken, dass es auch viele Nachfragen gab, warum denn überhaupt ein Atheist in der ‚WG der RELIGIONEN‘ mitwirkte. Wir Produzenten waren aber von Beginn weg der Meinung, dass wir der wachsenden Bevölkerungszahl atheistischer oder zumindest nichtkonfessioneller Schweizerinnen und Schweizer Rechnung tragen wollen. Weiter wird in der Sendung auch immer wieder betont, dass Einzelpersonen sowieso nicht repräsentativ für eine Weltanschauung stehen können. Daneben wird konsequent auf jegliche Wertung der verschiedenen Weltanschauungen verzichtet, im vollen Bewusstsein, keine Weltansicht über eine andere zu stellen. Zudem hat die Sendereihe nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, dies ist im Rahmen dieser Sendungen auch nicht möglich, so musste Auswahl getroffen werden. Man hätte ja auch noch andere Religionen thematisieren können, etwa der Hinduismus oder eine Andere. Wir haben uns aber genau für den Atheisten entschieden, weil eben gerade diese Weltanschauung eine bedeutende Rolle in der Schweiz spielt.

c) In Zahlen, zeitlich

Sendung 1:
Erklärung und Einzug 7.30min
Buddhismus 27.48min
Ausblick 0.42 min

Sendung 2:
Erklärung und Rückblick 1.33min
Judentum 28.02min
Atheismus 5.55min
Ausblick 0.28min

Sendung 3:
Erklärung und Rückblick 1:49min
Islam 26.11min
Atheismus 7.18min
Ausblick 0.42min

Sendung 4:
Erklärung und Rückblick 2.10min
Christentum 22.20 Min.
Finale /Fazit 11.30min (inklusive Atheismus-Rückblick).“

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendungen. Ich fand es eine geniale Idee des Fernsehens SRF, Gläubige der verschiedenen Weltregionen für eine gewisse Zeit in einer Wohngemeinschaft unterzubringen und sich gegenseitig ihre Religion mit ihren jeweiligen Ritualen, Utensilien, Schriften, Gotteshäusern, Gebeten und Gesängen zu demonstrieren und zu erläutern. Die Serie ist ein Plädoyer für Toleranz. Die Botschaft ist, dass sich Christen, Juden, Muslime, Buddhisten und Atheisten gegenseitig respektieren sollen. Jede Religion repräsentiert Wertvolles.

Dass auch ein Atheist dabei war, ist wohl eher der Schweizer Religionsstatistik geschuldet als der Religionsdefinition. Denn tatsächlich machen die Konfessionslosen in der Schweiz die drittgrösste Gruppe aus. So sieht die Glaubensverteilung aus[2]:

Gruppen

In Prozent

Römisch-Katholische

37,2

Evangelisch-Reformierte

25,0

Konfessionslose

24,0

Muslime

5,1

Christlich-Orthodoxe (Ostkirchen)

2,3

Buddhisten

0,5

Juden

0,2

Andere

4,4

Es gibt also gute Gründe, die Atheisten mit zu berücksichtigen, wenn von den Religionen die Rede ist. Aber man hätte auch anders verfahren können. Denn die Konfessionslosen sind im strengen Sinne keine Religion, genauso, wie die Parteilosen keine Partei sind. Konfessionslose können Marxisten, Nihilisten, Existenzialisten, wissenschaftliche Skeptiker oder nochmals was anderes sein. Doch untereinander verbindet sie bloss, dass sie an keinen Gott glauben, an keinen Schöpfer. Sie sind nicht gemeinschaftlich organisiert. Religionen hingegen sind in irgendeiner Weise organisiert durch ihre durch die Gläubigen anerkannten Schriften, Priester, Rituale, Versammlungsorte, Feste. Es wäre daher ebenso vertretbar gewesen, dass die Konfessionslosen in der Sendereihe überhaupt nicht vorgekommen wären. Die Redaktion hat sich anders entschieden und im Grunde Ihr Anliegen vorweggenommen. Die Aufstellung in der Stellungnahme von Herrn Hämmerly zeigt Ihnen, welches tatsächliche Gewicht die verschiedenen Gruppen erhalten haben. Von fehlender Ausgewogenheit und Einseitigkeit keine Spur! Ich kann daher Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

[1] https://www.srf.ch/sendungen/sternstunde-religion/wg-der-religionen

[2] https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bevoelkerung/sprachen-religionen/religionen.htm

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