Politische Linkslastigkeit des «Wort zum Sonntag» beanstandet
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Mit Ihrer E-Mail vom 9. Dezember 2018 beanstandeten Sie die politische Linkslastigkeit des «Wort zum Sonntag» (Fernsehen SRF). Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten. Da Sie keine konkrete Sendung genannt haben, auf die Sie Ihre Kritik beziehen, habe ich die Redaktion gebeten, die letzten fünf Ausgaben des «Worts zum Sonntag» vor Ihrer Eingabe daraufhin zu überprüfen, ob sie «politisch» und zudem «politisch links» waren.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«Was uns seit längeren Zeit stört, ist dass die SRF1 Sendung ‘Wort am Sonntag’ immer mehr zu einer Polit-Sendung geworden ist und zwar eindeutig links gerichtet. Eine Religionssendung sollte sich ausschliesslich auf Religionsthemen beschränken und die gesetzliche Trennung zwischen Religion und Politik strikt einhalten.
Nicht das Sie uns falsch verstehen, wir sehen das Wort am Sonntag gerne, aber die ständigen politischen Botschaften, haben dort nichts zu suchen. Wenn der SRG dies doch so haben will, so sollen sie doch diesen Prediger in der Sendung Arena einladen, dann können sie ihre politischen Botschaften so richtig vom Herzen reden.
Wenn Sie der Meinung sind, dass dies erlaubt ist, dann sollte wenigstens auch die anderen Parteibotschaften angesprochen werden und nicht nur die Linken.»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die Sendung «Wort zum Sonntag» antwortete Frau Dr. Judith Hardegger, Redaktionsleiterin von SRF Sternstunden, wie folgt:
«Uns liegt die Beanstandung von Herrn und Frau X vor betreffend der Sendung ‘Wort zum Sonntag’. Gerne teile ich Ihnen hiermit meine Stellungnahme mit:
Das ‘Wort zum Sonntag’ ist fester Bestandteil des Programms des Schweizer Fernsehens. Dabei ist diese Sendung nicht als ‚Predigt im Kleinen’ mit Verkündigungscharakter konzipiert, sondern soll ausdrücklich ein ‚christlicher Kommentar zum Zeitgeschehen’ sein. Ein Kommentar zeichnet sich dadurch aus, dass die Kommentatorin oder der Kommentator die eigene Haltung und Meinung zu gesellschaftlichen Ereignissen und Debatten sichtbar machen soll und darf. Als Theologinnen und Theologen bringen die Kommentatorinnen und Kommentatoren des ‘Worts zum Sonntag’ eine christliche Sicht auf die von ihnen gewählten Themen mit.
In den zwischen Schweizer Radio und Fernsehen SRF und den Landeskirchen getroffenen Vereinbarungen heisst es denn auch:
Das WORT ZUM SONNTAG ist ein christlicher Kommentar zum Zeitgeschehen. Der Beitrag ist keine Kanzelrede, sondern ein persönlicher Kommentar. Christliche Theologinnen und Theologen greifen gesellschaftliche Themen und Fragen zur individuellen Lebensgestaltung auf, sie nehmen aus christlicher Perspektive dazu Stellung und verknüpfen diese mit eigenem Wissen und gelebter Spiritualität.
Und weiter: Die Sprechenden reden im eigenen Namen und wenden sich an ein breites Publikum, das religiöse Themen eher beiläufig zur Kenntnis nimmt. Sie verwenden eine gut verständliche Sprache, vermeiden kirchlichen Jargon und knüpfen bei Erfahrungen an, die allgemein nachvollziehbar sind. Die Sprechenden überzeugen durch ihre Person, durch eine profilierte Rede und durch die Relevanz ihres Themas. Das Wort zum Sonntag führt, ob mit erzählerischen oder argumentativen Mitteln, immer zu einer christlichen Aussage für die Gegenwart. Persönliche Wertungen machen die Sprechenden als solche erkennbar.
Gemäss Sendungskonzept sollen im ‘Wort zum Sonntag’ christliche Theologinnen und Theologen gesellschaftliche Themen und Probleme der individuellen Lebensgestaltung aufgreifen und von der christlichen Botschaft her Stellung zu nehmen. Die Sendung ist bewusst nicht als Andacht oder Minipredigt konzipiert und hebt sich deutlich von innerkirchlicher Auslegung biblischer Texte ab. Letzteres findet in den SRF Radiopredigten sowie in den Übertragungen von SRF Gottesdiensten seinen Raum. Im ‘Wort zum Sonntag’ äussern sich christliche Theologinnen und Theologen zu Themen, die die Öffentlichkeit aktuell bewegen, wozu immer auch politische Themen gehören können. Jedoch dürfen die Sprecherinnen und Sprecher weder kirchenpolitisch noch parteipolitisch gebunden sein und müssen sich zudem an die publizistischen Leitlinien von SRF halten.
Da Herr und Frau X mit der gleichen Kritik wie in dieser Beanstandung bereits früher an die fürs ‘Wort zum Sonntag’ zuständige Redaktorin Christine Stark gelangt sind, zitiere ich gerne auch aus ihrer Antwort:
<Ist es denn überhaupt möglich, als Christ oder Christin völlig unpolitisch zu sein. Nicht nur den alttestamentlichen Propheten, sondern auch Jesus selbst ging es nicht um Kulte, Rituale oder religiöse Rede im engeren Sinn, vielmehr stellten sie sich und ihren Zuhörern immer wieder die Frage, was der Glaube für das konkrete Zusammenleben bedeutet. Und dies berührt stets auch das, was wir heute ‘Politik’ nennen. Die politische Einordnung in ‘links’ oder ‘rechts’ fällt bei Jesus schwer, interessanterweise gibt es in allen politischen Lagern überzeugte Christinnen und Christen. Auch beim ‘Wort zum Sonntag’ soll keine politische Richtung bevorzugt werden. Erst vor einem Monat kam der von Ihnen formulierte ‘Links’-Vorwurf genau gegenteilig: Die Sendung zum Thema ‘Leben und Sterben’ wurde als ‘zu rechts’ kritisiert.“
Dann haben Sie, Herr Blum, darum gebeten, die letzten fünf Ausgaben des ‘Wort zum Sonntag’ zu überprüfen, ob sie politisch und zugleich links waren:
8.12.2018, Veronika Jehle (röm.-kath.), ‘Lieber Papst Franziskus’ [1]
Das ‘Wort zum Sonntag’ vom 8.12.2018 bezog sich auf eine Äusserung des Papstes zum Thema Abtreibung. Es war rhetorisch an den Papst gerichtet und damit bereits formal als innerkirchliche Auseinandersetzung gekennzeichnet. Abtreibung ist freilich auch ein politisches Thema, jedoch hat die Sprecherin es nicht von sich aus gewählt, sondern auf eine aktuelle Äusserung des Papstes reagiert, der sich seinerseits dazu geäussert hat. Das Politische kam hier also unmittelbar aus dem Kirchlichen. Bleibt noch die Frage, ob sich die Sprecherin ‘links’ geäussert hat: Die Sprecherin behandelt die Wortwahl im Umgang mit dem Thema Abtreibung. Zu rechtlichen und politischen Fragen bzgl. Abtreibung äussert sie sich nicht. Weder nimmt sie eine (wohl eher als ‘rechts’ einzuordnende) ablehnende Haltung ein, noch sprichts sie sich für eine Liberalisierung aus (was eher als ‘links’ gelten würde). Ihr Fokus liegt auf der Wortwahl (des Papstes und von Christinnen und Christen generell). Hier ruft sie zu behutsameren Sprechen auf, das nicht verurteilt, sondern in der Nachfolge Jesu steht.
1.12.2018, Urs Corradini (röm.-kath.), ‘Es guets nois Johr’ [2]
Die Sendung vom 1.12.2018 bezieht sich darauf, dass das Kirchenjahr bereits mit dem 1. Advent beginnt. Es nimmt also eine kirchliche Aktualität zum Thema. Hierbei benennt der Sprecher den Weihnachtsschmuck und die Lichterketten in den Städten und an den Häusern. Darin sieht er eine tief menschliche Sehnsucht nach Licht, die sich in der hiesigen Art und Weise Weihnachten bzw. andere Lichtfester wie Chanukka zu feiern widerspiegelt. Eine politische Botschaft kann ich nicht erkennen.
24.11.2018, Simon Gebs (ref.), ‘Wenn’s eng wird’ [3]
Der Sprecher beginnt damit, wie unübersichtlich und schwierig die Welt geworden ist und wie ratlos er zuweilen ist. Dabei nennt er Flüchtlinge und Klimawandel, aber nur als Aufzählung des Unübersichtlichen. Sodann berichtet er von seinen Erfahrungen als Notfallseelsorger und dem nötigen emotionalen Schutzraum, in den sich Menschen zuweilen zurückziehen müssen, um nicht vom Negativen überrollt zu werden. Er wendet dies dann auf unser aller Leben an, dass es beides braucht, nämlich Rückzug und Weltbezug. Er spricht sich klar dagegen aus, nur auf Rückzug zu setzen, weil damit die Gesellschaft Schaden nehmen würde. Weihnachten ist für ihn nicht Rückzug, sondern Zuwendung. Eine konkrete politische Aussage findet sich nicht. Es handelt sich um ein seelsorgerliches Wort, das den Einzelnen wie auch seine Verwobenheit im gesellschaftlichen Zusammenleben im Blick hat.
17.11.2018, Nathalie Dürmüller (ref.), ‘Mutige Frauen’ [4]
Die Sprecherin thematisiert die Benachteiligung von Frauen am Arbeitsplatz und die Frage um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Sie bezieht sich auf das aktuelle kirchliche Jubiläum von 100 Jahren Frauenordination, damit verknüpft sie gesellschaftliche Fragen mit einer kirchlichen Aktualität. Fragen der Schulbildung für Mädchen und des Zugangs von Frauen zu Universitäten sind gesellschaftlicher Konsens. Auch die Argumentation für die Berufstätigkeit von Müttern sowie das Schlagwort ‘Gleichberechtigung’ würde ich nicht als ‘links’ einordnen.
10.11.2018, Urs Corradini (röm.-kath.), ‘Leben und Sterben’ [5]
Der Sprecher äussert sich zu dem Widerspruch, dass einerseits alles getan wird, um Suizide zu verhindern, bis hin zum fürsorgerischen Freiheitsentzug. Andererseits aber Stimmen laut werden, die Hürden zur medizinischen Sterbehilfe zu senken. Er bezieht klar Position für das Leben. Eine politische Einordnung ist hier wohl weniger über ‘links’ oder ‘rechts’ als über ‘liberal’ oder ‘konservativ’ zu machen. Die Sendung bezieht sehr klar eine konservative Position.
Zusammenfassend halte ich fest, dass aus Sicht der Redaktion die Sendung das ihr zugesprochene Mandat erfüllt hat und bitte Sie, die Beanstandung von Herrn und Frau X zurückzuweisen.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Ich habe mir die fünf Folgen ebenfalls angesehen, und zwar genau. Dabei ist mir aufgefallen, dass sich eigentlich alle Sendungen darauf bezogen, was der Sinn von Religionen ist: Handlungsanweisungen zu geben für das individuelle und gemeinschaftliche Leben. Was sind denn die 10 Gebote von Moses anderes als ethische Regeln des Zusammenlebens? Was wollten die Thora, das Neue Testament oder der Koran anderes als den jeweiligen Völkern und Stämmen Handlungsanweisungen zu geben, wie sie ihr individuelles Leben und ihr gemeinschaftliches Leben meistern sollten? Damit sind religiöse Regeln gar nicht so weit entfernt von politischen Normen. Der Unterschied ist höchstens, dass Religionen immer auch auf das Jenseits bezogen sind, die Politik aber ausschliesslich das Diesseits ordnen will.
Gehen wir doch die fünf Kommentare zum Sonntag nochmals kurz durch:
- Urs Corradini deckte am 10. November 2018 den Widerspruch zwischen der Suizid-Erschwerung und der Sterbehilfe-Erleichterung auf. Sein Kommentar war ein Plädoyer für das Leben und eine Kritik an der zunehmenden Beliebigkeit, das eigene Leben fortzusetzen oder eben nicht.
- Nathalie Dürmüller verwies am 17. November 2018 auf den Beginn der Frauenordination bei den Reformierten 100 Jahre zuvor, betonte aber, dass die Gleichberechtigung der Geschlechter immer noch nicht voll erreicht sei. Vor Gott und vor dem Gesetz seien Mann und Frau gleich. Ihr Plädoyer galt dem Gleichwertigkeitsprinzip, das auch Jesus vertrat.
- Simon Gebs zeigte am 24. November 2018 auf, dass man sich in Krisen ins Vertraute zurückzieht und dort Schutz sucht, dann sich aber wieder öffnet und hinaus geht. Jesus habe vorgelebt, dass der Mensch Zuwendung braucht und Zuwendung gibt.
- Urs Corradini beschrieb am 1. Dezember 2018 zum Beginn des neuen Kirchenjahres die Sehnsucht der Menschen nach Licht und erwähnte die lichterfüllten Feste verschiedener Religionen.
- Veronika Jehle wandte sich am 8. Dezember 2018 als Katholikin direkt an Papst Franziskus und kritisierte seine Aussagen zur Homosexualität und zur Abtreibung. Ihr Beitrag war ein Plädoyer für Solidarität und Toleranz.
Was ist das Fazit daraus? Sämtliche fünf Beiträge behandelten Fragen des Lebens und des Zusammenlebens. Sie hätten insofern auch Themen der Politik sein können. Doch niemand verwies auf die Bundesverfassung, auf Gerichtsurteile oder auf ein Parteiprogramm. Wenn ein Verweis vorkam, dann war es ein Verweis auf Jesus. Vielleicht war der eine Beitrag ein bisschen mehr rechts, der andere ein bisschen mehr links, aber eine eindeutige, anhaltende Verpolitisierung und Linkslastigkeit, wie Sie es ankreiden, vermag ich nicht zu erkennen. Ich kann daher Ihre Beanstandung nicht unterstützen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
[1] https://www.srf.ch/sendungen/wort-zum-sonntag/lieber-papst-franziskus
[2] https://www.srf.ch/sendungen/wort-zum-sonntag/es-guets-nois-johr
[3] https://www.srf.ch/sendungen/wort-zum-sonntag/wenn-s-eng-wird
[4] https://wwwsrf.ch/sendungen/wort-zum-sonntag/mutige-frauen
[5] https://www.srf.ch/sendungen/wort-zum-sonntag/leben-und-sterbe
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