«Echo der Zeit»-Beitrag «Hip-Hop in Russland: Sex, Drugs and Politics» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 13. Dezember 2018 beanstandeten Sie die Sendung «Echo der Zeit» (Radio SRF), und zwar den Beitrag «Hip-Hop in Russland: Sex, Drugs and Politics» vom gleichen Tag im Speziellen[1] und die Berichterstattung von Russland-Korrespondent David Nauer im Generellen. Für die generelle Kritik nimmt Ihre Eingabe den Charakter einer Zeitraumbeanstandung an. Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Es ist mittlerweile stossend, wie mit konstanter Penetranz Herr Nauer undifferenziert über Russland berichtet. Wenn er sich von seinem Vorgänger, Herrn Gysling, im Tonfall und inhaltlich nicht unterscheidet, muss ich den Vorwurf erheben, dass die Sendung ‘Echo der Zeit’ und damit das Radio SRF sich klar auf den common mainstream journalism eingeschworen hat.

Kaum wird das Thema Russland im ‘Echo der Zeit’ behandelt, kann jeder Zuhörer schon erahnen, dass eine ganze Litanei von Kritik, Verunglimpfung und historisch nicht haltbaren Pseudotatsachen durch den Äther prasseln werden. Findet Herr Nauer in Moskau einen russischen Rapper der etwas gegen die Regierung hat, wird derselbe von Herrn Nauer als landesweit bekannter Regime-Kritiker emporstilisiert. Wenn Präsident Putin die ‘Pussy-Riot’ (die Übersetzung dieses Namens ist Programm und verrät aber auch die politische Motivation) aus nachvollziehbaren Gründen verhaftet und bestraft, dann fühlt sich das ‘Echo der Zeit’ aufgerufen, zur Rebellion gegen die Russische Regierung aufzurufen. Würde in einer amerikanischen Kirche in Utah oder New York so etwas vorkommen, würde die Polizei und das FBI vermutlich nicht weniger zimperlich einschreiten, mit dem Unterschied, dass dies keine Zeile in der Presse wert wäre. Die Reihe liesse sich beliebig fortsetzen.

Die politisch und historisch klar tendenziöse Stellungnahme gegen Russland ist unglaublich und beschämend. Das SRF muss sich den Vorwurf gefallen lassen politisch eine Klare Position auf Seiten der USA und der NATO eingenommen zu haben. Hierzu und ein paar Fakten: Die USA haben ein vielfaches mehr an Atomsprengköpfen, Flugzeugträger, Flugzeugträger als Russland. Während Russland einen einzigen Militärstützpunkt ausserhalb Russlands unterhält (Syrien) haben die USA deren 28, die über alle Kontinente verteilt sind. Als der letzte Staats- und Parteichef der Sowjetunion Gorbatschov die Grenzen öffnete und den Weg für mehr Freiheit ebnete, versprach ihm die USA, die NATO nicht nach Osten zu erweitern. Heute ist Russland damit konfrontiert, dass in den Baltischen Staaten, Tschechien und Polen riesige Militärbasen eingerichtet wurden, die mit gewaltigen Arsenalen an Raketen, Panzer und Kampfflugzeugen ausgestattet sind, die gegen Russland gerichtet sind. Das kümmert alles Herr Nauer und das ‘Echo der Zeit’ nicht, bzw. werden tunlichst verschwiegen. Herrn Nauer sind auch die 26 Millionen Russen, die im 2. Weltkrieg ihr Leben verloren keine Notiz wert. Dabei wäre es mehr als opportun, diesen Blutzoll des zweiten Weltkrieges einmal zu würdigen. Wenn die USA unter der 8-jährigen Regierung Obama im Durchschnitt 3 Bomben täglich irgendwo auf der Welt runterliessen, wird sich das ‘Echo der Zeit’ kaum darüber aufregen und schon gar nicht die USA einer Verletzung der UNO-Charta bezichtigen. Wenn aber die Syrische Regierung Russland zur Hilfe ruft um gegen die ‘Rebellen’ vorzugehen (was gemäss UNO-Charta legitim ist!) dann nimmt sich das "Echo der Zeit" sehr viel Zeit, diese Ungerechtigkeit zu Brandmarken.

Diese einseitige Berichterstattung im ‘Echo der Zeit’ zu Russland ist wirklich störend und setzt die Informationsqualität dieser Sendung empfindlich herab. Es würde mich sehr freuen, wenn sich die Sendung zu mehr Sachlichkeit und Unabhängigkeit verpflichten würde.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für das «Echo der Zeit» antwortete Herr Beat Soltermann, Redaktionsleiter der Sendung:

«Besten Dank für die Gelegenheit, Stellung zu nehmen zur Beanstandung von Herrn X. Er kritisiert die Russland-Berichterstattung unseres Korrespondenten David Nauer, die er als einseitig und undifferenziert bezeichnet. Er wirft der Sendung als Folge implizit eine Verletzung von Art 4 Radio- und Fernseh-gesetz (RTVG) vor, weil sie nicht sachgerecht berichte. Aus der Beanstandung wird nicht ersichtlich, ob Herr X mit dem Beitrag vom 13.12.2018 unzufrieden ist – oder mit der Russland-Berichterstattung im ‘Echo der Zeit’ ganz generell.

Gehen wir zunächst davon aus, dass sich die Beanstandung auf den spezifischen Beitrag ‘Hip-Hop in Russland: Sex, Drugs and Politics’ bezieht. Es handelt sich um ein Porträt des russischen Musikers ‘Face’, der auch in anderen deutschsprachigen Medien vorgestellt wurde. Herr X bemängelt, dieser werde als ‘landesweit bekannter Regime-Kritiker emporstilisiert’. Fakt ist, dass ‘Face’ sich in seinem Liedgut kritisch mit der russischen Politik auseinandersetzt und dass er in Russland ein bekannter Künstler ist. Wie tut er das? Unter welchen Bedingungen? Mit welcher Resonanz? Das waren Fragen, die uns relevant erschienen und im Porträt beantwortet werden. ‘Face’ wird dabei in all seinen Widersprüchen gezeigt, von einer Emporstilisierung ist nichts zu hören. Das Porträt steht deshalb nach unserer Ansicht nicht im Widerspruch zu Art 4. RTVG.

Bezieht sich die Beanstandung hingegen auf die gesamte Berichterstattung, sind die Regeln der ‘Zeitraumbeanstandung’ relevant. Eine solche Beanstandung muss sich gegen mehrere Sendungen richten, die in einem sachlichen Zusammenhang zueinanderstehen. Zudem bezieht sie sich stets auf einen vom Gesetzgeber definierten Zeitraum: Die erste der beanstandeten Sendung darf nicht länger als drei Monate vor der letzten zurückliegen – wobei die Eingabefrist von 20 Tagen mit der Ausstrahlung der letzten beanstandeten Sendung zu laufen beginnt, im vorliegenden Fall also am 13.12.2018. Ich habe deshalb alle Beiträge, die unser Russland-Korrespondent David Nauer zwischen dem 1.9. und 13.12.2018 fürs ‘Echo der Zeit’ produziert hat, heraussuchen lassen.

Hier ist die Liste:

  • Der ukrainische Filmemacher Oleg Senzow ist seit 120 Tagen im Hungerstreik
  • Brachiales Vorgehen des Geheimdienstes schadet Russland. Analyse
  • Russlands Starregisseur auf der Anklagebank: Kirill Serebrennikow. Eigenbericht und Moderationsgespräch
  • Kein Terroranschlag auf der Krim
  • Georgien: Russlands kriechende Annexion
  • Russland: Den Stalin-Opfern einen Namen geben
  • Inguschetien: Volksaufstand im Kaukausus;
  • Russland-Ukraine: Gefährliche Spannungen im Asow’schen Meer. Eigenbericht
  • Salome Surabischwili wird erste Präsidentin Georgiens
  • Hip-Hop in Russland: Sex, Drugs and Politics

Es handelt sich um eine Sammlung kritischer, fairer und sachgerechter Berichte, die thematisch und formell sowohl von der Aktualität wie einer eigenen Themensetzung geprägt ist. Im Gegensatz zur Behauptung von Herrn X kommen die ‘Pussy Riot’, die NATO und der Zweite Weltkrieg übrigens nicht vor.

Herr X wirft dem ‘Echo der Zeit’ und Radio SRF zudem vor, ‘sich klar auf den common mainstream journalism eingeschworen’ zu haben. Was er damit meint, erschliesst sich uns nicht. Das ‘Echo der Zeit’ berichtet im von der Bundesverfassung, RTVG und weiteren Erlassen vorgegebene Rahmen und im Einklang mit den publizistischen Leitlinien der SRG und von SRF.

Weiter führt er aus, es sei eine <Litanei von Kritik, Verunglimpfung und historisch nicht haltbaren Pseudotatsachen> zu hören. Auch hier: Was genau meint Herr X? Wir erkennen darin reine Meinungsäusserungen, die mit keinen Fakten unterlegt werden. Deshalb ist für uns schwierig nachvollziehbar, worauf sich die Kritik bezieht.

Schliesslich findet Herr X, dass das ‘Echo der Zeit’ die USA ‘schon gar nicht’ einer Verletzung ‘der UNO-Charta ‘bezichtigen’ würde. Auch diese These ist falsch. Als ehemaliger USA-Korrespondent habe ich zum Beispiel mehrfach über Obamas ‘heimlichen’ Drohnenkrieg und die damit verbundene Menschenrechtsproblematik berichtet – auch im ‘Echo der Zeit’. Ein weiteres Beispiel wäre unsere kritische Berichterstattung zu Guantanamo.

All diese Kritikpunkte sind mit anderen Worten unserer Ansicht nach nicht stichhaltig. Wir sind folglich überzeugt, dass unsere Berichterstattung über Russland nicht gegen Art. 4 RTVG verstösst. Wir bitten Sie daher, sehr geehrter Herr Blum, die Beanstandung abzulehnen.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Ich habe mir die Mühe gemacht, acht Beiträge von Russland-Korrespondent David Nauer nachzuhören, nämlich – neben der von Ihnen direkt beanstandeten Sendung vom 13. Dezember 2018 über den russischen Musiker «Face» - die folgenden Beiträge im Rahmen Ihrer Zeitraumbeanstandung:

  • Wie geht es Oleg Senzow? (11.9.2018)[2]
  • Brachiales Vorgehen der Geheimdienste (9.10.2018)[3]
  • Russlands Starregisseur auf der Anklagebank (16.10.2018)[4]
  • Kein Terroranschlag auf der Krim (17.10.2018)[5]
  • Georgien: Russlands kriechende Annexion (23.10.2018)[6]
  • Den Stalin-Opfern einen Namen geben (29.10.2018)[7]
  • Inguschetien: Volksaufstand im Kaukasus (8.11.2018)[8]

Am Beispiel dieser Beiträge habe ich Ihre Vorwürfe untersucht, dass nämlich David Nauer und das «Echo der Zeit» über Russland undifferenziert und tendenziös berichteten, dass jeder Beitrag eine Litanei von Kritik, Verunglimpfungen und Pseudotatsachen enthalte, und dass das Sendegefäß zur Rebellion gegen die russische Regierung aufrufe. Dabei bin ich zu zwei Schlussfolgerungen gelangt:

1. Jeder einzelne Beitrag von David Nauer ist in sich sachgerecht. Er behandelt die Themen kompetent und differenziert. Er analysiert kenntnisreich, cum grano salis. Und das bedeutet, dass er die russischen Behörden mit Kritik nicht verschont, aber er verunglimpft niemand und ruft schon gar nicht zur Rebellion gegen die russische Regierung auf. Beitrag für Beitrag komme ich daher zum Schluss, dass kein Verstoß gegen das Radio- und Fernsehgesetz vorliegt und dass ich Ihre Beanstandung nicht unterstützen kann. Und dies möchte ich mit der Beobachtung verbinden, dass Sie Russland realitätswidrig idealisieren. Vielleicht sollten Sie mal darüber nachdenken, wie stark die aktuelle Regierung der Russischen Föderation die Demokratie unterminiert, indem sie das Parlament gängelt, die Justiz zu politischen Urteilen zwingt sowie die Rechte der Opposition, der Regionen, der Minderheiten und der Nicht-Regierungsorganisationen und faktisch auch die Medienfreiheit einschränkt. Sie sollten sich daran erinnern, welchen grausamen Krieg Russland gegen die Tschetschenen geführt hat, wie skrupellos russische Truppen in Südossetien, auf der Krim und in der Ostukraine vorgegangen sind und wie bedenkenlos Präsident Putin die syrische Regierung von Präsident Assad unterstützt, die ihr eigenes Volk systematisch mordet. Damit will ich nicht behaupten, dass die USA Engel sind. Es war meines Erachtens falsch, die Nato nach Osten zu erweitern. Die beiden ehemaligen Gegner des Kalten Krieges sind beide hemmungslos in ihren Geheimdienst- und Militäraktivitäten; man muss indes auf einem Auge blind sein, wenn man die Lügen und Gemeinheiten und Verbrechen nur auf der einen Seite sieht.

2. Gleichzeitig fiel mir auf, dass die Themenwahl von David Nauer stark von der Opposition gegen die russische Zentralmacht geprägt ist. Der Musiker «Face», der Filmemacher Oleg Senzow und der Starregisseur Kirill Serebremikow sind Kritiker der Regierung Putin, die Beiträge über die Geheimdienste, über die georgisch-südossetische Grenze und über Inguschetien berührten Themen und Brandherde, die zu Kritik am Kreml Anlass gaben. Selbst die Gedenkveranstaltung für die Stalin-Opfer war eine «oppositionelle» Veranstaltung, weil der russische Staat mittlerweile den Massenmörder Josip Stalin eher glorifiziert als verurteilt. Da war der Mittäter Nikita Chruschtschow mit seiner «Abrechnung mit Stalin» 1956 am XX. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) konsequenter als der Nachfolger Wladimir Putin! Daraus ergibt sich, dass sieben von acht Beiträgen des Russland-Korrespondenten von der Themenwahl her einen oppositionellen Touch hatten. Dies ist insofern nachvollziehbar, als die russische Regierung in vielfacher Hinsicht Grund zur Kritik gibt. Dennoch richte ich die Empfehlung an die Redaktion und an den Russland- Korrespondenten, auch Gegengewichte zu setzen, auch zu zeigen, wo die aktuelle Regierung das Land modernisiert, voranbringt, wo sie den Menschen das Leben erleichtert und inwiefern sie sich das Vertrauen der Bevölkerung erwirbt. Das muss nicht zu einer Putin-Glorie werden, aber ein paar andere Akzente wären unbedingt wünschbar.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

[1] https://www.srf.ch/sendungen/echo-der-zeit/kommt-der-frieden-in-jemen

[2] https://www.srf.ch/sendungen/echo-der-zeit/ist-ungarn-noch-ein-rechtsstaat

[3] https://www.srf.ch/sendungen/echo-der-zeit/karin-keller-sutter-will-in-den-bundesrat

[4] https://www.srf.ch/sendungen/echo-der-zeit/meinungsumschwung-bei-der-credit-suisse

[5] https://www.srf.ch/sendungen/echo-der-zeit/freie-wahl-beim-strombezug

[6] https://www.srf.ch/sendungen/echo-der-zeit/italien-budget-2019-zurueck-an-den-absender

[7] https://www.srf.ch/sendungen/echo-der-zeit/beginn-einer-neuen-politischen-aera-in-deutschland

[8] https://www.srf.ch/sendungen/echo-der-zeit/trump-zwingt-justizminister-jeff-sessions-zum-ruecktrit

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