Zunehmender Auftritt von ARD-Korrespondenten bei SRF beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 31. Dezember 2018 beanstandeten Sie, dass in Radio und Fernsehen SRF zunehmend ARD-Korrespondenten zum Zuge kämen. Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Meine Beanstandung vom 1.11.2017, wonach ARD-Beiträge in zunehmendem Masse in die Informationskanäle der SRG einfliessen, ist von verantwortlicher Seite beschönigt oder gar ignoriert worden.

Nun zeigt sich aber in letzter Zeit, vor allem in Nachrichtensendungen ab 23 Uhr und über die Feiertage, dass die ARD z.T. fast flächendeckend Auslandbeiträge in unsere Informationssendungen einspeist, was mich mehr und mehr befremdet, gibt es doch darunter auch Sprecherinnen und Sprecher, welche mit ihrem Staccato-Rhythmus und ihrer mundartlich gefärbten Diktion doppelt als Fremdkörper wirken. Dass es sich dabei um Sparmassnahmen handelt, wurde in Abrede gestellt. Was ist es denn sonst? Mangelt es an einheimischem journalististischem Nachwuchs? Das bestimmt nicht, wenn man bedenkt, wie rigoros im Printbereich heutzutage Stellen zusammengestrichen werden. Ich bitte Sie um eine ehrliche, glaubwürdige Stellungnahme.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für Radio SRF antwortete Herr Fredy Gsteiger, stellvertretender Chefredaktor von Radio SRF:

«Besten Dank für die Gelegenheit, Stellung zu nehmen zur Beanstandung von Herrn X. Herr X kritisiert, dass in manchen Informationssendungen, besonders in den Nachrichten und über die Jahreswende, Berichte von ARD-Korrespondenten zu hören waren.

Die Feststellung von Herrn X entspricht den Tatsachen. Zwar hat Radio SRF in den vergangenen zehn Jahren das Auslandkorrespondentennetz deutlich aufgestockt. Zum einen, indem neue Posten geschaffen wurden, etwa für Südostasien oder für Südasien. Zum andern, indem auf bestehenden Posten das Pensum der jeweiligen Korrespondenten erhöht wurde, so in Osteuropa, in Grossbritannien oder in Lateinamerika. Das heisst, wir verfügen für einen kleinen und überdies sprachregional fragmentierten Rundfunkmarkt wie die Schweiz über ein ansehnliches Netz von gegen zwanzig eigenen Korrespondenten. In anderen Kleinstaaten, etwa in Österreich, Belgien oder Schweden, ja selbst in grösseren Ländern wie Kanada ist das längst nicht immer der Fall – weder im öffentlichen Radio und Fernsehen noch bei privaten Medien. Unsere Korrespondenten sind ausserdem intensiv im Einsatz, liefern häufig jede Woche mehrere, mitunter gar mehr als ein Dutzend Beiträge und sorgen dafür, dass das Publikum von Radio SRF einen ‘Schweizer Blick auf die Welt’ erhält.

Anders als bei den ganz grossen Rundfunkanstalten wie der britischen BBC oder der deutschen ARD fehlen uns hingegen die Mittel, unsere Posten doppelt oder gar dreifach zu besetzen, also ein eigenes Stellvertretersystem zu etablieren, das jahraus jahrein eine Rundum-Berichterstattung sicherstellen könnte. Bei uns gibt es pro Auslandposten jeweils bloss einen einzigen Stelleninhaber oder eine Stelleninhaberin. Und die kann naturgemäss nicht 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr arbeiten. Es gibt also, bedingt durch Ferien oder Krankheiten, aber auch aufgrund von Abwesenheiten wegen Recherchereisen und Reportagen immer wieder Momente, an denen unsere eigenen Berichterstatter nicht verfügbar sind.

Wir setzen unsere eigenen Korrespondenten in erster Linie in den publikumsstarken Sendungen, also etwa im ‘Echo der Zeit’, im ‘Rendezvous’ oder in der Frühsendung ‘Heute Morgen’ ein, also zu den reichweitenstärksten Zeiten. Das heisst aber, dass in weniger intensiv genutzten Sendungen am Wochenende, am späteren Abend oder auf SRF4 News häufig auf andere Journalisten ausgewichen werden muss. Um dennoch eine seriöse Berichterstattung zu gewährleisten, schlossen wir deshalb vor vielen Jahren einen Zusammenarbeitsvertrag mit der ARD ab. Er erlaubt es uns, Beiträge von ARD-Kolleginnen und -Kollegen zu verwenden – umgekehrt darf die ARD Berichte unserer Korrespondenten verwenden. Die ARD ist seit Jahrzehnten ein anerkannter Anbieter von qualitativ hochwertigem Auslandjournalismus.

Wir bitten Sie daher, sehr geehrter Herr Blum, die Beanstandung von Herrn X abzulehnen. Denn so richtig die Beobachtung ist, dass wir auch Beiträge von Korrespondenten senden, die nicht zu unserem eigenen Mitarbeiterstab gehören, so unvermeidlich ist auch die Feststellung, dass es unsere finanziellen Rahmenbedingungen schlicht nicht erlauben, die gesamte Auslandberichterstattung in sämtlichen Sendungen rund um die Uhr mit eigenen Mitteln zu bestreiten.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Situation. Sie schreiben, dass Ihre Beanstandung vom 1. November 2017 «von verantwortlicher Seite beschönigt oder gar ignoriert worden» sei. Sie meinen wahrscheinlich, dass die Beanstandung ignoriert und die Situation beschönigt worden sei. Ich möchte dem entschieden widersprechen: Ihre Beanstandung ist nicht ignoriert worden, sondern sie wurde behandelt und Sie erhielten eine ausführliche Antwort.[1] Bitte lesen Sie den Schlussbericht nochmals genau durch. Sowohl Herr Gsteiger wie ich haben sich mit Ihrer Kritik ernsthaft auseinandergesetzt. Beschönigt haben wir gar nichts, im Gegenteil: Schon damals wurde festgestellt, dass der Einsatz von ARD-Korrespondenten eine Tatsache ist und dass dies mit den Ressourcen zusammenhängt. Ich habe im Grunde dem damals Gesagten nichts hinzuzufügen.

Auf zwei Punkte möchte ich dennoch hinweisen:

  1. Die ARD ist eine renommierte Rundfunk-Anstalt. Sie beschäftigt Journalistinnen und Journalisten, die hohen Qualitätskriterien genügen. Das Schweizer Publikum wird daher dann, wenn ARD-Korrespondentinnen oder -Korrespondenten ihre Schweizer Kolleginnen und Kollegen vertreten, mit genau so seriösem und sorgfältigem Journalismus bedient wie sonst.
  2. Moderne Journalistinnen und Journalisten wissen, dass sie sich auf das Zielpublikum einstellen müssen. Deutsche Korrespondentinnen und Korrespondenten sind daher in der Lage, auf spezifische Schweizer Anliegen einzugehen. Das können Deutsche oft besser als Schweizer, die nicht über den eigenen Horizont hinaussehen. Früher war es vielen Journalisten egal, ob sie verstanden werden. Wenn in den sechziger Jahren Rudolf Palm im Schweizer Radio über das baselstädtische Parlament berichtete und von einem «Anzug» und von der «VEW» sprach, dann meinte er mit den beiden Begriffen nicht ein Kleidungsstück und nicht Volkseigene Werke, sondern vielmehr Spezifika der Basler Politik: «Anzug» hieß im dortigen parlamentarischen Betrieb die Motion, VEW war die Abkürzung für die «Vereinigung Evangelischer Wähler», die anderswo EVP hieß. Es war jedenfalls sichergestellt, dass ennet des Juras niemand verstand, wovon Palm sprach.

Ich hoffe, dass das Motiv für Ihre zwei Beanstandungen in der gleichen Sache nicht nationalistischer Natur ist. Jedenfalls kann ich die neuerliche ebenso wenig unterstützen wie die erste, zumal sich ja nichts an der Ausgangslage geändert hat.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

[1] https://www.srgd.ch/de/aktuelles/news/2017/12/05/einsatz-von-ard-korrespondenten-bei-radio-srf-beanstandet/

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